21. November 2016

Digitalisierung,

Firmenkundengeschäft,

Kundenorientierung,

Regionalbanken und Sparkassen

Digitales Firmenkundengeschäft bei der Hypothekarbank Lenzburg: Der Hypiplan im Test

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Als erste Bank in der Schweiz bietet die Hypothekarbank Lenzburg ein webbasiertes Tool für KMU an, welches neben der Budgetierung und Mehrjahresplanung auch eine Liquiditäts- und Investitionsplanung sowie die Simulation verschiedener Währungsszenarien für KMU beinhaltet. Interessant ist das Angebot auch vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit dem Verband Treuhand Suisse. Im nachfolgenden Blog möchte ich aufzeigen, warum die Hypi dieses Angebot lanciert, welche Kunden von diesem Angebot möglicherweise Gebrauch machen werden und wie meine persönlichen Erfahrungen mit dem Tool waren.

Die Hypothekarbank Lenzburg ist mit einer Bilanzsumme von rund CHF 4.8 Milliarden (Stand 30. Juni 2016) eine mittelgrosse Regionalbank. Sie fällt aber immer wieder mit innovativen Ideen und (digitalen) Dienstleistungsangeboten auf. Mit dem kürzlich lancierten webbasierten Tool Hypiplan möchte sie nun insbesondere das digitale Dienstleistungsangebot für Unternehmenskunden erweitern.

PFM und BFM

Personal Finance Management (PFM) für Retail Kunden entwickelt sich je länger je mehr zu einem „Hygienefaktor“ im Schweizer Banking. In der Zwischenzeit bieten schon einige Banken entsprechende Tools an, die aus Kundensicht helfen, Kontobewegungen zu visualisieren sowie seine Finanzen transparent(er) darzustellen und besser zu organisieren. Im Bereich der Firmenkunden gibt es noch wenige Bestrebungen, die in Richtung „BFM“ (Business Finance Management) gehen. Neben einigen Banken, welche mit der Buchhaltungssoftware Bexio kooperieren, habe ich in diesem Blog auch schon das spannende Angebot der Valiant Bank vorgestellt (siehe Blog-Artikel von 17. Mai 2016). Mit dem webbasierten Tool Hypiplan der Hypi Lenzburg werden mehrere Bereiche der finanziellen Unternehmensführung für KMU abgedeckt. Interessant ist auch, dass das Tool nicht von den zwei etablierten PFM-Anbietern Qontis oder Contovista entwickelt wurde, sondern vom bis anhin zumindest in Bankenkreisen noch eher unbekannten Dietiker Softwareunternehmen Datalizard.

Das Konzept

Nachfolgend möchte ich anhand einiger Bullet Points zuerst einige zentrale Aspekte von Hypiplan aufzeigen:

  • Die Anwendung basiert auf dem gängigen Schweizer Kontenrahmen für KMU und ist damit eine geeignete Ergänzung für die Buchhaltung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Der Kontenplan ist individualisierbar. Eine gewisse Logik und Systematik in Anlehnung an den Kontenrahmen ist aus Sicht der Hypothekarbank Lenzburg aber zentral, da ansonsten das Potenzial in Bezug auf die Automatisierung nicht ausgeschöpft werden kann (siehe unten).
  • Die Daten können – gegen einen Aufpreis – in einem visuellen Cockpit grafisch dargestellt und für Mitarbeiter- und Firmenpräsentationen aufbereitet werden. Die Cockpit-Option soll mit dem nächsten Software-Release bis Ende 2016 verfügbar sein.
  • Für den Vertrieb von Hypiplan konnte die Hypothekarbank Lenzburg Treuhand Suisse, die Standesorganisation der Schweizer Treuhänder und Treuhänderinnen, als Partnerin gewinnen. Treuhand Suisse hat rund 2000 Mitglieder, welche ca. 350’000 KMU und Klienten betreuen.
  • Das Basisangebot ist ab CHF 840 pro Jahr erhältlich. Die Kosten erhöhen sich noch leicht, wenn das Angebot zum Beispiel noch um zusätzliche Benutzer erweitert wird (+ CHF 240 pro Benutzer, der auch am Tool arbeiten kann). Für eine Lösung, welche die Buchhaltung und Planung kombiniert, ist das aus meiner Sicht ein sehr fairer Preis.
  • Positiv bewertet werden kann auch, dass Hypiplan webbasiert ist und die Unternehmen dadurch jederzeit und mit mehreren Benutzern auf die Planungsdaten zugreifen können. Gespeichert werden die Informationen in der Cloud eines Schweizer Datencenters.

