26. November 2021
Bisherige Entwicklungen bei CSX der Credit Suisse – Neue Angebote und Kundenstruktur
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Im dem für lange Zeit vernachlässigten Markt für «Alltagsbanking» (Zahlen und Sparen) ist in der Schweiz durch verschiedene Neobanken aus dem In- und Ausland viel Dynamik entstanden. Als eine der etablierten Banken hat die Credit Suisse vor etwas mehr als einem Jahr den Subbrand CSX für digital-affine Retailkunden lanciert. Im heutigen Blog zeige ich die bisherigen Entwicklungen auf der CSX-Produktseite auf und zeige verschiedene Zahlen zu den Nutzerinnen und Nutzern, welche die Credit Suisse zur Verfügung gestellt hat.
Der Entscheid zur Lancierung von CSX war eine direkte Konsequenz aus der Grundstrategie der «Swiss Universal Bank» von Credit Suisse. Diese sieht vor, einerseits im Bereich «High-Touch» aktiver zu werden, das heisst im Geschäft mit (U)HNW Kunden, institutionellen Kunden und grossen Firmenkunden. Anderseits verfolgt die Credit Suisse aber auch eine «High-Tech»-Strategie. Diese umfasst zum Beispiel die Weiterentwicklung des Direct Banking sowie die Beschleunigung der Front-to-Back-Digitalisierung.
Das Basis-Angebot von CSX ist einfach und transparent gestaltet und umfasst ein Konto mit Karte sowie das Mobile- und E-Banking. Zudem wurden verschiedene digitalisierte Banking-Produkte in die CSX Welt integriert. In meinem Blog vom September 2020 hatte ich ausführlich über das damals lancierte Angebot berichtet.
In den vergangenen zwölf Monaten hat CSX einige interessante Weiterentwicklungen erfahren. In einem ersten Schritt möchte ich auf die wichtigsten Neuerungen eingehen.
Was wurde in den vergangenen 12 Monaten zusätzlich lanciert?
Das Angebot von CSX wurde in den vergangenen zwölf Monaten in ziemlich hohem Tempo weiterentwickelt. Erwähnenswert finde ich die folgenden Neuerungen:
- Die Credit Suisse hat im Mai dieses Jahres in Zusammenarbeit mit Axa verschiedene Versicherungs-Dienstleistungen lanciert. Ein Kunde oder eine Kundin kann über CSX drei verschiedene Versicherungs-Leistungen mit Axa Sie können bei der Verlängerung ihrer Hypothek die finanziellen Risiken infolge von Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit absichern (Zahlungsschutz-Versicherung), sich vor den Kosten bei Rechtsstreitigkeiten «schützen» (Rechtsschutz-Versicherung) oder eine Todesfall-Versicherung digital abschliessen. Das Thema ist spannend vor dem Hintergrund, dass Bancassurance-Angebote vor allem durch die Digitalisierung wieder an Bedeutung im Schweizer Markt gewinnen. Gemäss einer von uns gemeinsam mit ti&m durchgeführten Studie konnten wir aufzeigen, dass sich 28 Prozent der befragten Personen grundsätzlich vorstellen können, Versicherungs-Dienstleistungen über ihre Bank zu beziehen.
- Seit August dieses Jahres kann auf der CSX-App die Hypothek online verlängert werden. Ein entsprechendes digitales Angebot gehört eigentlich bald zu einem «Standard-Produkt» einer modernen Bank – eine entsprechende Lösung auf dem Smartphone bieten hingegen nicht viele andere Banken an ( Artikel zum Angebot der St. Galler Kantonalbank). Ich gehe davon aus, dass die Volumina bei der Credit Suisse derzeit noch eher tief sind. Einerseits ist der Markt generell noch eher klein. Auf der anderen Seite ist das Durchschnittsalter der CSX-Kunden eher tief (siehe unten) und es braucht einige Monate, bis sich solches Angebot «durchsetzen» kann.
- Interessant finde ich, dass die CSX-Kundinnen und -Kunden in der App auch einen Privatkredit beantragen können. Der Kreditantrag erfolgt online (Kreditbeträge zwischen CHF 1’000 und CHF 250’000) – ein Kreditentscheid inklusive der bonitätsabhängigen Zinsen (6.9%-9.9%) sollte innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Produkte-«Lieferant» ist dabei die Credit Suisse Tochtergesellschaft Bank-now, welche über eine standardisierte API bei CSX eingebunden werden konnte. Eigentlich ist es nachvollziehbar, dass das typische Retailprodukt «Konsumkredit» in einer App wie CSX zu finden ist. Trotzdem findet man solche Angebote bei Banken in der Schweiz – im Gegensatz zum Ausland – noch weniger, weil Privatkredite in der Schweiz ein eher negatives Image haben.
