5. November 2025
Die Einführung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) hat das Aufkommen von “tokenisiertem Geld” ermöglicht. Dabei handelt es sich um digitale Vermögenswerte, die auf der Blockchain-Technologie oder ähnlichen dezentralen Infrastrukturen zirkulieren. Formen von tokenisiertem Geld reichen von staatlichen emittierten Tokens über solche von Geschäftsbanken bis hin zu privat ausgegebenen Zahlungstoken, die jeweils unterschiedliche Governance- und Risikoprofile aufweisen. Ihre Eigenschaften variieren je nach Emittent, Besicherung und technologischem Aufbau, was den Vergleich der verschiedenen Formen in diesem sich schnell entwickelnden Bereich erschweren kann. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf die verschiedenen Ausprägungen von tokenisiertem Geld und ordnen diese ein.
Zu den derzeit häufig diskutierten Formen von tokenisiertem Geld gehören Stablecoins, Deposit-Token und digitale Zentralbankwährungen (CBDCs). Stablecoins sind blockchainbasierte Instrumente, die an Fiat-Währungen oder Vermögenswerte wie Gold gekoppelt sind. In der Regel werden sie durch Sicherheiten stabilisiert und sind für Zahlungen konzipiert. Deposit-Tokens sind tokenisierte Einlagen bei Geschäftsbanken, die durch entsprechende Bilanzpositionen gedeckt sind. Sie bieten eine gewisse Kontinuität mit dem heutigen Bankensystem und ermöglichen gleichzeitig nahtlose Abwicklungen in Krypto-Asset-Umgebungen. CBDCs sind digitale Verbindlichkeiten von Zentralbanken, die in staatlicher Währung denominiert sind. Dabei wird zwischen Retail-CBDCs, die für den allgemeinen Zahlungsverkehr von Privatpersonen und Unternehmen bestimmt sind, und Wholesale-CBDCs, die ausschliesslich im Interbankenverkehr genutzt werden, unterschieden. Sie können auf der DLT basieren, müssen dies aber nicht unbedingt. Im Kontext dieses Artikels bezieht sich die verwendete Taxonomie speziell auf DLT-basierte CBDC-Designs.
Aktuelle Marktgrösse und Potenzial
Tokenisierte Formen von Geld haben in den vergangenen Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigen sich 91 Prozent von 93 befragten Zentralbanken mit CBDC-Projekten. Treibende Faktoren sind unter anderem der Rückgang des Bargeldverkehrs, der Aufstieg der Tokenisierung und die zunehmende Bedeutung von Stablecoins (Illes et al., 2025). Bislang machen Stablecoins jedoch fast das gesamte beobachtbare Volumen aus, während sich die Deposit-Tokens und CBDCs meistens noch in der Pilot- oder Konzeptphase befinden.
Wie in Abbildung 1 dargestellt, erreichte die Marktkapitalisierung von Stablecoins im Oktober 2025 einen Wert von 260 Milliarden US-Dollar (Visa & Allium Labs, online-a). Im Gegensatz dazu existieren bislang keine vergleichbaren Marktvolumina für Deposit-Tokens von Geschäftsbanken und CBDCs.

Abbildung 1: Monatlicher Gesamtwert der im Umlauf befindlichen Stablecoins in USD (Quelle: Visa & Allium Labs (online-a))
Zwischen November 2024 und Oktober 2025 wurden mit Stablecoins rund 2 Milliarden Transaktionen abgewickelt (Visa & Allium Labs, online-b). Die weltweite Zahlungsverkehrsbranche verzeichnete im Jahr 2023 rund 3.4 Billionen Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von 1.8 Billiarden US-Dollar (McKinsey Insights, 2024). Dies verdeutlicht, dass tokenisiertes Geld aktuell einen kleinen Anteil an der gesamten Zahlungslandschaft ausmacht.
Marktprognosen deuten aber auf ein Wachstumspotenzial hin, auch wenn dabei erhebliche Unsicherheit besteht. J.P. Morgan schätzt die Marktkapitalisierung von Stablecoins bis 2028 auf 500 Milliarden US-Dollar, während Standard Chartered für denselben Zeitraum rund 2 Billionen US-Dollar erwartet. Bernstein wiederum prognostiziert bis 2035 ein Marktvolumen von etwa 4 Billionen US-Dollar (Singh, 2025).
Eine Taxonomie für tokenisiertes Geld
In diesem Umfeld kann eine Taxonomie des tokenisierten Geldes hilfreich sein. Sie schafft konzeptionelle Klarheit, indem sie unterschiedliche Ansätze systematisch unterscheidet und strukturiert. Dadurch ermöglicht sie eine vergleichende Analyse von Instrumenten mit verschiedenen Risiko- und Governance-Profilen und fördert zugleich den Dialog zwischen Wissenschaft, Regulierungsbehörden und Industrie auf Grundlage eines gemeinsamen Bezugsrahmens. Aufbauend auf der Taxonomie von Ankenbrand et al. (2024), die zwischen den Dimensionen Token, Protokoll und Tokenomics von Krypto-Assets im Allgemeinen unterscheidet, konzentriert sich der vorliegende Rahmen speziell auf tokenisiertes Geld. Eine morphologische Analyse, auch Zwicky-Box genannt, die sich über zentrale Gestaltungsdimensionen erstreckt, bietet eine Grundlage für den Vergleich verschiedener DLT-basierter monetärer Modelle.
