3. Mai 2021

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Der neue Arbeitsplatz für Kundenberaterinnen und -berater bei der Schwyzer Kantonalbank

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Der Beraterarbeitsplatz ist ein zentrales Werkzeug der täglichen Arbeit von Kundenberaterinnen und Kundenberatern. Bei verschiedenen Banken basieren diese Beraterarbeitsplätze aber noch immer auf alten Lösungen und sind in der Form von «Expertensystemen» nur wenig bedienungsfreundlich. Daher begrüsse ich Initiativen, welche das Leben der Kundenberaterinnen und Kundenberater vereinfachen. Im heutigen Blog stelle ich den Advisor Workbench von Finnova vor, welcher seit letztem Herbst bei der Schwyzer Kantonalbank im Einsatz steht.

Der Advisor Workbench (AWB) von Finnova ist seit letztem Herbst bei verschiedenen Banken im Einsatz. Im vierten Quartal 2020 begannen die Schwyzer Kantonalbank als Pilotbank (15. Oktober), die Glarner Kantonalbank (12. November) und die Zuger Kantonalbank (23. November) mit dem produktiven Betrieb.
Das Ziel des AWB ist es, die Kundenberaterinnen und Kundenberater zu unterstützen, ihre Arbeit einfacher zu strukturieren und damit administrativen Aufwand zu reduzieren. Das Einsatzgebiet der Advisor Workbench richtet sich an alle frontorientierten Personen. Dazu gehören beispielswiese Kundenberaterinnen und Kundenberater, Schaltermitarbeitende und auch Call-Center-Mitarbeitende.
Der AWB wurde als tabletfähiger Beraterarbeitsplatz auf Basis von geführten Prozessen kreiert. Standardprozesse sollen dank normierter Datenerfassung durch Kundenberaterinnen und Kundenberater auch ohne Einbezug eines Backoffice abgewickelt werden können. Die AWB bietet dabei «lediglich» eine workflowbasierte Benutzeroberfläche an. Die Logik wird noch immer aus dem Finnova Core bezogen.
Im Zuge der Erstellung des AWB wurden auch einzelne Prozesse zwischen den drei oben erwähnten Pilot-Banken etwas harmonisiert. Der Advisor Workbench ist aber flexibel und modular aufgebaut. Entsprechend haben die einzelnen Banken verschiedene Prozessschritte individuell an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst. Im Fokus des heutigen Blogs ist die AWB-Umsetzung bei der Schwyzer Kantonalbank (SZKB).

Der AWB bei der SZKB

Grundsätzlich soll der Beraterarbeitsplatz bei der SZKB die intuitiv anwendbare Hauptapplikation der Beraterinnen und Berater werden und auch durchgängigere und digitalisiertere Front-to-Back-Prozesse ermöglichen.
Wie oben angedeutet, ist das Angebot grundsätzlich modular – man kann als Bank also auch nur einzelne Bausteine einkaufen (neben dem Basis-Modul sind das die Module «Kundenverwaltung», «Produktverwaltung», «Kartenverwaltung» und «Bankindividualisierungen»). Die SZKB nutzt alle derzeit verfügbaren Module.
André Näpflin, Leiter IT Business Services und Projekte bei der SZKB, sieht dabei vor allem die folgenden Vorteile der Lösung:

Bessere Kunden(über)sicht

Die Kundenberaterinnen und -berater können nun rasch und einfach auf umfangreiche(re) Informationen von Kunden zugreifen (siehe Abbildung 1; auch Informationen zu Hypotheken und Wertschriften sind vorhanden). Was eigentlich – zumindest von aussen betrachtet – «State of the art» sein sollte, war zuvor bei der SZKB (und sicherlich auch bei anderen Banken) nicht in dieser Übersichtlichkeit gegeben. Daher ist dies ein wichtiger Fortschritt.