- Seit kurzem können Kundinnen und Kunden auch das sogenannte CSX Platinum Offering nutzen. Dadurch erhält man eine CSX Mastercard Platinum (oder CSX Visa Platinum), die Premium Black Debit Mastercard sowie die American Express Platinum Card. Die Gebühren sind davon abhängig, welche Leistungen aus dem «Katalog» benötigt werden. Die Leistungen scheinen mir aber vor allem für Geschäftsleute und Vielflieger möglicherweise attraktiv (Priority pass für Flughafen-Lounges, Reise- und Shopping-Versicherung,…). Es ist zu erwarten, dass die Credit Suisse – ähnlich wie bei Bonviva – weitere Angebote lancieren wird, welche irgendwo in der Mitte zwischen CSX Premium Black/Basic White und CSX Platinum zu liegen kommen und unterschiedliche Angebote beinhalten.
- Im Bereich von «CSX Pension» wurde das Säule 3a-Angebot weiterentwickelt. Auch das Preismodell wurde teilweise angepasst. Die indexierten Säule 3a-Produkte haben seit dem 1. Juli 2021 ein TER von 80 Basispunkten, unabhängig vom Aktienanteil. Damit soll eine gewisse Annäherung an frankly, VIAC oder andere digitale Produkte erreicht werden. Auch die Auffindbarkeit innerhalb der App hat sich verbessert. Aktiv gemanagte Anlagegruppen haben hingegen noch immer Gesamtkosten in der Höhe zwischen 1.16% und 1.48%.
- Im Bereich CSX Invest wurde das Pricing selektiv angepasst (u.a. neuer Fonds mit günstigeren Gebühren). In Bezug auf UX und Preisgestaltung ist der Investment-Teil gerade im Trading-Bereich aber aus meiner Sicht noch nicht vergleichbar mit Angeboten wie Revolut oder Yuh.
Kundenanzahl und Struktur nach einem Jahr
Nach einem Jahr kann CSX gemäss den mir zur Verfügung gestellten Zahlen bereits über 100’000 Kunden aufweisen – mehr als die anderen Schweizer Neobanken (auch wenn sich die Credit Suisse ungern mit Neobanken vergleicht). Unklar ist bei dieser Zahl aber, wie viele bestehende Kunden «migriert» wurden oder sonst das CS-Angebot gewechselt haben. Insofern ist bei einem entsprechenden Vergleich mit anderen Marktteilnehmern Vorsicht geboten.
Für das Gratis-Angebot „White“ haben sich 40 Prozent der Kundschaft entschieden, das kostenpflichtige „Black“ benutzen 30 Prozent der Kundinnen und Kunden und das Gratisangebot von CSX Young hat einen Anteil von rund 30 Prozent.
Die Kundinnen und Kunden haben Bareinlagen in der Höhe von insgesamt CHF 1 Milliarde bei CSX. Entsprechend liegt der durchschnittliche Barbetrag pro Kunde bei rund CHF 10’000. Interessant und aus Sicht der Credit Suisse erfreulich ist, dass rund 50 Prozent der Kundinnen und Kunden – vor allem in der letzten Woche des Monats – regelmässig Geldzuflüsse «erhalten» (Lohneingänge, Geld von Eltern, etc.). Zudem verzeichnet CSX pro Monat rund 3 Millionen Transaktionen. Der «Durchschnittskunde» macht über CSX also 30 Transaktionen pro Monat. Sowohl die regelmässigen Zahlungseingänge als auch die Anzahl Transaktionen sind ein Indikator dafür, dass CSX für rund die Hälfte der Kundschaft die Hauptbank ist. Möglicherweise hat die Marke von Credit Suisse geholfen, CSX schneller als Hauptbank zu nutzen als andere noch unbekannteren Neobanken. Umfragen zeigen auch, dass bereits rund 50 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer die Marke CSX kennt («gestützte Bekanntheit») – dadurch ist der Brand ein Jahr nach der Lancierung bekannter als Zak oder Neon und bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau wie Revolut. Es ist aber auch davon auszugehen, dass die Hauptbankquote vor allem durch die Migration von bestehenden Kunden so hoch ist.
