17. März 2014

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Den Schweizer Pfandbriefmarkt jetzt reformieren? Teil II

Von Prof. Dr. Martin Spillmann

Das heute scheinbar überliquide Bankensystem wird in einer Bankenkrise eine Finanzierungslücke offenbaren. Eine vorausschauende Reform und Liberalisierung des Pfandbriefmarktes trüge zur Vermeidung dieser Risiken bei. Der nachfolgende Artikel ist die Fortsetzung des Beitrags vom 17.2.2014.

1.    Finanzierungslücke trotz Geldschwemme

Die Schweizer Banken schwimmen in Liquidität. Nach wie vor tragen ihnen ihre Kunden viel Geld zu, welches sie als Sicht- oder Spargeld deponieren. Die Banken legen dieses bei der SNB oder in neue Hypotheken an. Das Problem dabei: Hypotheken sind illiquid, Kundengelder hingegen trügerisch. In einer Krise sind sie flüchtig wie ein scheues Reh.

Die Goldene Bankregel verlangt fristenkongruente Aktiven und Passiven: Überjährige Aktiven müssen mit überjährigen Passiven finanziert sein. Vergleicht man die „Flüssigkeit“ von Hypotheken mit Kundengeldern, so sind erstere weitgehend illiquid. Bei letzteren weiss man es nicht. Zwar ist die Summe der Kundengelder träge, und bildet einen Bodensatz – doch der ist nicht garantiert. Kunden wären frei, ihre Mittel abzuziehen. Schätzungen, wie weit überjährige Aktiven aller Banken wirklich mit überjährigen Passiven gedeckt sind, errechnen – je nach Modell – eine Finanzierungslücke von CHF 50 bis 100 Mrd. Was also heute als (nominale) Geldschwemme daherkommt, ist in Tat und Wahrheit eine riesige (laufzeitgewichtete) Finanzierungslücke.

Welche Rolle spielt nun der Pfandbrief dabei? 10% der Schweizer Hypotheken sind durch langfristige Pfandbriefdarlehen finanziert. Den überwiegenden Rest steuern Sichtgelder bei. Doch diese Kundengelder sind unter Umständen unsicher, aus zwei möglichen Kundenmotiven: (1) Attraktivere Anlagealternativen bei steigenden Zinsen; (2) Bonitätsängste bei einer Immobilienkrise. Ob Renditedenken oder Angst, die Bankbilanzen könnten in diesen Szenarien austrocknen. Eine vorsorgliche Finanzierung mittels Pfandbriefen wäre eine ideale Absicherung. Warum also nicht 20% statt 10% auf diesem Wege absichern?

2.    Vorgeschlagene Produkt- und Prozessinnovationen

Natürlich sind die Banken in ihrem Bilanzmanagement autonom. Und die Natur ihres  Geschäftsmodells ist ja gerade die Fristentransformation. Für das geringe Ausmass ihrer Langfristfinanzierung mag es also individuelle Gründe geben. Dennoch: Diese Massnahmen würden das Gesamtsystem stabilisieren:

a)    Institutionelle Reformen könnten die Banken motivieren, Kundengelder vermehrt durch Pfandbriefe oder auch ungesicherte Anleihen zu substituieren. Sie sollten die so  aufgebrachten Mittel aber nicht für zusätzliches Hypothekenwachstum verwenden, sondern es bei der SNB anlegen, andere Passiven zurückzahlen, oder ihrerseits Pfandbriefe kaufen.

b)    Anleger, welche heute Sichtgeld deponieren, sollten motiviert werden, Pfandbriefe zu kaufen. Das heutige Pfandbriefangebot an Investoren ist aber wenig flexibel. Warum gibt es keine variabel verzinsten Pfandbriefe? Warum gibt es nur super-sichere Pfandbriefe, aber keine mit kontrolliert geringerer Bonität, dafür mehr Zins? Angst vor „Sub-prime“ ist nicht angebracht, wenn die Differenzierung klug umgesetzt wird. Die Vorteile: Hypothekarrisiken werden breiter im Markt gestreut; zusätzliche Anleger  tragen Risiken mit.

c)    Die Zuteilung der Pfandbriefdarlehen durch die Emittenten an die Banken könnte geändert werden. Am effizientesten wäre eine Marktliberalisierung: Banken, welche Kriterien erfüllen, würden direkt Pfandbriefe emittieren. Das Monopol der beiden Pfandbriefemittenten würde fallen. Der Markt erhielte Impulse.

d)    Bankbilanzen bergen drei grosse Risiken: Bonitätsrisiken, Zinsänderungsrisiken und Refinanzierungsrisiken. Die Bonitätsrisiken sind von den Behörden bis ins Detail reguliert. Zinsänderungsrisiken und Refinanzierungsrisiken hingegen scheinen etwas vernachlässigt. Es gibt keine verbindlichen Minimumregeln, höchstens individuelle Vorgaben. Was wäre zu tun? Neue Regulierungen zu Liquidität und Refinanzierung sollten durch emissionsfreundliche Reformen begleitet werden.

3.    Vorgeschlagene Regulierungsschritte

Auch diese Massnahmen würden das Gesamtsystem stabilisieren:

a)    Ab 2018 müssen die Banken verbindliche Liquiditäts- und Finanzierungsquoten (LCR und NSF) einhalten. Finanzierungslücken sind absehbar. Sie können durch neue Emissionen geschlossen werden (Emissionen sind Lösungen am Verhandlungstisch über „angemessene  Modellparameter“ vorzuziehen).

b)    Die zusätzlichen gesicherten Anleihen sollten allerdings die Gläubigerposition traditioneller Anleger nicht nachhaltig schwächen. So soll auch nach Verpfändung und Verbriefung ausreichend Haftungssubstrat in den Bankbilanzen verbleiben. Z.B. in dem höchstens 20% der Hypotheken mittels Pfandbriefen finanziert werden.

c)    Muss eine Bank saniert werden, so müssen künftig auch Gläubiger einen Beitrag leisten. Dieses Konzept, das unlängst in Zypern zur Anwendung gelangte, wird „Bail-In“ genannt, und wird gegenüber Staatshilfen der Steuerzahler (Bail-Out) präferiert.  Auch Pfandbrief-Investoren sind Gläubiger, aber weil sie separat gesichert sind, unterliegen sie nicht dem Bail-In Risiko. Die Regulierung sollte die Beiträge aller Risikoträger neu abwägen und grundsätzlich klären.

d)    Als makroprudentielle Massnahme könnten die Behörden Zielstrukturen für aggregierte Aktiven und Passiven im inlandorientierten Bankensystem formulieren und kommunizieren, dies im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Asset & Liability Management (für ein inländisches Kreditgewerbe, welches letztlich ohnehin weitgehend staatsgarantiert ist).

4.    Wenig Reformeifer

Es ist denkbar, dass nichts ändert. Denn womöglich ist es wie in der Kommunalpolitik: Dort muss manchmal zuerst ein Unfall passieren …

PS: Ein spannender Artikel zu diesem Thema ist kürzlich im Tages-Anzeiger erschienen: Warum Bankberater bei Hypotheken gerne um den heissen Brei herumreden

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10. März 2014

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Verfügbarkeit des Kundenservices bei 50 Schweizer Banken im Vergleich

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein

In den letzten Jahren haben viele Banken teilweise hohe Investitionen für die Erneuerung und den Ausbau des Online Banking oder das (neue) Mobile Banking getätigt. Viele Banken bekennen sich entsprechend zu einer digitalen Strategie – nicht zuletzt auch um den „Selbsbedienungsgrad“ der Kunden zu erhöhen. Gleichzeitig fällt aber auf, dass die Verfügbarkeit von Online Banking Hotlines bei zahlreichen Schweizer Banken nicht Schritt halten mag mit den Online Angeboten. Aus unserer Sicht gibt es hier bei einigen Banken einen beträchtlichen Verbesserungsbedarf.

Mehrzahl der Kontakte bereits digital

Ein bedeutender Teil aller Transaktionen wird heute online getätigt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Bain & Company zeigt beispielsweise, dass in Deutschland der Anteil des Online Banking Kanals einen Anteil von rund 47% an der gesamten Anzahl Kundenkontakten hat, dem Mobile Banking werden weitere 15% zugschrieben. Zwar liegen für die Schweiz keine Zahlen vor, es ist jedoch davon auszugehen, dass auch hierzulande die Online Kanäle eine sehr hohe Bedeutung aufweisen.

