30. Mai 2017
Der hypomat der Glarner Kantonalbank (GLKB) ist bislang eine Erfolgsgeschichte. Neben der eigentlichen Hypothekenvergabe hat sich die GLKB mit der Lizenzierung der Online-Hypothekenplattform auch als Software- und Serviceanbieterin positioniert. In einem nächsten Schritt finanziert die GLKB nun auch Mehrfamilienhäuser für Privatkunden und verwendet interessante realtime Web-Services von Wüest Partner AG und der Risk Solution Network AG.
In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der Anbieter von Online-Hypotheken sowohl auf Banken- als auch auf Vermittlerseite signifikant erhöht. Entsprechend konnte auch das Online-Hypothekenvolumen markant gesteigert werden. Während das kumulierte Gesamtvolumen im Jahr 2013 noch bei rund CHF 1.3 Milliarden lag, betrug es im Jahr 2015 bereits CHF 4.8 Milliarden (Daten für das Jahr 2016 liegen leider noch nicht vor). Unsere gemeinsam mit e-foresight durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass die Volumina insbesondere im Jahr 2015 markant gestiegen sind. 2015 wurden Hypotheken in der Höhe von CHF 2.4 Milliarden online abgeschlossen. Der Marktanteil bei den in 2015 abgeschlossenen Online-Hypotheken ist aber im Verhältnis zu den gesamten Abschlüssen bei den privaten Hypothekarforderungen noch immer gering und lag bei (noch) überschaubaren 1.6%. Dies ist gleichzeitig jedoch eine bedeutende relative Steigerung auf tiefem Niveau gegenüber den beiden Vorjahren, wo der Marktanteil bei 0.6% (2013) resp. 0.8% (2014) lag. Vergleicht man die insgesamt ausstehenden Online-Hypotheken mit dem ausstehenden Gesamtvolumen, ist das Verhältnis noch geringer. Im Jahr 2015 belief sich dieses Verhältnis auf 0.7%, im Gegensatz zum Jahr 2013, wo der Marktanteil lediglich 0.2% betrug (vgl. Blog).
Einer der grössten Player im Markt ist der hypomat der Glarner Kantonalbank. Die GLKB hat mit dem hypomat als eine der ersten Banken hierzulande ein Online-Angebot entwickelt, das es Interessenten erlaubt, Hypotheken bindend über das Internet abzuschliessen. In der Zwischenzeit wurde über die Plattform ein Hypothekarvolumen von mehr als CHF 700 Millionen abgewickelt. Die Glarner Kantonalbank ist zudem im April 2016 zum ersten Mal auch als Lizenzgeberin für den hypomat aufgetreten. In der Zwischenzeit konnte sie neben der Freiburger Kantonalbank (FRiBenk) und der Tessiner Kantonalbank (TiHome) auch die Bank BSU Genossenschaft (hypoclick.ch) als Kundin für ihre Online-Hypotheken-Plattform gewinnen.
Neue Funktionen im hypomat
Seit heute kann der hypomat weitere interessante Neuigkeiten ausweisen. Drei Aspekte sind besonders erwähnenswert: Einerseits können ab sofort auch Mehrfamilienhäuser online finanziert werden. Andererseits gibt es einen Schätzungs-Service von Wüest Partner AG und einen neuen Rating-Service der Risk Solution Network AG (RSN).
Mehrfamilienhäuser
Wurden bis anhin nur 1. Hypotheken bis maximal CHF 1 Million für Einfamilienhäuser oder Stockwerkeigentum über den hypomat finanziert, können künftig auch Mehrfamilienhäuser über den hypomat finanziert werden. Dies betrifft sowohl Neuabschlüsse als auch Verlängerungen resp. Ablösungen von Hypotheken bis zu einem Volumen von CHF 2 Millionen pro finanziertes Objekt. Es können auch mehrere Objekte bis zu einem Gesamtvolumen von CHF 3 Millionen finanziert werden. Als Mehrfamilienhäuser gelten bestehende Wohnbauten mit mehr als zwei Wohnungen und ohne Gewerbeanteil. Zudem darf das Haus nicht in Stockwerkeigentum aufgeteilt worden sein. Die Parameter für eine erfolgreiche, online-fähige Finanzierung sind ähnlich streng wie bei den Privatfinanzierungen (neben der Volumenbeschränkung max. 67 Prozent Belehnung, also 1. Hypothek; Standort: Deutschschweiz).
