10. Juni 2025

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«Sind Sie an nachhaltigen Anlagen interessiert?» Wie Schweizer Banken die ESG-Vorlieben ihrer Privatkunden erheben

Von Brian Mattmann, Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Nadine Berchtold

Seit Anfang 2024 sind Banken durch eine Selbstregulierung (SR) der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) verpflichtet, die Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer Kunden systematisch zu erfassen. Eine Studie der Hochschule Luzern belegt erstmals, wie Banken diese Anforderungen umsetzen – und welche Herausforderungen sich neu ab 2026 abzeichnen.

Die Studie mit 14 Schweizer Banken zeigt, dass rund die Hälfte aller Privatkunden mit Vermögensverwaltungsmandat an nachhaltigen Anlagelösungen interessiert ist. Die seit 2024 dokumentierten Nachhaltigkeitsvorlieben der Kunden variieren zwischen Banken allerdings erheblich. Bankenübergreifend ist bisher kein einheitlicher Abfragestandard zur ESG-Präferenzerhebung erkennbar. Das könnte sich ab 2026 ändern, dann gelten zusätzlich konkretisierte Anforderungen dafür, was als «nachhaltige» Anlagelösung offeriert werden darf.

Einheitliche Vorgaben, heterogene Umsetzung

Die ESG-Präferenzerfassung erfolgt in den meisten Instituten als integraler Teil der Kundenprofilierung. Die Abfrageformate zu den ESG-Vorlieben unterscheiden sich aber zwischen einzelnen Instituten deutlich: 10 der 14 befragten Banken stellen der Kundschaft eine einzelne Frage zum Thema, vier Banken nutzen zu diesem Zweck zwei Fragen, teilweise sind diese weiter abgestuft. Die Antwortoptionen unterscheiden sich bankspezifisch stark.

Eine Mehrheit der Banken bietet Kunden zwei oder sogar drei Nachhaltigkeitsprofile an, aus denen Kunden wählen können, was ihren Zielen und Werten am besten entspricht. So will man der Heterogenität in den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden gerecht werden. Lediglich 3 Banken offerieren Kunden mit ESG-Präferenzen nur ein einziges ESG-Profil (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die meisten Banken bieten Kunden mit ESG-Präferenzen zwei passende ESG-Profile an

Das Kundeninteresse an nachhaltigen Anlagelösungen variiert erheblich

Die Hälfte der Kundschaft der untersuchten Banken äussert eine ESG-Präferenz. Allerdings variiert der Anteil der Kunden mit Nachhaltigkeitsvorlieben zwischen den Banken deutlich, er liegt in einer Spannbreite von beachtlichen 20% bis 90%. Einflussfaktoren für diese Unterschiede sind unter anderem die Kundenstruktur der Bank, die Nachhaltigkeitskompetenzen der Kundenberatenden sowie die Bank- und Produktstrategie. Wesentlich dürften aber auch die Art der Abfrage und die dazugehörige Kundeninformation das Ergebnis beeinflussen.

Abbildung 2: Der Anteil Kunden mit ESG-Präferenzen variiert zwischen 20% und 90%

Falls Kunden die Wahl haben zwischen einem «hellgrünen» und einem «dunkelgrünen» Nachhaltigkeitsprofil, dann entscheidet sich jedoch nur eine Minderheit (durchschnittlich 8%) für das «sehr nachhaltige» (=dunkelgrüne) Profil. Der «hellgrüne Mittelweg» dominiert deutlich.

Die Studie zeigt zudem, dass die ESG-Präferenzquoten bei Kunden mit Schweizer Domizil signifikant höher liegen als bei europäischen Kunden, welche verpflichtend nach MiFID-Standard zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden müssen. Der europäische MiFID-Standard gilt bei Spezialisten als kompliziert und schwer vermittelbar. Die Unterschiede zwischen der Schweizer Selbstregulierung und der für europäische Kunden relevanten MiFID-Abfrage deutet erstens auf eine stärkere Ausrichtung der schweizerischen Regulierung an den Bedürfnissen von Privatanlegern und Anbietern hin. Zweitens legen sie nahe, dass die Art der geforderten Abfrage enormen Einfluss auf das erzielte Abfrageresultat hat.