Während branchenfremde Unternehmen wie z.B. Amazon (vgl. früherer Blogbeitrag) einen hervorragenden Helpdesk haben und Kundenprobleme auch am Wochenende schnell und unkompliziert lösen, ist die Verfügbarkeit des Kundenservices bei (Schweizer) Banken derzeit noch sehr heterogen.

Unser Vorgehen

Wir haben uns daher entschieden, die Verfügbarkeit der telefonischen E-Banking Helpdesks anhand der 50 grössten Banken (gemessen an der Bilanzsumme per Ende 2012) zu analysieren und vergleichen. Mit diesem Vergleich können keine Rückschlüsse in Bezug auf die Beratungsqualität einer Bank gegeben werden. Die entsprechenden Daten bezüglich der Verfügbarkeiten der Helpdesk haben wir Anfangs Februar 2014 erhoben.
Ähnlich wie bei einer Hotel- oder Produktbewertung haben wir die Verfügbarkeit von Online Helpdesks mit 1 bis 5 Sternen bewertet, mit der folgenden Einordnung:

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Die Resultate

Nachfolgend zeigen wir die Verfügbarkeiten des Kundenservices auf:

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Tabelle 1: Bewertung der Verfügbarkeit der Online Services Helpdesks

Wie in der obigen Tabelle ersichtlich wird, punkten die PostFinance und die UBS mit einem 5-Sterne 24/7-Service. Ebenfalls täglich verfügbar, wenn auch nicht an 24 Stunden, ist der Help Desk der Credit Suisse und der Neuen Aargauer Bank (4-Sterne-Kategorie). Die Services sind an hohen 86.5 Stunden (von maximal 168 Wochenstunden) erreichbar. Weitere sechzehn Banken weisen eine hohe Verfügbarkeit auf. Deren Helpdesks sind einerseits unter der Woche an den Abenden länger geöffnet. Ebenso sind diese Banken auch am Samstag erreichbar. Zu diesen Banken gehören grössere Banken wie die Kantonalbanken aus Bern, Zürich und Basel-Landschaft sowie die Migros Bank. Daneben gibt es jedoch auch eine Reihe von kleineren Regionalbanken wie zum Beispiel die Bank EEK, die Sparkasse Schwyz oder die Spar- und Leihkassen aus Münsingen und Frutigen mit Bilanzsummen zwischen ein und drei Milliarden Schweizer Franken. Die kleinen Banken in der drei Sterne-Kategorie gehören entweder zu den RBA Banken oder zum Esprit Netzwerk. Der Support ist bei den Esprit Banken durch die Swisscom IT sichergestellt. Bei den RBA Banken erfolgt dies durch Entris, wobei Entris Operations sowie der IT-Outsourcing Teil von Entris Banking im Jahr 2013 ebenfalls durch die Swisscom IT Services übernommen wurde. Eine mittlere Verfügbarkeit, d.h. ausgedehnte Öffnungszeiten am Abend aber keine Erreichbarkeit am Wochenende, weisen die Raiffeisenbanken, die Banque Cantonale Vaudoise sowie die Bank Coop aus.

Insgesamt mehr als die Hälfte der betrachteten fünfzig Banken weist bei ihren Hotlines lediglich eine tiefe Erreichbarkeit – welches wir als Ein-Stern Service klassifizieren – auf. Das heisst deren Helpdesks sind nur zu Büroöffnungszeiten oder leicht länger erreichbar. Manche Banken schliessen gar ihre Hotline über den Mittag.

Gibt es (k)ein Kundenbedürfnis?

Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Banken schätzen wir die Verfügbarkeit der Online Banking Hotlines also tief und wenig kundenfreundlich ein. Aus unserer Sicht entspricht eine angemessene Verfügbarkeit eines Kundenservices durchaus einem wichtigem Kundenbedürfnis. Die teilweise eingeschränkten Öffnungszeiten, welche an leicht verstaubte Schalteröffnungszeiten erinnern, orientieren sich zu wenig an den neuen Realitäten der digitalen Welt und der Tatsache, dass viele Retail Kunden das Online Banking eher an den Abenden oder am Wochenende nutzen. Ebenso ist dies ein Indiz, das die Digitalisierungsstrategien noch nicht von allen Banken konsequent durchgesetzt wird. Sie denken, dass ein Helpdesk am Wochenende keinem Kundenbedürfnis entspricht? Die UBS beweist mit ihren im Schnitt mehr als 2‘500 einkommenden Anrufen pro Wochenende im Helpdesk-Bereich das Gegenteil.

Natürlich kann nicht erwartet werden, dass jede Bank einen 24/7 Service anbietet wie die PostFinance oder die UBS. Aus unserer Sicht sollten aber die meisten Banken zumindest im 3-Sterne-Bereich zu vorzufinden sein. Grösseneffekte dienen nur beschränkt als Argument gegen lange Öffnungszeiten. Viele kleinere Banken beweisen mit einer sehr guten Erreichbarkeit das Gegenteil. Es liegt bei den Banken, sich für die digitale Zukunft fit zu machen.

Hier finden Sie eine Liste der Öffnungszeiten der Online Banking Hotlines (Erhoben Anfangs Februar)

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Ulrich Welzel

10. März 2014

Sehr interessante Arbeit. 1000 Dank!!!

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3. März 2014

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Brauchen Banken Personal Finance Management? Die Einschätzung von Kunden

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Wie bereits in früheren Blog-Artikeln berichtet, bietet Personal Finance Management (PFM) neue Ansätze zur Verwaltung der persönlichen Finanzen. In den USA besteht bereits ein vielfältiges Angebot im Bereich Personal Finance Management. Mehr als hundert Retail Banken haben PFM in den letzten Monaten eingeführt. In der Schweiz ist das Angebot derzeit noch dünn gesät. Was ist der Grund dafür? Fehlt seitens der Kunden das Interesse? Eine Gruppe von Studierenden ist dieser Frage nachgegangen.

Ausgangslage

Bei Personal Finance Management handelt es sich um ein Software-Instrument, das zur Analyse und Verwaltung der persönlichen Finanzen konzipiert wurde. Das Tool wird üblicherweise im Online-Banking von Banken integriert. Damit haben Bankkunden die Möglichkeit, kostenlos ihre Ein- und Ausgaben zu analysieren und kategorisieren. Das Analysetool ermöglicht im Weiteren die Erstellung eines persönlichen Budgets oder Finanzplans. Aktuell bieten in der Schweiz die PostFinance („E-Cockpit“), die UBS AG („Persönlicher Finanzassistent“) und bald die Qontis AG ein Personal Finance Management Tool an.

Während verschiedene Software-Anbieter und auch gewisse Banken vom PFM-Potenzial schwärmen, stehen andere Marktteilnehmer dem Angebot eher skeptisch gegenüber.

Daher haben die drei MSc Banking and Finance Studierenden J. Ambühl, M. Gsell, und F. Sigron im Rahmen einer Semesterarbeit mittels einer Befragung die derzeitige Nachfrage nach einem solchen PFM Tool untersucht. Sowohl Vertreter von Banken als auch Kunden wurden in der Umfrage berücksichtigt. Die nachfolgenden Erläuterungen konzentrieren sich auf die kundenseitige Befragung.

Die Umfrage

An der Umfrage haben 145 Personen aus der Deutschschweiz teilgenommen. Die Resultate können nicht als repräsentativ für die (Deutsch-)Schweiz betrachtet werden, da junge Personen in der Befragung überproportional vertreten sind. Es wurde jedoch darauf geachtet, dass es sich bei den Befragten um Personen mit verschiedenen Arbeits- und Bildungshintergründen handelt. Insgesamt sollte die Umfrage deshalb trotzdem ein „gutes“ Bild der Nachfrageseite wiederspiegeln. Der Befragungszeitraum erstreckte sich über knapp zwei Wochen vom 2. bis zum 13. Dezember 2013. Das Ausfüllen des Fragebogens dauerte rund 5-10 Minuten.

