20. Dezember 2021
Am 10. November wurde anlässlich einer Konferenz die IFZ Studie digitaler Bank-Beraterarbeitsplatz 2021 vorgestellt. Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ hat die Studie mit freundlicher Unterstützung von Avaloq, Braingroup, eligamo, Finnova und Swisscom erstellt. Die Studie zeigt Entwicklungsstand und Nutzen des digitalen Beraterarbeitsplatzes für Banken mit Retailgeschäft auf.
Retailbanken beschäftigen in aller Regel in der Vertriebsorganisation einen wesentlichen Teil ihrer Mitarbeitenden. Viele von diesen Mitarbeitenden stellen sich die Frage, wie ihr Job durch die zunehmende Digitalisierung verändert wird. Auch wenn die Automatisierung vor dem Beruf der Kundenberaterinnen und Kundenberater nicht halt machen wird, so gehen die Banken trotzdem davon aus, dass diese nicht durch einen Algorithmus ersetzt werden. Vielmehr wird auch die Kundschaft der Zukunft im Falle weitreichender finanzieller Fragestellungen die individuelle Beratung kompetenter Fachpersonen zu schätzen wissen. Um das Bedürfnis nach fachkundiger persönlicher Beratung auch in einer digitalen Welt zu erfüllen, haben viele Banken die «hybride Beratung» als Schwerpunkt in ihre Strategie aufgenommen.
Der Beraterarbeitsplatz als Werkzeugkasten der Beraterinnen und Berater
Der Bank-Beraterarbeitsplatz ist der Werkzeugkasten von Kundenberaterinnen und Kundenberatern, der alle Arten von Instrumenten umfasst, die diese benötigen, um ihre Aufgaben verrichten zu können. Für die Studie wurden mittels eines Fragebogens die Auswirkungen auf die drei Aufgabengebiete «Kundeneröffnung & -betreuung», «Face-to-Face-Beratung» sowie «Marktbearbeitung» untersucht. In der digitalen Kundeneröffnung & -betreuung geht es darum, die Kundschaft umfassend über den ganzen Lebenszyklus zu betreuen. Die digitale Face-to-face-Beratung umfasst die Instrumente, um die Kundschaft vor Ort in der Bank zu beraten. Die digital unterstützte Marktbearbeitung schliesslich basiert auf der Idee eines digitalen Assistenten, der Beraterinnen und Berater darin unterstützt, Interessenten und Kundschaft fokussiert zu betreuen. 50 Banken, die Retailgeschäft betreiben, wurden mit einem Fragebogen angeschrieben. 18 Banken unterschiedlicher Grösse und Kategorie haben sich die Zeit genommen, die 87 Fragen im Fragebogen zu beantworten.
Grosse Bandbreite an digitaler Reife des Beraterarbeitsplatzes von Banken
Für einen Katalog an Funktionalitäten wurden die Banken gefragt, ob diese bereits umgesetzt, in Planung oder aktuell nicht vorgesehen sind. In der gleichen Art wurden auch Aspekte der Einbettung in die Arbeitsumgebung der Beraterinnen und Berater abgefragt. Diese Einbettung oder auch Integration in den beruflichen Alltag der Beraterinnen und Berater ist breit zu verstehen. Es geht dabei nicht nur um Schnittstellen zwischen IT-Anwendungen, sondern beispielsweise auch um die Integration in die Prozesslandschaft der Beraterinnen und Berater. Für jede Bank wurde der Abdeckungsgrad der Funktionalität und der Integration ermittelt. Im Schnitt über alle Banken beträgt die gesamte Abdeckung über die Funktionalität und die Integration 41 Prozent. Die Bank mit dem höchsten Wert weist einen Abdeckungsgrad von 82 Prozent aus. Der tiefste Wert beträgt 13 Prozent. Den höchsten Reifegrad erreicht eine Grossbank, den tiefsten Wert weist eine Regionalbank auf.
Während die Abdeckung der Funktionalitäten über alle Aufgabengebiete durchschnittlich 46 Prozent beträgt, ist die Abdeckung der Integration mit 36 Prozent doch deutlich tiefer. Die Integration hinkt also hinter der Funktionalität her.
Grössere Banken haben tendenziell eine grössere Reife des digitalen Beraterarbeitsplatzes
Bezüglich der Reife können die Banken in drei Gruppen eingeteilt werden: First Mover, Follower und Late Follower. In der Tendenz sind Banken mit einer grösseren Vertriebsorganisation in der Digitalisierung des Beraterarbeitsplatzes weiter fortgeschritten. So decken die beiden Grossbanken bereits heute rund 80 Prozent der Funktionalitäten ab und sind deshalb First Mover. In der Gruppe der Follower sind neun Banken. Dabei handelt es sich mit einer Ausnahme um Kantonalbanken. Ausser zwei Banken verfügen diese neun Banken über eine Vertriebsorganisation mit mehr als 200 Beraterinnen und Berater. In der Gruppe der Late Follower schliesslich sind insgesamt sieben Banken enthalten, vier Regionalbanken und drei Kantonalbanken. Mit einer Ausnahme beschäftigen diese Banken weniger als 200 Beraterinnen und Berater.