Das Tool im Test

Grundsätzlich ist Hypiplan ein relativ einfach zu bedienendes Tool. Gleichwohl ist es durch die vielen Möglichkeiten und Szenarien nicht trivial und es braucht einige Zeit, bis man sich eingearbeitet hat. Dies liegt aber wohl in der Natur der Sache. Interessant sind die Möglichkeiten, regelbasiert verschiedene Szenarien durchzuspielen und beispielsweise auch die Währungseinflüsse zu überprüfen. Ebenso können verschiedene Ansichten stark individualisiert werden. Ganz generell scheinen die Möglichkeiten zahlreich und das Tool daher ziemlich mächtig zu sein.

Persönlich hat mir aber das „Look and Feel“ des Tools nur mittelmässig gefallen. In diesem Bereich orte ich noch ein grosses Verbesserungspotenzial. Natürlich ist das aber auch eine Geschmacksache. Nachfolgend drei  Print Screens, damit sich jeder selber ein erstes Bild machen kann.

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Abbildung 1: Übersicht Datasheet
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Abbildung 2: Die Daten können mit ziemlich vielen Individualisierungsmöglichkeiten auch ins Excel exportiert werden
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Abbildung 3: Positionen können fast beliebt ergänzt werden

Lohnt sich der Business Case?

Wie auch bei vielen anderen Digitalisierungsprojekten ist die Antwort nur auf den ersten Blick einfach. Der Business Case für Hypiplan wird sich gemäss meiner Einschätzung nicht lohnen, wenn man dieses Projekt isoliert betrachtet. Auf der anderen Seite hat die Hypothekarbank Lenzburg aber mindestens fünf gute Gründe, dieses Projekt trotzdem zu lancieren:

  1. Wer das Tool einmal nutzt und den ganzen Kontoplan eingerichtet hat, wird die Bank nicht mehr so schnell wechseln. Das Tool wird deshalb helfen, die Kundenbindung (weiter) zu erhöhen. Gerade in einer digitalen, schnelllebigen Zeit ist dies ein wichtiger Vorteil.
  2. Mit diesem Angebot verbreitert die Bank die (digitale) Produktepalette für KMU und steigert dadurch ihre Attraktivität für Firmenkunden. Nicht das einzelne Tool ist hier entscheidend, aber die Vielzahl an Möglichkeiten führt möglicherweise dazu, dass sich ein KMU für oder gegen eine Bank entscheidet, da die Bank dadurch positiv(er) wahrgenommen wird.
  3. Im Zuge der Digitalisierung plant die Hypothekarbank Lenzburg, Hypiplan auch für die Automatisierung des Kreditprozesses zu verwenden und damit auch Kosten einzusparen. Dies erreicht man, indem Unternehmen ihre Daten aus dem Liquiditätsplanungstool der Bank zur Verfügung stellen und diese die Daten direkt in ihr Rating-System einpflegen kann.
  4. Eine Möglichkeit, welche die Hypothekarbank Lenzburg gemäss Projektleiter Ronny Fuchs auch ins Auge fasst, sind Cross-Selling-Aktivitäten. Die Hypothekarbank Lenzburg möchte eine Art einfache „Analytics“ über das System legen, welches dann jeweils zum richtigen Zeitpunkt aufzeigt, welche Beratungsmöglichkeiten bei welchem Kunden möglicherweise gerade relevant sind.
  5. Last but not least haben solche neuen Instrumente natürlich immer auch einen positiven Marketing-Effekt für die Bank zur Folge. Sie zeigen auf, dass die Bank innovativ ist und Kundenbedürfnisse frühzeitig erkennt.