Die Resultate

Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Beachtliche 37% der befragten Personen gaben an, den Begriff Personal Finance Management zu kennen oder zumindest davon gehört zu haben. 63% der befragten Personen haben von diesem Tool bisher nichts gehört und konnten sich auch nichts darunter vorstellen. Die Bekanntheit von Personal Finance Management fällt zwischen den einzelnen Altersgruppen (jünger als 20, 21-30; 31-40; älter als 40 Jahre alt) ziemlich gleichmässig aus.
  • 10% der befragten Personen gaben an, ein Personal Finance Management Tool aktiv zu nutzen. Dies ist zwar auf den ersten Blick gesehen wenig, aber in Bezug auf den Marktanteil von PFM überproportional viel. Derzeit nutzen in der Schweiz bei UBS und PostFinance ca. 180‘000 Personen PFM. Entsprechend ist diese Zahl der Nutzer in der Untersuchung als überdurchschnittlich hoch einzuschätzen, was wohl vor allem mit der hohen Anzahl an jungen Personen zusammenhängen könnte.
  • Die Umfrage hat gezeigt, dass das Interesse am PFM durchaus vorhanden ist: 46% der befragten Personen gaben an das Angebot zu nutzen, falls ihre Hausbank dies anbieten würde.
  • 59% der befragten Personen gaben an, dass das Managen der persönlichen Finanzen sehr wichtig oder wichtig sei und die eigene finanzielle Situation mindestens monatlich überprüft wird.
  • Aus der Kundenumfrage geht hervor, dass das Potenzial von Personal Finance Management insgesamt positiv eingeschätzt wird. 83% der befragten Personen schätzen das Zukunftspotenzial von Personal Finance Management als mittel bis sehr gross ein (vgl. Abbildung). 36% der befragten Personen betrachten dieses als gross bis sehr gross. Lediglich 17% der befragten Personen sind der Meinung, dass sich Personal Finance Management in Zukunft nicht durchsetzen wird.
zukunftspotenzial pfm
Abbildung: Einschätzung des Zukunftspotenzials von PFM aus Sicht der Kunden

Fazit

Insgesamt kann festgehalten werden, dass kundenseitig durchaus ein Bedürfnis nach PFM zu bestehen scheint (auch wenn, wie erwähnt, die Daten mit Vorsicht zu geniessen sind). Diese Einschätzung scheint sich nicht mit den Ansichten vieler Bankenvertreter zu decken. Ein Grossteil der befragten Banken sieht in Personal Finance Management ein nur mässiges Potenzial und glaubt auch nicht, dass es für die künftige Konkurrenz- und Wettbewerbssituation wichtig sein wird. Besonders im Umfeld der Kantonal- und Regionalbanken gibt es viele Skeptiker. Gleichzeitig gibt es aber auch verschiedene Banken, welche hier eine Vorwärtsstrategie fahren und sich eine baldige Integration von PFM in ihr Online Banking gut vorstellen können. Wer hat Recht? Wir bleiben dran.

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Hansjörg Leichsenring

4. März 2014

Recht haben am Ende immer die Kunden. Die Banken reagieren nur. Dasselbe Verhalten stellen wir in Deutschland und Österreich fest. Kunden wollen PFM und die (meisten) Banken zögern. Aber fehlende Innovationsfreude liegt ja durchaus in des Bankers Blut, insofern dauert es zwar etwas länger, am Ende wird aber alles gut. Beste Grüsse Hansjörg Leichsenring Meniga Repräsentant für Deutschland, Österreich und Schweiz

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24. Februar 2014

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Überblick über den Online Hypothekenmarkt Schweiz

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der Anbieter im Bereich der Online Hypothek massiv erhöht. Die Angebote und die Geschäftsmodelle dieser verschiedenen Online Hypothekaranbieter in der Schweiz unterscheiden sich jedoch teilweise massiv. Daher möchte ich heute hierzu ein neu entwickeltes Modell zur Analyse des Online-Hypothekenmarktes vorstellen. Eine Analyse des Marktvolumens in der Schweiz zeigt zudem, dass Online Hypothekenabschlüsse mit einem Volumen von ca. CHF 1.5 Mrd in der Schweiz derzeit einen Anteil von in etwa 1.2% der Neugeschäfte haben.

Wie ich in diesem Blog schon mehrfach aufgeführt habe, drängen in der Schweiz drängen immer mehr Plattformen auf den Online Hypothekenmarkt (vgl. frühere Blog-Beiträge über die Swiss Life, Migros Bank, MoneyPark, HypoPlus, Hypomat oder Swissquote). In Zusammenarbeit mit der Firma eResearch hat das IFZ daher versucht, unter anderem auch einen Überblick über die in der Schweiz vorzufindenden Geschäftsmodelle der verschiedenen Anbieter zu erstellen. Diesbezüglich haben wir ein Modell zur Strukturierung der unterschiedlichen Angebote entwickelt. Ein Vergleich von Geschäftsmodellen kann auf verschiedene Art und Weise vorgenommen werden. Wir haben uns entschieden, die Aufteilung nach der Art der Dienstleistung und nach dem Ertragskonzept zu konzipieren. Insgesamt gibt es durch die unten abgebildeten Felder theoretisch 12 verschiedene mögliche Geschäftsmodelle. In der Realität sehen wir hingegen derzeit sechs Geschäftsmodelle.

Abbildung: Vergleich der Geschäftsmodelle von Online Hypotheken in der Schweiz (Vergrösserung mit Klick)

Unterscheidung nach der Art der Dienstleistungen

Grundsätzlich können die Dienstleistungen im Bereich der Hypotheken in die drei Teilbereiche „informieren“, „informieren und abschliessen“ sowie „informieren, beraten und abschliessen“ unterteilt werden. Diese drei Teilbereiche können wie folgt beschrieben werden:

  • Informatives Modell: Dieses Modell gibt Kunden eine (erste) Orientierung und vergleichen eventuell verschiedene Angebote. Die Kunden müssen danach jedoch selber und separat bei einer Bank den Abschluss tätigen. Typische Angebote sind neben Zinsvergleichen zum Beispiel Hypothekenrechner (Tragbarkeit, Zinsen, Amortisation). Die meisten Modelle in der Praxis informieren die Kunden und vermitteln sie danach weiter an die verschiedenen Anbieter.
  • Online-Modell: Richtet sich in der Regel an gut informierte Personen, welche nur wenig bis gar keine Beratung in Anspruch nehmen. Informationen (i.d.R. Preisvergleiche) und der Abschluss stehen im Vordergrund.
  • Holistische Modelle: Fokussieren sich potenziell auf alle Kunden, da auch die Beratung integriert ist. Kann sowohl eine Vermittler-Plattform mit mehreren Partnern sein als auch ein Finanzdienstleistungsunternehmen mit nur einem einzigen Partner. Wichtigstes Merkmal ist die Durchgängigkeit des Angebots, welches von Informieren über Beraten bis zum Abschliessen alles umfasst.

Unterscheidung nach dem Ertragskonzept

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist das Ertragskonzept, welches hinter den Modellen steht. Grundsätzlich unterscheiden wir hier die vier Ertragsmodelle „Zinsdifferenzgeschäft“ (d.h. man verdient Geld durch die Verleihung der Passivgelder; hier als „Direkt-Modell“ bezeichnet), „Provisionsgebühr bei Abschluss“, „Vermittlung von Leads gegen Gebühr“ (beide Modelle werden als „Vermittler-Modell“ bezeichnet, auch wenn das Ertragskonzept nicht identisch ist) und „Werbung“ („Vergleichs-Modell“). Nachfolgend werden die verschiedenen Geschäftsmodelle vorgestellt:

  • Direkt-Modell: Anbieter in diesem Segment sind Banken, welche die Online-Hypotheken selbst vergeben und auf die eigene Bilanz nehmen. Die Erträge stammen aus dem Zinsdifferenzgeschäft.
  • Vermittler-Modell: Können Banken, Near- oder Non-Banks sein. Diese vermitteln die Online-Hypotheken gegen eine Provision bei Abschluss oder eine Vermittlungsprovision an Hypothekaranbieter. Die Hypotheken sind entsprechend nicht auf den Bilanzen der Vermittler zu finden.
  • Vergleichs-Modell: Sind häufig Non-Banks, welche Hypothekarzinssätze zusammenfassen und diese vergleichen. Zusätzlich bieten sie Informationen zu Hypotheken und Eigenheimen an. Die Erträge werden über den Verkauf von Werbung generiert.

Entwicklung und Ausblick

Vor allem das Modell des Vermittlers – in allerdings verschiedenen Facetten und unterschiedlichen Ertragsmodellen – hat sich in den letzten Jahren (anzahlmässig) stark entwickelt. Banken, welche direkt Online-Hypotheken anbieten sind noch immer dünn gesät. Auffällig ist auch, dass die beiden Grossbanken im Markt der Online-Hypotheken noch nicht sonderlich aktiv sind, sondern lediglich mit gewissen Vermittlern zusammenarbeiten.