Die Credit Suisse hat in den vergangenen Jahren im Retail Banking und bei jungen Kundinnen und Kunden an Relevanz verloren. Mit CSX möchte die Credit Suisse gerade bei jungen und digital-affinen Retailkunden (wieder) an Bedeutung gewinnen und damit auch die Angebote von Neobanken bekämpfen. Wie wir im Rahmen einer Studie aufzeigen konnten, ist der durchschnittliche Neobank-Nutzer jung, männlich und gut gebildet. Und tatsächlich scheint die Credit Suisse mit CSX dieses Segment zu finden. So sind mehr als 50% der CSX-Kunden jünger als 34 Jahren (zum Vergleich: Durchschnittsalter bei Zak per 18.02.21: 34 Jahre; bei Neon: 37 Jahre).
Auch bei CSX können wir das Phänomen beobachten, dass Smartphone Banken deutlich öfter von Männern als von Frauen benutzt werden. Derzeit sind rund 59 Prozent der Kundschaft Männer, derweil 41 Prozent der CSX-Kundinnen Frauen sind. Der höhere Anteil von Männern bei Zak (und auch bei Neon) ist aber sogar noch etwas ausgeprägter als bei CSX. Vor einem guten halben Jahr waren 69 Prozent der Zak-Nutzer Männer.
Abbildung 1 zeigt den jeweiligen Bevölkerungsanteil der Schweiz nach Altersgruppen (rot) im Verhältnis zur relativen Bedeutung der Credit Suisse Kundschaft (blau) auf. Dabei wird ersichtlich, dass CSX vor allem von Kunden in der Alterskategorie 26 bis 35 Jahr überproportional oft genutzt wird. Hingegen hat das Angebot bei Personen über 55 Jahren einen – im Vergleich zur Gesamtpopulation – geringen Marktanteil. 54 Prozent der Kundinnen und Kunden von CSX sind jünger als 35 Jahre alt. 29 Prozent der Kundinnen und Kunden sind älter als 46 Jahre alt. Die strategisch für die CS wichtige Gewinnung von jungen Neukunden scheint also in einem ersten Schritt gelungen zu sein.
Betrachtet man die Wohnsitze der Kundschaft, erkennt man, dass wenig überraschend der bevölkerungsreichte Kanton Zürich der stärkste Kanton für CSX ist. Die höchste Marktpenetration hat CSX in den Kantonen Zürich, Zug, Schwyz, Obwalden, Tessin, Waadt und Genf (vgl. Abbildung 2).

Fazit
Die CSX-App konnte von Beginn weg mit einem im Vergleich zu Neobanken breiten Angebot punkten und sich dadurch auch von den meisten Neobanken differenzieren. In der Zwischenzeit wurde die Produktpalette um verschiedene weitere interessante Aspekte ergänzt (u.a. Konsumkredite, Bancassurance-Lösungen). Zudem werden gemäss Aussagen der Credit Suisse bald weitere Produkte lanciert (z.B. digitale Mietzinskaution oder auch neue Dienstleistungen im Hypothekarbereich), um diesen Vorsprung halten zu können.
Gemäss unserer gemeinsam mit ti&m durchgeführten Studie nutzen derzeit weniger als 1 Prozent der Kundschaft eine Smartphone-Bank als ihre Hauptbank. Bei CSX ist der Hauptbank-Anteil hingegen höher als bei anderen Neobanken. Auf der anderen Seite fällt auf, dass das Kundenprofil von CSX ähnlich ist wie die Kundenstruktur von anderen Neobanken.
Die Kundenzahl bewegt sich über dem Bereich, den ich für CSX nach einem Jahr erwartet habe. Gleichzeitig ist die Zahl von rund 100’000 Kundinnen und Kunden aber schwierig zu interpretieren, da unklar ist, wie hoch der Anteil an intern «umgeschichteten» Credit Suisse Kundinnen und Kunden ist. Gemäss der Handelszeitung hat die Credit Suisse im Sommer nämlich auch bei bestehenden CS-Kunden CSX beworben und sie zu einem Wechsel ermuntert.
25. November 2021
Regionalbanken und Sparkassen,
Schweizer Banken bieten gute Qualität – begeistern Kundschaft aber wenig
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Prof. Dr. Christoph Lengwiler, Prof. Dr. Marco Passardi und Prof. Dr. Simon Amrein
Viele Kundinnen und Kunden der Schweizer Retailbanken sind zufrieden mit der Qualität ihrer Hausbank. Trotzdem gelingt es nur wenigen Banken, die Kundinnen und Kunden zu begeistern und an sich zu binden. Dies führt zu einer Offenheit gegenüber günstigen Angeboten von Neobanken. Das zeigt unsere neuste Studie zum Schweizer Retailbanken-Markt.
