10. Oktober 2016
Seit längerem bieten vereinzelte Schweizer Banken verschiedene Formen von Videoberatungen an. Einige weitere Institute sind sich derzeit am überlegen, ob und wie sie dieses Instrument einsetzen wollen. Im nachfolgenden Blog erläutern wir mögliche Anwendungsfälle der Videotelefonie und zeigen anhand von verschiedenen Beispielen auf, welche Banken ihren Kunden zurzeit Videotelefonie anbieten.
Technologische Voraussetzungen
Die Technologie, zusätzlich zu reiner Sprache auch Videobilder zu übertragen, ist nahezu so alt wie das Fernsehen. Jedoch wurde Videotelefonie erst mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen und entsprechenden Mobilfunktechnologien wie UMTS für jedermann und auf verschiedenen Geräten verfügbar. Gleichzeitig wurden auch Kameras immer billiger und qualitativ besser, sodass heute nahezu jeder Laptop und jedes Smartphone oder Tablet über eine Kamera in HD-Qualität verfügt. So bietet beispielsweise das Chatprogramm Skype bereits seit 2006 Videotelefonie an und auch Apple führte im Jahr 2010 die App „Facetime“ ein. Heute ist Videotelefonie zudem technisch auch ohne Installation eines Programms möglich und kann direkt aus einer Webseite heraus genutzt werden. Auch auf der Benutzerseite hat sich Videotelefonie in der Zwischenzeit durchgesetzt. In einer Umfrage im Jahr 2013 ermittelte das Marktforschungsinstitut forsa, dass gut ein Drittel (31%) der Internetnutzer die Videotelefonie bereits nutzen.
Videotelefonie bei Banken?
Der Einsatz von Videotelefonie in einer Bank bedingt oftmals die Anpassung von Prozessen und Richtlinien im Callcenter. Üblicherweise werden für die Videotelefonie dedizierte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt, welche entsprechend aufgeräumt sind und über einen möglichst neutralen Hintergrund hinter dem Berater verfügen. Auf dieser Wand kann über die Videotelefonie-Software bei Bedarf auch dynamisch ein Logo eingeblendet werden. So kann ein Callcenter auch verschiedene Banken unterstützen oder auf die verschiedenen Sprachen der Anrufer reagieren.
Die Berater selbst müssen für die Videotelefonie speziell geschult werden, denn neben der Stimme nimmt der Bankkunde nun auch das Aussehen, die Mimik und die Umgebung des Beraters wahr, was deutlich höhere Ansprüche an die Kommunikation stellt. Allein schon die Position der Kamera im Verhältnis zum Bildschirm des Beraters kann dazu führen, dass der Kundenberater dem Kunden nicht direkt in die Augen schaut (weil er beispielsweise immer wieder zur Seite in seinen Bildschirm schauen muss), was auf den Kunden irritierend wirken kann. Folglich ist es wichtig, dass die Bank ihre Berater auch für diese Form der Kommunikation schult.
Anwendungsfälle und Beispiele aus der Schweiz
Grundsätzlich lässt sich die Videotelefonie für alle Anwendungsfälle verwenden, bei denen heute auch schon eine telefonische Kontaktaufnahme möglich ist. Zusätzlich zur Sprache kommt hier das Bild dazu und der Kontakt wird dadurch persönlicher. Nachfolgend präsentieren wir eine (nicht abschliessende) Liste der Anwendungsmöglichkeiten und gehen kurz auf diejenigen Schweizer Banken ein, die bereits über ein solches Angebot verfügen. Gleichzeitig werfen wir auch einen Blick ins Ausland – wo immer es in der Schweiz noch keinen Anwendungsfall gibt.
- Zuschaltung eines Experten im Beratungsgespräch: Gerade in kleineren Filialen sind oft nur „normale“ Kundenberater anwesend. Hat ein Kunde einen spezifischen Beratungsbedarf, z.B. zu Vorsorgelösungen, so muss entsprechend ein Experte eingeladen werden. Dieser muss für den Termin anreisen, was einerseits zu „verlorener Zeit“ und Reisekosten führt und andererseits auch spontane Beratungen verunmöglicht. Würde dieser per Videotelefonie zugeschaltet, können zusätzlich auch Dokumente am Bildschirm gemeinsam diskutiert werden. Ein solches Verfahren ermöglicht es zum Beispiel die Experten zu zentralisieren, deutlich besser auszulasten und Reisezeit zu sparen. In der Schweiz bietet dies seit kurzem die Basler Kantonalbank an (vgl. Blog vom 19.9.16). In Deutschland wird dies bereits seit längerem von der HypoVereinsbank angewendet.
- Videoberatung zuhause über die Webseite: Ein weiterer spannender Anwendungsfall ist die Videotelefonie aus dem Browser heraus über die Webseite der Bank. Der Kunde kann dabei auf seinem Computer die Beratung starten und mit (s)einem Berater Kontakt aufnehmen. Der Vorteil für den Kunden ist hier, dass er sich den Weg zur Filiale spart und möglicherweise auch von den erweiterten „Öffnungszeiten“ des Callcenters profitieren kann. Auf diese Weise sind auch Beratungen am Abend oder, abhängig vom Angebot, auch am Samstag möglich. Wichtig scheint dabei, dass der Kunde nicht noch zusätzliche Software installieren muss. Die Funktionalität darf also lediglich einen Mausklick entfernt sein. Eine Videoberatung über die Webseite bietet beispielsweise die ZKB an (vgl. Blog vom 8.7.2013 – ja: auch damals gab es diesen Blog schon…). Im Mai 2015 gab die ZKB auf Anfrage des Magazins cash an, dass seit dem Beginn ca. 1‘500 Beratungsgespräche stattgefunden haben – das ergibt bei einer vereinfachten Rechnung ca. 3-4 Gespräche pro Tag über diesen Kanal. Wie und ob das Projekt aber weitergeführt wird, ist derzeit noch nicht ganz klar. Auch die Raiffeisenbank Mischabel-Matterhorn bietet eine Videoberatung unter dem Label „live eisen“ an (vgl. Blog vom 13. Juni 2016). Die Beratungszeiten sind hierbei auf den Abend gelegt (18-20 Uhr) und bieten so eine Ergänzung zu den Filialöffnungszeiten.