Abbildung 1: Übersicht Kunden-Dashboard

Geführte Prozesse sollen Effizienz erhöhen

Standardprozesse können dank normierter Datenerfassung durch die Kundenberaterinnen und Kundenberater ohne Bezug eines Backoffice abgewickelt werden. Dies erhöht die Geschwindigkeit bei gewissen Prozessen offenbar beträchtlich. Auf der anderen Seite bedeutet dies natürlich auch, dass der Kundenberater und die Kundenberaterin mehr Verantwortung erhalten, da bei gewissen Prozessen kein Kontroll-Check im Backoffice mehr geschieht. Ein Beispiel für die Effizienzsteigerung dank AWB ist der Kundeneröffnungsprozess, welcher neu – inklusive Produktaktivierung und Erstellung aller Eröffnungsformalitäten – auf unter 10 Minuten reduziert werden konnte.

Modernes Look-and-Feel

Der Beraterarbeitsplatz ist für die Kundenberaterinnen intuitiv verständlich und sollte deutlich einfacher zu bedienen sein als das alte «Expertensystem».

Erhöhter Funktionsumfang

Funktionsumfang AWB der SZKB

Der Fokus des AWB liegt vor allem im Bereich der Basisdienstleistungen für natürliche Personen, wie man in der untenstehenden Abbildung 2 erkennen kann. Die aufgeführten Funktionalitäten sind seit Oktober bei der SZKB 2020 im Einsatz, rot markierte Prozesse sollen in der nahen Zukunft umgesetzt werden. Entsprechende Angebote für juristische Personen werden voraussichtlich ab Herbst dazukommen.

Abbildung 2: Funktionen, die im AWB der SZKB zur Verfügung stehen (Quelle: SZKB)

Als weiteres kann die SZKB auch Drittinhalte (inkl. Evoja) in der AWB integrieren. Dadurch soll der AWB eine Art internes Portal und damit zentraler Einstiegspunkt für Mitarbeitende werden.

Weitere interessante Bausteine:

  • Auf dem «Berater Dashboard» sieht der Kundenberater resp. die Kundenberaterin die anstehenden Aufgaben, offenen Prozesse und Pendenzen. Auch Drittinhalte kann die SZKB auf dieser Seite ergänzen (z.B. werden Cross- und Upselling Vorschläge integriert). Als weiteres können jederzeit die Kennzahlen der Beraterinnen und Berater abgerufen werden.
  • Auch das Kunden-Dashboard hat sich gegenüber der alten Situation verbessert. Gegenüber der «alten» Welt ist es nun deutlich übersichtlicher dargestellt. Als weiteres wurde die Suchfunktion verbessert. Interessant sind auch einfache Übersichten zu Themen wie «Welche E-Services nutzt der Kunde?» (siehe Abbildung 3) oder eine einfache(re) Übersicht, welche Karten welcher Kunde mit welchen Limiten besitzt.


Abbildung 3: Welche E-Services nutzt der Kunde?

Mutation Debitkarten

  • Des Weiteren wurden verschiedene kleinere Prozesse verbessert (z.B. Eröffnung von Konti, Depots oder E-Banking Verträgen). Als schönen Nebeneffekt dieser Optimierungen, konnten gleichzeitig weitere Self-Service Möglichkeiten für die Kundinnen und Kunden geschaffen werden (z.B. im Bereich von Adress-Mutationen).