Bereits zum zehnten Mal untersucht die IFZ Retail-Banking-Studie der Hochschule Luzern das Kerngeschäft der inländisch-orientierten Banken. Die Jubiläumsausgabe der Studie analysiert die Zufriedenheit von Bankkundinnen und -kunden. Sie zeigt zudem auf, welche Banken aus Sicht der Finanzkennzahlen die besten im Lande sind und wie es um die Corporate Governance der Retailbanken steht. Einige Aspekte der Studie fassen wir nachfolgend zusammen.
Nur eine von fünf Personen würde ihre Bank weiterempfehlen
Im Rahmen der IFZ Retail-Banking-Studie wurden 78 Geschäftsleitungsmitglieder von Schweizer Banken sowie 694 Bankkundinnen und -kunden zur Zufriedenheit mit den Produkten und Dienstleistungen befragt. Insgesamt sind die Kundinnen und Kunden sehr zufrieden mit ihren Hausbanken und die Wechselbereitschaft ist tief. Abbildung 1 zeigt die Wechselbereitschaft von Bankkundinnen und Bankkunden nach Bankengruppen. Nur etwas mehr als ein Prozent plant, die Hauptbankbeziehung zu wechseln. Gleichzeitig würden aber lediglich 18 Prozent der Bankkundinnen und -kunden «ihre» Bank Freundinnen und Freunden weiterempfehlen. Die Banken bieten insgesamt Produkte und Dienstleistungen in guter Qualität. Begeisterungs- und Empfehlungsfaktoren, welche die Basis für eine Weiterempfehlung sind, fehlen aber fast gänzlich.
Preis vor Service: Neobanken gewinnen Kundinnen und Kunden
Die Studie identifiziert also einen grossen Anteil von zufriedenen Kundinnen und Kunden, die aber keine starke Bindung zur Hauptbank haben. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass neue Marktteilnehmer im Finanzsektor – sogenannte Neobanken – mit kostengünstigen Angeboten auch in der Schweiz in kurzer Zeit sehr viele Neukundinnen und -kunden gewinnen konnten. Passiv zufriedene Kundinnen und Kunden sind oftmals preissensitiv und entsprechend offen für kostengünstige Angebote von Neobanken. Aktuell bezeichnen lediglich rund ein Prozent der Schweizerinnen und Schweizer eine Neobank als Hauptbank. Dies kann sich in den kommenden Jahren aber ändern.
Wer ist die beste Bank im Land?
Die Retail-Banking-Studie untersuchte in diesem Jahr die Jahresabschlüsse von 90 Instituten. Basierend auf neun Kennzahlen wurde die aus Zahlen-Sicht beste Retailbank ermittelt. Auf Platz 1 liegt die Caisse d’Epargne d’Aubonne, gefolgt von der Ersparniskasse Affoltern und der Spar- und Leihkasse Wynigen.
Aufgrund der grossen Unterschiede zwischen den Banken (zum Beispiel in Bezug auf Grösse oder Produktangebot) wurden die Banken erstmals in Grössenklassen eingeteilt. Dabei schlossen die Caisse d’Epargne d’Aubonne (Bilanzsummen bis 1.5 Milliarden Franken), die Bank EEK (1.5-3.0 Milliarden Franken), sowie die Kantonalbanken aus Nidwalden (3-12 Milliarden Franken), Schwyz (12-25 Milliarden Franken) und Graubünden (Bilanzsumme über 25 Milliarden Franken) am besten ab. Die Studie enthält auch eine Analyse nach Grossregionen der Schweiz. Die jeweils besten drei Banken innerhalb der Grossregionen finden sich in Abbildung 2.
Nachfolgeprozess in Verwaltungsräten
Die Personalplanung und die Rekrutierung neuer Mitglieder ist eine der zentralen Aufgaben eines Bankverwaltungsrats. Diese Aufgabe und deren Umsetzung in der Praxis wird in der Retail-Banking-Studie in einem Fachartikel erläutert und mit Erkenntnissen aus einer Umfrage bei 54 Verwaltungsratspräsidentinnen und -präsidenten ergänzt. Wie die Umfrage zeigt, sind sich die VRP der Bedeutung ihrer Verantwortung bewusst und gehen die Aufgabe umsichtig an. Nach wie vor werden in den meisten Fällen neue Verwaltungsratsmitglieder ohne Beizug externer Unterstützung gefunden.