Derzeit wird in der Schweiz, auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern (v.a. Deutschland oder Grossbritannien), nur ein geringer Anteil von Hypotheken online und/oder über Vermittler abgeschlossen. Das Online-Marktvolumen in der Schweiz im Jahr 2013 war ca. 1.5 Mrd. CHF. Dies entspricht lediglich einem Marktanteil von ca. 1.2% bei Neugeschäften resp. Hypothekarverlängerungen. Bei einem geschätzten durchschnittlichen Hypothekenbetrag von 400‘000 CHF gab es im Jahr 2013 entsprechend ca. 3‘750 Transkationen über den Online-Kanal.
Bis in 5 Jahren erwarte ich ein Volumen von ca. 7 Milliarden CHF.

PS: Das IFZ entwickelt zusammen mit Praxispartnern regelmässig Analysen zur Entwicklung und zu Trends im Schweizerischen Finanzmarkt. Bei Interesse und Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Und wie immer freuen wir uns über Ihre Rückmeldungen, sei es via persönlichem E-Mail oder via Kommentarfunktion. Herzlichen Dank.

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Falko Dieters

5. März 2014

Der Online Market für Hypotheken ist ziemlich gewachsen. Es gibt ja mittlerweile in der Schweiz auch viele Zweitmärkte, wenn man beispielsweise eine Hypothek ablösen möchte. Die Frage ist, wie einfach sich die Online Hypothek verlängern lässt - bei einer Bank ist sowas ja schon kompliziert, wie das bei einem Online Unternehmen funktionieren soll, ist mir fraglich.

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17. Februar 2014

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Den Schweizer Pfandbriefmarkt jetzt reformieren? Teil I

Von Prof. Dr. Martin Spillmann

Der Schweizer Pfandbrief ist Weltmeister. In Sachen Sicherheit. Die Kehrseite: Nur 10% der Hypotheken sind über Pfandbriefdarlehen finanziert. Legt unser  traditionelles System der grundpfandbesicherte Kapitalmarktfinanzierung am Ende zu viel Gewicht auf Anlegersicherheit? In Erwartung steigender Zinsen lohnt es sich, über Optionen nachzudenken, um die Pfandbrief-Kette künftig auch in den Dienst von Liquiditäts- und Systemrisiken zu stellen.

Die sichersten Anlagen der Welt

Der Leistungsausweis der beiden Schweizer Pfandbriefinstitute ist einzigartig. Seit ihrem Bestehen (1931) wurde nie eine ihrer Anleihe notleidend. Nie kamen Investoren zu schaden. Pfandbriefe sind denn auch kaum höher verzinst als Bundesanleihen. Während der Finanzkrise 2008 blieb der Pfandbriefmarkt stets funktionstüchtig. Mehr noch: Privatplatzierte Pfandbriefe („Limmat-Transaktionen“) trugen 2008 aktiv zur Bewältigung der Krise bei. Bloss: Die nächste Finanzkrise könnte auch anders verlaufen. Ungeahnte Risiken können im Vordergrund stehen. Ein Zinsanstieg könnte die Bankenrefinanzierung bedrohen. Die Konsequenz: Auch andere Lösungswege werden nötig. Gäbe es Wege, um die bestehende Pfandbrief-Refinanzierungskette konsequenter in den Dienst von Liquiditäts- und Systemrisiken zu stellen?

Wolken am Horizont

Wie könnte denn die nächste Finanzkrise aussehen? Diese drei Problembereiche sind für Hypotheken und Pfandbriefe relevant:

  1. Die Schweiz hat zwar eine moderate Staatsverschuldung, aber eine zunehmende  Privatverschuldung. Hypothekarschulden wachsen seit Jahren schneller als die Einkommen. Damit steigen auch die Finanzierungsrisiken der Banken. Denn ihre Kundengelder werden bei einem Zinsanstieg instabil.
  2. Neben dem latenten Liquiditätsrisiko spricht die SNB in ihrem jüngsten Stabilitätsbericht auch die Zinsänderungsrisiken an. Die Banken nähmen an, sie könnten bei einem Zinsanstieg die Anpassungen ihrer Konditionen für Kundengelder hinauszögern. Unrealistisch lange, gemäss SNB.
  3. „Bail-In statt Bail-Out“ ist das neues Paradigma für Bankenrettungen: Muss das Bankensystem irgendwann erneut gestützt werden, dann künftig nicht mehr „von aussen“ mit Steuergeld, sondern „von innen“ mit Geldern der Aktionäre, Anleger und Einleger. Wie wirkt sich diese neue Strategie auf die Finanzierung der Hypotheken aus?

Wer ist herausgefordert?

Die erwähnten Problembereiche sprechen Banken, Anleger, die Pfandbriefemittenten und sämtliche Behörden an:

  1. Banken, die sich über Kundengeld und Pfandbriefdarlehen finanzieren, müssen sich vorbereiten: Die Refinanzierung der Hypotheken muss sichergestellt, Zinsrisiken müssen richtig modelliert sein. Für Notfälle sollte ein Kontingenzplan bereitstehen.
  2. Institutionelle und private Anleger im In- und Ausland suchen zu ihren Vorgaben und Strategien passende Investitionsmöglichkeiten. Es liegt im Interesse der Emittenten und ihrer Anspruchsgruppen, die Anlageinteressen der Investoren stets optimal zu bedienen.
  3. Die beiden Pfandbriefinstitute transformieren 10% der Hypothekenfinanzierung, aber praktisch keine Kreditrisiken. Liesse sich dieses Transformationsmodell auch breiter nutzen (z.B. mittels nachrangiger, oder variabel verzinste Emissionen), womit mehr Risiken übertragen und breiter verteilt würden?
  4. Politik und Behörden müssen Gläubiger schützen, das Finanzsystem stabilisieren, Basel III umsetzen (welches Bilanzrisiken nur ungenügend erfasst), und Bail-In Instrumente auch für die inlandorientierten Banken schaffen.

Was ist zu tun?

Finden Sie in der Fortsetzung (Teil II) dieses Blogthemas einige Handlungsvorschläge.

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10. Februar 2014

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Vom Kundenmanagement zur Kundenintegration – Werden Banken wirklich offener?

Von Prof. Dr. Nils Hafner

Anfangs dieser Woche sass ich mit einem leitenden Mitarbeiter der UBS beim Mittagessen zusammen. „Heute freuen sich alle“ sagte er mir, nachdem wir uns begrüsst hatten, zu den gerade publizierten Zahlen seines Hauses. „Und morgen reden alle wieder nur über die Boni.“ ergänzte der Managing Director nüchtern. Und das obwohl gerade die UBS ja in den letzten zwei Jahren stark in das Retail Geschäft in der Schweiz investiert hat. Neue Filialen, Apps und ein kundenorientiertes e-Banking, das technologisch und prozessual auf der Höhe der Zeit ist. Mein Kollege Andreas Dietrich hat ja darüber berichtet.

Später an diesem Tag beim Glas Wein am Abend habe ich noch über diesen Satz nachgedacht. Woran liegt es eigentlich, dass Banken anders als andere Unternehmen überaus distanziert betrachtet werden. Nun, die Schlagzeilen der letzten Jahre sprechend Bände. Doch selbst wenn Banken alles richtig machen, geliebt werden sie nicht. Vielleicht liegt das daran, dass ein Kunde nie Teil SEINER Bank ist und Banken immer noch davon ausgehen, dass sie Kunden MANAGEN können. Mit anderen Worten: Banken verstehen sich selbst als ein geschlossenes System. Das dies wenig emotionale Nähe und damit Loyalität erzeugt, liegt auf der Hand. Interessanterweise haben andere Organisationen, denen auch ein hoher Grad an Geschlossenheit nachgesagt wird, diesen Sachverhalt längst erkannt und als Problem für ihre Akzeptanz eingestuft.

So zeigt die US amerikanische Autorin Charlene Li in Ihrem Buch „Open Leadership“ am Beispiel der US Navy auf, wie die amerikanische Marine Besuchern ihre Kriegsschiffe zeigt und in öffentlichen Veranstaltungen auf die Fragen und Anregungen aus der Bevölkerung antwortet. Natürlich verändert das nicht die grundsätzliche Strategie der US Navy, natürlich zeigt man den Schiffsbesuchern nicht die Atomreaktoren, die beispielsweise einen Flugzeugträger antreiben. Aber die Menschen, die an der Marine interessiert sind, können sich einbringen und informieren. Die US Navy ist also gleichzeitig offen UND geschlossen.