Matching von Kundenpräferenzen und Anlagelösungen: ein Balanceakt

Sind die ESG-Präferenzen von Kunden einmal erhoben, so erweist sich die Auswahl passender ESG-Anlageprodukte für Banken nicht immer als einfach. Die Kriterien der Zuweisung von Anlagelösungen zu Kundenpräferenzen sind bankspezifisch unterschiedlich. Für Kunden mit stark ausgeprägten Nachhaltigkeitsvorstellungen gibt es im Angebotssortiment nicht immer passende Produkte.

Grundsätzlich schränkt die Kundenabfrage von ESG-Vorlieben die Bank im Angebot ein. Banken reagieren, indem sie Kunden ohne ESG-Präferenz als «ESG-neutral» profilieren. Solche Kunden können sowohl ESG-Anlagelösungen als auch konventionelle Anlagelösungen erhalten. Ein expliziter ESG-Verzicht auf Kundenwunsch ist aber nur bei 2 der 14 befragten Banken möglich.

Das Wertschriften-Reporting weist Nachhaltigkeitskennzahlen aus

Ein zentraler Aspekt der neuen Selbstregulierungsanforderung ist das Nachhaltigkeitsreporting. Eine Mehrheit der Banken hat dazu spezifische Kennzahlen in ihr bestehendes Wertschriftenreporting integriert. Eine knappe Minderheit stellt Kunden mit ESG-Präferenzen ein dezidiertes, meist ausführlicheres Nachhaltigkeitsreporting zur Verfügung. ESG-Ratings zu Aktien oder Anleihen gehören dabei zum Standard, und auch Klimakenngrössen oder Metriken zu Kontroversen etablieren sich vermehrt. Die Swiss Climate Scores – ein Reportingstandard, um die Klimaverträglichkeit von Finanzanlagen zu beurteilen – sind allerdings noch wenig verbreitet. Zum Reporting nicht-finanzieller Kennzahlen von Wertschriftenanlagen beklagen die Banken zum Teil technische Herausforderungen, hohe Datenlizenzkosten oder mangelnde Datenkonsistenz als Hürden. Nur 5 der 14 befragten Banken sehen ihr derzeitiges Reporting als genügend an für die ab 2026 in Kraft tretende aktualisierte SR der Bankiervereinigung (SR 2.0).

Abbildung 3: Nachhaltigkeitsberichterstattung im Wertschriftenverzeichnis: ESG-Ratings und ausgewählte Klimakennzahlen dominieren

«Nachhaltig» ist bei Finanzanlagen künftig mehr als «ESG»

Die SR 2.0 wird künftig zwischen «ESG»-Anlagelösungen und «nachhaltigen» Anlagelösungen mit explizitem Nachhaltigkeitsziel differenzieren. Letztere unterliegen erweiterten Anforderungen. 5 der 14 Banken verzichten darum bewusst auf die Bezeichnung «nachhaltig» in ihren Anlagelösungen und sprechen lediglich von ESG-Anlagelösungen. Sie exponieren sich auf diese Weise weniger gegenüber möglichen Greenwashing-Vorwürfen und reduzieren zudem regulatorischen Mehraufwand. Die semantische Unterscheidung zwischen «nachhaltigen Anlagen» mit Nachhaltigkeitsziel einerseits und solchen, die ESG-Kriterien aus performancegründen integrieren (ESG-Anlagen) andererseits, dürfte in der Kundenberatung jedoch für weiteren Erklärungsbedarf sorgen. Sie könnte das Verständnis aller Involvierten Parteien – Kundenberatende und Privatkundschaft, (Selbst-)Regulierungsinstitutionen und Aufsichtsbehörden– neuerlich auf die Probe stellen.

Fazit

Nachhaltigkeit ist für viele Kunden und Banken auch in der Vermögensverwaltung ein wichtiges Thema. Banken haben in den letzten beiden Jahren grosse Fortschritte auf dem Gebiet gemacht und die SR der Bankiervereinigung in vielfältige Prozesse umgesetzt. Die aktuellen Unterschiede bei den von uns untersuchten Banken zeigen jedoch: Der Reifegrad in der Umsetzung ist unterschiedlich und ein gemeinsamer Standard noch nicht erkennbar. Die verschärften Anforderungen der aktualisierten SR ab 2026 dürften vertriebs- und produktseitig zu einem gewissen Mindeststandard für als nachhaltig bezeichnete Anlagen führen. Die erweiterte SR wird künftig aber auch höhere Anforderungen an eine konsistente, verständliche und differenzierte Kommunikation im Kundengespräch stellen.

Hier geht es zum Download der Studie.

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