6. März 2023
Technologische Fortschritte eröffnen für Banken eine Vielzahl strategischer Optionen. Wenn es darum geht, diese Optionen zu verwirklichen, dann fühlen sich Entscheidungsträger von Banken zunehmend durch ihre IT-Landschaft eingeschränkt. In diesem Blog wird die Meinung vertreten, dass der Weg aus dieser Pattsituation eine IT Governance verlangt, die den Dialog zwischen Business und IT vertieft.
Es ist mittlerweile unbestritten, dass der Einsatz der Informatik für den zukünftigen Erfolg der Banken entscheidend ist. Ebenso ist gemeinhin akzeptiert, dass der Einsatz der Informatik dann Wert generiert, wenn es gelingt, Bankgeschäft und IT-Mittel miteinander zu verzahnen. Aufgabe der IT Governance ist es, Strukturen und Prozesse so festzulegen, dass Geschäfts- und IT-Strategie der Bank aufeinander abgestimmt ist.
Die Retailbanken der Schweiz verfolgen in der Regel die Strategie einer Universalbank mit einer hohen Wertschöpfungstiefe. Sie bieten eine breite Palette an Bankdienstleistungen an, die sie zu grossen Teilen selbst erstellen. IT-Anwendungen, die diese Strategie unterstützen sollen, müssen eine breite Funktionalität abdecken und effiziente bankinterne Prozesse ermöglichen. Die traditionellen Kernbankensysteme mit ihrer zentralen Datenbasis und ihrer monolithischen Bauweise decken diese Anforderungen seit Jahren in geeigneter Weise ab. Diesbezüglich gab es bis vor wenigen Jahren kaum technologische Fortschritte, sondern diese wurden vor allem in der Hardware erreicht: Mehr Rechenleistung zum gleichen Preis, schnellere Speichermedien oder die Möglichkeit, mit Virtualisierung Hardware besser auszulasten sind einige Beispiele. Diese Neuerungen haben es den Informatik-Abteilungen ermöglicht, Kosten für IT-Services über mehrere Jahre in Folge zu reduzieren. Für die Banken ging es darum, im Wettbewerb mit der Konkurrenz eine vergleichbare IT-Kostenbasis aufzuweisen. Dies erforderte aber kein eigentliches Business Alignment, das heisst keine vertiefte Abstimmung zwischen Geschäftsstrategie und IT-Strategie. Es konnten weiterhin die gleichen IT-Leistungen, wenn auch in optimierter Art und Weise, zur Verfügung gestellt werden.
Strategische Optionen treffen auf eine überholte IT-Landschaft
Wesentlicher Antrieb der Digitalisierung sind technologische Fortschritte, wobei sich diese technologischen Fortschritte in erster Linie darauf beziehen, wie Software entworfen, gebaut, ausgeliefert und betrieben wird. Software wird nicht mehr als Monolith, sondern als System bestehend aus mehreren unabhängigen Komponenten gebaut. Softwarekomponenten werden einzelnen in einer Cloud bereitgestellt und dort betrieben. Testing und Auslieferung der Software erfolgen weitgehend automatisiert. Bei Bedarf können Softwarekomponenten ihre Daten oder Funktionalität über APIs auch Dritten, ausserhalb der Bank zur Verfügung stellen. Dieses geballte Bündel an technologischen Neuerungen bietet verschiedene Chancen. Das Kundenerlebnis lässt sich markant steigern. Software lässt sich wesentlich flexibler, schneller, aber auch kostengünstiger bauen und in Produktion nehmen. Und Software kann unternehmensübergreifend miteinander vernetzt werden. Vor allem aber eröffnen diese Innovationen für Banken strategische Optionen, die sich in Form von neuen Geschäftsmodellen am Horizont abzeichnen: Multibanking bietet der Kundschaft den Überblick über alle ihre Bankbeziehungen, Open Banking erlaubt es, nicht nur die Wertschöpfungsketten der Banken neu zu ordnen, sondern auch das Produktregal mit Drittprodukten zu erweitern. Banken können ihre Leistungen in Ökosystemen positionieren. Oder Bankdienstleistungen können über Embedded Banking in Wertschöpfungsketten anderer Branchen eingebettet werden. Diese Aufzählung ist nicht nur unvollständig, sondern sie wird beinahe täglich durch zusätzliche neue Geschäftsideen erweitert, von denen niemand weiss, ob sie sich durchsetzen und Bestand haben werden. Auch wenn bei vielen Banken noch nicht klar ist, welche dieser strategischen Optionen sie zu welchem Zeitpunkt ergreifen möchten, so steht doch zunehmend die Forderung im Raum, dass es bei Bedarf möglich sein muss, das Potenzial solcher neuen Geschäftsmodelle zu erschliessen. Das Business möchte sich den diesbezüglichen strategischen Spielraum offenhalten. Die