29. Oktober 2025
Open Finance: Kundenerwartungen und Bankenfokus
Von Dr. Urs Blattmann und Dr. Thomas Fischer
Open Finance schreitet in der Schweiz voran: Erste Banken ermöglichen auch Privatkundinnen und -kunden einen konsolidierten Überblick über alle Konten. Doch was erwartet die Kundschaft tatsächlich von Open Finance – einen reinen Kontenüberblick oder zusätzliche Funktionen darüber hinaus? Mit einer Befragung von rund 1’000 Personen geht die IFZ-Studie Open Finance 2025 dieser Frage nach. Im folgenden Beitrag werden die zentralen Erkenntnisse vorgestellt.
In der Schweiz fördern mehrere Open Finance Initiativen den Datenaustausch zwischen Banken und FinTechs. Als wichtigen Meilenstein dieser Aktivitäten kann festgestellt werden, dass erste Schweizer Banken ihren Privatkundinnen und -kunden bald einen konsolidierten Kontenüberblick ermöglichen, nachdem dies im Firmenkundengeschäft schon seit länger Zeit möglich ist. Andere Länder insbesondere auch in Asien sind hier schon deutlich weiter. Gemäss Swissbanking bietet Open Finance ein grosses Potenzial und wird die Bankenbranche nachhaltig beeinflussen und verändern. Dabei werden letztlich die Kundenbedürfnisse entscheiden, in welcher Form Open Finance in der Schweiz umgesetzt und weiterentwickelt wird.
Basierend auf dieser Ausgangslage hat das Institut für Finanzdienstleistungen mit einer repräsentativen Befragung bei rund 1000 Bankkundinnen und -kunden deren Bedürfnisse und Erwartungen für die Zukunft ermittelt.
Kundenbedürfnis: Eine zentrale Super-App für Bankgeschäfte und mehr
Was in Asien mit WeChat und Alipay schon länger Standard ist, dass nämlich mit einer einzigen App alle Bank- und Versicherungsgeschäfte erledigt und darüber hinaus auch eine Vielzahl weiterer Dienstleistungen bezogen werden können, wird auch von Schweizer Bankkundinnen und -kunden gewünscht. Nach ihrer Zustimmung zur Aussage «Ich würde es schätzen, wenn ich alle meine Bank- und Versicherungsgeschäfte bei allen Instituten mit nur einer App erledigen könnte», haben sich die Befragten wie folgt geäussert (vgl. Abbildung 1):

Abbildung 1: Bedürfnis nach einer einzigen App für Bank- und Versicherungsgeschäfte
Die Resultate zeigen, dass es 42% der Befragten schätzen würden, alle Bank- und Versicherungsgeschäfte mit nur einer App erledigen zu können. 30% lehnen dies ab. Die verbleibenden 28% sind unentschieden, respektive haben dazu noch keine Meinung. Mit zunehmendem Alter sinkt die Zustimmung tendenziell. Die höchste Zustimmung für eine App für alle Bank- und Versicherungsgeschäfte existiert im Tessin (49%). Die Antworten sind bei Frauen und Männern nahezu identisch und auch bei unterschiedlichen Vermögen der Befragten existieren praktisch keine Unterschiede.
Die Ergebnisse zeigen, dass eine zentrale Verwaltung und Abwicklung aller Bank- und Versicherungsgeschäfte mit einer einzigen App ein Kundenbedürfnis darstellen. Gleichzeitig fällt auf, dass der Anteil der Personen, die diesbezüglich keine klaren Präferenzen äussern, mit 28% recht hoch ist. Nach Einschätzung der Autoren dürften dazu insbesondere zwei Gründe beigetragen haben: Zum einen muss beachtet werden, dass ein Teil der Befragten Mühe hat, sich den Nutzen einer noch nichtexistierenden Lösung vorzustellen, zum andern verfügen 30% der Befragten über nur eine Bankbeziehung. Die mit dem Alter tendenziell abnehmende Zustimmung ist wohl auf eine mit dem Alter wachsende Skepsis gegenüber Neuerungen zu erklären. Nach Einschätzung der Autoren besteht jedoch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine solche App, wenn sie auf dem Schweizer Markt ist, auch von noch unentschlossenen und skeptischen Kundinnen und Kunden genutzt werden würde – insbesondere wenn der Funktionsumfang über die heutigen Angebote hinausgeht.
Neue Funktionalitäten sollen administrativen Aufwand reduzieren
Bezüglich neuer Funktionalitäten in den Finanzkernbereichen liegen die wichtigsten Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden bei der Vereinfachung, der Strukturierung, Verwaltung und Ablage von Dokumenten, beim Handling von Rechnungen und Belegen sowie der Übersicht über die Vermögenssituation. Dabei wird die einfache Aufbereitung von Rechnungen und Belegen sowie die strukturierte Ablage von Dokumenten am höchsten bewertet. Auffallend ist, dass jüngere Erwachsene (<40 Jahre) mit mittlerem oder höherem Vermögen alle Kernfunktionen überdurchschnittlich positiv bewerten. Befragte ab 60 Jahre sind unabhängig vom Vermögen zurückhaltender in ihrer Einschätzung.
Interessant ist, dass die Kundinnen und Kunden darüber hinaus auch eine Vielzahl von zusätzlichen Funktionen schätzen würden, wie Abbildung 2 zeigt. Die Befragten hatten hier die Frage „Wie nützlich wären für Sie die folgenden Zusatzfunktionen vereint in einer einzigen App?“ beantwortet.

Abbildung 2: Nützlichkeit von Zusatzfunktionen in einer einzigen App
Die nützlichsten Funktionen aus Sicht der Befragten sind das automatische Ausfüllen der Steuererklärung resp. des Wertschriftenverzeichnisses sowie die automatisierte und strukturierte Ablage aller Verträge. Auch die zentrale Verwaltung von Abos inkl. Optimierungstipps sowie automatischer Nutzung von Rabatt- oder Cashback-Programmen und weitere Vereinfachungen beim Bezahlen von Rechnungen oder passende Angebote von Finanzprodukten werden von Kundinnen und Kunden geschätzt. Ähnlich wie bei den Kernfunktionen kann auch hier festgestellt werden, dass jüngere Erwachsene mit mittlerem oder höherem Vermögen besonders positiv eingestellt sind, während ältere Erwachsene zurückhaltender sind.
Für Banken und Versicherungen bedeutet dies, dass ihre Kundinnen und Kunden Bedürfnisse haben, welche über reine Finanzprodukte hinausreichen. Dabei sind die wichtigsten Kundenbedürfnisse offensichtlich diejenigen, welche eine wesentliche Erleichterung von als lästig empfunden Aufgaben und administrativen Tätigkeiten bringen. Es bieten sich hier somit Chancen, auf der Basis von Open Finance und KI Lösungen mit einem echten Mehrwert für die Kunden zu entwickeln. Nach Einschätzung der Autoren sind Banken und Versicherungen aufgrund des Vertrauensbonus, der auch in dieser Studie bestätigt wurde, prädestiniert, diese Kundenbedürfnisse zu befriedigen.
Bankensicht: Zu technisch, zu wenig kundenfokussiert und zu kurzfristig
Ergänzend zur Kundensicht wurden mit einigen Banken verschiedener Grösse Interviews durchgeführt, um beurteilen zu können, wo der aktuelle Fokus der Banken liegt. Die Feedbacks waren weitgehend übereinstimmend und führten zur zusammenfassenden Feststellung, dass die Banken derzeit allzu sehr mit der operativen Umsetzung von Open Finance beschäftigt sind. Hierbei haben die Realisierung von technischen Lösungen sowie von kurzfristigem, bankeigenem Nutzen, etwa in Form von Automatisierung und den sich daraus ergebenden Kosteneinsparungen, aktuell Vorrang.
Die Autoren kommen deshalb zum Schluss, dass sich Banken mit einer Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse sowie auf das grosse Potenzial von Open Finance echte Zukunftschancen bieten. Eine Erschliessung dieses Potenzials setzt jedoch voraus, dass Banken in ihrer Strategie ein klares Bild ihrer Zukunft entwerfen. Sie haben dabei die Wahl entweder weiter wie bisher den Blick auf eigene Finanzprodukte und deren Vertrieb über eigene Kanäle zu richten oder den Fokus vermehrt auf Kundenbedürfnisse und in der Folge auf erweiterte Dienstleistungen zu richten, die über Finanzprodukte hinausgehen und Mehrwert für Kundinnen und Kunden schaffen. Dieser Weg wird Kooperationen mit Dritten für Angebote und Vertrieb unabdingbar machen.
Fazit
Bankkundinnen und -kunden wünschen sich für die Zukunft eine Vereinfachung des Lebens. Dazu gehört zum einen das Handling der Finanzgeschäfte beispielsweise mit einer einzigen App, aber auch der Verträge, Daten oder der Steuerklärung sowie weiterer administrativer Tätigkeiten. Im Wettbewerb um die Befriedigung dieser Kundenbedürfnisse befinden sich Banken und Versicherungen mit ihrem Vertrauensbonus in einer guten Ausgangslage. Allerdings sind viele Banken derzeit sehr mit der operativen Umsetzung und der Erreichung kurzfristiger Ziele beschäftigt. Um das grosse Potenzial, das Open Finance insbesondere in Verbindung mit KI bietet, zu nutzen müssen die strategischen Weichen richtig gestellt und die Kundenbedürfnisse ins Zentrum des eigenen Denkens und Handels gestellt werden.
Die IFZ Studie Open Finance 2025 kann hier – Dank der wertvollen Unterstützung durch die Sponsoren Eraneos, Finnova, SIX/bLink, Swiss Banking und Synpulse – unentgeltlich eingesehen und heruntergeladen werden: https://blog.hslu.ch/bankingservices/ifz-studie-open-banking/
Das IFZ setzt sich in verschiedenen Bereichen mit der Zukunft der Finanzbranche, Open Finance und KI auseinander. Im Rahmen einer neu lancierten ‘Smart Finance Initiative’ soll zusammen mit Banken und Organisationen im Umfeld der Finanzbranche aufgezeigt werden, wie sich Gesellschaft und Geschäftsmodelle verändern und welche Konsequenzen sich im Hinblick auf die Strategien von Finanzunternehmen ergeben. Institute, die dazu mehr Informationen wünschen und allenfalls daran interessiert sind, mitzuwirken und zu profitieren, können gerne die Initiatoren kontaktieren: urs.blattmann@hslu.ch, thomas.fischer@hslu.ch
22. Oktober 2025
ETFs auf dem Vormarsch: Speziell die junge Generation greift zu
Von Dr. Brian Mattmann, Prof. Dr. Karsten Döhnert, Prof. Dr. Jürg Fausch und Angelo Gattlen
Der Markt für börsengehandelte Fonds (Exchange-Traded Funds, kurz ETFs) wächst stark und prägt zunehmend die Schweizer Fondslandschaft. Seit 2021 fliessen Neugelder bevorzugt in ETFs statt in klassische Anlagefonds. Das zeigt die neue «ETF-Anlegerstudie Schweiz 2025» der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit Finanzen.ch. Die Studie stellt die erste umfassende Untersuchung zum Anlageverhalten, Wissensstand und Kostenbewusstsein von Schweizer ETF-Anlegern dar.[1] In diesem Blog-Beitrag zeigen wir, wer in der Schweiz in ETFs investiert.
ETFs gewinnen im Schweizer Fondsmarkt zunehmend an Bedeutung. Sie machen mit rund 1’500 Produkten zwar erst 16 Prozent aller Publikumsfonds aus, doch seit 2021 fliesst der Grossteil der Neugelder in ETFs (vgl. Abbildung 1). Und dieser Trend dürfte anhalten: 87 Prozent der heutigen ETF-Anleger wollen ihr Engagement in den nächsten zwei Jahren ausbauen, und gleichzeitig plant ein Drittel der bisherigen Nicht-ETF-Nutzer erstmalig in ETFs zu investieren. Man kann diese Entwicklung als einen schleichenden Paradigmenwechsel im Anlageverhalten der Schweizer Retailanleger bezeichnen.

Abbildung 1: Neugeldallokation in Schweizer Publikumsfonds.
31 Prozent der Schweizer Anleger besitzt ETF-Anlagen
58 Prozent der erwachsenen Schweizer Bevölkerung verfügt derzeit über Finanzanlagen. Unter diesen Anlegern besitzen 31 Prozent ETF-Anlagen (vgl. Abbildung 2). Die ETF-Durchdringung unter Schweizer Anlegern ist damit noch begrenzt. ETFs sind in Schweizer Anlageportfolios noch nicht als Standardprodukt etabliert.