Schätzungs- und Rating-Service
Als echte Innovation im Schweizer Markt erachte ich das online integrierte Liegenschaftsschätzungstool und den Kundenrating-Service. Durch entsprechende Realtime-Schnittstellen kann das neue Ratingmodell Kunden-Informationen wie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Wohnsituation der Kreditbeantragenden, die Erträge und Aufwände der Renditeliegenschaften oder die Tragbarkeit so verarbeiten, dass der Kunde in weniger als einer Sekunde in eine der zehn Ratingklassen eingeteilt wird. Hierfür kommt ein Kreditrisiko-Modell der RSN zum Einsatz, welches in der Lage ist die Bonität von «hypobriden Kunden» (Private mit Renditeobjekten) zu beurteilen. Einerseits hat diese Kundenkategorie Charakteristika von klassischen Privatkunden (z.B. Einkommens- und Vermögensverhältnisse), andererseits haben sie auch Eigenschaften, welche sonst eher KMU-Kunden zugestanden werden. Nach wie vor ist es aber für juristische Personen nicht möglich, via hypomat eine Online-Hypothek abzuschliessen.
Das neu konzipierte Modell wird künftig leicht angepasst auch für Privatpersonen im Einsatz sein. Das entsprechende Instrument wird vorerst aber nur im Onlinevertrieb verwendet. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dies gemäss Marcel Stauch, Bereichsleiter Onlinevertrieb & Abwicklung der Glarner Kantonalbank, auch in den Filialen eingesetzt werden. Wie erwähnt basiert das Rating-Tool der GLKB auf dem Modell der RSN, welche dadurch auch zum ersten Mal eine Web-Service Lösung anbietet (generell unterstützt die RSN die Messung, Abgeltung und Steuerung der Kreditrisiken von 25 Schweizer Banken).
In das Rating fliesst zusätzlich eine Bewertung des Renditeobjekts abhängig von den Mieteinnahmen ein. Auf der einen Seite werden die Mieteinnahmen gemäss Deklaration des Kunden verwendet. Auf der anderen Seite wird (realtime) der Wert des Renditeobjekts gemäss den üblicherweise gängigen Marktmieten von Wüest Partner AG berechnet. Die Liegenschaft wird dann von der Glarner Kantonalbank bewertet. Auch für Wüest Partner AG ist die vorgestellte Lösung des hypomat der erste Onlinehypotheken-Anwendungsfall für diesen Web-Service.
Als weitere interessante kleine Neuerung kann der Kunde für die Bewertung der Immobilie auf Google Maps den Google-Pointer an ein beliebiges Ort hinschieben. Gerade bei Neubauten sind die Gebäude oftmals an neuen, noch unbebauten Lagen zu finden („Adresse Huberstrasse 2 nicht gefunden“). Diese entsprechenden „Details“ sind aber oftmals entscheidend für die Bewertung des Mikrolagen-Ratings und daher für die Bewertung der Liegenschaft.
Fazit
Der Online Hypotheken Markt der Schweiz wächst weiterhin. Innovationen gab es im Markt aber seit geraumer Zeit – vielleicht mit Ausnahme und Abstrichen der neuen Lösung der Obwaldner Kantonalbank (vgl. Blog-Artikel vom Oktober 2016) – nicht mehr zu beobachten. Daher begrüsse ich diesen Innovations-Schritt der Glarner Kantonalbank sehr. Ich gehe davon aus, dass die Bank durch den Einstieg in den Markt der Mehrfamilienhäuser zusätzliches Online-Volumen generieren wird. Da die durchschnittlichen Volumina höher sind als bei Privatpersonen (durchschnittliche Hypotheken bewegen sich in der Grössenordnung von CHF 400‘000-500‘000), kann die Bank zudem von höheren Skalierungseffekten profitieren. Auch das Potenzial in diesem Markt scheint gross. Marcel Stauch schätzt, dass das Marktpotenzial in der Deutschschweiz bei rund CHF 100-120 Milliarden liegt. In einem ersten Schritt und durch die Limitierung auf ein maximales Hypothekenvolumen von (aus meiner Sicht «nur») CHF 2 Millionen pro Objekt sind wohl vor allem kleinere Mehrfamilienhäuser mit ca. drei bis zehn Wohnungen im Fokus. Sollte man spüren, dass ein grosses Bedürfnis besteht nach Krediten in der Höhe von 3-4 Millionen CHF könnte man dies aber relativ einfach anpassen.
Insgesamt ist es etwas erstaunlich, dass die GLKB – fünf Jahre nach der Lancierung des hypomat – auch in diesem Feld wieder der «First-Mover» ist. Gleichzeitig ist aber die technologische Abbildung eines vollautomatischen Kreditentscheid-Prozesses für Mehrfamilienhäuser mit all den verschiedenen Parametern deutlich anspruchsvoller als derjenige einer «einfachen» Standardhypothek für Privatkunden. Entsprechend dürfte auch die «Kopierbarkeit» etwas schwieriger sein und somit etwas länger dauern. Da dank der Initiative der Glarner Kantonalbank nun aber auch Webservices von RSN und Wüest Partner AG existieren, ist eine erste zeitintensive Hürde bereits übersprungen. Das neue Angebot steht bald auch den bisherigen und neuen Lizenznehmern des hypomat als ergänzendes Modul zur Verfügung. Ob diese auch in dieses Segment vorstossen wollen, wird sich erst weisen.
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