Um diesen Rahmen operational nutzbar zu machen, werden die wichtigsten Klassifikationsdimensionen und ihre möglichen Ausprägungen dargestellt. Jede Dimension spiegelt eine Eigenschaft wider, die Formen von tokenisiertem Geld voneinander unterscheidet, und reicht von Emission und Governance-Strukturen bis hin zu technologischen Grundlagen. Abbildung 2 gibt einen Überblick über diese Dimensionen und definiert ihre Ausprägungen.

Abbildung 2: Taxonomie für tokenisiertes Geld (zum vergrösseren, bitte auf Graphik klicken)
Die in Abbildung 2 dargestellten Dimensionen stehen miteinander in Beziehung, da das Profil einer Form tokenisierten Geldes im Wesentlichen eine Kombination der Ausprägungen jeder dieser Dimensionen darstellt. Während die Taxonomie ein systematisches Rahmenwerk zur Klassifizierung der Gestaltungsmerkmale tokenisierten Geldes bietet, fallen bestimmte wichtige Aspekte ausserhalb ihres Geltungsbereichs. Dazu zählen unter anderem regulatorische Rahmenbedingungen, Marktgrössen und Ertragserwartungen.
Beispiele für Formen tokenisierten Geldes
Der Wert der Taxonomie zeigt sich insbesondere bei der Anwendung auf konkrete Fälle. Die Zuordnung bekannter Formen von tokenisiertem Geld zu den Klassifikationsdimensionen verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Designs gruppieren, voneinander unterscheiden oder überschneiden. Die folgenden Abschnitte wenden die Taxonomie auf fünf Typen an, nämlich CBDCs, synthetische CBDCs, fiat-besicherte Stablecoins, dezentrale Protokolle und Deposit-Token, um zu zeigen, wie das Rahmenwerk sowohl ihre Gemeinsamkeiten als auch ihre Unterschiede erfasst.
Anwendungsfälle für tokenisiertes Geld
Über die technische Gestaltung hinaus wird die Relevanz von tokenisiertem Geld durch seine praktischen Anwendungen bestimmt. Verschiedene Formen unterstützen unterschiedliche Zahlungs- und Abwicklungsbedarfe von Privatpersonen, Unternehmen und Finanzinstituten in Retail-, Wholesale- und dezentralen Umgebungen. Im Retail-Bereich kann tokenisiertes Geld Peer-to-Peer-Überweisungen, Mikropayments sowie Pay-per-Use- oder Machine-to-Machine-Transaktionen (M2M) innerhalb digitaler und IoT-Ökosysteme ermöglichen. Retail-CBDCs können als sichere, inklusive öffentliche Zahlungsmöglichkeit dienen, während private Stablecoins kostengünstige, globale und programmierbare Transfers in Krypto-Asset-Märkten erleichtern. Im Wholesale-Bereich, also im institutionellen Zahlungsverkehr, kann tokenisiertes Geld die Abwicklung von Interbank- und Kapitalmarkttransaktionen unterstützen. Wholesale-CBDCs und Deposit-Token ermöglichen atomare Abwicklung auf verteilten Ledgers.