Abbildung 2: Ein Drittel der Schweizer Investoren besitzt ETFs.
Die Schweizer ETF-Anleger sind überwiegend jung, männlich und gut gebildet
Zwischen ETF-Anlegern und Nicht-ETF-Anlegern zeigen sich markante Unterschiede: ETF-Investoren sind jünger als 45 Jahre, mehrheitlich männlich und verfügen über einen höheren Bildungsstand. Besonders auffällig ist die Altersstruktur der ETF-Kohorte (vgl. Abbildung 3): 59 Prozent der ETF-Anleger in der Schweiz sind jünger als 45 Jahre, fast jeder Fünfte (19 Prozent) sogar unter 30. Bei den Nicht-ETF-Anlegern, die 69 Prozent der Gesamtanleger ausmachen, zeigt sich hingegen das umgekehrte Bild: 60 Prozent sind älter als 44 Jahre, und knapp ein Drittel (31 Prozent) zählt bereits zur Gruppe 60 plus.

Abbildung 3: Die Altersverteilung von ETF-Anleger vs. Nicht-ETF-Anleger
Jüngere Investoren bevorzugen ETFs, ältere Anleger klassische aktive Anlagefonds
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass ETFs vor allem bei jüngeren Anlegern beliebt sind. Abbildung 4 verdeutlicht dies: 40 Prozent der unter 45-Jährigen investieren in ETFs, während dies bei den über 45-Jährigen nur auf 24 Prozent zutrifft. Letztgenannte bevorzugen klassische aktive Anlagefonds deutlich stärker, während Direktanlagen wie Aktien altersunabhängig zu den favorisierten Anlageformen zählen.
Für Schweizer Banken ist dies von Bedeutung, da insbesondere die jüngere Kundschaft eine ausgeprägte Präferenz für ETF-Anlagen zeigt. Dabei handelt es sich um ein Produktsegment, dessen Angebotsstruktur auf dem Schweizer Fondsmarkt derzeit noch eher Nischencharakter besitzt.

Abbildung 4: Jüngere Investoren bevorzugen ETFs gegenüber klassischen Anlagefonds. Nicht so ältere Anleger.
Junge ETF-Anleger: Nutzung digitaler Vertriebskanäle, Präferenz für Selbstverwaltung und Online-Banken
Auffällig ist zudem, dass Jüngere ETF-Anleger deutlich häufiger über ihr persönliches Umfeld auf ETFs aufmerksam werden, was darauf hindeutet, dass Finanzanlagen oft im Bekanntenkreis thematisiert werden. Zudem spielen im Vertrieb von ETFs für jüngere Investoren digitale Kanäle wie Finanzportale und Blogs eine zentrale Rolle, während ältere ETF-Anleger deutlich stärker auf Bankberater und die klassische Finanzpresse setzen. Darüber hinaus halten 64 Prozent der ETF-Anleger ihre Anlagen in einem selbstverwalteten Portfolio. Online-Banken nehmen hierbei eine Schlüsselrolle ein: 49 Prozent der ETF-Investoren tätigen ihre ETF-Investments über eine solche Bank. Sämtliche dieser Merkmale sind beim durchschnittlichen Schweizer Anleger deutlich weniger stark ausgeprägt.
Fazit
ETFs gewinnen in der Schweiz an Bedeutung, auch wenn bisher nur rund ein Drittel der Anleger in diese Anlageform investiert. Besonders junge, gut gebildete und männliche Investoren prägen diese Entwicklung und bevorzugen ETFs deutlich stärker als ältere Anleger, die nach wie vor klassische Anlagefonds wählen. Der Vertrieb von ETFs erfolgt dabei häufig über digitale Kanäle und Online-Banken. Für Schweizer Retailbanken und Finanzanbieter eröffnet sich damit ein wachsendes Potenzial in einem Marktsegment, das sich perspektivisch von der Nische zum Mainstream entwickeln dürfte. Produktanbieter, die dieses Segment ansprechen möchten, sollten berücksichtigen, dass sich diese Anleger in ihrer Struktur, ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen unterscheiden. Die ETF-Anlegerstudie 2025 liefert dazu Erkenntnisse für eine gezielte Marktbearbeitung.
[1] Finanzen.ch hat die Studie bei der HSLU beauftragt. Dazu wurde vom 29. April bis 8. Mai 2025 mit dem Schweizer Marktforschungsinstitut intervista eine repräsentative Umfrage unter 3’460 Personen im Alter von 18 bis 75 Jahren in der Deutsch- und Westschweiz durchgeführt. Die Repräsentativität bezieht sich auf Alter, Geschlecht und Sprachregion. Die Studie ist digital auf der Webseite der HSLU sowie in einer webbasierten Version auf Finanzen.ch verfügbar.
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13. Oktober 2025
Raiffeisen und das Anlagegeschäft: Depotvolumen im Zeit- und Kantonsvergleich
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein
Raiffeisen erzielt nach wie vor rund drei Viertel ihrer Erträge aus dem Zinsdifferenzgeschäft. Gleichzeitig verzeichnet die Bankengruppe in den letzten Jahren ein deutliches Wachstum bei den Depotvolumen. Im Marktvergleich bleiben diese Volumen jedoch weiterhin auf tiefem Niveau – der Marktanteil ist noch immer gering. Unsere Analyse zeigt nicht nur die zeitliche Entwicklung, sondern auch deutliche Unterschiede zwischen den Kantonen. Besonders in der Innerschweiz fallen die Werte überraschend hoch aus, während in einigen bevölkerungsreichen Regionen noch deutliches Aufholpotenzial besteht.
Das Geschäftsmodell von Raiffeisen ist traditionell stark vom Zinsdifferenzgeschäft geprägt. Die letzten Jahre mit zuerst steigenden und danach wieder sinkenden Zinsen haben verdeutlicht, wie stark die Erträge kurzfristig von der Zinsentwicklung abhängen. Zuerst führten die steigenden Zinsen zu einem kräftigen Gewinnschub, inzwischen sorgen sinkende Zinsen wieder für Gegenwind. Dazu kommt, dass Wachstum im Kreditgeschäft stets eine entsprechende Eigenkapitalbasis erfordert – und Eigenkapital ist bei vielen Banken ein knappes Gut. Gleichzeitig braucht es genügend Kundengelder und Liquidität, um das Wachstum finanzieren zu können und regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Diese Volatilität macht sichtbar, dass allein auf das Zinsdifferenzgeschäft zu setzen, strategisch riskant bleibt.
Bei der Raiffeisen-Gruppe stammen derzeit noch immer rund 75 Prozent der Erträge aus dem Zinsdifferenzgeschäft. Entsprechend ist es (auch) für Raiffeisen wichtig, die Ertragsbasis weiter zu diversifizieren und das zinsindifferente Geschäft auszubauen. Besonders das Anlagegeschäft spielt dabei eine zentrale Rolle. Es bietet nicht nur wiederkehrende Erträge durch Gebühren und Kommissionen, sondern stärkt auch die Kundenbindung, indem Kundinnen und Kunden ihre Bank verstärkt als Partnerin für den langfristigen Vermögensaufbau wahrnehmen. Wie die Abbildung 1 zeigt, hat sich die Ertragsdiversifikation bei Raiffeisen in den letzten Jahren auch aufgrund des weiterhin hohen Wachstums im zinsdifferenten Geschäft nicht merklich verbessert (der Diversifikationsgrad misst den Anteil des zinsindifferenten Geschäfts am Betriebserfolg. Die Kennzahl zeigt somit, wie viel Prozent des ausgewiesenen Erfolgs ausserhalb des Zinsgeschäftes generiert wird).

Abbildung 1: Diversifikationsgrad nach Bankengruppen, 2007 – 2024 (Daten: Geschäftsberichte der Retailbanken, IFZ Retail Banking-Studie)
Ein aufschlussreicher Indikator für die Bedeutung des Anlagegeschäfts ist das Depotvolumen. Es verdeutlicht, in welchem Ausmass Kundengelder im Wertschriftengeschäft investiert sind – und damit auch, wie erfolgreich eine Bank darin ist, ihre Kundschaft vom reinen Spar- und Hypothekargeschäft zu Anlageprodukten zu bewegen. Die Analyse der Depotvolumen bei Raiffeisen erlaubt daher nicht nur einen Blick auf das aktuelle Wachstum, sondern auch auf die strategische Positionierung der Gruppe im Wettbewerb mit anderen Banken.
Entwicklung des Depotvolumens bei Raiffeisen
Die Entwicklung des Depotvolumens bei Raiffeisen zeigt über die vergangenen Jahre hinweg einen klaren Aufwärtstrend – mit der Ausnahme des schwachen Börsenjahres 2022. Im Jahr 2024 wurde mit rund CHF 52 Milliarden ein neuer Höchstwert erreicht. Dennoch bleibt Raiffeisen im Marktvergleich nach wie vor auf tiefem Niveau positioniert: Gemessen an den Wertschriftenbeständen in Kundendepots von inländischen Depotinhabern (Datenquelle: SNB) liegt der Anteil aktuell bei 1.2 % des gesamten Schweizer Depotmarkts. Zum Vergleich: Die Luzerner Kantonalbank verwaltete per Ende 2024 Kundenvermögen (Assets under Management, exklusive Doppelzählungen) in der Höhe von CHF 39.5 Milliarden (Quelle: LUKB). Noch deutlicher fällt der Abstand zur Zürcher Kantonalbank aus, die – ohne Berücksichtigung von Custody-Volumen – auf ein verwaltetes Vermögen von CHF 363 Milliarden kam (Quelle: ZKB).
Der Marktanteil von Raiffeisen ist damit zwar nach wie vor gering, die Tendenz jedoch positiv: Raiffeisen gelingt es, im Anlagegeschäft nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch relativ zum Gesamtmarkt langsam an Gewicht zu gewinnen (vgl. Abbildung 2). In den vergangenen fünf Jahren hat das Depotvolumen spürbar zugelegt. Betrug es im Jahr 2020 noch CHF 34.6 Milliarden, so liegt es inzwischen bei rund CHF 52 Milliarden – ein Anstieg um gut 50 Prozent.

Abbildung 2: Entwicklung des Depotvolumens (linke Achse) und Marktanteil am Gesamtmarkt (rechte Achse), 2020–2024 (Quellen: Raiffeisen, SNB)
Regionale Unterschiede im Depotvolumen bei Raiffeisenbanken sind gross
Die Entwicklung des Depotvolumens zeigt kantonal deutliche Unterschiede (siehe Tabelle 1). Während fast alle Kantone seit 2020 Wachstum verzeichnen, variiert das Ausmass erheblich. Bei einem durchschnittlichen Wachstum von gut 50% zwischen 2020 und 2024 fallen folgende Entwicklungen speziell auf:
- Starkes Wachstum: Besonders stark legten die Kantone Obwalden (+110 %), Schaffhausen (+94 %), Luzern (+64%) und Aargau (+62%) zu. Bei gewissen Kantonen spielt hier aber sicherlich auch der Basiseffekt eine wichtige Rolle (z.B. Schaffhausen hat sich von sehr tiefem Niveau auf tiefes Niveau entwickelt).
- Schwächeres Wachstum: Auf der anderen Seite fällt die Entwicklung in Basel-Stadt (+27 %), Waadt (+34 %), Genf (+34 %) und Appenzell Innerrhoden (+39%) vergleichsweise tief aus.
Noch deutlicher wird das Bild beim Depotvolumen pro Einwohner:
- Spitzenreiter sind die Innerschweizer Kantone Obwalden (15’791 CHF/EW), Zug (15’543 CHF/EW) und Nidwalden (14’061 CHF/EW), gefolgt von St. Gallen (13’165 CHF/EW) und Appenzell Innerrhoden (12’718 CHF/EW).
- Am unteren Ende der Skala liegen die grossen Kantone Bern (2’520 CHF/EW), Genf (2779 CHF/EW) sowie Waadt (3’447 CHF/EW) und Zürich (3’487 CHF/EW). Tiefe Depotvolumina pro Einwohner verzeichnen zudem Basel-Stadt (2’519 CHF/EW) Neuenburg (2’482 CHF/EW) und Schaffhausen (CHF 3641/EW).
Die variierenden Volumina pro Einwohner spiegeln einerseits die unterschiedlich starke Verankerung von Raiffeisen wieder (siehe dazu auch unsere Analyse zum Hypothekargeschäft von Raiffeisen nach Kantonen). Andererseits unterscheiden sich auch die durchschnittlichen Anlagevolumen je nach Kanton (bspw. in Abhängigkeit zur wirtschaftlichen Stärke der Einwohner).