Fazit

Ich begrüsse die Anstrengungen von verschiedenen Banken, den – aus meiner Sicht fälligen Schritt zu vollziehen, auch den – Kundenberater-Arbeitsplatz zu modernisieren. Der Fortschritt für die Bank, im obigen Artikel für die Schwyzer Kantonalbank, ist durchaus gross und das Projekt auch strategisch relevant. Gleichzeitig muss man betonen, dass solche Lösungen zumindest aus meiner Sicht «nur» das abbilden, was man als «State of the Art» eigentlich erwarten könnte. Der Bankarbeitsplatz der Zukunft sollte verstärkt auch eine flexible Arbeitsteilung zwischen Kunde und Kundenberater ermöglichen. Zudem sollen den Kundenberaterinnen und Kundenberatern über den Bankarbeitsplatz Erkenntnisse der Data Analytics zur Verfügung gestellt werden, um so zielgerichtet Cross- und Up-Selling zu erreichen.
Für die Schwyzer Kantonalbank ist die Nutzung der AWB eine Chance, die Kundenberaterinnen und Kundenberater besser durch die Prozesse zu führen. Zudem können dank normierter Datenerfassung Prozesse automatisiert werden. Gewisse Effizienzverbesserungen sind auch entstanden, weil man verschiedene Prozesse im Rahmen dieses Projekts wieder einmal kritisch hinterfragt hat. Gleichzeitig ist diese neue Lösung als ein «Zusatz-Tool» in der bestehenden Landschaft mit Zusatzkosten verbunden (das bestehende Expertensystem ist schlussendlich noch immer da). Das Ziel sollte es entsprechend einerseits sein, die Übersichtlichkeit für die Kundenberater zu verbessern. Andererseits soll der Mehrpreis gegenüber der alten Lösung nicht alle Einsparungen wieder «wegfressen»
Derzeit haben noch nicht alle der rund 200 Kundenberaterinnen und Kundenberater auf die neue Lösung gewechselt. Spätestens im Herbst ist dies aber Pflicht. Das Feedback der bisherigen Nutzenden ist gemäss Näpflin überwiegend positiv. Gleichzeitig brauchen solche Anpassungen für gewisse Mitarbeitende auch Zeit und eine gewisse Begleitung.
Noch fehlen der AWB-Lösung auch wichtige Funktionen im Kreditbereich (z.B. Hypothekarverlängerungen werden heute noch nicht abgebildet), entsprechende Weiterentwicklungen sind aber geplant. Primäres Ziel ist es aber, dass die Kundenberaterinnen und Kundenberater mindestens 80 Prozent der täglichen Arbeit mit der AWB durchführen können. Gemäss Einschätzung von Näpflin dürfte dies im Jahr 2022 der Fall sein. Mittelfristig sollen die Front-Berater sogar nur noch mit der AWB arbeiten.

PS: Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ plant in diesem Sommer unter der Leitung von Dr. Urs Blattmann und Dr. Felix Buschor eine Studie zum Thema ‘Best practice beim Beraterarbeitsplatz’ durchzuführen. Banken, welche Inputs aus der Praxis sowie aus wissenschaftlicher Sicht für die Optimierung der eigenen Beraterarbeitsplätze suchen, sind herzlich zur Teilnahme eingeladen. Für Informationen wenden sie sich bitte an die Projektleiter (urs.blattmann@hslu.ch; felix.buschor@hslu.ch).

Kommentare

1 Kommentare

Wollen Sie wissen, wie gut die IT die Kundenberater/innen von Retailbanken unterstützt? | IFZ Retail Banking Blog

27. September 2021

[…] Aber nicht nur im direkten Kontakt mit den Kunden/innen hält die Digitalisierung Einzug, sondern auch der «Innendienst» der Kundenberater/innen wird zunehmend von Software-Lösungen durchdrungen. Berater/innen erhalten für ihre bestehende Kundschaft Verkaufschancen, die mit Hilfe von Data Analytics automatisch generiert werden, sie werden in der Bearbeitung von Verkaufskampagnen unterstützt, bekommen qualifizierte Leads aus Immobilienportalen, können die Konversion der Leads entlang eines strukturierten Funnels vorantreiben und vieles mehr. Und zu Arbeitsbeginn am Morgen können sich die Kundenberater/innen einen Überblick über ihr Portefeuille verschaffen und die Bearbeitung der vorhandenen Informationen in einem Tages- oder Wochenplan terminieren (vgl. Artikel zum neuen Arbeitsplatz für Kundenberaterinnen und -berater bei der Schwyzer Kantonalba…). […]

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