Tokenisiertes Geld ermöglicht zudem programmierbare und automatisierte Transaktionen, bei denen Smart Contracts Zahlungen auslösen, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind. Dies unterstützt automatisierten Handel, Supply-Chain-Finance, Versicherungsleistungen und andere bedingte Abwicklungen (Lieferung gegen Zahlung). Über alle Typen hinweg besitzt tokenisiertes Geld ein starkes Potenzial für grenzüberschreitende Zahlungen. Zusammen zeigen diese Anwendungsfälle die Rolle von tokenisiertem Geld als programmierbares, interoperables und effizientes Tauschmittel, das traditionelle und digitale Finanzsysteme miteinander verbindet und eine potenzielle Alternative oder Ergänzung zu den bestehenden Systemen darstellen kann.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Tokenisiertes Geld ist keine einzelne Innovation, sondern ein Spektrum von Designs mit unterschiedlichen Emittenten, Sicherungsstrukturen und Governance-Arrangements. Die vorgestellte Taxonomie strukturiert diese Vielfalt über zwölf Klassifikationsdimensionen und bietet eine systematische Möglichkeit, Formen wie CBDCs, fiat-besicherte Stablecoins, algorithmische Stablecoins und Deposit-Token zu vergleichen. Diese Klarheit ist hilfreich angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen den aktuellen Marktvolumina und dem theoretischen Potenzial. Das Rahmenwerk verdeutlicht, wie Stabilität erreicht werden kann, wo Risiken konzentriert sind und welche Governance- und Technologiearrangements Vertrauen stützen. Ebenso liegt der Wert tokenisierten Geldes in seiner praktischen Nutzung und Akzeptanz, sowohl im Retail-Bereich, etwa für Zahlungen, Mikropayments oder Machine-to-Machine-Transaktionen, als auch im Wholesale-Bereich, wo es effiziente und sichere Abwicklungen zwischen Finanzinstituten ermöglichen kann. Damit spannt tokenisiertes Geld den Bogen zwischen traditionellen und digitalen Finanzsystemen und bildet die Grundlage für ein zunehmend programmierbares und interoperables Geldökosystem. Über die akademische Forschung hinaus bietet die Taxonomie Akteurinnen und Akteuren aus Politik, Regulierung und Wirtschaft eine gemeinsame Sprache, um Design-Trade-offs, regulatorische Implikationen und Marktentwicklungen zu bewerten. Mit dem Fortschreiten der Tokenisierung kann sie ein praktisches Werkzeug darstellen, um neue Projekte zu analysieren und die sich entwickelnde Landschaft des tokenisierten Geldes zu verstehen. In der Schweiz spiegelt sich die Aktualität auch in regulatorischen Bestrebungen wider: Im Oktober 2025 eröffnete der Bundesrat eine Konsultation zu Änderungen des Finanzinstitutsgesetzes. Die Initiative zielt darauf ab, einen klaren rechtlichen Rahmen für die Ausgabe von Stablecoins und anderen Formen tokenisierten Geldes zu schaffen und neue Lizenzkategorien für „Zahlungsmittelinstitute“ und „Krypto-Institute“ einzuführen, um Innovation zu fördern und gleichzeitig die finanzielle Stabilität und den Verbraucherschutz zu gewährleisten (Staatssekretariat für Internationale Finanzen SIF, 2025).
Die vorgestellte Taxonomie versteht sich als Entwurf eines Klassifizierungsvorschlags für tokenisiertes Geld und soll zur weiteren Diskussion anregen. Rückmeldungen und Anregungen dazu sind herzlich willkommen.
PS: Mehr zu den technologischen Entwicklungen im Finanzsektor erfahren Sie am nächsten IFZ FinTech Forum vom 12. November zum Thema „Wie sehen zukünftige IT-Infrastrukturen und Architekturen für Banken aus?“ Alle Details zur Veranstaltung finden Sie hier
Referenzen
Ankenbrand, T., Bieri, D., Ferrazzini, S., Hofer, S., Makra, A., Plazibat, A., Reichmuth, L. & Spitzli, R. (2024). Crypto Asset Taxonomy. In: Crypto Assets Study 2024. Abgerufen am 10. September 2025, von
Goel, T. (2024). Reserve-backed tokens: A money for the future?. Journal of Payments Strategy & Systems 18.2 (2024): 139-158.
Illes, A., Kosse, A., & Wierts, P. (2025). Advancing in tandem-results of the 2024 BIS survey on central bank digital currencies and crypto. BIS Papers.
McKinsey Insights. (2024). Global payments in 2024: Simpler interfaces, complex reality. Abgerufen am 08. Oktober 2025, von https://www.mckinsey.com/industries/financial-services/our-insights/global-payments-in-2024-simpler-interfaces-complex-reality
Singh, R. (2025). J.P.Morgan Wary of Stablecoin’s Trillion-Dollar Growth Bets, Cuts Them by Half. Reuters, July 3. Abgerufen am 09. Oktober 2025, from https://www.reuters.com/business/finance/jpmorgan-wary-stablecoins-trillion-dollar-growth-bets-cuts-them-by-half-2025-07-03/
Staatssektretariat für internationale Finanzfragen SIF. (2025). Bundesrat geht voran mit Stablecoins und Kryptos: Vernehmlassung eröffnet. Abgerufen am 23. Oktober 2025, von https://www.sif.admin.ch/de/newnsb/x4TMWQ1SWofNoFx7XyHhY
Visa & Allium Labs. (online-a). Stablecoin Supply. Abgerufen am 30. Oktober 2025, von https://visaonchainanalytics.com/supply
Visa & Allium Labs. (online-b). Stablecoin Transactions. Abgerufen am 30. Oktober 2025, von https://visaonchainanalytics.com/transactions
Forschungspartner:

| Disclaimer Dieses Dokument wurde erstellt, um allgemeine Informationen bereitzustellen. Nichts in diesem Dokument stellt eine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments dar oder begründet eine Verpflichtung der Hochschule Luzern. Darüber hinaus enthält dieses Dokument Informationen aus Quellen, die als zuverlässig erachtet werden; die Hochschule Luzern übernimmt jedoch keine Gewähr für deren Vollständigkeit oder Richtigkeit. Dies schliesst auch die Ergebnisse von KI-Tools wie ChatGPT oder DeepL ein, die situativ bei der Erstellung dieses Dokuments verwendet wurden. |
Kommentare
0 Kommentare
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.