Tabelle 1: Depotvolumen Raiffeisen nach Kanton in CHF Millionen, 2020-2024 (Quellen: Raiffeisen, BFS)
Fazit
Für Raiffeisen ist es strategisch zentral, die Abhängigkeit vom Zinsengeschäft weiter zu reduzieren und das Anlagegeschäft – und damit auch das Depotvolumen – gezielt auszubauen. Die Entwicklung der Depotvolumen zeigt jedoch, dass die einzelnen Raiffeisenbanken dabei noch sehr unterschiedlich unterwegs sind – auch regional. In bevölkerungsreichen Kantonen wie Zürich, Bern oder Waadt sind die Depotvolumen zwar absolut hoch, pro Kopf jedoch eher bescheiden. Hier konnte sich Raiffeisen bislang weniger stark als Anlagebank positionieren – oder zeigt ganz generell noch Aufholbedarf hinsichtlich ihrer Bedeutung und Marktanteile als Gesamtbank.
In kleineren Kantonen, insbesondere in der Innerschweiz, sind die Depotvolumen pro Einwohner hingegen deutlich höher – ein Hinweis auf eine vergleichsweise wohlhabende Klientel und/oder eine starke lokale Verankerung im Anlagegeschäft.
Das Wachstum verläuft somit regional sehr unterschiedlich. Gleichzeitig wird sichtbar, wo die grössten Marktpotenziale für Raiffeisen liegen. Trotz der in den vergangenen Jahren eindrücklichen Wachstumszahlen bleibt Raiffeisen im gesamtschweizerischen Depotmarkt weiterhin ein kleiner Player. Der Wandel von einer auf Hypotheken und Sparprodukte fokussierten Bank hin zu einer breit aufgestellten Anlagebank gestaltet sich anspruchsvoll – und ist trotz erkennbarer Fortschritte noch längst nicht abgeschlossen.
Kommentare
2 Kommentare
Peter Sieber
13. Oktober 2025
Wurden in diesem Vergleich die Anlagevermögen von Privatpersonen verglichen oder auch institutionelle Gelder? Banken, welche nicht im institutionellen, kleinmargigen Asset Management tätig sind, werden hier wohl automatisch einen verhältnismässig kleinen Anteil am Gesamtkuchen haben.
Jochen Wölpert
13. Oktober 2025
Lieber Andi Habt Ihr auch eine marktbereinigte Depotbetrachtung des Anlagevolumens gemacht?
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6. Oktober 2025
IFZ Retail Banking-Konferenz 2025: Trends und Best Practices für das Schweizer Retail Banking von morgen
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Bereits zum vierzehnten Mal findet am Dienstag, 18. November 2025 die IFZ Retail Banking-Konferenz statt. Auch dieses Jahr erwartet Sie ein vielfältiges Programm mit aktuellen Fragestellungen rund um die Zukunft des Retail Banking: Wie verändern sich die Kunden-Touchpoints – und welche Rolle spielen Bankfilialen in einer zunehmend hybriden Welt? Weshalb legen viele Personen in der Schweiz nicht an, und welche Bedeutung haben Vorsorge- und Anlageentscheide rund um die Pensionierung? Welche strategischen Stossrichtungen verfolgt die Luzerner Kantonalbank, und weshalb setzen digitale Private-Banking-Modelle wie Alpian neue Massstäbe? Wie gelingt es Nordea, als beste digitale Bank der Nordics internationale Standards zu setzen? Und schliesslich: Welche Chancen eröffnen Plattformmodelle wie Raisin für das Schweizer Spargeschäft in einer Zeit, in der die Refinanzierung herausfordernder geworden ist? Wie gewohnt präsentieren wir zudem die Ergebnisse der IFZ Retail Banking-Studie 2025, analysieren die Corporate Governance der Schweizer Retailbanken und küren die «beste» Schweizer Retailbank des Jahres 2024.
13.20 Uhr – Vorstellung der IFZ Retail Banking-Studie 2025
Auch dieses Jahr umfasst die IFZ Retail Banking-Studie eine Vielzahl von Themen.
- Basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage untersuchen wir Kunden-Touchpoints mit einem speziellen Fokus auf die Bankfilialen. Welche Kundinnen und Kunden gehen für welche Geschäfte noch auf die Bankfilialen – und warum? Wie nahe muss eine Bankfiliale bei einem Kunden und einer Kundin sein? Wie oft sind Kundinnen und Kunden in Kontakt mit einer Bank? Und für welche Art der Geschäfte wählen Kunden einen Online- oder Offline-Kanal? Diese und noch viel mehr Fragestellungen beantworten wir mithilfe dieser Umfrage.
- In einer ganzheitlichen Sicht befassen wir uns mit dem Anlegen vor und nach der Pensionierung. Wir beantworteten, weshalb Personen in der Schweiz NICHT anlegen und was Banken im Beratungsprozess machen können, um den Anteil der Anleger:innen zu erhöhen. Mit Fokus auf die Pensionierung zeigen wir, weshalb Personen in der Schweiz Pensionskassengelder beziehen und ob sie diese Gelder anlegen oder nicht.
- Dazu analysieren wir wieder ausführlich die Corporate Governance Situation der Retailbanken.
- Und – wie üblich: Wir zeigen die wichtigsten Entwicklungen von verschiedenen Bank-Kennzahlen auf und prämieren die gemäss Benchmarking «beste» Schweizer Retailbank des Jahres 2024.
14.05 Uhr – Nähe neu definiert: Filialkonzept & Touchpoints bei Valiant
Wie sieht die Bankfiliale der Zukunft aus – und welche Rolle spielt sie im Zusammenspiel mit digitalen Kanälen? Christoph Wille stellt das noch immer ziemlich einzigartige Filialkonzept von Valiant vor und zeigt, wie physische Präsenz und digitale Touchpoints bei Valiant zu einem konsistenten Kundenerlebnis verschmelzen. Entdecken Sie, wie die Valiant Bank Nähe in einer zunehmend hybriden Welt neu interpretiert.
15.05 Uhr – Stark und nahbar: Wie die LUKB ihre Strategie weiterdenkt
Mit einer Bilanzsumme von bald CHF 60 Mrd. und verwalteten Kundenvermögen von CHF 40 Mrd. gehört die Luzerner Kantonalbank heute zu den grössten Banken der Schweiz. Doch wie sieht die Zukunft aus? CEO Dany Salzmann wird an der Retail Banking Konferenz aufzeigen, welche strategischen Stossrichtungen die Bank in den kommenden fünf Jahren verfolgt, wie sie AI und Customer Experience einsetzt und welchen Ertragsmix sie für die Zukunft anstrebt.
15.35 Uhr – Breaking banking boundaries: why private banks are the future of retail finance
Was, wenn die Zukunft des Anlegens im Retail Banking gar nicht bei Retailbanken liegt? Marion Fogli, Gründerin und Co-CEO von Alpian zeigt, warum digitale private Banken prädestiniert sind, im Massenkundengeschäft neue Standards zu setzen. Erfahren Sie, wie digitale Innovationen und personalisierte Beratung die Grenzen zwischen Private Banking und Retail Banking verschwimmen lassen.
16.35 Uhr – Nordea – Best Digital Bank in the Nordics
Wie wird man zur besten digitalen Bank einer ganzen Region? Søren Rode Andreasen berichtet aus erster Hand – mit Erfahrungen als Chief Digital Officer in UK, Innovation Officer in Nordamerika und heute als Leiter der Digital Channels in den Nordics. Er zeigt, welche internationale Anerkennung Nordea für ihre digitalen Services erhalten hat und wie ein einzigartiges Organisationsmodell, in dem Business, IT und Risk eng zusammenarbeiten, die Transformation vorantreibt. Zudem erklärt er die Konsolidierung der Plattformen, die bis Ende Jahr eine 100% digitale Self-Service-Bank ermöglichen soll. Anhand konkreter Beispiele – vom KI-Chatbot über AI-gestützte Such- und Beratungslösungen bis hin zu Jugendangeboten und optimierten Payment-Services – wird sichtbar, wie Nordea Kundenerlebnisse neu definiert. Auch die Rolle von APIs und die Einbindung ins Ökosystem stehen im Fokus.
Ein inspirierender Praxisbericht aus dem Norden Europas – mit Ideen, die auch für den Schweizer Markt höchst relevant sind.
17.05 Uhr – Retail Deposits als Schlüssel zum Wachstum – Europäische Erfahrungen und Chancen für den Schweizer Markt
Die Passivseite hat in der Schweiz in den vergangenen drei Jahren wieder stark an Bedeutung gewonnen. Während die Aktivseite dynamisch wächst, kann die Passivseite nicht mehr Schritt halten. Wie wird das Sparen in Zukunft aussehen? Lohnt es sich, hohe Zinsen zu bezahlen – und welche Erfahrungen lassen sich aus Europa ableiten? Matthias Rodenbücher und Waldemar Faltenberg zeigen, wie Raisin (ehemals Weltsparen) Zugang zu attraktiven Spar- und Anlagelösungen im europäischen Markt bietet. Sie geben Einblick in Chancen, Risiken und Erfolgsfaktoren eines Plattformmodells, das das klassische Spargeschäft grundlegend verändern könnte.
Das Programm der Retail Banking Konferenz im Überblick:
| 13.20 Uhr | Vorstellung der IFZ Retail Banking-Studie 2025 Andreas Dietrich, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern |
| 14.05 Uhr | Nähe neu definiert: Filialkonzept & Touchpoints bei Valiant Christoph Wille, Head of Customer Services & Products, Valiant Bank |
| 14.35 Uhr | Pause |
| 15.05 Uhr | Stark und nahbar: Wie die LUKB ihre Strategie weiterdenkt Daniel Salzmann, CEO Luzerner Kantonalbank |
| 15.35 Uhr | Breaking banking boundaries: why private banks are the future of retail finance Marion Fogli, Founder and Deputy Chief Executive Officer, Alpian |
| 16.05 Uhr | Pause |
| 16.35 Uhr | Nordea – Best Digital Bank in the Nordics Søren Rode Andreasen, Head of Digital Customer Engagement Hub, Nordea |
| 17.05 Uhr | Retail Deposits als Schlüssel zum Wachstum – Europäische Erfahrungen und Chancen für den Schweizer Markt Matthias Rodenbücher, Country Head B2C DACH und Waldemar Faltenberg, Country Director DACH, Raisin (ehemals Weltsparen) |
| 17.35 Uhr | Zusammenfassung und Ausblick Andreas Dietrich, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern |
| Ab 17.40 Uhr | Apéro |
Wir freuen uns sehr, viele bekannte und neue Gesichter vor Ort zu begrüssen zu dürfen!
Hier finden Sie weitere Informationen zur Konferenz. Und hier finden Sie das Anmeldeformular für die Konferenz (inkl. Studie).
Die Teilnahme an der Konferenz kostet CHF 560.-. Als Teilnehmer erhalten Sie die rund 220-seitige IFZ Retail Banking-Studie 2025 (Wert CHF 290.-). Bitte melden Sie sich unter ifz@hslu.ch, wenn Sie nur die Studie bestellen möchten (Auslieferung nach der Konferenz).
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29. September 2025
UBS key4 insights: Zwei Jahre Data Driven Banking im Praxistest
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
UBS key4 insights ist für mich derzeit eines der spannenderen Experimente im Bereich Data Driven Banking in der Schweiz. Vor zwei Jahren wurde das Feature mit der Absicht ein «Next Generation» PFM zu lancieren, eingeführt – mit dem Anspruch, Kundinnen und Kunden nicht nur Kontoinformationen zu liefern, sondern ihnen durch datengetriebene Analysen und personalisierte Hinweise einen Mehrwert zu bieten. Doch wie hat sich das Angebot seit dem Start entwickelt? Wer nutzt es tatsächlich? Und lohnt sich der Ansatz auch aus Bankensicht? Ich habe direkt bei UBS nachgefragt, welche Erfahrungen nach zwei Jahren vorliegen, wie gross die Akzeptanz bei den Kundinnen und Kunden ist und welche Funktionen besonders beliebt sind.
Vor rund zwei Jahren wurde mit UBS key4 insights ein neuartiger Ansatz im Bereich des Personal Finance Managements (PFM) vorgestellt – ich hatte in meinem Blog-Artikel von September 2023 darüber berichtet. Im Zentrum stand die Idee, Kundinnen und Kunden nicht nur Kontoinformationen bereitzustellen, sondern ihnen durch datengetriebene Analysen und personalisierte Hinweise einen besseren Überblick über ihre Finanzen zu ermöglichen. Der Ansatz lässt sich in den breiteren Trend des „data-driven banking“ einordnen, bei dem Banken ihre Rolle und ihren Beratungsservice zunehmend erweitern und digitale Kanäle nutzen, um für Kundinnen und Kunden individuellere und daher relevantere Informationen bereitzustellen. Dieses neue Angebot hat für UBS eine hohe Bedeutung, was sich in der prominenten Platzierung direkt auf dem Homescreen der Nutzerinnen und Nutzer zeigt.
Zwei Jahre nach dem Start hat sich das Angebot bei UBS deutlich weiterentwickelt. Besonders interessant ist nun die Frage, wie die Lösung von den Kundinnen und Kunden angenommen wird, welche Funktionen sich in der Nutzung hervortun und welche Rückmeldungen sich aus der bisherigen Anwendung ableiten lassen.
Umfang und Nutzung von UBS key4 insights
Heute umfasst UBS key4 insights rund 70 unterschiedliche, stark personalisierte Hinweise – mehr als doppelt so viele wie noch 2023. Pro Monat werden über 3.5 Millionen sogenannte «Insights» generiert (siehe weiter unten für konkrete Beispiele). Gemäss Angaben von UBS, werden die verschiedenen Insights dabei breit genutzt: Rund ein Drittel der aktiven Retailkunden verwendet die Funktion regelmässig (heisst: Kundinnen und Kunden, die mind. mit einem Insight je Monat interagieren). Bei internationalen Banken mit vergleichbaren Lösungen liegen die Quoten laut Anbietern bei 20 bis 50 Prozent. Mit gut 35 Prozent liegen die Werte bei UBS über meinen Erwartungen.
Die Platzierung auf dem Home Screen der Mobile Banking App dürfte ein wesentlicher Faktor für die hohe Sichtbarkeit sein. Jede Insight kann zudem direkt bewertet werden – eine Funktion, die zu mehreren tausend Rückmeldungen pro Monat führt. Die Bewertung liegt im Durchschnitt bei 4.5 von 5 Sternen (bei rund 10’000 Ratings), wobei rund 80 Prozent aller Rückmeldungen die Höchstnote vergeben. Das durchschnittliche Rating hat sich zudem zwischen Januar 2024 und Juli 2025 weiter erhöht. Auffällig ist auch die grosse Zahl persönlicher Kommentare – ein Hinweis darauf, dass digitale Personalisierung emotionale Nähe schaffen kann.
Beliebte Funktionen
Im Zentrum stehen nach wie vor die klassischen Budgetfunktionen wie Income & Expenses oder Budget Tracker. Auch Benachrichtigungen mit direktem Bezug zum Zahlungsverkehr (z.B. doppelte Kartenbelastungen, Rückerstattungen, neue Händler) stossen auf Interesse. Stark nachgefragt sind aber auch neue Funktionen wie der erst im Sommer 2025 eingeführte Subscription Tracker, der automatisch laufende Abonnements identifiziert (vgl. Abbildung 1) – ein Element, das sich auch bei deutschen Sparkassen einer grossen Beliebtheit erfreut.