- Co-Browsing auf der Webseite / im e-Banking: Dieser Anwendungsfall ist technisch gesehen identisch zur Videoberatung über die Webseite, hier geht es jedoch darum, schnelle Unterstützung und Hilfestellung zu erlangen – zum Beispiel, wenn ein Kunde ein Problem mit dem e-Banking hat. Der Bankmitarbeiter kann in diesem Fall mit dem Kunden zusammen die Webseite anschauen und ihn bei seinen Fragen unterstützen. Die Teilnehmer an einem Videogespräch können durch Co-Browsing den gleichen Inhalt sehen. Gemäss Co-Browsing Software-Hersteller unblu haben bereits die ZKB und die UBS Co-Browsing Lösungen in ihren e-Bankings implementiert.
- Videoterminal in der Selbstbedienungs-Zone: Bei diesem Anwendungsfall wird in der Lobby oder in der Selbstbedienungs-Zone einer Filiale ein Videoterminal installiert, über das der Kunde ein Videotelefonat mit dem Callcenter starten kann. In der Regel bietet ein solches Terminal dem Kunden die Möglichkeit für kurze Abklärungen, wie zum Beispiel Hilfestellungen zu den Automaten oder für eine Terminvereinbarung mit dem Callcenter. Gerade in Filialen, die nur noch halbtags oder gar nicht mehr besetzt sind, kann auf diese Weise dem Kunden eine Kontaktmöglichkeit gegeben werden. Ein solches Videoterminal könnte darüber hinaus auch für kartenlose Transaktionen verwendet werden, um Kunden die keine Karte haben, einen Bargeldbezug zu ermöglichen. Dabei wird der Kunde über das Videoterminal identifiziert und erhält einen QR-Code, mit dem er anschliessend am Automaten Geld beziehen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass eine entsprechende Funktionalität am Automaten vorgesehen ist (beispielsweise hat die Credit Suisse die entsprechende Funktion bereits in der Schweiz eingeführt). In der Schweiz setzt heute die Basellandschaftliche Bank in der Filiale Lausen bereits auf ein Videoterminal (vgl. Blog vom 14. Dezember 2015).
- Videoterminal in Diskretionszone: Installiert man das Videoterminal anstatt in der Lobby in einem separaten Raum oder Abteil mit der nötigen Diskretion, können auch komplexere Beratungen durchgeführt werden. Technisch gesehen entspricht dieser Anwendungsfall demjenigen der Videoberatung zuhause über die Webseite, anstelle des eigenen Laptops verwendet der Kunde hier einfach das Terminal der Bank und befindet sich in einem dafür geeigneten Raum (nicht jeder möchte, dass der Bankberater ins Wohnzimmer schauen kann). In der Schweiz bietet seit kurzem die Raiffeisenbank Lungern eine unbemannte Filiale mit separat getrennten Räumen für die Videoberatung an (vgl. Blog vom 26.9.16).
- Videoident-Verfahren: Dieser Anwendungsfall ist technisch auf allen Kanälen einsetzbar und ermöglicht die rechtskonforme Identifikation des Kunden als Ersatz für eine Kundenunterschrift. Sowohl die BaFin in Deutschland als auch die FINMA in der Schweiz erlauben seit 2014, bzw. seit 2016 die Anwendung des Videoident-Verfahrens für die Kontoeröffnung und immer mehr Banken bieten eine solche Funktion an. Das Ziel ist es, Neukunden zu ermöglichen, ohne Filialbesuch ein Konto zu eröffnen. Anbieter des „Digital Onboardings“ in der Schweiz sind u.a. die UBS, die Valiant Bank, die Glarner Kantonalbank, die Raiffeisen oder die Bank Linth.
- Videotelefonie an Geldautomaten: Auch ein Geldautomat kann technisch gesehen für ein Videotelefonat genutzt werden, da bereits heute viele davon über eine Portraitkamera verfügen. Mögliche Anwendungsfälle wären dabei eine Transaktionsunterstützung, wie z.B. Hilfestellung bei Problemen, aber auch Überschreitung von Kartenlimiten, welche ein Berater nach der Identifikation über Video freigeben könnte. Diese Form der Videotelefonie wird heute bereits in den USA (Beispiel: BBVA Compass) und Mexiko angewendet, insbesondere an Drive-In Automaten, welche dazu die nötige Diskretion und auch Verweildauer bieten. Ein Geldautomat, vor dem sich regelmässig Schlangen bilden, ist hingegen dafür wohl weniger geeignet.
Fazit
Bei den Schweizer Banken ist der Kanal Videotelefonie heute bisher eher noch eine Seltenheit, auch wenn bereits einige Banken ihren Kunden diese Kontaktmöglichkeit für verschiedene Anwendungsfälle anbieten. Es sind derzeit aber mehrere Banken daran, sich intensiver mit den Möglichkeiten der Videoberatung auseinanderzusetzen, sodass wir hier wohl bald weitere Angebote erwarten können. Wie oben beschrieben, gibt es zahlreiche Anwendungsfälle für die Videoberatung. In einem späteren Blog werden wir aufzeigen, ob und wie sich die Kunden ein solches Angebot überhaupt wünschen.
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