Die unter den Punkten 3 und 4 ausgewiesenen Elemente werden erst in etwa 1-2 Jahren im Einsatz sein.

Welche Kunden nutzen das Tool?

Wie bei vielen anderen bisher auf dem Markt verfügbaren digitalen KMU-Produkten ist auch hier davon auszugehen, dass eher kleinere KMU das Angebot nutzen werden. Kurzfristig erwartet Ronny Fuchs, dass man vor allem Firmen mit weniger als 10 Mitarbeitern gewinnen kann, welche derzeit noch nicht mit solchen Tools arbeiten. Mittelfristig erhofft man sich aber, dass auch grössere KMU bis ca. 50 Mitarbeiter das Tool benutzen werden. KMU in dieser Grössenkategorie verwenden oftmals eher „handgestrickte“ Instrumente, welche sie nicht kurzfristig aufgeben möchten. Bis es bei diesen KMU zu einem Wechsel kommt, kann durchaus noch ein Jahr dauern.

Die Hypothekarbank Lenzburg hat in etwa 2‘000 KMU, welche als Kunden in Frage kommen. Gleichzeitig können aber auch Nicht-Kunden der Hypi Lenzburg das Tool benutzen.
Über das Produkt werden die KMU Kunden der Hypothekarbank Lenzburg nicht per Brief informiert (das wäre wohl zu komplex), sondern man plant, ausgewählten KMU bei Gesprächen live mit den realen KMU-Daten aufzuzeigen, worin der Nutzen dieses Tools besteht. Ebenso möchte man das Tool an KMU Anlässen vorstellen. Des Weiteren wird das Angebot auch im Internet und auf den Social Media-Kanälen der Banken gepusht.

Generell gibt es drei Optionen, wie das Angebot genutzt werden kann:

  1. Ein KMU-Kunde kann das Instrument für sich selber anwenden, ohne dass er mit einem externen Partner zusammenarbeitet.
  2. Ein KMU kann auch einen Treuhänder für das Instrument mandatieren, so dass dieser auch jederzeit mithelfen kann.
  3. Treuhänder können Hypiplan auch für sich selber, resp. für ihre Kunden kaufen.

Wie oben schon kurz erwähnt, war es der Hypothekarbank Lenzburg wichtig, dass sie Treuhänder an Bord haben. Daher sind sie eine entsprechende Kooperation mit dem Treuhänder-Verband eingegangen.

Fazit

Während es für KMU bereits Buchhaltungsprogramme und Online-Bilanzerstellungs-Tools gibt, ist das Angebot der Liquiditätsplanung von Bankenseite her ziemlich neu und die Möglichkeit der Planung und Simulation meines Wissens ganz neu. Grundsätzlich finde ich daher dieses Angebot sehr spannend. Gleichwohl erwarte ich nicht, dass das Angebot von einer Mehrheit der Kunden genutzt wird, sondern eher ein Nischenprodukt bleiben wird.

Mit diesem Projekt wird auch aufgezeigt, dass sich auch die Treuhänder der Digitalisierung stellen müssen. Derweil einige grössere Treuhandgesellschaften in ihren digitalen Bemühungen schon etwas weiter sind, gibt es zahlreiche vor allem kleinere Treuhand-Gesellschaften, welche noch weit von der digitalen Welt entfernt sind. Möglicherweise helfen solche Tools aber auch diesen Treuhändern, zukünftig effizienter zu arbeiten. Aus meiner Sicht noch nicht optimal ist, dass Hypiplan derzeit noch nicht ins Online-Banking eingebunden ist. Gemäss dem Projektleiter Ronny Fuchs war dies aber ein bewusster Entscheid, da die Hypothekarbank Lenzburg derzeit an einer umfassenden Erneuerung des Online-Bankings arbeitet, sich dieses aber noch in der Entwicklungsphase befindet. Derzeit ist geplant, dass Hypiplan in etwa Ende 2017 im dann neuen e-Banking integriert ist. Parallel dazu wird man das Tool aber auch weiterhin separat auf www.hypiplan.ch anbieten, damit auch Nicht-Kunden das Angebot nutzen können.

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