Abbildung 1: Subscription Tracker bei UBS
Daneben gehören – für mich wenig überraschend – die Quiz-Formate zu den meistgenutzten Angeboten. Es gibt derzeit sieben verschiedene Quiz-Typen, die Themen wie Betrugserkennung, Sparverhalten oder Ausgabenanalysen abbilden. Besonders Quiz zu Ausgaben und Abonnements erzielen hohe Werte, da sie direkt an das individuelle Ausgabeverhalten anknüpfen. Durch die personalisierten Auslösekriterien («Wieviel gibst Du im Schnitt bei Galaxus Digitec pro Monat aus»?) fühlen sich viele Personen abgeholt und werden neugierig in Bezug auf ihr Ausgabe- oder Sparverhalten (vgl. Abbildung 2). Ein spezielles Beispiel ist der Fraud Quiz, der nicht nur Sicherheitswissen vermittelt, sondern laut Rückmeldungen auch für konkrete Tipps geschätzt wird.

Abbildung 2: Personalisierte Quiz bei UBS
Ein eher gemischtes Feedback hat UBS dagegen bisher auf ihren (optionalen) CO₂-Tracker erhalten. Einige Kundinnen und Kunden schätzen die Möglichkeit, ihren CO₂-Fussabdruck zu überwachen und Tipps zu erhalten. Andere lehnen diese Funktion in einer Banking-App ab oder kritisieren die Ungenauigkeit der Angaben, da es bisher in der Nachhaltigkeitsindustrie keine Lösung gibt, um die CO2-Emissionen gezielter zu verfolgen.
Nutzerprofile
Das Angebot steht in der Zwischenzeit allen UBS-Retailkunden in der Schweiz zur Verfügung. Sobald die Übertragung der ehemaligen Credit Suisse-Kundenbeziehungen und -produkte erfolgt ist, erhalten später auch diese Kundinnen und Kunden Zugriff auf das gesamte Produkteuniversum und somit auch auf key4 insights. Der Rollout für die Schweizer Wealth-Management-Kundschaft ist auf Anfang 2026 geplant.
Die Nutzung verteilt sich relativ gleichmässig zwischen Männern und Frauen. Die Kernzielgruppe liegt zwischen 20 und 59 Jahren, aber auch rund 15 Prozent der über 60-Jährigen verwendet die Funktion.
Sales, Up- und Cross-Selling – ist key4 insights ein Business Case?
UBS erwartet, dass sich der Business Case von key4 insights mittelfristig bis langfristig auszahlen wird. Zwar steht im Vordergrund, Kundinnen und Kunden mit relevanten, informativen Inhalten zu versorgen, doch eröffnen sich zugleich gezielte Cross- und Upselling-Potenziale. Der Grundsatz lautet dabei aber, dass produktspezifische Empfehlungen nur einen kleineren Teil der Insights ausmachen sollen. Damit wird sichergestellt, dass Kundinnen und Kunden nicht mit Verkaufsbotschaften überhäuft werden und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen informativen und vertrieblich orientierten Inhalten gewahrt bleibt. Empfehlungen werden vor allem dann eingeblendet, wenn sie zur individuellen Situation passen. So erhalten beispielsweise nur Kundinnen und Kunden mit stabilen Kontosalden und regelmässigen Überschüssen Hinweise auf Spar- oder Anlageprodukte. Wer bereits regelmässig internationale Zahlungen über Drittanbieter wie Revolut oder Wise abwickelt, kann gezielt auf UBS key4 FX aufmerksam gemacht werden. Auch Bonuszahlungen oder bestehende Einzahlungen in die Säule 3a können Auslöser für spezifische Spar- und Anlagevorschläge sein. Damit entwickelt sich key4 insights zu einem Instrument, das Kundennutzen mit klaren Ertragschancen verbindet.
Die Zurückhaltung beim Ausspielen von Verkaufsbotschaften und die interaktive, datengestützte Ansprache machen aus meiner Sicht Sinn. Anstelle klassischer Werbung werden Quiz, personalisierte Übersichten von Transaktionen oder Vergleichsrechnungen eingesetzt, die konkret aufzeigen, wie viel aktuell gespart wird und welches zusätzliche Potenzial durch den Einsatz eines UBS-Produkts realisierbar wäre. Solche Formate erzielen deutlich höhere Interaktionsraten als traditionelle Werbung, erhöhen die Glaubwürdigkeit des Tools und erweisen sich insgesamt als wirksamer. Die personalisierten «Sales-Leads», wenn sie ausgespielt werden, funktionieren gemäss UBS-Angaben sehr gut. Sie erzielen vergleichbare Engagement-Raten wie reguläre Insights bei key4. Entsprechend generieren sie im Schnitt mehr als doppelt so viele Klicks auf die Call-to-Action-Buttons wie herkömmliche Anzeigen – je nach Thema und Insight können die Klickraten sogar bis zu siebenmal höher liegen. Dass sich dieser Ansatz auszahlt, liegt nicht zuletzt daran, dass die Hinweise direkt auf den eigenen Daten basieren und damit eine wesentlich höhere Relevanz besitzen als klassische Werbeformate.
Gleichwohl wurde UBS key4 insights nicht primär als Vertriebsinstrument konzipiert, sondern als Weiterentwicklung des Personal Finance Managements. Es ging darum, ein bestehendes PFM-Tool nicht einfach zu ersetzen oder wegzulassen, sondern die Interaktion mit den Kundinnen und Kunden auf ein neues Niveau zu heben. Die Idee der „digestible nuggets“ – kleine, leicht verständliche und personalisierte Informationsbausteine – sowie die Möglichkeit, dadurch eine persönliche Verbindung zu schaffen, bilden den eigentlichen Kern des Ansatzes. Der Mehrwert zeigt sich dabei vor allem in gesteigerter Kundeninteraktion, einer Stärkung der Kundenbindung und – last but not least – auch in einer höheren Effektivität vertrieblich relevanter Hinweise.
Fazit
Die bisherigen Rückmeldungen zeigen, dass UBS key4 insights nicht als anonyme PFM-Funktion wahrgenommen wird, sondern als persönlicher Begleiter im Finanzalltag eine Rolle einnehmen kann. Die klare Nutzerführung trägt dazu bei, dass die Inhalte als leicht konsumierbare «Informations-Häppchen» von rund 35 Prozent der aktiven UBS Kundinnen und Kunden regelmässig genutzt wird – eine aus meiner Sicht überraschend hohe Zahl.
Die hohe Interaktionsrate und auch die Vielzahl an persönlichen Kommentaren deuten darauf hin, dass digitale Hyper-Personalisierung die Kundennähe tatsächlich stärken kann. Gleichzeitig zeigen die bisherigen Entwicklungen auf, dass Personal Finance Management in dieser Form als sichtbares Kernstück im Mobile Banking besser funktioniert als ein irgendwo im E-Banking oder Mobile Banking versteckter Ein- und Ausgabentracker. Damit wird PFM zu einem Instrument, das Kundeninteraktion, Bindung und – in vorsichtiger Dosierung – auch Produkthinweise miteinander verbindet.
Im Schweizer Markt ist UBS mit diesem Ansatz nach meinem Wissensstand bislang alleiniger Vorreiter. Allerdings weiss ich von mindestens einer weiteren Bank, dass sie an einem ähnlichen Angebot arbeitet. Entsprechend bleibt es spannend, ob weitere Institute folgen, ob die Nutzungsquoten auch langfristig hoch bleiben und ob das Gleichgewicht zwischen Information und Vertrieb gewahrt werden kann.
PS: Themen wie Data-Driven Banking, AI-Projekte und digitale Transformation vertiefen wir auch in unserem CAS Digital and AI Transformation in Banking. Neben Praxisbeispielen aus der Schweiz bieten wir spannende internationale Einblicke – etwa auf unserem Study Trip nach London. Bei Fragen können Sie sich gerne bei mir oder meinem Kollegen Prof. Dr. Nils Hafner melden.
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22. September 2025
Wie teuer ist ein neuer Hypothekarkunde? Spoiler: Sehr teuer
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Dr. Reto Rey und Dr. Men-Andri Benz
Nicht jeder Kunde und jede Kundin lässt sich durch tiefere Zinsen locken. Während manche schon bei kleinen Unterschieden den Anbieter wechseln, bleiben andere selbst bei grossen Vorteilen treu. Unsere Studie zeigt, welche Kundengruppen besonders preissensibel sind – und wo Loyalität stärker wiegt als der Zins.
Die Studie basiert auf einer Befragung von insgesamt 1’382 in der Schweiz wohnhaften Personen zwischen 20 und 74 Jahren. Die Befragung wurde gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Simon-Kucher im August 2024 online vom Marktforschungsinstitut GfK durchgeführt. Die Umfrage ist in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung sowie die Sprachregion der befragten Personen für die Schweiz repräsentativ.
Im Fokus des heutigen Blogs steht die Frage, wie preissensibel Hypothekarkundinnen und -kunden tatsächlich sind. Untersucht wurde, wie stark die Zinsen bei einer Konkurrenzbank tiefer liegen müssen, damit sie bereit sind, ihre Hausbank zu verlassen und eine Hypothek bei einem Institut abzuschliessen, zu dem bislang keine Bankbeziehung bestand.
So viele Offerten holen Hypothekarkundinnen und -kunden ein
Als Erstes haben wir untersucht, wie viele Offerten Hypothekarkundinnen und -kunden tatsächlich einholen. Das Vergleichen mehrerer Offerten kann sich für Kundinnen und Kunden durchaus lohnen. Der Kauf und die Finanzierung einer Immobilie stellen für die Kundinnen und Kunden oft eine grosse und finanziell weitreichende Entscheidung dar. Insbesondere bei einer Festhypothek binden sich die Kundinnen und Kunden für viele Jahre an ein Institut. Entsprechend hat der Zinssatz langfristig erhebliche finanzielle Auswirkungen. Wer mehrere Offerten prüft, hat deshalb gute Chancen, langfristig Geld zu sparen.
Umso überraschender ist es, dass bei einer Neufinanzierung «nur» 44 Prozent drei oder mehr Offerten vergleichen, 11 Prozent lediglich zwei Angebote einholen und sich 36 Prozent bereits mit dem ersten Angebot zufriedengeben (vgl. Abbildung 1).
Hingegen erstaunt es weniger, dass der Vergleichsbedarf bei Verlängerungen tendenziell tiefer ist – insbesondere, wenn die Hypothek in unterschiedlich lang gebundene Tranchen unterteilt ist. Gemäss unserer Umfrage haben rund 49 Prozent der Hypothekarnehmer mindestens zwei Tranchen bei den Hypotheken.

