23. März 2020
Andere Retail Banking Institute,
Es muss das Ziel einer jeden Bank sein, moderne Arbeitsmittel für die Beratenden bereitzustellen. Die Beratung soll mit digitalen Hilfsmitteln unterstützt werden und standardisierte, aber trotzdem flexible Beratungsprozesse abbilden. Dies ist wichtig um die Qualität sicherzustellen, regulatorische Vorgaben einzuhalten und um eine Datenbasis aufzubauen, welche eine Optimierung der Beratungsprozesse erlaubt. Gleichzeitig kann so das Beratungserlebnis für die Kunden und die Mitarbeitenden verbessert werden. Dazu soll die noch oft redundante Datenerfassung in Beratungslösungen und nachgelagerten Systemen möglichst reduziert, respektive eliminiert, werden. Am Beispiel der Migros Bank erläutere ich im heutigen Blog, wie man dies erfolgreich umsetzen kann und wie wichtig es ist, dass man keine Insellösungen, sondern ein gesamtheitliches Konzept für die verschiedenen Beratungsangebote einsetzt.
Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren bei den meisten Banken auch die Kundenberatung erreicht. Ein Blick in den hiesigen Bankenmarkt zeigt aber, dass bislang noch bei vielen Banken Einzellösungen in den verschiedenen Bereichen (Hypotheken, Anlageberatung oder Vorsorge) entwickelt und eingeführt wurden. Erst wenige Banken verfügen über eine durch alle Beratungsbereiche hindurch einheitliche Lösung. Die Migros Bank ist diesbezüglich schon ziemlich weit fortgeschritten. Nachfolgend werde ich die aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte der einzelnen Module des Beratungsarbeitsplatzes aufzeigen.
Modul Basis («Onboarding»)
Ab diesem Sommer soll das Modul “Basis” lanciert werden. Dabei soll unter anderem anhand von sechs einfachen Fragen abgeklärt werden, wofür der neue Bankkunde seine Bankprodukte nutzen möchte (vgl. Abbildung 1). Die entsprechenden Fragen können mit einem einfachen «Ja», «Nein», oder «später darüber sprechen» beantwortet werden und helfen der Bank, wichtige Informationen über den Kunden zu gewinnen. Natürlich ist der «Fragebogen» stark vereinfacht. Bereits diese wenigen Informationen helfen der Migros Bank aber, ihre neuen Kunden besser kennenzulernen und dadurch später erfolgreiche(re) Kampagnen zu lancieren. Ebenso sind die Kundenberatenden durch diesen Prozess «gezwungen», diese Aspekte auch tatsächlich abzufragen.
Danach werden dem Kunden verschiedene Produkte vorgeschlagen. In einem ersten Schritt werden auf dem Bildschirm dabei alle Produkte angezeigt, welche kostenlos sind und dadurch für den Kunden interessant sein könnten. Dadurch kann es sein, dass der Kunde auch weitere Produkte oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt, an die er anfänglich gar nicht gedacht hatte (z.B. E-Banking für Kunden, welche eigentlich «nur» ein Sparkonto eröffnen wollten). Ein weiteres Ziel ist es, dass der Kunde bereits nach dem ersten Beratungsgespräch mit einem funktionierenden E-Banking nach Hause geht. Der Aktivierungsprozess für das E-Banking wird daher direkt in der Filiale vorgenommen. Des Weiteren kann der Kunde die Migros Bank auch beauftragen, ein Konto bei einer Drittbank aufzulösen.
Modul «Kundenbedürfnisse»
Für interessant halte ich das Mitte 2019 lancierte Kundenbedürfnis-Tool. Bereits der Prozess beginnt anders als gewohnt. Statt mit einem Formular zu starten, wird ein in der Bankenwelt wohl eher untypisches Bild gezeigt (siehe Abbildung 2; mir gefällts).
Als erstes stellt sich der Kundenberater im Gespräch selber vor. Er gibt dabei sehr ähnliche Informationen preis, die er später auch vom Kunden verlangt. Dieser Ansatz habe sich gemäss Rolf Knöpfel, Leiter Innovation und Marketing bei der Migros Bank, bewährt, da danach das Eis oftmals gebrochen sei. Als zweites wird die Migros Bank anhand verschiedener Folien vorgestellt (z.B. welche Werte vertritt die Bank?). Erst in einem dritten Punkt geht es um das Kennenlernen und das Vorstellen des Kunden. Hier werden sowohl allgemeine Informationen zur Person aufgenommen als auch generelle Pläne (z.B. Frühpensionierung; dargestellt auf einem Zeitstrahl) und Finanzthemen besprochen. Bei den Finanzthemen werden vor allem Wünsche in den Bereichen Säule 3a, Anlegen und Finanzieren angesprochen und diese danach im Datawarehouse hinterlegt («ich plane mal ein Haus zu kaufen, tendenziell auf dem Land, ich denke für einen Preis in der Höhe von maximal CHF 1.2 Mio.»). Auch hierfür werden jeweils Bilder im obigen Stil verwendet.