Entscheidungsträger möchten in der Lage sein, die bestehende Lücke zwischen den strategischen Optionen und der gültigen Geschäftsstrategie bei Bedarf schliessen zu können (siehe Abbildung 1). Damit nimmt der Druck auf die IT zu, dafür die technologischen Voraussetzungen zu schaffen. Die Verantwortlichen der Informatik sehen sich aber mit der Tatsache konfrontiert, dass ihnen die verfügbare IT-Landschaft, nur ungenügend Mittel in die Hand gibt, um die Wünsche des Business zu erfüllen. Mit der bei vielen Banken aktuellen IT-Landschaft können die gestellten Anforderungen nur ansatzweise erfüllt werden, und wenn die Umsetzung möglich ist, dann ist sie teuer und dauert lange. Der Grund für diesen Missstand liegt nicht im Unvermögen der IT-Verantwortlichen, sondern darin, dass die Technologie der aktuellen IT-Landschaft nicht mehr zeitgemäss ist. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen der aktuellen IT-Landschaft und den technologischen Fortschritten eine tiefe Lücke aufgetan (vgl. Abbildung 1). Während das Business eine strategische Lücke beklagt und Druck auf die IT ausübt, kämpft die Informatik mit einer veralteten Technologie, die nicht mehr durch punktuelle Korrekturen wettbewerbsfähig gehalten werden kann, sondern im Rahmen einer umfassenden Erneuerung zu ersetzen ist.
Abbildung 1: Die Herausforderung der IT Governance in Zeiten tiefgreifenden technologischen Wandels
IT Governance hat den Dialog zwischen Business und IT zu moderieren
Die doppelte Lücke zwischen strategischen Optionen und gültiger Geschäftsstrategie auf der einen Seite und technologischem Fortschritt und aktueller IT-Landschaft auf der anderen Seite rückt die Ausrichtung der Informatik plötzlich ins Zentrum strategischer Überlegungen der Bank. Dies nachdem über Jahre hinweg die Informatik als eine Unterstützungsfunktion verstanden wurde, deren Aufgabe es ist, kostengünstig IT-Services bereitzustellen. Die IT-Landschaft einer Bank so aufzurüsten, dass sich diese in der digitalen Welt konkurrenzfähig positionieren kann, erfordert einen Sinneswandel der Entscheidungsträger. Während es für IT-Funktionalitäten möglich ist, einen Business Case zu berechnen, ist dies für die technologische Erneuerung der IT-Landschaft nahezu unmöglich. Stattdessen sind diesbezügliche Investitionen als «Cost of Doing Business» anzusehen, das heisst als Aufwendungen, mit denen die langfristige Konkurrenzfähigkeit der Bank erhalten werden soll. Um die damit verbundenen Risiken zu kontrollieren, sind die Entscheidungsträger in mehrfacher Hinsicht gefordert: Die strategischen Optionen, die offen gehalten werden sollen, sind zu konkretisieren. Die dafür benötigte IT-Landschaft ist zu skizzieren. Und schliesslich ist festzulegen, in welchen Etappen die Investition in eine neue Zukunft erfolgen sollen. Die Meinungsbildung zu diesen und anderen Punkten erfordert einen intensiven und andauernden Dialog zwischen Business und Informatik. Es ist Aufgabe der IT Governance, dafür geeignete Prozesse und Strukturen zu schaffen. Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog zwischen Business und IT ist der Aufbau von Kompetenzen in zweierlei Hinsicht: Erstens ist bei den IT-Spezialisten das Business Know-How zu vertiefen. Und zweitens ist IT-Kompetenz nicht nur in spezialisierten Abteilungen, sondern in der Breite der Bank und insbesondere auch in der Geschäftsleitung aufzubauen. Dies ist gerade für jene Banken herausfordernd, die über jahrelang gewachsene Strukturen verfügen, die eine strikte Trennung zwischen Fach- und IT-Abteilungen aufweisen. FinTechs kennen diese Trennung zwischen Business und IT nicht, sondern dort werden Geschäftsstrategie und IT-Technologie gemeinsam und als Ganzes vorangetrieben.
Fazit
Banken müssen Business- und IT-Wissen viel näher zusammenbringen, um den erforderlichen Wandel in der IT-Landschaft an den strategischen Optionen, die sich in Form neuer Geschäftsmodelle bieten, auszurichten.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch). Sind Sie an vertiefenden Ausführungen zum Thema IT-Governance interessiert? Dann melden Sie sich für das IFZ Bank-IT Forum «IT Governance» vom 21. März 16:00-18:00 an (IFZ Forum Bank-IT: IT Governance | Hochschule Luzern (hslu.ch))
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