Abbildung 1: Anzahl eingeholte Offerten nach Hypothekentransaktion
Die Umfrageteilnehmer geben an, dass der Zinssatz das mit Abstand wichtigste Kriterium bei der Wahl zwischen Bank A und Bank B ist. Ähnlich wichtig sind aber auch weichere Faktoren wie die Beratungsqualität, der persönliche Kontakt oder die Möglichkeit, alle Dienstleistungen von einer (Haus-)Bank beziehen zu können. Die Nähe der Geschäftsstelle ist für einen Drittel der Befragten ein wichtiges oder sehr wichtiges Entscheidungskriterium. Auf der anderen Seite ist dieser Faktor aber auch für 42 Prozent der Bevölkerung wenig relevant.
Zwar nennen Hypothekarnehmer verschiedene Kriterien als wichtig – von der Beratungsqualität über den persönlichen Kontakt bis hin zur Bündelung aller Dienstleistungen bei einer Hausbank. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass der Zinssatz insgesamt das wichtigste Entscheidungs-Element ist. Deshalb haben wir in dieser Studie untersucht, wie stark die Kundschaft auf Zinsunterschiede reagiert – und ab welchem Vorteil sie tatsächlich bereit ist, ihre Hausbank zu verlassen.
Neukunden sind teuer
Im Zentrum unserer Analyse steht die Frage, wie viel tiefer der Zins einer Konkurrenzbank liegen muss, damit Kundinnen und Kunden ihre Hausbank verlassen. Basis dafür war eine Befragung zu einer 10-jährigen Festhypothek mit einem Zinsniveau von 2.5%. Die Teilnehmenden haben angegeben, ab welchem Zinsabschlag zwischen 0 und 70 Basispunkten sie ihre Finanzierung bei einer Wettbewerbsbank abschliessen würden. Bei der Hälfte der Befragten wurde zusätzlich die Bedingung eingeführt, dass sie ihre gesamte Hauptbankverbindung zur neuen Bank verlagern müssten, um den attraktiveren Zinssatz zu erhalten (d.h. Transfer von Lohnkonto, Zahlungsverkehr, Online-Banking, TWINT, etc.).
Abbildung 2 zeigt die Wechselbereitschaft von Kunden in Abhängigkeit von Zinsabschlägen bei Konkurrenzangeboten. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist, dass sich knapp ein Drittel der Kundinnen und Kunden in den untersuchten Gruppen (Dreamer als potenzielle Erstkäufer, Zweitkäufer sowie derzeitige Besitzer – jeweils mit und ohne Hausbankwechsel) unabhängig von der Höhe der Zinsdifferenz gegen einen Wechsel des Anbieters entscheiden. Diese Erkenntnis verdeutlicht, dass für viele Kundinnen und Kunden der Preis nicht der entscheidende Faktor bei der Wahl des Finanzierungsanbieters ist.
Es zeigt sich, dass die Wechselbereitschaft je nach Kundengruppe stark variiert – und durch attraktive Zinsabschläge gezielt gesteigert werden kann. Eine Analyse der Gruppe der Zweitkäufer und derzeitigen Besitzer ergibt das folgende Bild:
- Bei einem Zinsabschlag von zwischen 20 und 40 Basispunkten (und ohne Wechsel der Hauptbankbeziehung) wären etwa 20 Prozent der Zweitkäufer und 13 Prozent der Besitzer bereit, ihre Hypothek bei einer anderen Bank abzuschliessen.
- Bei einem Abschlag von etwa 50 Basispunkten steigt die Wechselbereitschaft bei Zweitkäufern auf 36 Prozent und bei derzeitigen Besitzern auf 31 Prozent. Anders gesagt: Selbst wenn die Konkurrenzbank statt 2.5% nur 2.0% für die Hypothek verlangt, bleiben also noch rund zwei Drittel der Kundschaft ihrer Hauptbank treu – und bezahlen damit bei einem Hypothekarbetrag von CHF 1 Mio. über zehn Jahre hinweg rund CHF 50’000 mehr als bei der Konkurrenzbank.
- Erst bei einem Abschlag von 60 Basispunkten wären etwas mehr als die Hälfte dieser Hypothekarnehmerinnen und -nehmer bereit, den Hypothekaranbieter zu wechseln.
- Muss zusätzlich die gesamte Hauptbankbeziehung verlagert werden, reagieren Zweitkäufer und derzeitige Besitzer noch weniger preissensibel. In diesem Fall halbiert sich die Wechselbereitschaft in etwa. Oder anders gesagt: Im Durchschnitt ist ein zusätzlicher Zinsvorteil von rund 20 Basispunkten erforderlich, um eine vergleichbare Wechselbereitschaft zu erreichen.

Abbildung 2: Zinssensitivität: Zinsabschlag, bei dem ein Wechsel zu einer Wettbewerbsbank in Betracht gezogen wird
Auch bei den «Dreamern» (potenzielle Erstkäufer) zeigt sich eine insgesamt tiefe Preissensibilität (vgl. grüne Kurven).
Um rund 10 Prozent der Kundinnen und Kunden zu einem Wechsel der Finanzierung zu bewegen, ist ein Zinsvorteil von mindestens 30 Basispunkten erforderlich. Ihre Loyalität zur Hausbank ist bei kleineren Zinsvorteilen also noch höher als bei Zweitkäufern. Dieser Unterschied im Wechselverhalten lässt sich möglicherweise durch den jeweiligen Erfahrungshintergrund der Gruppen erklären: Während «Zweitkäufer » in der Regel erfahrene, gut informierte Kunden sind, sind «Dreamer» eher auf Beratung und Vertrauen angewiesen und sehen ihre Hauptbank oft als zuverlässigen Partner. Das Vertrauen in die Hauptbank wiegt für sie daher schwerer als potenzielle Zinsvorteile bei Wettbewerbern, auch wenn bei attraktiven Angeboten ein Wechsel nicht ausgeschlossen ist. Alle drei Kundengruppen – «Zweitkäufer», «derzeitige Besitzer» und «Dreamer» – zeigen bei der Bedingung eines vollständigen Wechsels der Hauptbank eine vergleichbare Zurückhaltung.
Fazit
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein attraktiver Zinssatz allein für die Mehrheit nicht ausreicht, um eine langjährige Bankbeziehung aufzugeben. Sowohl «Dreamer», «aktuelle Besitzer» als auch «Zweitkäufer» schätzen die Bindung zu ihrer Hauptbank und lassen sich in der Regel nur durch deutliche Zinsvorteile zu einem Wechsel bewegen. Es gibt zwar auch eine Minderheit, die bereits bei sehr kleinen Zinsunterschieden – etwa 10 Basispunkten – bereit ist zu wechseln. Für die breite Masse gilt jedoch: Nur signifikante Vorteile motivieren tatsächlich zum Anbieterwechsel. Das ist zugleich eine gute und eine schlechte Nachricht: Gut für bestehende Banken, die ihre Kundschaft oft selbst mit leicht höheren Zinsen halten können. Schlecht für dieselben Banken, wenn es darum geht, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen – denn dafür muss das Angebot meist deutlich unter dem der Hausbank liegen.
PS: Am IFZ Forum Bank-IT vom 28. Oktober 2025 in Zürich-Oerlikon präsentieren wir die neue IFZ Open Finance Studie 2025 mit einem Fokus auf den Kundenbedürfnissen. Es erwartet Sie ein spannendes Programm auch mit interessanten Beiträgen aus der Praxis. Jetzt anmelden!
Zum Programm und zur Anmeldung: https://www.hslu.ch/de-ch/wirtschaft/agenda/veranstaltungen/2025/10/28/ifz-bank-it-forum/
Kommentare
2 Kommentare
Jochen Wölpert
22. September 2025
Liebes IFZ Team, sehr interessant und erstaunlich, wie niedrig die Preissensitivität bei den Kunden ist, obwohl es um gross Beträge geht, die man einsparen kann - und noch grösser, wenn man das gesparte Geld investiert. Ich habe mich noch gefragt, wie denn Kunden von Anbietern wie MoneyPark o.ä. berücksichtigt wurden? Solche Anbieter haben tendenziell die wechselwillige Kundschaft zu sich geholt.
andreasdietrich
22. September 2025
Lieber Jochen Wir haben eine repräsentative Studie erhoben - als auch jene drin, bei bei Vermittlern abschliessen und sehr preissensitiv sind. Zu den Hypothekenvermittlern haben wir diesbezüglich sowieso noch interessante Daten erhalten. Werden wir allenfalls auch mal noch als Blog-Artikel veröffentlichen.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
15. September 2025
Beschleunigte Digitalisierung von Banken durch KI
Von Dr. Urs Blattmann und Dr. Thomas Fischer
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei Schweizer Banken nimmt rasch zu. Im Rahmen der IFZ Studie Bank-IT und Sourcing 2025 wurde ermittelt, wie Banken KI aktuell einsetzen und welches die Veränderungen sein werden, die auf die Retailbanken zukommen. Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten Studienergebnisse bezüglich KI zusammengefasst.
Rund 70 Prozent der Banken setzen derzeit bereits KI-Lösungen ein, wie die Umfrage des IFZ bei Schweizer Retailbanken Ende 2024 ergeben hat. Eine Umfrage der FINMA im gleichen Zeitraum hat zudem gezeigt, dass aktuell pro Institut im Durchschnitt fünf Lösungen mit KI im Einsatz sind und neun getestet werden. Eine sehr kleine Zahl von Unternehmen setzt jedoch bereits über 100 Lösungen ein. Insgesamt eine beträchtliche Zunahme, nachdem der KI-Einsatz vor drei Jahren noch marginal gewesen ist. Bei nüchterner Betrachtung muss aber festgestellt werden, dass meisten Banken bezüglich KI noch ganz am Anfang stehen und beispielsweise auch in Bezug auf regulatorische und strategische Fragestellungen noch Hausaufgaben zu erledigen haben. Gemäss FINMA-Umfrage verfügen derzeit nur knapp die Hälfte der Institute über eine KI-Strategie.
Die Untersuchung des Einsatzes von KI bei Schweizer Retailbanken durch das IFZ hat folgendes Bild ergeben:

Abbildung 1: Übersicht KI Lösungen bei Schweizer Retailbanken (Quelle: Bank-IT und Sourcing Studie 2025)
Die Abbildung macht zwei Dinge deutlich: Zunächst kann festgestellt werden, dass die überwiegende Mehrzahl der KI-Anwendungen bei Banken dazu eingesetzt wird, die eigenen Mitarbeiter zu unterstützen. Bei der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden sowie bei der automatischen Ausführung von Prozessen sind derzeit erst wenige Lösungen im Einsatz. Im Weiteren fällt auf, dass Lösungen vor allem in Unterstützungsprozessen, d.h. beispielsweise bei administrativen Tätigkeiten, und kaum in den klassischen Kernprozessen – Finanzieren, Sparen, Vorsorgen, Anlegen und Zahlen – eingesetzt werden. Mit anderen Worten: Banken nutzen KI im Moment vor allem dazu, die Effizienz der eigenen Mitarbeiter zu verbessern. Ein gutes Beispiel dafür ist der Einsatz von KI zur Beantwortung von Kunden-Emails bei der Migrosbank (siehe hier für unseren Blog dazu). Weitere Beispiele sind das Wissensmanagement, welches Bankmitarbeiter bei der Suche der relevanten Weisungen und Reglemente unterstützt, oder die Transkription resp. die Erstellung einer Zusammenfassung von Sitzungen.
Anwendungen im CRM und bei Übungen des Krisenstabes
Interessante Anwendungen konnten im Rahmen der Erhebung bei Banken auch bei der Nutzung des CRM beobachtet werden. Anstatt dem Mitarbeiter die Suche der wichtigsten Informationen zum Stand einer Kundenbeziehung beispielsweise bei der Vorbereitung eines Meetings mit dem Kunden selbst zu überlassen, erhält dieser neu Unterstützung durch KI, welche ihm auf entsprechenden Wunsch sofort eine Zusammenfassung liefert und gegebenenfalls auch auf spezifische Aspekte genauer eingeht. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Mitarbeiter schneller und vollständig im Bild ist. Zudem konnte auch festgestellt werden, dass die Einträge im CRM durch die Mitarbeiter qualitativ besser geworden sind.
Bei Übungen des Krisenstabes geht es vielfach darum, in kurzer Zeit einen vollständigen und gut strukturierten Überblick über die aktuelle Situation zu erstellen und daraus die geeigneten Massnahmen abzuleiten. Auch hier – so zeigen die Erfahrungen der Valiant Bank – kann KI einen wertvollen Beitrag leisten.
Einsatz von KI im Bereich Dokumentenmanagement des Hypothekarprozesses
Bei den Kernprozessen ist KI bei den Banken noch wenig im Einsatz, erste Ansätze sind bereits erkennbar. So setzen beispielsweise einige Banken beim Dokumentenmanagement des Finanzierungsprozesses, die Lösung der Firma Hypodossier ein. Diese SaaS-Lösung verbessert mit Hilfe von KI die Effizienz beim Handling der Dokumente, welche bei der Vergabe von Hypotheken von der Bank einzuholen sind. Dabei werden die Inhalte der Dokumente erkannt, klassifiziert, abgelegt und dem Bankmitarbeiter entsprechend geordnet zur Verfügung gestellt. Dieser hat somit direkten Zugriff auf alle Pläne und Fotos, aber auch auf Lohnausweise, Betreibungsauskünfte, Identitätsausweise etc.
Im Weiteren kann auch die Extraktion von Daten aus den bestehenden Dokumenten sowie das Mapping der gefundenen Informationen auf eine vorgegebene Datenstruktur durch die KI vorgenommen werden. Zudem kann die KI gegebenenfalls auch auf eine Inkonsistenz von Informationen, zum Beispiel die Grösse der Wohnfläche, hinweisen. KI präsentiert sich in dieser Art als mächtiger Assistent, welcher eine Vielzahl manueller Prozesse digitalisiert und sowohl hoch effizient als auch qualitativ einwandfrei arbeitet.
Veränderungen von Banken durch KI
Die IFZ Studie Bank-IT und Sourcing 2025 hat sich auch intensiv damit auseinandergesetzt, welches die Konsequenzen des Einsatzes von KI sein werden. Zunächst ist dabei die unmittelbare Veränderung der Banken zu betrachten. Hierzu drei Thesen (vgl. Abbildung 2):