Natürlich wird dieser – zeitintensive und dadurch auch nicht kostengünstige – Prozess nicht für alle Kunden durchgeführt, sondern vor allem für diejenigen Kunden, bei denen die Migros Bank ein gewisses Potenzial vermutet.
Modul Hypotheken
Das Hypotheken-Modul war das erste Beratungs-Tool der Migros Bank in diesem Stil und wurde bereits 2015 eingeführt. Grundsätzlich und aus meiner Sicht unterscheidet sich dieses Tool in Bezug auf die Funktionalitäten nicht speziell von anderen mir bekannten Lösungen im Bereich der Hypothekarfinanzierung. Interessant ist aber der Aspekt, dass abhängig von den geäusserten Bedürfnissen und dem Kundenprofil, im Rahmen des Beratungsprozesses ein automatisch generierter Mustervorschlag in drei Ausprägungen vorgeschlagen wird (der Kunde kann aber natürlich auch eine andere Option wählen). Die angezeigten Zinssätze sind zudem «scharf». Der Kunde sieht also ziemlich rasch im Gespräch, wie hoch der Zinssatz sein wird. Weitere Bestandteile des Hypotheken-Modus sind unter anderem ein Zinssimulations-Tool, eine Analyse der bisherigen Zinsentwicklung oder ein Budgetrechner.
Modul Anlegen
Das Modul Anlegen wurde im Januar 2018 lanciert. Positiv ist als erstes, dass es alle Arten von Kunden berücksichtigt. Es ist also nicht nur eine Lösung für die «Advisory-Kunden», sondern auch für «Delegations-Kunden» (Vermögensverwaltungsmandate, Strategiefonds, Fondssparpläne) und «Execution-Only-Kunden». Abgefragt werden zu Beginn unter anderem der Anlegertyp, die Gewinnerwartungen, der Zeithorizont oder die Regelmässigkeit der Einzahlungen. Basierend auf diesen Informationen empfiehlt der «Konfigurator» der Migros-Bank dem entsprechenden Kunden eine Beratungsmodell und damit verbunden auch eine Anlagestrategie (Beratungs-Kunde oder VV-Mandat?). Dieser Prozess und die entsprechenden Vorschläge haben dazu geführt, dass die Migros Bank ihre Anzahl Vermögensverwaltungs-Mandate seit der Einführung 2018 um rund 60 Prozent erhöhen konnte.
Ansonsten bietet der Beraterarbeitsplatz ähnlich – in der Zwischenzeit von ziemlich vielen Banken implementierte – fortschrittliche Möglichkeiten an, wie beispielsweise die auch schon auf diesem Blog vorgestellten Lösungen der UBS oder der Graubündner Kantonalbank. Integriert sind beispielsweise eine Risikoanalyse, eine automatische und regelmässige Portfolio-Überwachung (bei der Migros Bank werden sechs verschiedene Aspekte täglich überprüft) und das Angeben von Präferenzen für Produktvorschläge (z.B. keine Fonds). Positiv ist, dass der Kunde diese Informationen auch selber im Mobile Banking anschauen kann (nicht bei allen Banken mit einem solchen Angebot ist das derzeit möglich). Zudem kann der Kunde wählen, über welche Art von Verletzungen er über welchen Kanal informiert werden möchte (siehe Abbildung 3). Gemäss Aussagen von Knöpfel nutzen derzeit rund 60 Prozent der «Advisory-Kunden» diese Alert-Funktionen.
Hingegen sieht der Kunde die Portfolio-Optimierungs-Vorschläge in der Beratung im Beraterarbeitsplatz, aber noch nicht im Mobile Banking (Kaufe A, verkaufe B). Diese Vorschläge gelangen bislang nur über den Kundenberater – und nicht automatisch über das Mobile Banking – an den Kunden. Der Ausbau dieser Dienstleistung ist für 2021 vorgesehen.
