13. März 2017
Die strategischen Herausforderungen im Retail Banking sind zahlreich und gross. Vor allem die nicht oder fast nicht beeinflussbaren Entwicklungen im externen Unternehmensumfeld der Retail Banken bringen oftmals eine grosse Unsicherheit mit sich. Es ist daher zentral, dass sich die Bankenvertreter in diesem schnell wandelnden Umfeld mit den damit verbundenen Chancen und Gefahren auseinandersetzen und diese Einflussfaktoren in ihre strategischen Analysen miteinbeziehen.
Aufgrund dieser Wichtigkeit befasste sich die Umfrage in der „IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2016“ mit dem Unternehmensumfeld von Retail Banken. Die befragten Entscheidungsträger von Retail Banken mussten dabei die heutige Bedeutung und die zukünftige Entwicklung von verschiedenen Einflussfaktoren einschätzen.
Untersuchungsdesign
Die Struktur der Umfrage baute auf dem bekannten Modell der PESTEL-Analyse auf (siehe Abbildung 1). Diese gruppiert die Einflussfaktoren des Unternehmensumfelds in sechs Umweltsphären: Political (politische), Economic (ökonomische), Social (soziale), Technological (technologische), Environmental (ökologische) und Legal (rechtliche). Das Ziel der PESTEL-Analyse ist eine Zusammenfassung der wichtigsten externen Triebkräfte.
Um die sechs Umweltsphären zu quantifizieren, wurde ein Online-Fragebogen mit insgesamt 52 Einflussfaktoren erarbeitet. Von den 549 angefragten Entscheidungsträgern haben 220 Personen teilgenommen. Dies entspricht einer sehr erfreulichen Rücklaufquote von über 40 Prozent. Wir möchten uns bei dieser Gelegenheit nochmals herzlich bei allen Befragten für Ihre Teilnahme bedanken.
Ausgewählte Erkenntnisse der Befragung
Da die Präsentation aller Ergebnisse den Rahmen dieses Blog-Artikels sprengen würde, beschränken wir uns auf die Vorstellung der Top-10 und Bottom-10 Einflussfaktoren. Alle umfassenden Analysen können in der „IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2016“ nachgelesen werden. Bei der Bewertung der Bedeutung der 52 Einflussfaktoren hatten die Befragten vier Antwortmöglichkeiten zur Verfügung: „Sehr tiefe Bedeutung“, „tiefe Bedeutung“, „hohe Bedeutung“ und „sehr hohe Bedeutung“. Um diese in eine Ordinalskala zu transformieren, wurde jede Antwortmöglichkeit in eine numerische Zahl übersetzt (von 1 = „sehr tiefe Bedeutung“ bis 4 = „sehr hohe Bedeutung“).
Führt man nun alle Einflussfaktoren der sechs Umweltsphären in eine Top-10 Rangliste zusammen, erhält man die untenstehende Tabelle 1. Dabei wird ersichtlich, dass Einflussfaktoren aus verschiedenen Umweltsphären derzeit eine hohe Bedeutung für die Banken haben und das Ranking nicht nur durch eine einzige Umweltsphäre dominiert wird. Die beiden wichtigsten Einflussfaktoren sind das Zinsniveau und der Margendruck im Kreditgeschäft. Diese Topplatzierungen erstaunen wenig, da der Grossteil der Erträge von Schweizer Retail Banken aus dem Zinsdifferenzgeschäft stammen.
Auf den weiteren Rängen folgen die Regulierungsdichte sowie die Komplexität der Regulierung. Generell wurde das Thema Regulation von den Befragten als sehr wichtig eingeschätzt, da drei der Top-10 Einflussfaktoren aus der rechtlichen Umweltsphäre stammen. Aber auch Themen wie die Datensicherheit & Prävention von Hackerangriffen und die Kundenloyalität werden als bedeutende Einflussfaktoren erachtet.
Es gibt aber aus Bankensicht auch Einflussfaktoren, die nur wenig relevant sind. Die zehn Einflussfaktoren mit der tiefsten Bedeutung sind in Tabelle 2 zu finden. Hier hat sich gezeigt, dass der Zugang zu qualifizierten ausländischen Arbeitskräften sowie der Zugang zu ausländischen Märkten als wenig kritisch angesehen werden. Die Befragten scheinen im Moment also wenig besorgt zu sein, benötigte Fachkräfte zu rekrutieren und ausländische Märkte erschliessen zu können.
Interessant ist auch, dass der Wettbewerb durch Startups als einer der (noch) unbedeutendsten Einflussfaktoren eingeschätzt wird. Schweizer Retail Banken machen sich somit weniger Sorgen um die Konkurrenz aus dem Startup-Lager, sondern sehen bestehende Banken und branchenfremde Anbieter als ihre grössten Wettbewerber. Dem Thema Nachhaltigkeit wird zurzeit eine geringe Bedeutung zugemessen, denn drei der Bottom-10 Einflussfaktoren sind der ökologischen Umweltsphäre zuzuordnen.
Fazit
Bankenvertreter zeichnen ein insgesamt sehr düsteres Bild der Zukunft. Fast in allen Bereichen erwarten sie zukünftig strengere und schwierigere Bedingungen: Der Wettbewerb steigt weiter an, der Margendruck nimmt infolge sinkender Kundenloyalität und einer höheren Preissensitivität (noch) weiter zu, die regulatorischen Anforderungen werden noch komplexer, während die Bautätigkeit abnehmen wird. Gleichzeitig erfordern die Digitalisierung der Geschäftsmodelle, der Einsatz von Technologie für die Produktentwicklung und Kundenberatung, und die Bewältigung der Compliance hohe Investitionen. In der Kombination ergeben diese Entwicklungsszenarien für die Zukunft ein sehr düsteres Bild – mit entsprechend negativen Ertragsaussichten für die Schweizer Retail Banken.
Gewisse Umfeldentwicklungen bieten aber auch Chancen für Kostensenkungen und/oder Ertragssteigerungen. Die überwältigende Mehrheit der Bankenvertreterinnen und -vertreter gehen davon aus, dass der Selbstbedienungsgrad der Kunden steigt, was unter anderem kosteneffiziente Self-Service-Angebote zulässt. Weiter gehen zahlreiche Bankenvertreter von einer abnehmenden Wertschöpfungstiefe aus, was auch zu Kostensenkungen führen sollte. Des Weiteren herrscht eine überraschend hohe Übereinstimmung, dass die Geschäftsmodelle in Zukunft weiter digitalisiert werden, die Nutzung von mobilen Geräten (massiv) zunimmt und die Bereitschaft der Kunden ihre Daten zur Verfügung zu stellen steigt. Diese Entwicklungen bieten auch Chancen.
PS: Diese und weitere Analysen finden Sie in der 222-seitigen „IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2016“. Die Studie kostet CHF 290.- und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- p.E. und ab 10 Exemplaren CHF 140.- p.E.
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