Abbildung 2: Veränderungen von Banken durch KI
Die oben angeführten sowie weitere, in der Studie noch detaillierter geschilderten Beispiele veranschaulichen, dass mit KI ein signifikanter Effizienzgewinn möglich ist und dass gleichzeitig auch die Qualität verbessert werden kann, weil Fehler vermieden oder eliminiert werden können. KI beinhaltet zudem auch ein grosses Potenzial, noch individueller auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden einzugehen, ohne dass dadurch die Kosten exorbitant steigen. Auf der anderen Seite wird aber auch deutlich, dass die Abhängigkeiten und Sicherheitsrisiken zunehmen werden, so dass die Banken gut beraten sind, hier schon frühzeitig entsprechende Massnahmen zu treffen, um diese Risiken mittel- und längerfristig auf einem vernünftigen Niveau zu stabilisieren.
Die Vielzahl und die Verschiedenartigkeit der aufgeführten Beispiele zeigen aber auch, dass praktisch alle Bereiche der Banken von der Einführung und Ausbreitung von KI betroffen sein werden. Entsprechend gross wird auch das Einsparpotenzial sein. Konkrete Beispiele aus Asien zeigen, dass mittelfristig Einsparungen von rund zehn Prozent der Mitarbeiter erwartet werden. Gleichzeitig dürfte durch die Einstellung von zusätzlichen Mitarbeitenden in den Bereichen KI und Sicherheit etwa die Hälfte der Einsparungen wieder kompensiert werden.
Eine weitere Erkenntnis der IFZ Studie ist, dass Banken bezüglich der Veränderungen durch KI den Blick über das eigene Unternehmen und die eigene Branche hinauswagen sollen. So wird die Software-Entwicklung durch KI massiv verändert werden, was auch für die Banken von grosser Bedeutung ist. Zudem werden auch alle anderen Branchen von KI betroffen sein, was gesamtwirtschaftlich zu erheblichen Investitionen und damit für Banken möglicherweise auch zu neuen Chancen bei der Finanzierung von Firmen führen kann.
Fazit
Der Einsatz von KI wird bei Banken praktisch alle Bereiche betreffen, zu deutlichen Effizienzgewinnen und Qualitätssteigerungen führen und eine noch weiter individualisierte Erbringung von Dienstleistungen ermöglichen. Die Digitalisierung wird dadurch weiter beschleunigt. Es ist für Banken deshalb auch unerlässlich, sich mit den erforderlichen Change-Prozessen sowie den neuen Abhängigkeiten und Risiken auseinanderzusetzen. Bei allem vorausschauenden Agieren, sollte jedoch auch nicht vergessen werden, dass die Branche erst am Anfang steht und noch vielerorts Hausaufgaben im regulatorischen und strategischen Bereich zu erledigen sind.
Ein Überblick über die weiteren Erkenntnisse aus der IFZ-Studie Bank-IT und Sourcing 2025 findet hier. Die Studie kann hier kostenfrei bezogen werden.
Ein herzliches Dankeschön gilt unseren Platinsponsoren Accenture, Finnova, Inventx, KPMG und Swisscom sowie den beiden Goldsponsoren Aity und Credit Exchange, deren Unterstützung die Studie erst möglich gemacht hat.
Das IFZ setzt sich in verschiedenen Bereichen mit KI und Zukunftsthemen des Banking auseinander. Wir machen Sie in diesem Zusammenhang gerne auf unsere Veranstaltungen im September und Oktober aufmerksam:
- IFZ Forum Bank-IT zu Open Finance, 28. Oktober 2025
- Präsentation der IFZ Studie Open Finance, 28. Oktober 2025
Ausserdem bietet das IFZ Weiterbildungen an, die Mitarbeitenden an der Schnittstelle zwischen Banking und IT dabei unterstützt, die Schlüsselkompetenzen für die Zukunft des Banking zu erwerben und auszubauen. Ein neuer CAS dazu startet im März 2026:
Haben Sie spezifische Fragen? Wir stehen gerne zur Verfügung: urs.blattmann@hslu.ch, thomas.fischer@hslu.ch
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1 Kommentare
Fabio Guadagnuolo
17. Oktober 2025
Danke für den sehr interessanten Artikel. Banken können bestimmt am meisten von der künstlichen Intelligenz profitieren, wenn sie deren Nutzung strategisch planen und zudem die Figur eines internen KI-Verantwortlichen kreieren. Mir fällt das Beispiel einer grossen Schweizer Bank ein...
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
8. September 2025
ESG-Druck auf KMU: Welche Tools Banken jetzt kennen sollten
Von Nadine Berchtold
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind eine entscheidende Kundengruppe von Schweizer Retailbanken und tragen massgeblich zur Entwicklung der Schweizer Wirtschaft bei. Aufgrund gesetzlicher Vorschriften, wie dem Schweizer OR 964 und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU, stehen sie jedoch zunehmend unter Druck, ihre Nachhaltigkeitsleistung nachzuweisen und zu verbessern. In den letzten Jahren haben sich verschiedene Nachhaltigkeits-Tools am Schweizer Markt etabliert. Alle haben zum Ziel, die Datenerfassung und -bewertung sowie die Nachhaltigkeitskommunikation und -transparenz zu fördern. Für viele Retailbanken ist es deshalb spannend, sich mit den Anbietern auf dem Markt auseinanderzusetzten, nicht zuletzt, um allfällige Partnerschaften zu prüfen. Im heutigen Blog präsentieren wir eine Auswahl.
Bedeutung von KMU-Nachhaltigkeits-Tools für Retailbanken
Grossunternehmen erwarten zunehmend von ihren Lieferanten Nachhaltigkeitsnachweise, wodurch KMU unter Zugzwang geraten. Nachhaltigkeits-Tools helfen dabei, diesen Anforderungen möglichst effizient gerecht zu werden, indem sie eine standardisierte und effiziente Datenerfassung und Nachhaltigkeitskommunikation ermöglichen.
Mit KMU als eine der wichtigsten Kundengruppen von Schweizer Retailbanken, sind auch für sie solche Tools von Interesse, da sie ihnen helfen können,
- finanzielle Nachhaltigkeits-Risiken ihrer Kunden besser zu verstehen und zu managen,
- passende Nachhaltigkeits-Finanzierungsprodukte zu konstruieren, und
- die Genauigkeit ihrer Berechnung der finanzierten Emissionen im Kreditportfolio zu verbessern.
Anforderungen an ein Nachhaltigkeits-Tool
Die Anforderungen an ein Nachhaltigkeits-Tool aus der Bankperspektive variieren je nach Bankbedürfnissen. Im Zentrum stehen das Hauptziel und die Zielgruppe der Bank. Der priorisierte Use Case (oder mehrere) entscheidet, wie das Tool eingesetzt wird und welche Funktionalitäten im Vordergrund stehen sollen. Abbildung 1 zeigt auf, welche Funktionalitäten und weiteren Kriterien bei der Anforderungsdefinition zu berücksichtigen sind.