Frauenanteil: Steigend in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen
Im letzten Teil der Studie wurde die Corporate Governance von 73 Banken analysiert. Wie sich unter anderem zeigt, ist der Frauenanteil in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen nochmals angestiegen. Die Zahl der Frauen in den Verwaltungsräten nahm innerhalb eines Jahres von 130 auf 132 zu und liegt inzwischen bei 25 Prozent. Bei den neu gewählten VR-Mitgliedern beträgt der Frauenanteil in den letzten sieben Jahren 34 Prozent. Bei den Geschäftsleitungen nahm die Zahl der Frauen von 28 auf 32 zu. Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen ist allerdings mit zehn Prozent immer noch viel tiefer als in den Verwaltungsräten.
Studienbestellung
Die 210-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2021» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.
Wir danken unseren Sponsoren Crealogix, finnova, Schulthess Zimmermann & Jauch und ti&m sowie unserem Partner, der Schweizerischen Bankiervereinigung für die Unterstützung:
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2 Kommentare
Rückblick auf die IFZ Retail Banking Konferenz 2021 | IFZ Retail Banking Blog
13. Dezember 2021
[…] Andreas Dietrich blickte zurück auf zehn Jahre Retail Banking Konferenz und die Retail Banking Studie. Auf 2’016 Seiten hat das IFZ in den vergangenen Jahren die zentralen Entwicklungen im Retail Banking beleuchtet. Die zentralen Aussagen der diesjährigen Studie finden Sie hier. […]
O. Keller
26. November 2021
Warum soll mich eine Bank begeistern. Ich brauche keine Bespassungsmaschinenerie. Ich will eine seriöse Bank auf die ich mich verlassen kann. Mehr nicht.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
23. November 2021
Finanzierungssituation von Schweizer KMU – wie wichtig sind Banken für KMU?
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Dr. Reto Rey und Nadine Berchtold
Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ die aktuelle Finanzierungssituation bei Schweizer kleinen und mittelgrossen Unternehmen (KMU) im Rahmen einer repräsentativen Studie untersucht. In diesem Blog fassen wir einige Erkenntnisse der Studie zusammen. Wir zeigen u.a. auf, ob KMU Bankkredite erhalten, wie viele und welche Firmen einen Bankkredit benötigen, diesen aber gar nicht erst beantragen, wie sich die generelle Finanzierungssituation der KMU in den vergangenen fünf Jahren verändert hat und wie viele KMU in der Schweiz derzeit Negativzinsen bezahlen müssen.
Ausgangslage
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Beschäftigten tragen massgeblich zur Schweizer Wirtschaft und zum nationalen Wohlstand bei. Hierzulande gibt es über 591‘000 KMU, die 99.7 Prozent der Unternehmen bilden und 67 Prozent aller Arbeitsplätze stellen. Insgesamt haben wir im Auftrag des SECO 2’712 Schweizer KMU zu ihrem Finanzierungsbedarf sowie ihren Finanzierungsarten, -quellen und -bedingungen befragt. Daneben gab es bei der Befragung zwei Sonderteile zu den beiden Themen «Auswirkungen der Corona-Krise auf die KMU» und «Mobilien und immaterielle Vermögenswerte als Kreditsicherheiten».
So geht es den Schweizer KMU derzeit
Die vergangene Geschäftsentwicklung im Vorfeld der Befragung 2021 war geprägt von Einschränkungen und Unsicherheiten rund um die Corona-Pandemie. Dies zeigte sich sowohl in Bezug auf den Umsatz als auch auf die Beschäftigung. So gaben nur 19 Prozent aller befragten KMU an, eine positive Umsatzentwicklung in den vergangenen 12 Monaten gehabt zu haben. Demgegenüber mussten 49 Prozent der KMU einen Umsatzrückgang verzeichnen (2016: lediglich 33%). Insbesondere kleinere Firmen und Unternehmen aus der Gastronomie waren überproportional oft von negativen Entwicklungen betroffen. Im Vergleich mit dem Euroraum wurde der negative Einfluss der Pandemie auf den Umsatz von den KMU jedoch als weniger stark empfunden.