Als Kritikpunkt sehe ich die derzeit noch fehlende Möglichkeit, im Mobile Banking den Zeithorizont der Performance-Analyse individuell einzustellen. Derzeit wird die Performance nur «seit Beginn» aufgezeigt (siehe hierzu auch meinen Blog zu Altoo). Gemäss Aussagen der Migros Bank soll dies aber bald angepasst werden. Des Weiteren zeigt die Migros Bank dem Kunden im Mobile Banking die Portfoliorisikokennzahl sowie weitere Risikokennzahlen (zum Beispiel Diversifikation, Klumpen etc.), aber noch keine detaillierteren Informationen, obwohl Rendite und Risiko untrennbar miteinander zusammenhängen und es eigentlich jeden Kunden interessieren sollten, mit wieviel Risiko er sich die entsprechende Rendite «erkauft» hat.
Modul Vorsorge
Das Modul Vorsorge wurde im November 2019 eingeführt und zielt darauf ab, auf die Vorteile des wertschriftenbasierten Sparens zu setzen (vgl. mein Blog zu frankly). Bislang hat der neue Beratungsprozess tatsächlich dazu geführt, dass mehr Kunden der Migros Bank auf Wertschriftenbasiertes Säule 3a-Sparen setzen. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres habe man schon so viele neue wertschriftenbasierte 3a-Konti (Vorsorgedepots) gewinnen können wie in den ersten zehn Monaten im Jahr 2019. Der neue Beratungsansatz scheint also auch hier gut zu funktionieren. Die Bank konnte auch feststellen, dass die Kundenberatenden durch die neuen Beratungsmöglichkeiten aktiver in diesem Geschäftsfeld sind. Im Gegensatz zu Viac oder frankly ist das Säule 3a Konto bei der Migros Bank aber noch nicht als separate «Self-Service» App vorhanden.
Online Terminvereinbarung – funktioniert offenbar ja doch…
Auf der Webseite der Migros Bank können Kunden und Interessenten für Beratungen zu den Themen Hypotheken und Anlegen einen Termin online vereinbaren und diesen verbindlich buchen. Eingeführt wurde diese Funktion 2018 bei zuerst nur ausgewählten Niederlassungen. Seit einem Jahr sind bei allen Filialen Online Terminvereinbarung möglich. Und: Es funktioniert offenbar – und im Gegensatz dazu, was ich von anderen Banken gehört habe – ziemlich gut. Die Migros Bank erhält pro Arbeitstag immerhin etwas mehr als 10 Online-Terminanfragen. Über 80 Prozent dieser Terminanfragen sind für das Thema Hypotheken. Diese erfreuliche Entwicklung im Privatkundengeschäft hat dazu geführt, dass die Migros Bank Online-Terminvereinbarungsmöglichkeiten neu auch für Firmenkunden anbietet.
Weitere Pläne
Fazit
Der Beraterarbeitsplatz bei der Migros Bank besteht in der Zwischenzeit aus vielen einzelnen Modulen, die allesamt der gleichen Logik und einem einheitlichen, aber gegenüber anderen Banken durchaus differenzierenden «look and feel» folgen. Ich erachte nicht einzelne Tools als (speziell) innovativ, auch wenn das eine oder andere Modul durchaus interessante und auch innovative Elemente beinhaltet. Stattdessen werte ich vor allem die Vielzahl der verschiedenen Module und die Anbindung an das Kernbankensystem und das Datawarehouse als sehr positiv. Interessant ist auch das Resultat dieser neuen Beratungsprozesse. Es ist nicht nur das Kundenerlebnis in der Beratung besser geworden. Man sieht in verschiedenen Modulen auch, dass sich durch die neuen Beratungsprozesse klar messbare und positive Resultate in Form von zum Beispiel zusätzlichen VV-Mandaten oder einer besseren Quote beim wertschriftenbasierten Sparen ergeben haben. Des Weiteren finde ich interessant, dass die Terminvereinbarungs-Funktion bei den Kunden der Migros Bank – im Gegensatz zu anderen Banken – eine schon ziemlich hohe Akzeptanz gewonnen hat. Offenbar geht es bei dieser Möglichkeit auch darum, dieses Angebot am richtigen Ort zu platzieren.
Kommentare
1 Kommentare
Einfach und Flexibel - wie Banken mehr qualitativen Kundenkontakt erreichen | calenso de
2. Juni 2020
[…] 10 Termine online vereinbart, wobei das Thema Hypotheken bei 80% der Vereinbarungen dominierend ist.5 Auch die Migros Bank hat unserer Meinung nach, noch nicht die online Terminvereinbarung, die […]
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.