Eben diese Gleichzeitigkeit scheint nun – zumindest international – auch bei der Bankenwelt angekommen zu sein. So präsentieren nahezu zeitgleich Österreichs ERSTE Bank der Sparkassen und die britische Barclays Crowdsourcing Plattformen. Dazu hat Barclays mit Lesern der Tageszeitung Daily Telegraph schon einmal Ideen erarbeitet, wie die Bank kundennäher sein könnte:

Das Problem beim Crowdsourcing ist aber nicht, Kunden zu fragen: „Was kann unser Unternehmen besser machen?“ Das versuchen auch andere Banken, wie beispielsweise die deutsche Commerzbank mit ihrem Kundenbeirat schon seit langem. Das Problem beim Crowdsourcing ist es vielmehr die wertschöpfendsten Ideen zu finden und über deren Umsetzung zu berichten. Nur dann wird die Aktion vom Kunden auch ernstgenommen und sorgt für die gewünschte Kundennähe. Das beste Beispiel dafür wie so etwas „vergeigt“ werden kann, zeigt der Crowdsourcing Wettbewerb der Spülmittelmarke „Pril“. Hier konnten Nutzer Ideen einbringen und dann über die Ideen abstimmen. Auf Platz 1 landete „Pril – schmeckt lecker nach Hähnchen!“ Nicht ganz das, was die Macher von „Pril“ erwartet hatten.

pril-haehnchen

Barclays stellt jedoch im Vorfeld die wirklich relevanten Fragen, um die Kundenbeziehung im Retail Banking zu verbessern:

  • Your Bank. How can we save you time and not waste your time?
  • Your branch. What would you change about yours?
  • Your online banking. What drives you nuts?
  • Your Bank. What stops it being accessible to everyone?
  • Mobile banking. Shouldn’t it be a no brainer?

Und genau hier wird klar, wie sehr die Bank bereit ist, sich zu öffnen um den Kunden zu INTEGRIEREN. Die Vorschläge zu diesen Fragen kann der Kunde dann auf der Yourbank Website eingeben und dort wird dann auch über diese abgestimmt. „Tja“, mag jetzt der schlaue Schweizer Banker einwenden. „Dann warte ich doch, was dabei rauskommt. Und setze dann um, was mir passt.“ Ob das jedoch für die notwendige Kundennähe sorgt, wage ich ja zu bezweifeln.

Wahrscheinlich geht es aber darum, in einer Bankenwelt, die sich zunehmend regulatorisch oder freiwillig selbst in der Kundenkommunikation einschränkt, die Stimme des Kunden nicht nur zu hören sondern auch in die Ausgestaltung der Geschäftstätigkeit zu integrieren. Vom Kundenmanagement zur Kundenintegration quasi. Doch bis dahin müssen sich wohl noch einige Organisationen darüber klar werden, wie offen sie denn sein wollen und können. Vielleicht kann sich dann auch mein Kollege langfristig mehr über die guten Zahlen seines Arbeitgebers freuen.

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Ulrich Welzel

11. Februar 2014

Zum Teil erlebe ich hektische Regsamkeit in Fragen der Regulierung: “Kommen Sie Ende 2015 wieder auf uns zu, wir stecken in IT-Projekten fest!“ und parallel muss HR noch 20% des Ausbildungsbudgets abgeben. Filialen werden dicht gemacht, weil kein Kunde mehr kommt. Keiner stellt sich die Frage: Warum kommt unser Kunde nicht mehr? Kundenbeiräte halte ich für gut. Es sind aber leider auch nur Beiräte, deren (zum Teil) tolle Ideen in der Schublade verschwinden. Mag es daran liegen, dass die muffligen Mitarbeiter in überalterten Räumlichkeiten (Deko vor drei Jahren gewechselt) die Kunden abweisend begrüßen? Wer in der Innenstadt München seine Bankfiliale um 15:30 Uhr schließt, darf sich nicht wundern, dass kein Kunde mehr kommt. Mag es daran liegen, dass wenn es überhaupt Sitzmöbel gibt, diese für alte Menschen oft eine viel zu niedrige Sitzhöhe haben. Somit bleibt die alte Dame auf dem Rollator sitzen. Kundennähe? Mag es daran liegen, dass Banken nicht auf Belange der alten und zumeist sehr vermögenden Kundschaft eingestellt sind? Wenn Schriftstücke von Designern in 10 Pixel und einer Graustufe von 60% geschrieben werden, darf ich mich nicht wundern keinen Umsatz zu generieren, oder? Einigen Banken wird es so gehen, wie es der US-General Eric Shinseki prophezeit: „Wenn Sie sich schon nicht mit Veränderungen anfreunden können, so wird Ihnen der Absturz in die Bedeutungslosigkeit noch weniger schmecken.“ Aus den Fehlern der Mitbewerber z.B. hat die Raika Eberndorf gelernt. Es lohnt sich nach Kärnten zu fahren und zu schauen was die Bank mit 7 Bankstellen auf die Beine stellt. Es gibt keine Musterfiliale. Jede der Bankstellen ist TOP aufgemacht!!! Super freundliches Personal, wo es Spaß macht in die Bank zu kommen. Nicht umsonst heißt es TreffBank. www.raikaeberndorf.at Gelebte Kundenähe. Die Raiffeisenbank Ichenhausen http://www.rb-ichenhausen.de hat im Jahr 2002 den Vertriebsdruck aus der Bank genommen. Bestens durch die Krise gekommen, freuen sie sich in 2013 das beste Umsatzjahr gehabt zu haben. Vorstand Kronawitter hat darüber ein bemerkenswertes Buch „Führen ohne Druck“ geschrieben. Der Chefvolkswirt der Baaderbank Robert Halver bringt es auf den Punkt: "Entweder man fliegt mit den Adlern oder man scharrt mit den Hühnern." In diesem Sinne wünsche ich mir viele Adler. Beste Grüße Ulrich Welzel

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3. Februar 2014

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Mein Erlebnis mit dem Kundenservice bei Amazon – und was sich Retail Banken abschauen können

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Weihnachtsgeschenke von meiner Schwester sind toll. In diesem Jahr gab es einen grossartigen Kindle Fire Reader von Amazon. Das Problem: Er funktionierte anfänglich nicht. Darum habe ich mich an den Kundenservice von Amazon gewandt. Dieser hat mich beeindruckt, inspiriert und mir auch aufgezeigt, wieviel Banken im Bereich Kundenservice noch lernen können.

Wie alles begann oder: Wenn das Gadget nicht funktioniert…
Erfreut von der Weihnachtsbescherung wollte ich kurz nach meiner Heimkehr von der Weihnachtsfeier mein neues (Kindle-) Gadget ausprobieren. Das Problem: Ich konnte mich nicht einloggen und daher die verschiedenen Funktionen nicht austesten. Welche Enttäuschung! Server-Überlastung wegen Weihnachten? Auch am nächsten Tag, dem 25. Dezember, versuchte ich mein Glück. Leider klappte es auch dieses Mal nicht. Als erste Reaktion schrieb ich einigen Kollegen, ob sie dieses Problem auch kennen und versuchte auf Google herauszufinden, ob jemand anderes möglicherweise ein ähnliches Problem hatte. Nicht auf die Idee gekommen bin ich, gut trainiert von den verschiedenen „Dienstleistungs“-Unternehmen, mich mit dem Unternehmen selber in Verbindung zu setzen. Meine Schwester schliesslich meinte, ich solle mich bei Amazon an den Kundenservice wenden, dieser sei toll. Gesagt, getan…

Die Öffnungszeiten und Kontaktmöglichkeiten
Zuerst einmal: Es war der 25. Dezember und trotzdem war problemlos jemand erreichbar. Wie viele Banken hatten an diesem Tag auch geöffnet? Auch sonst sind die Öffnungszeiten des Kundenservices mustergültig: „Unser Kindle Kundenservice ist täglich von 6:00 bis 24:00 Uhr für Sie da.“ Kein Problem also, wenn am späten Abend der Kindle Fire nicht funktioniert.

Für die Kontaktaufnahme existieren drei verschiedene Optionen: Telefon, Chat oder E-Mail. Je nach Problem schlägt Amazon/Kindle selber einen unterschiedlichen Kanal vor. Die Optionen „Telefon“ und „Chat“ sehen in etwa wie folgt aus:

printscreen chat
printscreen tel
Abbildungen: Printscreens Chat und Telefon

Ich wählte die Telefonvariante. Dabei kann man eingeben „jetzt anrufen“ oder „in 5 Minuten anrufen“. Ich wählte die „jetzt anrufen“-Variante…und habe 3 Sekunden später bereits ein Telefonat erhalten. Erstaunlich! Nach einer sehr freundlichen und kompetenten Beratung war mein Problem gelöst. Etwas später entdeckte ich in Bezug auf den Kundenservice eine weitere hervorragende Funktion von Amazon – den Amazon Mayday Button.