Als grösste Herausforderung insgesamt erachten die Schweizer KMU das Gewinnen von Kundschaft (Abbildung 1). An zweiter Stelle steht die Suche nach qualifiziertem Personal. Von den sechs abgefragten Herausforderungen hat der Zugang zu externen Finanzmitteln den geringsten Durchschnittswert und wird damit – über alle KMU gesehen – als geringste Herausforderung betrachtet. Trotzdem war der Zugang zu Finanzmitteln für jedes zwölfte KMU die Herausforderung mit der grössten Bedeutung. Vor allem für kleinere KMU und Unternehmen im Gast- und Baugewerbe ist der Zugang zu externen Finanzmitteln eine grosse Herausforderung.
Deutlich mehr KMU mit einer Fremdfinanzierung als noch 2016
Die Studie zeigt, dass sich die Finanzierungsstruktur von Schweizer KMU gegenüber der Situation von 2016 deutlich verändert hat. Der Anteil an KMU mit Bankfinanzierungen ist im Vergleich zur Umfrage im Jahr 2016 zwar unverändert geblieben (32 Prozent der KMU haben einen Bankkredit). Finanzierungen von Nichtbanken haben aber stark zugenommen. Hatten im Jahr 2016 nur 6 Prozent der KMU eine Fremdfinanzierung von Nicht-Banken, sind es im Jahr 2021 bereits 15 Prozent der KMU. Vor allem die Bedeutung der Darlehen von Familien, Freunden oder Aktionären und das Leasing haben im Vergleich zum Jahr 2016 an Bedeutung gewonnen. Noch stärker haben die Covid-19-Kredite die Anzahl derjenigen KMU reduziert, die ausschliesslich eigenfinanziert sind. Derzeit sind noch rund 37 Prozent aller KMU ausschliesslich eigenfinanziert. Bei der letzten Umfrage im Jahr 2016 waren noch 62 Prozent aller KMU ausschliesslich eigenfinanziert.

Bankfinanzierungen sind aber noch immer die zentrale Fremdfinanzierungsform von KMU. Das Gesamtvolumen für inländische Unternehmenskredite von Banken in der Schweiz hat sich seit 2015 von CHF 325 Milliarden um 28 Prozent auf CHF 416 Milliarden per Juni 2021 erhöht. Rund 87 Prozent des Gesamtvolumens (oder rund CHF 362 Milliarden) per Juni 2021 fallen dabei auf KMU mit weniger als 250 Beschäftigten.
Anzahl der entmutigten KMU steigt an
Der aktuelle Zugang zu Bankkrediten scheint auf den ersten Blick sehr gut zu sein. Rund 85 Prozent aller KMU hatte in den vergangenen zwölf Monaten keinen Bedarf für eine Bankfinanzierung (neu oder Verlängerung, Covid-19-Kredite ausgeschlossen). Lediglich jedes Dritte dieser KMU (oder 5% aller KMU) stellte auch einen Antrag bei einer Bank. Drei Prozent dieser Kreditanträge wurden abgelehnt, was auch international ein tiefer Wert ist. Gleichzeitig hat die Gruppe der „entmutigten Kreditnehmer“ – Firmen mit einem Finanzierungsbedarf, welche aber aus verschiedenen Gründen keinen Kreditantrag machen – weiter zugenommen. 10 Prozent aller KMU haben zwar einen Finanzierungsbedarf, beantragen aber aus verschiedenen Gründen keinen Bankkredit (2016 waren es 6%). Diese Gruppe der entmutigten Firmen ist mehr als 60 Mal so gross wie die Gruppe der KMU, welche trotz eines Kreditantrags keinen Kredit erhalten haben. Bei einer Gesamtpopulation von 161’400 KMU in unserem Zielsegment (ausgewählte Branchen und mehr als 2 Vollzeitstellen) gehören also schätzungsweise rund 16’000 Schweizer KMU in die Gruppe der «entmutigten KMU».