Spitzenreiter ist die digital unterstützte Face-to-Face-Beratung
Über alle Banken die grösste Abdeckung für die Funktionalität weist das Aufgabengebiet Face-to-Face-Beratung mit 58 Prozent auf. Sieben Banken geben an, dass sie sämtliche Funktionalitäten abgedeckt haben. Neben den beiden Grossbanken sind darunter ausschliesslich Kantonalbanken unterschiedlicher Grösse. Keine Lösung für die Face-to-Face-Beratung haben zwei Banken, und zwar eine Regionalbank und eine Kantonalbank. Bei den restlichen Banken liegt die Abdeckung zwischen 20 Prozent und 40 Prozent.
Alle Banken streben eine 80%-Lösung des digitalen Beraterarbeitsplatzes an
Die Banken planen den Ausbau ihres digital unterstützten Beraterarbeitsplatzes, um einen Abdeckungsgrad von rund 80 Prozent zu erreichen. Das heisst, die Banken streben in etwa den heutigen Abdeckungsgrad der Grossbanken an. Die höchste Abdeckung (mit über 90 Prozent) wird für die Face-to-Face-Beratung angestrebt, dicht gefolgt von der digitalen Unterstützung der Beraterinnen und Berater in der Marktbearbeitung.
Der digitale Beraterarbeitsplatz reduziert Durchlaufzeiten und steigert die Effizienz
Der Nutzen eines digitalen Beraterarbeitsplatzes lässt sich im Wesentlichen in vier Bereiche gliedern: Effizienzsteigerung, Reduktion der Durchlaufzeiten, Zusatzgeschäfte und Margenausweitung. Positive Auswirkungen werden von mehr als der Hälfte der Banken auf die Effizienz, die Durchlaufzeiten sowie Zusatzgeschäfte gesehen. Reduktion der Durchlaufzeiten und Steigerung der Effizienz haben den grössten Zuspruch der Banken. Weniger überzeugt sind die Banken in Bezug auf die Wirkung eines digitalen Beraterarbeitsplatzes auf Zusatzgeschäfte. Lediglich gut die Hälfte der Banken geht von einem positiven Effekt aus, wobei jedoch fast ein Fünftel der Banken sich über die Wirkung noch nicht ganz im Klaren ist. Kaum Auswirkungen werden auf die Margen erwartet. Es ist jedoch festzustellen, dass sich betreffs Margenausweitung fast ein Viertel der Banken unsicher sind.
Schlussfolgerungen für die Zukunft
Alle Banken, die den Fragebogen beantwortet haben, haben bereits Teile eines digitalen Beraterarbeitsplatzes umgesetzt. Es ist zu vermuten, dass dies für einen Grossteil der Banken auch mit beträchtlichen Investitionen verbunden war. Im Schnitt sind aber bis jetzt weniger als 50 Prozent der abgefragten Funktionalitäten umgesetzt und fast alle Banken wollen eine Abdeckung von rund 80 Prozent erreichen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus plausibel anzunehmen, dass der digitale Beraterarbeitsplatz für nicht wenige Banken, einen beträchtlichen Teil des Digitalisierungsbudgets verbraucht.
Die Abdeckung der Funktionalitäten des Beraterarbeitsplatzes zeigt eine grosse Streuung zwischen der Grossbank mit dem Spitzenwert von 84 Prozent und der Bank am Schluss der Rangliste mit 18 Prozent. Diese Diskrepanz ist bedeutend grösser als beispielsweise für das E-/m-Banking, wo die Spannbreite zwischen 29 Prozent und 64 Prozent Abdeckung liegt.[1] Wie oben aufgezeigt, hängt der Reifegrad des digitalen Beraterarbeitsplatzes im Wesentlichen von der Grösse der Vertriebsorganisation ab, das heisst kleinere Banken haben in der Regel auch eine kleinere Abdeckung. Da auch für die kleineren Retailbanken die Beratung und Betreuung der Kundinnen und Kunden im direkten Kontakt nach wie vor ein bedeutender Teil des Geschäftsmodells ist, stellt sich für diese die Frage, wie es weiter gehen soll. Gemäss Umfrage streben auch diese Banken einen digitalen Beraterarbeitsplatz mit einer Abdeckung der Funktionalität im Schnitt von rund drei Viertel der Funktionalität an. Die dafür nötigen Investitionen dürften beträchtlich sein und wegen der Grösse der Banken nur beschränkt skalieren.
Die Resultate der Umfrage zeigen, dass auch Banken, die bereits über einen ziemlich ausgereiften digitalen Beraterarbeitsplatz verfügen, den Nutzen vor allem in Prozessverbesserungen sehen. Zusatzgeschäfte oder gar eine Ausdehnung der Margen durch den Einsatz eines digitalen Beraterarbeitsplatzes kann auch in diesen Banken höchstens in Ansätzen festgestellt werden. Die Zukunft wird zeigen, ob es nicht doch möglich ist, mittels digitaler Instrumente ein Kundenerlebnis zu kreieren, das die Abschluss- und Zahlungsbereitschaft der Kundschaft steigert.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch oder urs.blattmann@hslu.ch).
Sind Sie an weiteren Ausführungen zur IFZ Studie digitaler Bank-Beraterarbeitsplatz interessiert? Dann Sie die Studie hier herunter Publikationen – Banking Services (hslu.ch).
[1] Quelle: Nicht öffentliche Studie von e-foresight und der Hochschule Luzern aus dem Jahre 2021.
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