Amazon Mayday Button

Diese Funktion ist bereits in den Kindle Fire HDX integriert. Ist der Button einmal gedrückt, kann man als Nutzer sofort (nach 9 Sekunden) per Videochat mit einem kompetenten Mitarbeiter von Amazon sprechen und diesem die Berechtigung erteilen auf seinen Bildschirm zuzugreifen, um das Problem gemeinsam zu lösen. Rasche und freundliche Problemlösung fast rund um die Uhr –  da freut man sich als Kunde!

Schauen Sie sich unbedingt mal kurz (1min 30 sec) das Video zu diesem Mayday Button an:

https://www.youtube.com/watch?v=PFYHF1w8w3g

Eine Idee für Banken?

Bei Banken ist diese Art von Kundenservice noch nicht sonderlich ausgeprägt. Zwar bietet beispielsweise die UBS seit relativ kurzem einen ähnlichen Telefon-Service an (Call Me-Funktion). Aber bei noch immer (zu) vielen Banken wird man alleine gelassen, wenn man ausserhalb der normalen Öffnungszeiten oder an Wochenenden ein Problem zum Beispiel mit dem Online Banking hat. Hier steht dann zum Beispiel (bei einer grösseren Kantonalbank): „Wir sind zu folgenden Servicezeiten für Sie da: Montag bis Freitag von 08.00 bis 18.00 Uhr“.

Eine Integration eines solchen Buttons mit Videoberatung, das Angebot eines Web-Chats, ein Rückruf in so kurzer Zeit oder ähnliches im Online Banking oder auch bei Problemen am Geldautomaten, wäre aus meiner Sicht eine kluge Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots von Banken. Im Zuge der Digitalisierung und auch in Anbetracht des Wunsches vieler Banken, dass ihre Kunden vermehrt Transaktionen über elektronische Kanäle abwickeln, wäre ein solches Angebot entsprechend sinnvoll. Viele Banken sind derzeit in Bezug auf den Kundenservice und das Kundenerlebnis noch weit von Amazon entfernt. Möglicherweise haben Banken aber auch ein anderes Ziel als Amazon. Das offizielle Ziel von Amazon lautet nämlich: „Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein“.

Kommentare

4 Kommentare

Wittwer Andrea

7. Februar 2014

Eine spannende und in Sachen Dienstleistungsorientierung wunderbare Geschichte! PostFinance ist wohl noch nicht da wo Amazon, aber auf dem richtigen Weg! Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden seit Jahren eine freie Kanalwahl und einen 7x24h Kundendienst. Egal von wo aus in der Welt man zu welcher Tageszeit anruft - wir sind für unsere Kunden da. Zahlungen mit dem Smartphone während der Zugfahrt von Luzern nach Zürich tätigen? Kein Problem mit den neuen E-Service-Dienstleistungen von PostFinance. Unseren Kundinnen und Kunden den einfachsten Umgang mit Geld zu bieten, ist ganz bestimmt ein hoch gestecktes Ziel. Für jeden Kunden bedeutet "einfach" nämlich etwas ganz anderes. Als Mitarbeitender einer Retailbank ist man - neben allen aktuellen regulatorischen Anforderungen - in der Interaktion mit dem Kunden neu gefordert. Eben auf dem Weg in eine digital geprägte Zukunft.

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Lukas Bodmer

3. Februar 2014

Interessantes Erlebnis und spannender Beitrag. Einen Punkt möchte ich noch ergänzen der mitschuldig ist, weshalb Banken heute nicht die gleichen Möglichkeiten bieten: Die Sicherheit der Kundendaten und deren Vermögen. Banken sind vor viel grössere Herausforderungen gestellt wenn es um Live-Chat-Funktionen oder Fremdzugriffe auf Devices der Kunden geht als dies z.B. bei Amazon der Fall ist. Wie authorisiere ich den Kunden? Welche Leitungen resp. welche technischen Zugriffe sind gegen ungewollte Eingriffe sicher? Über welche Kanäle soll ich überhaupt mit den Kunden in Kontakt treten, d.h. wie kann sich der Kunde sicher sein, dass er wirklich von einem Bankmitarbeiter kontaktiert wird?

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Nils Hafner

3. Februar 2014

Schönes Klischee, lieber Herr Bleiker. Fakt ist, dass amazon in einem Markt mitspielt, in dem es um ein halbes Prozent Marge geht. Da sind die Telekomunternehmen und die Banken (von oben kommend) noch lange nicht angelangt. Den Unternehmen vor allem im Finanzdienstleistungsumfeld geht es noch viel zu gut, um sich mal wirklich strukturiert überlegen zu MÜSSEN, wie man denn zu den geringsten Kosten den besten UND schnellsten Kundenservice leisten kann. Möglichkeiten hierzu bestehen zu hauf. Amazon macht es vor.

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Andreas Bleiker

3. Februar 2014

Supertolle Beschreibung. ABER: muss in unserer schnelllebigen Zeit, in der zunehmends über Stress geklagt wird, WIRKLICH jedes noch so kleine Problem durch einen 24-Stunden-Service behoben werden? Ich warte lieber, bis mein Kundenberater ausgeruht und motiviert am Bank-Arbeitsplatz ist, als mich auf einer Hotline irgendwo nach Irland, Portugal oder gar nach Indien verbinden zu lassen, wo ich weder verstanden (inhaltlich) noch ernst genommen werde. Beispiel gefällig? Rufen Sie mal ORANGE an....

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27. Januar 2014

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Online und Mobile Banking im Vormarsch

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

In einer Studie der Beratungsfirma Bain & Company wurden 190‘000 Privatkunden aus 27 Industrie- und Schwellenländern u.a. zum Thema Online- und Mobile Banking befragt. Es wird aufgezeigt, dass sich das Online- und Mobile- Banking global durchsetzen – allein in der Geschwindigkeit der Umsetzung gibt es noch Unterschiede. Der Schweizer Markt war leider nicht Teil dieser Umfrage.

Online und Mobile Banking als tragende Säulen im Retail Banking

Weltweit entwickeln sich das Online- und zunehmend auch das Mobile-Banking neben dem Filialgeschäft zu tragenden Säulen des Privatkundengeschäfts. Vor allem skandinavische Länder sind in dieser Entwicklung führend: In diesen Ländern werden bis zu drei Viertel aller Bankgeschäfte online und mobil erledigt (vgl. Abbildung 1; durch Klick vergrössert sich die Graphik).

Globale Banken-Studie von Bain zur KundenloyalitŠt im PrivatkundengeschŠft / Deutsche Banken starten digitale Aufholjagd

Mobile Banking mit rasantem Wachstum

In Deutschland setzen die Retail Banken Kunden ähnlich wie in der Schweiz vor allem noch auf Online-Banking. 80 Prozent der Befragten erklärten, dass sie zumindest einmal in den vergangenen drei Monaten im Internet Bankgeschäfte erledigt haben. Immerhin bereits 35 Prozent nutzten für ihre Bankgeschäfte ein mobiles Endgerät. 2012 lag diese Zahl noch bei 16 Prozent – dies entspricht also mehr als einer Verdoppelung innerhalb eines Jahres. Der rasante Anstieg der Nutzerzahlen im Mobile Banking zeigt deren dynamische Entwicklung. Schaut man sich die Situation ausserhalb Europas an, ist das Mobile Banking sogar noch wesentlich populärer: In China liegt der Anteil der Nutzer mobiler Bankangebote bereits bei 60 Prozent, in Chile bei 57 Prozent, in Südkorea bei 56 Prozent und in den USA bei 45 Prozent (vgl. Abbildung 2).

Globale Banken-Studie von Bain zur KundenloyalitŠt im PrivatkundengeschŠft / Deutsche Banken starten digitale Aufholjagd

Generell lässt sich sagen, dass sich die Nutzung von Mobile Banking zwar in allen Altersgruppen und Einkommenskategorien positiv entwickelt hat. Einen überproportionalen Anstieg kann jedoch vor allem bei jüngeren Kunden festgestellt werden.

Chance auch für Schweizer Banken

Die umfassende Digitalisierung bietet auch Schweizer Banken eine gute Möglichkeit, die Kundenloyalität und -zufriedenheit zu erhöhen. Ein digitales Leistungsangebot ist kurz- bis mittelfristig Pflicht für jede hiesige Retail Bank. Die Filialnetze müssen aber trotz dieser Entwicklungen nicht komplett infrage gestellt werden. Noch immer erwartet wohl die Mehrzahl der Schweizer von ihrer Bank eine persönliche Beratung. Modernisierte Niederlassungen vor Ort mit umfangreichen digitalen Angeboten bleiben eine wichtige Visitenkarte der Institute für bestehende und potenzielle Kunden. Handlungsbedarf besteht (nicht nur) in der Schweiz zudem vor allem in der Verknüpfung von Online- und Offlineangeboten.

