11. Juni 2019

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Digital Onboarding bei KMU: Wie gut funktioniert das bei der Credit Suisse?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die digitale Kontoeröffnung (Digital Onboarding) für Privatkunden wird in der Zwischenzeit von 17 Banken in der Schweiz angeboten. Eine der ersten Banken in der Schweiz, welche eine digitale Kontoeröffnung auch für KMU ermöglicht, ist die Credit Suisse. Im heutigen Blog zeige ich den Digital Onboarding-Prozess für KMU und die strategische Relevanz dieses Angebots für die Credit Suisse auf und präsentiere die bisher beachtlichen Resultate.

Die FINMA hat mit ihrem Entwurf des Rundschreibens „Video- und Online-Identifizierung“ am 21. Dezember 2015 die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen im Finanzbereich über digitale Kanäle geschaffen. Am 3. März 2016 hat sie grünes Licht für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zwischen Kunde und Bank mittels Video- und Online-Identifizierung gegeben. In der Zwischenzeit haben sich 17 Banken in der Schweiz diese Möglichkeit zu Nutze gemacht hat. Beinahe alle nutzen das Digital Onboarding bislang aber nur für Privatkunden.

Onboarding und KMU

Zahlreiche Banken möchten das KMU Geschäft ausbauen. Dies erfordert aber auch Investitionen in nutzenstiftende digitale Angebote. Der Kontoeröffnungs-Prozess schafft den ersten Eindruck, den ein Unternehmenskunde von einer Bank und ihren Dienstleistungen bekommt. Es lässt sich heute aber feststellen, dass die aktuellen Onboarding-Prozesse für KMU bei fast allen Banken ineffizient sind. Papierbasierte Prozesse und eine fehlende Automatisierung verhindern, dass KMU-Kunden rasch über das Konto verfügen können. Die Dauer des Kontoeröffnungs-Prozesses des Kunden variiert abhängig von der Bank. Insgesamt kann man aber festhalten, dass der Prozess vom ersten Kontakt bis hin zur für den Kunden nutzbaren Bereitstellung der Konti (zu) lange dauert.

Als meines Wissens erste Bank in der Schweiz hat die WIR-Bank im November 2016 ein vollintegriertes digitales Onboarding für KMU lanciert. Seit Mitte 2017 können Kapitaleinzahlungskonti für die Gesellschaftsgründung bei der Credit Suisse online eröffnet werden. Seit Ende 2017 ist die Online-Eröffnung einer neuen Bankbeziehung für Einzelgesellschaften möglich – und seit Sommer 2018 können auch Unternehmenskunden in der Rechtsform von Aktiengesellschaften oder GmbH den Kontoeröffnungs-Prozess komplett digital durchführen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Startseite für das Digital Onboarding

Der Prozess bei der Credit Suisse

Auf den detaillierten Onboarding-Prozess werde ich nicht eingehen. Ich möchte aber nachfolgend auf die aus meiner Sicht wichtigsten, respektive interessantesten, Aspekte eingehen:

  • Das System ist direkt an das Handelsregister angebunden. Kunden müssen also nur Daten eingeben, die nicht öffentlich zugänglich sind. Gleichzeitig ist diese Anbindung ans Handelsregister auch aus Qualitäts- und Compliance-Gründen (Daten des Systems können nicht manipuliert werden) durchaus vorteilhaft.
  • Neben der Wahl des Bankpakets (z.B. Business Easy oder Startup Easy Paket) können individuell weitere Produkte ausgewählt werden.
  • Die zeichnungsberechtigten Personen müssen im Rahmen des Prozesses definiert werden. Einerseits kann ein Import aus dem Handelsregister erfolgen. Andererseits können weitere Personen manuell hinzugefügt werden. Relevant ist dies insbesondere für die Bestimmung, welche Personen in der Unternehmung welche Berechtigungen erhalten (z.B. Zugang zum Online Banking; Zugang zu Salärinformationen, etc.; vgl. Abbildung 2)
Abbildung 2: Bestimmung der Berechtigungen pro Person
  • Das Erreichen einer hohen Onboarding-Effizienz für KMU ist keine leichte Aufgabe. Das Onboarding ist für Unternehmensprozesse in der Regel komplexer als für Privatkunden, da bei (Transaktionen von) KMU oft die Zustimmung von mehr als einer Person innerhalb des Unternehmens erforderlich ist. Gemäss einer Studie aus den USA muss für eine Kontoeröffnung bei etwa 75 Prozent der kleinen Unternehmen mehr als eine Person unterschreiben. Daher ist es zentral, dass der Onboarding-Prozess jederzeit gespeichert und später wieder aufgenommen werden kann.
  • Die Videoidentifikation für den digitalen Kontoeröffnungs-Prozess bei der Credit Suisse wird durch die Swisscom vorgenommen. Möglich ist die Videoidentifikation von Montag bis Samstag jeweils von 8.00 bis 22.00 Uhr.
  • Abhängig von der Komplexität des KMU kann der digitale Kontoeröffnungs-Prozess für KMU derzeit in etwa 15 bis 30 Minuten durchgeführt werden. Der Prozess dauert also etwas länger als derjenige für Privatpersonen. Die Geschwindigkeit in Minuten ist für KMU im Gegensatz zu den Privatpersonen aber wohl kein entscheidender Punkt. Die Flexibilität in Bezug auf den Eröffnungsprozess und die verschiedenen detaillierten Zusatzoptionen im Prozess scheinen relevanter. Zudem ist zu berücksichtigen, dass KMU-Kunden aus Compliance-Sicht oftmals komplexer sind als Privatpersonen.
  • Den Abschluss beim Digital Onboarding wird über die elektronische Signatur vorgenommen. Die Signatur erfolgt auch über Swisscom
  • Bis der Bank Account dem Kunden zur Verfügung steht, dauert es bei einem einfachen Fall ca. zwei Tage und bei einem komplexeren Fall eine Woche. Dies ist eine grosse Verbesserung gegenüber der heutigen Situation – aber gleichzeitig scheint mir auch klar, dass hier noch immer ein beträchtliches Verbesserungspotenzial besteht.