Abbildung 1: Hauptziel, Zielgruppe und Anforderungen an Tool (Aufzählung nicht abschliessend)
Vergleich führender Nachhaltigkeits-Tools in der Schweiz
In der Schweiz stehen verschiedene Tools zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer Kernkompetenz und Funktionalitäten unterscheiden. Wir haben acht Anbieter verglichen:
| B-Corps / BLab | CRIF / Synesgy |
| Website www.blab-switzerland.ch www.bcorporation.net/en-us Herkunft U.S. Grösse ~25 FTE Schweiz, ~500 FTE global Kollaborationen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) | Website www.crif.ch/loesungen/nachhaltigkeit-esg www.synesgy.ch Herkunft Italien Grösse ~90 FTE Schweiz 1000+ FTE global Kollaborationen Baloise, Die Gestalterbank, Association of Cyprus Banks, Czech & Slovak Banking Association, Credem, BPER, Iccrea Group, mehrere Kantonalbanken zur Selbstevaluierung |
| EcoVadis | esg2go |
| Website www.ecovadis.com Herkunft Frankreich Grösse 1’000+ FTE Kollaborationen ING, Deutsche Bank, Société Générale,SEB, Lloyds Banking Group Plc und weitere | Website www.esg2go.org Herkunft Schweiz Grösse CCRS ~20 FTE, Adjumed ~10 FTE Kollaborationen UBS, Zürich Versicherung, Raiffeisen, Renaissance Anlagestiftung, SQS, Swisscleantech sowie rund 50 Professionals, Climate Partner |
| Greenomy | SWISSopenESG |
| Website www.greenomy.io Herkunft Belgien Grösse 50-100 FTE Kollaborationen Schufa, HSBC und Belfius | Website www.swissopenesg.ch Herkunft Deutschland Grösse 100-500 FTE Kollaborationen KPMG, Bearing Point, msg, Horváth & Partner, DIHK und Risk Solution Network AG |
| Sulytics | Pelt8 |
| Website www.sulytics.com Herkunft Schweiz Grösse >10 FTE Kollaborationen Mobiliar | Website www.pelt8.com Herkunft Schweiz Grösse ~10 FTE Kollaborationen PostFinance, BLKB, AXA, SIX, Banca Zarattini und Leonteq |
Tabelle 1: Verschiedene Anbieter im Schweizer Markt
Zwar mögen sich die Tools auf den ersten Blick sehr nahe sein, unterscheiden sie sich doch bei näherer Betrachtung.
Greenomy, Pelt8 und Sulytics haben sich auf das Management von unternehmerischen Nachhaltigkeitsdaten sowie das anschliessende Reporting fokussiert. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine einfache Datenerfassung ermöglichen und diese management-gerecht darstellen können, um eine effiziente Steuerung zu ermöglichen. Anschliessend bieten sie aufgrund der erfassten Daten Berichterstattungen nach verschiedenen anerkannten Standards an.
Dazu im Vergleich misst und bewertet B-Corps die ökologische und sozialen Wirkung eines Unternehmens und zeichnet dieses anschliessend aus, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt worden sind. Die Tools von esg2go, EcoVadis und CRIF / Synesgy bieten ebenfalls beide eine Nachhaltigkeitsbewertung eines Unternehmens an. Insbesondere EcoVadis und CRIF / Synesgy verfügen über sehr umfangreiche Funktionalitäten, welche mittlerweile weit mehr abdecken als lediglich die Bewertung der Nachhaltigkeit.
Die Datensammlung und die Datenübermittlung über die direkte Dateneingabe oder über die Anbindung an andere Tools bezeichnen wir als Daten Hub. Die Plattform SWISSopenESG fungiert als offener Daten Hub, also als Bindeglied zwischen Datenquelle und -nutzern. Datenquellen können die bereits aufgelisteten Tools sein und Datennutzerinnen beispielsweise Finanzinstitute oder grössere Unternehmen, welche ihre Lieferkette analysieren. Über geführte Abfragestrecken und Ausfüllhilfen kann so die Datensammlung vereinfacht und für KMU die mehrfache Eingabe von Angaben vermieden werden.
Tabelle 7 ordnet die Tool-Anbieter drei Kategorien zu. Allerdings verschwimmen die angebotenen Funktionalitäten der analysierten Anbieter zunehmend, da der Funktionsumfang stetig erweitert wird, was eine klare Abgrenzung zunehmend erschwert. So sind einige typische Funktionalitäten des Datenmanagements auch bei Bewertungs-Tools zu finden und umgekehrt.
| Datenmanagement und -reporting Tool | Bewertungs-Tool | Daten Hub |
| GreenomyPelt8Sulytics | B-Corps / BLabCRIF / SynesgyEcoVadisesg2go | SWISSopenESG |
Tabelle 2: Grobzuteilung Tool-Anbieter zu Tool-Kategorie
Zielgruppe | Die acht Tools richten sich branchenunabhängig an KMU und teilweise auch an Grossunternehmen (CRIF / Synesgy, EcoVadis, Greenomy, Sulytics und B-Corps). EcoVadis hat mit rund 2’500 bewerteten Unternehmen die grösste Präsenz in der Schweiz, gefolgt von esg2go (1’000 registrierte, 500 bewertete Unternehmen) und CRIF / Synesgy (600 Unternehmen). Internationale Anbieter wie EcoVadis, CRIF / Synesgy und B-Corps haben zudem eine grössere weltweite Reichweite. Andere Tools wie Greenomy, openESG, Pelt8 und Sulytics befinden sich in der Wachstumsphase.
Gesamtscore oder Zertifikat | Viele Tools berechnen aufgrund der erfassten Daten eine Nachhaltigkeitsbewertung oder vergeben Zertifikate (z. B. EcoVadis-Medaillen, CRIF/Synesgy ESG-Zertifikat, B-Corps-Zertifizierung, esg2go Score) für Kommunikationszwecke. Banken sollten bei der Weiterverwendung dieser Scores die Bewertungsmethodik kritisch prüfen, da einige Ratings auf die Wirkung (Impact) und andere auf Risiko fokussiert sind.
CO₂-Rechner | Die meisten Tools berechnen, respektive schätzen, CO₂-Emissionen gemäss dem GHG-Protokoll und unterscheiden nach Scopes 1, 2 und 3. Dies ist für Banken spannend, da sie diese Daten für ihre eigene Emissionsberechnung benötigen. Schätzungen sind oft noch ungenau, verbessern sich aber mit detaillierten Lieferantendaten (lesen Sie hier mehr zu den finanzierten Emissionen von Schweizer Banken)
Automatisierte Handlungsempfehlungen | Anbieter wie EcoVadis, esg2go, CRIF/Synesgy, Sulytics und B-Corps bieten bereits automatisch generierte Nachhaltigkeitsmassnahmen an, teils mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz. Andere (openESG, Greenomy, Pelt8) planen dies für die Zukunft. Die Qualität dieser Empfehlungen sollte jedoch immer kritisch geprüft werden, um Fehlinvestitionen oder Greenwashing möglichst zu vermeiden.
Zeitaufwand für Datenerhebung | Der Erfassungsaufwand variiert bei allen Anbietern je nach Unternehmensgrösse und -komplexität. CRIF / Synesgy rechnet mit rund 1.5 Stunden für kleine Unternehmen. B-Corps hingegen schätzt einen Zeitaufwand von 6-8 Monaten mit 0.2 FTE. Entsprechend ist natürlich auch ein unterschiedlicher Detailierungs- und Genauigkeitsgrad zu erwarten. Die meisten rechnen jedoch mit rund einem Tag für ein kleines Unternehmen, welches noch Daten zusammenstellen und aufbereiten muss. In den Folgejahren reduziert sich der Aufwand jeweils.
Preisgestaltung | Für KMU-fokussierte Tools liegen die Kosten zwischen CHF 180–300 pro Jahr für kleine Unternehmen, mehrere Tausend Schweizer Franken für grössere Unternehmen. Datenmanagement-Tools sind teurer (z. B. Greenomy ab EUR 6’000, Pelt8 ab CHF 1’800). Banken könnten die Kosten teilweise übernehmen. Bei bankenfokussierten Tools tragen KMU keine oder nur geringe Kosten (z. B. openESG mit Gebühren pro Datenabfrage).
Im Sustainable Lending Monitor 2024, welcher das Institut für Finanzdienstleistungen IFZ in Zusammenarbeit mit der SIX erstellt hat, befindet sich ein ausführlicher Tool-Vergleich, in welchem noch weitere Kriterien aus Abbildung 1 beleuchtet werden.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Während Tools für KMUs wie auch für Banken Leitlinien setzen können, bleiben wichtige Herausforderungen. Welche konkreten Daten für die Bank relevant sind, muss jedes Institut aufgrund ihrer Bedürfnisse selbst definieren. Kein Toolanbieter kann beispielsweise klare Aussagen dazu machen, welche Nachhaltigkeitsfaktoren die Kredit-Ausfallwahrscheinlichkeit beeinflussen. Daher ist es oft auch eine Herausforderung, den KMUs den Nutzen eines solchen Tools aufzuzeigen und zu begründen, weshalb für eine Bank solche Daten relevant sind.
Trotz dieser Herausforderungen ist davon auszugehen, dass Nachhaltigkeits-Tools an Bedeutung gewinnen werden. Mit zunehmendem Druck aus den Lieferketten spüren auch KMU die Notwendigkeit über ihre Nachhaltigkeit Rechenschaft ablegen zu können, um Kundenbeziehungen halten zu können. Banken und KMU, die frühzeitig in solche Tools investieren, profitieren langfristig durch eine bessere Risikosteuerung und Marktpositionierung. Gleichzeitig erwarten wir eine Konsolidierung des Marktes. Aktuell sind viele ähnliche Tools am Markt und die Kundenbedürfnisse werden darüber entscheiden, welche Tools am Markt bestehen können.
Fazit
Nachhaltigkeits-Tools sind ein essenzielles Instrument für KMU und Banken, um Nachhaltigkeitsanforderungen effizient zu erfüllen. Der richtige Tool-Anbieter hängt von den individuellen Zielen und der strategischen Ausrichtung der Bank ab. Während einige Tools sich auf die Bewertung und Zertifizierung konzentrieren, bieten andere umfassende Berichterstattung und Datenmanagement-Funktionen. Banken können die Tools für verschiedene Use Cases wie die Erkennung von Nachhaltigkeitsrisiken, die Konstruktion von Nachhaltigkeitsprodukten und die Berechnung der finanzierten Emissionen.
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1. September 2025
Digitale Vermögensplattform willbe der LLB: Was bislang funktioniert – und was nicht
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Mit willbe betreibt die Liechtensteinische Landesbank (LLB) seit 2022 eine digitale Vermögensplattform, die sich an digital affine Anlegerinnen und Anleger richtet. Ursprünglich stark auf das Thema Nachhaltigkeit fokussiert, hat sich die Positionierung der App seither weiterentwickelt: Heute stehen Aspekte wie Stabilität, einfache Geldanlage und der Erwerb von physischem Gold über die App im Vordergrund. In meinem Blogbeitrag zeige ich auf, wie sich willbe bisher entwickelt hat, welche Nutzergruppen die App verwenden und welche Produkte besonders gut funktionieren.
Umpositionierung und welche Produkte gut funktionierten
Die Liechtensteinische Landesbank (LLB) hat 2022 mit willbe eine digitale Vermögensplattform respektive App mit Fokus auf Nachhaltigkeit lanciert – ich habe in einem früheren Blog-Artikel ausführlich darüber berichtet. Der ursprüngliche Anspruch war es, nachhaltiges Investieren für eine breitere Zielgruppe zugänglich zu machen. Die App mit Fokus auf Nachhaltigkeit bot unter anderem den Handel mit Fractional Shares an und setzte auf ein transparentes Preismodell mit einer Pauschalgebühr von 0.49 Prozent. Im Vergleich zum Schweizer Markt ist der Preis attraktiv, im deutschen Markt bewegt er sich auf konkurrenzfähigem Niveau.
Ähnlich wie bei Radicant zeigte sich, dass der Fokus auf Anlagen und Nachhaltigkeit als zentrales Verkaufsargument an Relevanz verlor. Dies führte zu einer strategischen Neupositionierung – sowohl in der Kommunikation als auch im Produktsortiment. 2023 lancierte willbe Tagesgeldkonten in Euro, US-Dollar und Schweizer Franken – bewusst ohne klassischen Zahlungsverkehr. Dieses Angebot traf den Nerv der Zeit: Die Nachfrage übertraf die Erwartungen deutlich. Einige Kundinnen und Kunden nutzten das Tagesgeld nicht dabei nicht nur als Einstieg, sondern tätigten in der Folge auch weitere Investitionen.
Mit dem Rückgang der Zinsen verlor das Tagesgeld jedoch an Attraktivität. Während Bestandskunden der Plattform treu blieben, flaute das Neugeschäft merklich ab. Darauf reagierte willbe mit der Einführung von Festgeldangeboten – ein logischer nächster Schritt angesichts des Kundenbedarfs an stabileren Anlageformen. Diese Produkte, mit Laufzeiten von einem Monat bis zu zehn Jahren, wurden im Juli 2024 lanciert.
So wird das Angebot von willbe bislang genutzt
Rund 70 Prozent der Kundinnen und Kunden stammen aktuell aus Deutschland, wo auch der Grossteil der Marketingaktivitäten stattfindet. 21 Prozent der Kundschaft ist in der Schweiz wohnhaft. Die restlichen 9 Prozent der Kundinnen und Kunden stammen aus Liechtenstein und Österreich. Deutsche Kundinnen und Kunden weisen im Durchschnitt um 30 Prozent tiefere Volumina auf als die Schweizer Kundschaft.
Wenig überraschend erfolgt die Nutzung fast ausschliesslich mobil. 96 Prozent der Kundinnen und Kunden greifen über die App auf willbe zu, nur 4 Prozent nutzen den Desktop-Zugang. Das bestätigt die klare Ausrichtung auf eine mobile-first-Strategie.
Ein Blick auf die Altersstruktur der Kundinnen und Kunden von willbe zeigt, dass der überwiegende Teil der Kundschaft zwischen 30 und 70 Jahre alt ist (vgl. Abbildung 1). Rund 85 Prozent aller Nutzerinnen und Nutzer fallen in diese Altersspanne. Die bedeutendste Gruppe stellen die 50- bis 60-Jährigen (ca. 23 %), gefolgt von der Gruppe der 60–70-jährigen (ca. 21 %) sowie den 30–50 Jahre (jeweils ca. 20 %).
Auffällig gering vertreten ist hingegen die jüngere Zielgruppe: Die 18- bis 30-Jährigen machen weniger als 10 Prozent der Kundschaft aus. Auch Menschen über 70 sind deutlich unterrepräsentiert – insbesondere angesichts des demografischen Gewichts älterer Menschen in der Gesamtbevölkerung.
Diese Verteilung legt nahe, dass willbe insbesondere Menschen anspricht, die sich aktiv mit Vermögensaufbau, Vorsorge und stabiler Geldanlage beschäftigen – typischerweise also Erwerbstätige in ihrer Sparphase sowie Personen kurz vor oder nach dem Übergang in den Ruhestand. Dass die jüngere Zielgruppe (18–30 Jahre) noch deutlich unterrepräsentiert ist, dürfte unter anderem daran liegen, dass in dieser Lebensphase andere Themen – wie Ausbildung, Berufseinstieg oder Konsum – im Vordergrund stehen und die Sparquote oft geringer ist. Mit der tiefen Einstiegshürde oder auch den Fondsparplänen hätte man aber auch für diese Gruppe ein Angebot.
Insgesamt zeigt die Altersverteilung: willbe erreicht eine zentrale Zielgruppe mit hoher Finanzaffinität, aber es gibt noch Raum, um jüngere Menschen und die sehr vermögenden älteren Jahrgänge gezielter anzusprechen.