Viele Banken sind somit gezwungen, sich in Zukunft noch stärker mit neuen Technologien auseinanderzusetzen. Dies gilt beispielsweise auch für das Mobile-Payment (vgl. früherer Blog-Beitrag). Derzeit verwenden erst 19 Prozent der Kunden in Industrieländern ihr Smartphone oder Tablet zum bezahlen. In China liegt dieser Anteil bereits bei 49 Prozent und in Spanien immerhin bei 21 Prozent (vgl. Abbildung 3).

Globale Banken-Studie von Bain zur KundenloyalitŠt im PrivatkundengeschŠft / Deutsche Banken starten digitale Aufholjagd

Das Thema der Digitalisierung wird die Schweizer Banken in den kommenden Jahren (weiterhin) stark beschäftigten. Verschiedene Banken haben hier noch einen beträchtlichen digitalen „Nachholbedarf“. Schaut man nach Skandinavien, kann man auch sehen, wohin die Reise gehen könnte. Viele Banken in diesen Ländern haben es geschafft, dass Kunden einfache Routinetransaktionen nicht mehr in der teuren Filiale durchführen, sondern in günstigeren, digitalen Self-Service Kanälen abwickeln.

Wie schnell sich Anwendungen wie Mobile Banking durchsetzen, hängt jedoch nicht nur vom Angebot der Banken ab. Ein entsprechendes Angebot ist zwar Voraussetzung, damit ein technologischer Wandel stattfinden kann. Die Geschwindigkeit hängt jedoch nicht zuletzt von den Nutzerinnen und Nutzern ab. Zumindest aus technologischer Sicht, könnte sich Mobile Banking in der Schweiz rasant entwickeln. Gemäss einer Studie des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung IPMZ der Universität Zürich gehört die Schweiz bezüglich Internetabdeckung zur Weltspitze. Es greifen 40 Prozent der gesamten Schweizer Bevölkerung über mobile Geräte auf das Internet zu. Diese hohen Nutzungsquoten von Smartphones und Tablets unterstreichen das Potential der „Digitalisierung“ von Banken in Bezug auf Mobile Banking.

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20. Januar 2014

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Vertriebsmanagement

Neues Anlageprodukt für innovative Retail Banken

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein

Mit crowdinvest.ch nutzt erstmals in der Schweiz eine Investitionsplattform das Wissen einer grossen Anzahl von Menschen, um die Anlagestrategie eines Aktienfonds zu bestimmen. crowdinvest.ch aggregiert hierfür die Anlagemeinungen von Laien-Investoren zu den 30 liquidesten und grössten Titeln des Schweizer Aktienmarktes. Die Idee dahinter: Die Weisheit einer grossen Personenanzahl soll zu einer besseren Performance führen als einzelne Expertenmeinungen.

James Surowiecki hat mit seinem Buch „Wisdom of Crowds“ im Jahr 2004 argumentiert, dass Entscheidungen von Gruppen oft zu besseren Lösungen führen als Lösungen von einzelnen Experten. Dies wird durch die Aggregation von Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Entscheidungen erreicht. Auch auf wissenschaftlicher Ebene befassen sich Forscher mit Themen wie Schwarmintelligenz und Social Forecasting. Mit crowdinvest.ch wagt nun erstmals ein Anbieter in der Schweiz, die Theorie von kollektiver Intelligenz in der Praxis zu testen.

So funktioniert crowdinvest.ch

Crowdinvest.ch erhebt die Meinung der „Masse“ zu den 30 liquidesten und grössten Titeln des Schweizer Aktienmarktes. Die Titelempfehlung kann für jeden Titel entweder positiv, neutral oder negativ sein und erfolgt einmal monatlich (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1 Crowdinvest
Abbildung 1: Überblick Entscheidungen crowdinvest.ch

Jede Meinung fliesst gleichgewichtet in die Gesamtbeurteilung ein. Hier sehen Sie die wesentlichen Funktionen von crowdinvest.ch in einem kurzen Film:

Abbildung 2 zeigt einzelne Titel und deren Gewichtung im derzeitigen Portfolio auf.
ergebnisse gewichtung crowdinvest
Abbildung 2: Ergebnisse Voting und Gewichtung im Portfolio

Crowd vs. Experten

Crowdinvest.ch aggregiert die Verkaufs- und Kaufempfehlungen und bildet daraus ein virtuelles Portfolio mit unterschiedlichen Gewichten dieser dreissig Titel. Die Gesamtperformance dieses virtuellen Fonds wird danach mit derjenigen von professionellen Fondsmanagern (welche in ihrem Fonds mit den grundsätzlich gleichen Titeln handeln) verglichen. Bis jetzt kann noch nicht abschliessend beurteilt werden, ob die „Laien-Anleger“ resp. die crowdinvest.ch-Nutzer eine bessere Performance erzielen als Experten. In den fünf ausgewiesenen Monaten August – Dezember 2013 konnte mit der kollektiven Anlagemeinung der Crowd aber eine Performance von 5.22 % erzielt werden, derweil die Experten mit ihren Fonds eine Performance von „lediglich“ 4.17 % erreichten. Dies entspricht einem Vorsprung der Crowd über diese 5 Monate von +1.05 %. Bei der Crowd-Strategie sind zwar keine Kosten berücksichtigt, der Vorsprung ist aber dennoch bemerkenswert.

Die Entwicklung kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden:

Tabelle Crowd vs experten
Tabelle 1: Performance der Crowd vs. Performance der Experten

Entwicklung von crowdinvest.ch

Lanciert wurde die Plattform im Juni 2013 von Peter Graf und Sam Kurath. Gemäss Aussage von Peter Graf, geschäftsführender Partner bei crowdinvest.ch, kommuniziert crowdinvest.ch hauptsächlich über Social Media Plattformen. Mittlerweile konnte so bereits eine genügend grosse Anzahl an „Votern“ für crowdinvest.ch gewonnen werden. Das erklärte Ziel ist es, bis Ende 2015 rund 10‘000 Followers auf Sozialen Netzwerken zu haben, welche zum Abstimmen animiert werden können. Die effektive Anzahl von Votern dürfte natürlich wesentlich tiefer sein. Nach der 90-9-1-Regel zur Nutzung von Communities (90% schauen zu, 9% „beobachten aktiv und „liken“, 1% „machen aktiv mit“) hätte man in einem solchen Fall wohl ca. 100 Personen die aktiv mitmachen. Zudem wird crowdinvest.ch in der langen Frist versuchen einen Partner aus der Finanzindustrie zu finden, um ein Anlageprodukt aufzulegen, welches die Crowd-Strategie umsetzt.

Fazit

Wir halten crowdinvest.ch für ein innovatives und spannendes Konzept. Die Idee einer Umsetzung in einem Anlagefonds dürfte auch auf Bankenseite auf Interesse stossen, ist das Angebot doch innovativ und die Anleger können damit auch selber „ihren“ Fonds beeinflussen. Gleichzeitig hat das Konzept aber auch (noch) einige Schwächen:

  1. So kann der Fonds im Falle einer Krise an den Aktienmärkten nur sehr träge reagieren, da der Votingprozess nur einmal monatlich stattfindet (regelmässigere Votings wären aber aus Sicht der Crowd wohl eher mühsam). Ein aktiv geführter Fonds kann sehr viel schneller auf Markttrends – seien es positive oder negative – eingehen. Dies muss aber natürlich nicht in jedem Fall ein Vorteil sein. Ebenso wird sich (erst) in Krisenzeiten zeigen, ob und wie weit die Masse dem „Herdentrieb“ unterliegt.
  2. Theoretisch wäre es auch möglich, dass in jedem Monat ein sehr grosses Re-Balancing notwendig ist, wenn die Crowd ihre Meinung immer wieder stark ändert. Dies war aber zumindest bisher im vorgestellten Fall (noch) nicht der Fall.
  3. Des Weiteren eignen sich wohl nur Fonds mit bekannten Schweizer Aktientitel für solche Crowd-Fonds. Für spezialisiertere Fonds (z.B. US Aktien, Emerging Markets, etc.) fehlt der Schweizer Crowd wohl bereits das notwendige Wissen.

Wir sind gespannt darauf, wie sich die Performance in Zukunft und vor allem auch einmal in einer Krise gegenüber dem Experten-Benchmark entwickeln wird. Gleichzeitig sind wir der Überzeugung, dass ein solcher Fonds nach erfolgreichem Abschluss der Testphase ein spannendes Finanzprodukt für Banken sein kann.