Vielfältige Gründe für die Entmutigung
Die Hauptgründe für die Entmutigung liegen als erstes darin, dass die Kosten für einen Kredit gemäss Einschätzung dieser KMU möglicherweise zu hoch sind. Eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, einen indikativen Zinssatz auf der Grundlage einiger individueller Unternehmensdaten zu erhalten, könnten die Informationsfriktionen verringern und damit die Zahl der entmutigten Kreditnehmenden senken. Als zweites geben fast 65 Prozent der entmutigten Kreditnehmer an, dass das Antragsverfahren umständlich ist. Auch hier gibt es verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten auf Seiten der Banken und KMU. Als drittes sind die Anforderungen der Banken an die Sicherheiten immer noch sehr hoch. Dieses Problem scheint schwieriger zu lösen zu sein, da die Banken fast alle Kredite absichern. Es gibt hier aber interessante Möglichkeiten im Bereich des Bürgschaftswesens und in Zukunft möglicherweise auch im Bereich von Mobiliarsicherheiten oder der Verpfändung von immateriellen Vermögenswerten.[1] Schon heute können sich insgesamt 5 Prozent der befragten KMU in der Schweiz vorstellen, solche Instrumente im Bereich von Mobiliarsicherheiten oder der Verpfändung von immateriellen Vermögenswerten einzusetzen. Derzeit ist diese Art von Finanzierungen hierzulande rechtlich aber (noch) nicht erlaubt und entsprechend wenig bekannt. Die Wichtigkeit von Sicherheiten zeigt sich auch in der Bedeutung von Hypotheken. Von den KMU welche, in den letzten 12 Monaten einen Bankkredit erfolgreich beantragt haben, besitzen 58.0 Prozent eine Hypothek (entweder nur oder u.a. eine Hypothek). Von den entmutigten haben lediglich 12.8 Prozent einen Bankkredit mit hypothekarischer Deckung.
Im Vergleich zum Euroraum sind Bankkredite bei Schweizer KMU weniger verbreitet
In den umliegenden Ländern verfügen zwischen 39 Prozent (Deutschland) und 48 Prozent (Österreich) aller KMU über einen Bankkredit (Abbildung 4). In Frankreich und Italien sind es 39 beziehungsweise 45 Prozent. Dies sind deutlich mehr als die 32 Prozent der KMU, welche in der Schweiz über eine Bankfinanzierung verfügen. Ein Blick auf die verschiedenen Finanzierungsquellen zeigt auch, dass hierzulande öfter Kapital von Nichtbanken zu KMU fliesst.
Negativzinsen
Einen Einfluss auf das Verhältnis von KMU zu Banken haben möglicherweise auch die Negativzinsen. Banken reichen die Negativzinsen zunehmend an ihre KMU-Kunden weiter. Insgesamt mussten in den vergangenen 12 Monaten rund 13 Prozent der befragten KMU Negativzinsen für ihre Kontobestände und Geldanlagen bezahlen. Im Jahr 2016 waren erst 5 Prozent der befragten KMU davon betroffen. Hochgerechnet auf die rund 161’400 Unternehmen im Zielsegment dieser Studie (KMU mit 2-249 VZÄ) haben im vergangenen Jahr rund 21‘000 Unternehmen Negativzinsen bezahlen müssen. Mittlere Unternehmen (50-249 VZÄ) müssen proportional deutlich öfter Negativzinsen bezahlen als Mikro- und Kleinunternehmen.
Zwei Drittel der KMU von der Corona-Krise (sehr) negativ betroffen
Die Corona-Pandemie hat die Schweizer Wirtschaft stark getroffen. 19 Prozent der befragten KMU geben an, von der Corona-Krise «sehr negativ» betroffen zu sein (Abbildung 3). Weitere 46 Prozent der Befragten waren durch die Krise «negativ» betroffen. Obwohl der negative Effekt überwiegt, gab es aus wirtschaftlicher Sicht auch einige positive Entwicklungen. Nahezu jedes sechste KMU konnte profitieren, im Handel waren es gar 21 Prozent.
Nahezu jedes zweite KMU (47%) hatte einen erhöhten Finanzierungsbedarf. Ein Drittel der Firmen erwartet, dass dieser auch mittelfristig bestehen wird. Entsprechend war das Covid-19-Kreditprogramm des Bundes für viele KMU wichtig und wurde stark genutzt. Insgesamt wurden knapp 138‘000 Kredite mit einem Volumen von rund CHF 17 Milliarden gesprochen. 30 Prozent der KMU mit mehr als zwei Vollzeitstellen haben einen Covid-19-Kredit aufgenommen. 11 Prozent der befragten KMU mit einem Covid-19-Kredit plant, diesen bereits bis Ende 2021 zurückzuzahlen. 8 Prozent der KMU glaubt nicht, dass sie die Kredite vollständig tilgen können.
Trotz der für viele KMU schwierigen Monate, ist eine Mehrheit der Schweizer KMU in Bezug auf ihre zukünftige Geschäftsentwicklung optimistisch gestimmt. Der Anteil Unternehmen, welcher mit einem wachsenden Umsatz in den nächsten zwei bis drei Jahren rechnet, überwiegt denjenigen mit weniger optimistischen Erwartungen ziemlich klar.