Nutzung von Digital Onboarding von KMU bei der Credit Suisse und bei der WIR Bank

Für diesen Blog-Artikel wurden mir von der Credit Suisse die folgenden Daten zur Verfügung gestellt:

  • Mehr als 90 Prozent (!) der neuen Gewerbekunden (Umsatz bis zu 7.5 Mio. CHF pro Jahr) nutzen heute den rein digitalen Kontoeröffnungs-Prozess.
  • Auch bei den grösseren Unternehmenskunden (mit einem Jahresumsatz von mehr als 5 Mio. CHF) nutzen rund zwei Drittel der Neukunden den digitalen Onboarding-Prozess.

Zu berücksichtigen in der obigen Statistik ist, dass ein Unternehmen, welches für den Eröffnungsprozess in eine Credit Suisse-Filiale geht, an einen Firmenkundenberater in der Filiale oder ins Business Center übergeben wird. In der Regel wird den Kunden danach ein Link zum Self-Onboarding zur Verfügung gestellt. Der entsprechende Fall gilt auch als «Digital Onboarding».

Nichtsdestotrotz überraschen diese Zahlen. Im Bereich der Privatkundenfristet fristet das Digital Onboarding nämlich bei den mir bekannten Banken noch immer ein Nischendasein und sind diese relativen Zahlen im tiefen einstelligen Prozentbereich.

Auch bei der WIR Bank sind die Zahlen im Bereich der KMU übrigens erstaunlich hoch. Gemäss Angaben von Claudio Gisler, Leiter Marketing und Produkte, nutzen bei der WIR Bank rund 50 Prozent der Firmenkunden das Self-Onboarding. Von diesen wiederum macht rund die Hälfte das Video-Ident Verfahren. Die interne Bearbeitungszeit habe sich dadurch von total rund 2 Stunden auf rund 30 Minuten reduziert.

Fazit

Die Credit Suisse hat sich in den vergangenen Monaten vor allem im Bereich des digitalen Firmenkundengeschäfts stark entwickelt. Vor diesem Hintergrund ist auch die digitale Kontoeröffnung für KMU ein weiteres, aber wichtiges Mosaik-Steinchen in der Gesamtstrategie hin zu einem auch digitalen Partner für ihre rund 100’000 KMU-Kunden. Zentral ist das Digital Onboarding auch in Anbetracht der Credit Suisse-Strategie, sich stärker zu öffnen und in Ökosystemen zu agieren. Die Zusammenarbeit mit Klara beispielsweise (u.a. Nachfrage von KMU nach einem Online Kredit, welche über die Plattform Klara zur Credit Suisse gelangt) oder anderen potenziellen Partnern funktioniert eigentlich nur dann, wenn der Kunde nicht zu einem Kanalwechsel gezwungen wird.
Des Weiteren hilft das Digital Onboarding Angebot, die Compliance-Risiken etwas zu reduzieren, die (digitalen und analogen) Prozesse intern zu verbessern und die Effizienz zu erhöhen. Auch die Kunden erwarten zunehmend, dass sie Modifikationen, Kontoeröffnungen und auch Produkteröffnungen online machen können.
Sinnvoll scheint mir auch der Weg der Credit Suisse, sich in einem ersten Schritt auf die zahlreicheren und weniger komplexen KMU-Fälle zu fokussieren. Ich erwarte, dass ein solches Angebot später auch für komplexere und international tätige Grosskunden zur Verfügung stehen wird.

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