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Ulrich Welzel

25. Januar 2014

Klasse Projekt. Ich bin sehr gespannt, was dabei heraus kommt.

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13. Januar 2014

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Können sich Retail Banken über ihre Produkte differenzieren?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

„Be different – or die“. Gerade Retail Banken scheint diese Marketingweisheit aus den USA vor grosse Herausforderungen zu stellen. Das Angebot an Produkten und Dienstleistungen gilt nämlich als austauschbar – eine klare Abgrenzung im Wettbewerb scheint schwierig. Wer jedoch im hart umkämpften Wettbewerb um die Gunst anspruchsvoller Bankkunden bestehen will, muss sich von der Konkurrenz differenzieren und rationale sowie emotionale Mehrwerte schaffen können. Darum versucht jede Bank, sich mittels einer klaren Differenzierungsstrategie von den Konkurrenten abzuheben.

Gestützt auf eine Umfrage unter Entscheidungsträgern von Retail Banken wurde im Rahmen der IFZ Retail Banking Studie 2013 aufgezeigt, in welchen Bereichen sich Banken heute gegenüber ihren Konkurrenten gemäss eigener Einschätzung differenzieren und wie sich die Differenzierungsmerkmale gemäss ihrer Einschätzung über die nächsten fünf Jahre verändern.

Insgesamt haben sich 150 der angeschriebenen Personen an der Umfrage beteiligt. Die potenziellen Differenzierungsmerkmale wurden in die sieben folgenden Kategorien unterteilt:

  1. Beratungs- und Servicequalität
  2. Märkte
  3. Produkt- und Leistungsangebot
  4. Zugang zu Kunden
  5. Kundengruppen
  6. Preismodelle
  7. Sonstige Differenzierungsfaktoren

Heute möchte ich im Blog die Resultate zum Differenzierungsaspekt „Produkt- und Leistungsangebot“ vorstellen.

Differenzierung über das Produkt- und Leistungsangebot

Diese Gruppe von Differenzierungsmerkmalen zielt auf das Produkt- und Leistungsangebot von Retail Banken. Zur Auswahl gestellt wurde als möglicher Differenzierungsfaktor einerseits die Bündelung von Produkten (Bundling). Andererseits standen die klassischen Produkte wie Hypotheken, Sparprodukte, Anlageprodukte und die Dienstleistung Zahlen zur Auswahl.

Wie die Auswertungen zeigen, ist es grundsätzlich für Retail Banken schwierig, sich über ihre Produkte zu differenzieren. Dies zeigt sich auch bei dieser Umfrage. Trotzdem geben zwischen 25% (Zahlungsverkehr) bis 52% (Hypothekarprodukte) der Befragten an, sich gegenüber ihren wichtigsten Konkurrenten über ihre einzelnen Produkte differenzieren zu können. Zukünftig wird das wichtigste Produkt von Retail Banken, die Hypothek, ein geringerer Differenzierungsfaktor sein als heute. Dagegen wittern einige weitere Banken die Chance, sich inskünftig über Anlageprodukte differenzieren zu können.

Als deutlich wichtiger wird die Bündelung von Produkten erachtet. Rund 63% aller Befragten geben an, sich in fünf Jahren über die Bündelung von Produkten und Bankdienstleistungen differenzieren zu können. Durch diese Massnahme wird einerseits das Pricing weniger transparent, respektive weniger vergleichbar. Andererseits versprechen sich die Banken dadurch eine geringere Austauschbarkeit ihrer Produkte, respektive eine valable Möglichkeit, die Kundenbindung zu stärken.

Im Bereich der Produkte sind gewisse Unterschiede nach Bankengruppe feststellbar. So werden die Anlageprodukte für die Gruppe der „Weiteren Banken“ und der Kantonalbanken sowohl heute als auch in fünf Jahren als wichtigster Differenzierungsfaktor im Produktebereich erachtet, derweil die Raiffeisenbanken und die Regionalbanken die Hypothek als zentrales Differenzierungs-Produkt einstufen.

Differenzierung über Beratung statt über Produkte?

Viele Banken geben an, sich nicht über die angebotenen Produkte differenzieren zu können. Bei einigen Banken besteht zwar der Wunsch, sich im Bereich der Anlageprodukte differenzieren zu können. Etwas paradox mutet allerdings an, dass die Investment Performance, ein wichtiges Differenzierungskriterium hierfür, unbedeutend bleibt. Auch das Research wird nicht als Differenzierungsfaktor betrachtet.
Als wichtigster Differenzierungsfaktor gilt die Beratungsqualität. Es ist jedoch fraglich, ob sich eine Bank durch gute Beratung von per se austauschbaren Produkten wirklich von einer anderen Bank differenzieren kann – und ob die Beratung wirklich ein Differenzierungsfaktor ist, wenn sich alle Banken durch diesen Faktor differenzieren wollen.

Die IFZ Retail Banking Studie 2013  kann hier bestellt werden. Sie kostet als Einzelbestellung CHF 290.- und bei Sammelbestellungen ab 3 Exemplare 240 CHF, ab 5 Exemplaren 190 CHF und ab 10 Exemplaren 140 CHF pro Exemplar.

Kommentare

5 Kommentare

Andreas Dietrich

16. Januar 2014

Danke für Ihre Kommentare und Bemerkungen. Wir wollten in der oben zitierten Studie auch mittels einer zusätzlichen Frage eruieren, mit welchen Massnahmen die Banken sicherstellen, dass sie heute und in fünf Jahren über genügend freie (finanzielle) Ressourcen für ihre Differenzierungsstrategien verfügen. Was dabei (kurz zusammengefasst) rausgekommen ist: Heute sparen Banken vor allem durch Prozessstandardisierungen Kosten ein, welche sie für die Verfolgung ihrer Differenzierungsstrategien einsetzen können. Als etwas weniger wichtig wird derzeit noch das Outsourcing von Prozessen oder die Automatisierung an der Front erachtet. Eine Reduktion von Personalkosten oder der Marketinginvestitionen sind derzeit keine relevanten Kosteneinsparungs-Ziele. Insgesamt sehen die Banken aber vor allem in diesen Bereichen noch Potenzial, um ihre Differenzierungsstrategien zu "finanzieren".

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Seminar

16. Januar 2014

Ein wirklich sehr spannender Artikel. Habe diesen mit viel Interesse aufmerksam studiert. Lg, Hp

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Hansjörg Leichsenring

15. Januar 2014

Sehr spannend, die sechs Differenzierungsmerkmale. Noch spannender ist die Frage, was Banken investieren, um etwas davon umzusetzen. Oder doch lieber weiter Kosten sparen ??? Die anderen machen lassen??? Banken sind "herdengetrieben" und die Chance zur aktiven Differenzierung nutzen leider die wenigsten. Beste Grüße Hansjörg Leichsenring www.der-bank-blog.de

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Helmut Muthers

14. Januar 2014

Ich habe 8 Jahre lang als Vorstand Banken saniert. Der Erfolg wurde erst möglich, nachdem wir von den Produkten abgekehrt und uns vollständigen Problemlösungen für Kunden zugewendet haben. Auf diesem Weg haben wir als eine der ersten Banken in D Honorare für Baufianzierung, Altersvorsorge, die Regelung der Erbangelegenheiten und im Firmenkundengeschäft realisiert.

Antworten

Ulrich Welzel

14. Januar 2014

Sehr geehrter Herr Prof. Dietrich, Sie schreiben: „Als wichtigster Differenzierungsfaktor gilt die Beratungsqualität. Es ist jedoch fraglich, ob sich eine Bank durch gute Beratung von per se austauschbaren Produkten wirklich von einer anderen Bank differenzieren kann – und ob die Beratung wirklich ein Differenzierungsfaktor ist, wenn sich alle Banken durch diesen Faktor differenzieren wollen.“ Meiner Meinung gibt es in diesem Marktumfeld (das bis 2017 anhalten soll) nur eine Möglichkeit sich zu positionieren: Massive Steigerung der Beratungsqualität und Mehrnutzengenerierung. Jan Carlzon (ex-SAS-CEO) hat es schon 1982 auf den Punkt gebracht: Alles für den Kunden! Das gilt heute mehr denn je. Wenn die Kunden zu ihrem Banker kommen und positiv gestimmt sagen: „Das hätte ich von Ihnen als Banker nicht erwartet!“ dann ist der Berater auf dem richtigen Weg. Das heißt aber, sich nicht auf dem Lob auszuruhen. Mit freundlichen Grüßen Ulrich Welzel

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