Abbildung 1: Altersverteilung Kundschaft willbe
In Bezug auf die Produktnutzung zeigt sich, dass das Cash-Produkt mit Abstand am häufigsten genutzt wird und als klares Einstiegsprodukt dient. Eine breitere Nutzung weiterer Angebote – insbesondere Anlagen («Invest») und Festgelder – erfolgt bislang nur durch eine Minderheit der Kundinnen und Kunden. Lediglich rund fünf Prozent nutzen derzeit drei oder mehr verschiedene Produkte.
Das Wachstum von willbe verlief in den ersten Jahren positiv, aber nicht immer linear. Nach hohen prozentualen Wachstumsquoten im Jahr 2023, ist man im 2024 um 120 Prozent (Anzahl Kunden) respektive um 125 Prozent (Assets under Management) gewachsen. Im laufenden Jahr 2025 (bis Ende April) liegt der Zuwachs bei 14 % (Anzahl Kunden), In den letzten Wochen hat das Wachstum dank regem Kundeninteresse für das neu lancierte Gold-Angebot wieder spürbar angezogen.
Auch wenn die Entwicklung von willbe nicht immer linear verlief, zeigt man sich bei der LLB insgesamt zufrieden mit dem bisher Erreichten. Der Net Promoter Score (NPS) liegt bei 46 – ein starker Wert für eine junge Plattform. Das Wachstum war zuletzt etwas verhaltener, auch weil zwischenzeitlich einige zentrale Produkte fehlten. Doch die Weichen sind gestellt: Das Angebot wurde kürzlich erweitert – Gold, Sparen, Anlegen – mit dem Ziel, Kundinnen und Kunden eine ganzheitliche Lösung ohne Zahlungsverkehr, aber mit Fokus auf Vermögensbildung zu bieten.
Neu im Angebot: Digital in echtes Gold investieren und Sparpläne
So wurde erst kürzlich (Mitte Mai) willbe Gold eingeführt – ein physisches Goldprodukt mit eigener Verwahrung in Liechtenstein durch die LLB. Interessierte können ein Golddepot eröffnen und in Anteile an physischen Goldbarren investieren. Kauf und Verkauf erfolgen direkt in der App und sind ab einem Gramm bis zu einem Kilogramm pro Transaktion (maximal EUR/CHF 100’000) und in flexibler Stückelung möglich. Preislich scheint das Angebot attraktiv: willbe bietet Gold zum aktuellen Börsenpreis an und verrechnet dafür einen Spread von 0.5 Prozent. Darüber hinaus fallen keine Transaktionskosten an, weder beim Kauf noch beim Verkauf. Ab dem 1. Januar 2026 wird jedoch zudem eine jährliche Lagergebühr von 0.5 Prozent erhoben. Ich finde dies ein spannendes Produkt und hatte schon früher über ein ähnliches Produkt von UBS auf diesem Blog geschrieben.
Seit Juni bietet willbe zudem ein weiteres Angebot an ETF- und Fondslösungen an. Alle Anlagelösungen können als Sparplan abgeschlossen oder ab einer Anlagesumme von EUR/CHF 100 investiert werden. Unter den Produkten befinden sich sowohl hauseigene Lösungen als auch solche von Drittanbietern.
Fazit
Eine digitale App für Investitionen hat es im hart umkämpften Anlagemarkt nicht leicht – das haben bereits andere Anbieter erfahren müssen. Dabei liegen die Vorteile für digital affine Personen, die ihr Vermögen aufbauen wollen, grundsätzlich auf der Hand.
Der ursprüngliche Fokus von willbe auf nachhaltiges Investieren hat sich zudem nicht als entscheidender Erfolgsfaktor erwiesen. Inzwischen ist man auch in der Markenkommunikation von dieser Storyline abgerückt.
Die Positionierung verschiebt sich zunehmend von „Nachhaltigkeit“ im engeren Sinn hin zu den breiteren Themen „Stabilität“ und „Sicherheit“. Nachhaltige Produkte bleiben zwar Teil des Angebots, stehen aber nicht mehr im Zentrum. Stattdessen rücken Anwendungsfälle wie Sparen und Anlegen stärker in den Vordergrund – in einer Sprache, die weniger ideologisch und näher am konkreten Kundenbedürfnis ist.
Die bisherigen Erfahrungen mit willbe zeigen: Die Conversion über Tages- und Festgelder funktioniert besser als über reine Investmentangebote. Der Einstieg über Sparprodukte scheint für viele Kundinnen und Kunden der geeignetere Zugang zu sein – mit positiver Spillover-Wirkung auf weitere Produkte. Auch das neu lancierte Goldprodukt stellt aus meiner Sicht eine sinnvolle Ergänzung des Angebots dar – ein Produkt, das durchaus auch für andere Banken als digitales Angebot interessant wäre.
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27. August 2025
Crypto Assets im Aufschwung: Wachstum und steigende Akzeptanz
Von Prof. Dr. Thomas Ankenbrand, Dr. Denis Bieri, Joël Ettlin, Angelo Gattlen, Dr. Patric A. Huber und Dr. Jovana Milojevic
Crypto Assets haben in den letzten zwölf Monaten weiter an Bedeutung gewonnen. Neben den teilweisen rasanten Kursentwicklungen ist auch das Ökosystem in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein mit verschiedensten Anbietern gewachsen. Der Markt rückt zudem stärker in den Fokus institutioneller Investoren. Dies zeigt die neueste «Crypto Assets Study 2025» der Hochschule Luzern.
Zusammenfassung der Studie im Video
Der Markt für Vermögenswerte auf der Blockchain (Crypto Assets) hat im vergangenen Jahr deutlich an Fahrt aufgenommen. Mitte 2025 belief sich der Gesamtwert aller Crypto Assets weltweit auf rund 3.5 Billionen US-Dollar. Auch in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein entwickelte sich der Markt dynamisch: Das verwaltete Vermögen (AuM) in indirekten Anlageprodukten wie Fonds oder börsengehandelten Produkten wuchs bis Juni 2025 auf rund 15 Milliarden Franken. Damit ist das Volumen innert zwölf Monaten um rund zwei Drittel gestiegen (Abbildung 1). Während das nominale AuM dieser Produkte im Beobachtungszeitraum schwankte (blaue Linie), zeigte das preisbereinigte AuM (grün gestrichelte Linie) einen vergleichsweise stetigen Anstieg, was auf Nettozuflüsse von neuem Kapital hinweist.

Abbildung 1: Monatliche Gesamtvermögenswerte von Crypto-Asset-bezogenen ETPs und Open-End-Fonds (Quellen: Morningstar Direct, Bloomberg).
Das Schweizer und Liechtensteiner Crypto-Ökosystem wächst weiter
Ein Wachstum zeigt sich auch bei der Anzahl Unternehmen in der Schweiz und Lichtenstein, die Dienstleistungen für Crypto-Asset-Investitionen anbieten. Waren es vor einem Jahr noch 359 Unternehmen, sind es Mitte 2025 insgesamt 407. Dies entspricht einem Wachstum von über 13 Prozent. Dabei konzentriert sich der Markt für Crypto Assets nach wie vor auf die Kantone Zug und Zürich: Über 60 Prozent der Unternehmen aus dem Crypto-Asset-Bereich sind in diesen beiden Kantonen angesiedelt. Weitere wichtige Standorte sind das Fürstentum Liechtenstein mit rund 10 Prozent und Genf mit etwa 9 Prozent der Unternehmen.
Mehr Produkte, aber Handelsvolumen ohne klare Tendenz.
Die Anzahl indirekter Anlageprodukte an Schweizer Börsen, darunter Exchange Traded Products und strukturierte Produkte, ist weiter gestiegen. Die Handelsvolumen für diese Produkte an der SIX Swiss Exchange wiesen jedoch Schwankungen auf. Auffällig ist dabei, dass die Handelsvolumen verhältnismässig stärker bei indirekten Produkten auf andere Crypto Assets als bei solchen auf Bitcoin zugenommen haben (Abbildung 2). Das gesamte Handelsvolumen zeigt jedoch keine klare Tendenz und verzeichnet im Vergleich zu Juni 2024 kein signifikantes Wachstum. Dieses Muster zeigt sich nicht nur bei indirekten Anlagen, einschliesslich des Handels an Crypto-Derivatebörsen, sondern auch bei direkten Anlagen an zentralisierten und dezentralisierten Crypto-Börsen, wobei die Derivatemärkte den grössten Anteil der gesamten Handelsaktivität ausmachen.

Abbildung 2: Monatliche Anteile des Handelsvolumens nach Basiswert (Quellen: SIX).
Erste Anzeichen von institutionellen Investoren
Professionelle Investoren wie Banken und Family Offices scheinen sich zunehmend im Markt zu engagieren. Institutionelle Marktteilnehmer lassen sich zwar nicht direkt in Handels- und Blockchain-Daten identifizieren, doch gewisse Indizien deuten darauf hin. Dazu zählen etwa typische Muster wie rückläufige Bid-Ask-Spreads für Bitcoin auf Crypto-Börsen (Abbildung 3), was auf eine steigende Liquidität infolge der Präsenz institutioneller Investoren hindeuten könnte.

Abbildung 3: Jährliche durchschnittliche Bid-Ask-Spreads für Bitcoin auf Bitfinex, Bitstamp, Coinbase und Gemini (Quelle: Bitcoinity (online)).
Weitere Hinweise auf die Präsenz institutioneller Investoren im Bereich von Crypto Assets liefern Daten aus der Bitcoin- und der Ethereum-Blockchain. So zeigt sich beispielsweise eine höhere normalisierte Anzahl von Transaktionen mit einem Volumen von über 100’000 USD an Wochentagen im Vergleich zu Wochenenden, also an Geschäftstagen, an denen institutionelle Anleger typischerweise aktiv sind (Abbildung 4). Für Ethereum gilt zudem, dass grosse Wallets ihre Bestände selbst in Marktabschwüngen weitgehend stabil halten und einen erheblichen Anteil langfristiger Positionen aufweisen. Solche Beobachtungen sprechen insgesamt für ein Engagement institutioneller Anleger im Crypto-Asset-Markt, was dem Markt Stabilität und Glaubwürdigkeit verleihen könnte. Allerdings verhindert die Anonymität von Blockchain-Adressen eine eindeutige Zuschreibung ohne verifizierte Identitätsdaten.

Abbildung 4: Durchschnittliche Anzahl grosser Bitcoin- und Ethereum-Transaktionen nach Wochentag.
Bitcoin war nicht das neue Gold
Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung von Bitcoin als potenzieller Bestandteil traditioneller Portfolios stellt sich die Frage, wie stark seine Renditen mit klassischen Anlageklassen zusammenhängen und welchen Beitrag er zur Portfoliodiversifikation leisten kann. Dies wird mithilfe eines Beta-Ansatzes auf Basis einer linearer Regression untersucht. Unterschieden wird zwischen Upside-Beta (in Phasen positiver Marktentwicklung des Proxys) und Downside-Beta (in Phasen negativer Marktentwicklung), um asymmetrisches Risikoverhalten sichtbar zu machen (Abbildung 5). Die Analyse verdeutlicht, dass Bitcoin am stärksten mit Aktien und Gold korreliert war, wobei das Downside-Beta gegenüber Aktien höher ausfällt als das Upside-Beta. Aufbauend auf diesen Ergebnissen zur Risikosensitivität untersucht die anschliessende Portfolioanalyse, welchen konkreten Einfluss die Einbindung von Bitcoin und Gold auf Rendite, Volatilität, Maximum Drawdown und risikobereinigte Performance hat. In der Portfolioanalyse erzielte die Allokation mit Bitcoin die höchsten Renditen, geht jedoch mit erhöhter Volatilität und tieferen Drawdowns einher. Gold wirkte dagegen stabilisierend, liefert aber geringere Erträge. Die Kombination aus Bitcoin und Gold erzielte sowohl die höchste risikobereinigte Performance (Sharpe Ratio) als auch den höchsten Gesamtertrag und zeigte damit die potenziell komplementäre Rolle beider Assets in einer diversifizierten Allokation. Der maximale Drawdown konnte mit dieser Allokation allerdings nicht reduziert werden. Ein grundsätzliches Problem ist, dass sich viele Portfoliooptimierungsansätze an den Entwicklungen der Vergangenheit orientieren. Hier besteht noch Bedarf für weitere Analysen in verschiedenen Marktzyklen.

Abbildung 5: Geschätzte Beta-Koeffizienten von Bitcoin in Bezug auf traditionelle Anlageklassen unter Aufwärts-, Abwärts- und Gesamtmarktbedingungen
Blockchain trifft Kassenobligation
Tokenisierte Vermögenswerte treffen aktuell auf ein breites Interesse seitens des Finanzsektors. Bereits heute gibt es in der Schweiz tokenisierte Obligationen und Aktien, die über regulierte Plattformen emittiert und gehandelt werden. Franken-basierte Stablecoins haben sich, im Gegensatz zu ihren USD-basierten Pendants, bislang aber nicht entwickeln können. Ideen wie tokenisierte Bilanzpositionen, wie zum Beispiel Kassenobligationen, könnten jedoch neue Anwendungsfälle darstellen.
Was sind Crypto Assets?
Crypto Assets sind digitale Repräsentationen wie Forderungen, Werte oder Rechte, die auf einem dezentralen Register (wie einem Blockchain-Protokoll) in Form von Token ausgegeben werden.
Crypto Assets Study 2025
Die Hochschule Luzern veröffentlicht zum fünften Mal die jährliche «Crypto Assets Study». Diese bietet eine umfassende Übersicht zum Investment-Ökosystem für Crypto Assets in der Schweiz und Liechtenstein. Ermöglicht wurde die Studie durch die Unterstützung von Finnova, Inventx, dem Kanton Zug, SFTI / Swiss Fintech Innovations, SIX, Swiss Bankers Prepaid Services und der Zürcher Kantonalbank. Download der Studie.
Research Partners

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Ian Keates, CEO, Altoo AG
29. Oktober 2025
Open Finance still has a long way to go before it can truly deliver on the promise of providing all relevant financial data, such as tax statement information, in one place. At the moment, most initiatives remain focused on basic account and payment data. To move forward, banks need to go beyond simple account reporting and include custody positions and securities transactions. Currently, only a few institutions, most notably ZKB and SGKB using bLink from SIX, offer such extended data sharing capabilities. For Open Finance to meet client expectations, especially around comprehensive financial overviews and tax reporting, other banks will need to step up and follow this example.
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