Finanzierung von KMU in der Schweiz – 2021
Finanzierung von KMU in der Schweiz – 2021
[1] Siehe dazu «Regulierungsfolgenabschätzung zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für eine allfällige Revision des Schweizer Mobiliarsicherungsrechts» (INTERFACE Politikstudien, 2021)
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Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
15. November 2021
Hat Apple ein Kernbankensystem?
Von Dr. Felix Buschor
Zahlreiche Schweizer Banken setzen ein Standardprodukt als Kernbankensystem ein. Da sich auch in der Schweiz neue Geschäftsmodelle für das Bankgeschäft abzeichnen, nimmt in den Geschäftsleitungen der Banken die Unsicherheit zu, ob sie mit ihrer IT-Landschaft bereit für die Zukunft sind. In diesem Blog-Beitrag wird dieser Frage anhand des Beispiels von Apple Pay nachgegangen.
Im Oktober 2014 wurde in den USA Apple Pay eingeführt. Dieses mobile Bezahlverfahren, das mittlerweile in 64 Ländern verfügbar ist, markiert den Eintritt von Apple ins Finanzgeschäft. Seither hat Apple verschiedene Schritte unternommen, um den Fussabdruck im Banking zu vergrössern. Seit 2018 gibt es in den USA mit Apple Cash eine digitale Geldbörse, die es den Nutzern erlaubt Geldbeträge über Apple Pay und iMessage zu versenden und zu empfangen. Apple Cash wurde 2020 ebenfalls in den USA mit Apple Cash Family erweitert. Damit ist es – in der Apple-Terminologie – dem Familienorganisator unter anderem möglich, den Kindern ein Apple Cash Konto einzurichten und über verschiedene Einstellungsmöglichkeiten, dessen Verwendung mehr oder weniger zu kontrollieren. Die Kinder wiederum haben im Rahmen des Kontosaldos, die Möglichkeit entweder am Point-of-Sale oder im E-Commerce mobil mit ihrem iPhone zu bezahlen, der Traum aller Teenager. Seit 2019 ist ebenfalls in den USA die Apple Card verfügbar. Dabei handelt es sich wahlweise um eine virtuelle oder physische Kreditkarte, bei der Apple mit Goldman Sachs und Mastercard zusammenarbeitet. Dieses Produkt wurde 2021 zur Apple Family Card aufgerüstet. Erst kürzlich hat Bloomberg mitgeteilt, dass Apple offenbar die Einführung einer weiteren banknahen Funktionalität mit dem internen Namen Apple Pay Later plant.[1] Mit diesem Service sollen Benutzer, die mit Apple Pay bezahlen, die Möglichkeit haben, die Zahlung entweder auf vier zinslose Raten im Abstand von 2 Monaten oder nach mehreren Monaten dann aber mit Zinsen zu leisten. Dem Vernehmen nach arbeitet Apple auch für diesen Service mit Goldman Sachs zusammen. Wie die meisten Finanzdienstleistungen von Apple soll auch Apple Pay Later vorläufig nur in den USA verfügbar sein. Der Fokus auf die USA hängt sicherlich damit zusammen, dass Services wie Apple Card oder Apple Pay Later im Detail spezifisch auf die Bedürfnisse und Regulatorien des US-Markts zugeschnitten sind und damit nicht ohne weiteres weltweit ausgerollt werden können.
Dieser Entwicklungspfad[2] (siehe Abbildung 1) zeigt, dass sich Apple mindestens in den USA zunehmend im Finanzgeschäft ausbreitet. Dass Apple mit seinem Fokus auf das Mobile Payment den Nerv der Zeit trifft, zeigt eine aktuelle Studie von EY, wonach in China 92% der Konsumentinnen und Konsumenten Mobile Payment nutzen.[3] Auch in der Schweiz ist das Mobile Payment auf dem Vormarsch. Das IFZ prognostiziert für den privaten Zahlungsmarkt in Bezug auf die Anzahl der Transaktionen im Jahr 2022 einen Marktanteil der Mobile Payment Anbieter von rund 9 Prozent.[4]
Zunehmender Druck auf die Kernbankensysteme
Auch wenn die Erbringung all dieser Finanzdienstleistungen ausgeklügelte Software verlangt, so wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen zu behaupten, dass Apple ein Kernbankensystem betreibt. Unter einem Kernbankensystem soll an dieser Stelle ein Softwarepaket verstanden werden, mit dessen Hilfe die Geschäftsvorfälle einer Bank technisch bearbeitet werden. Ein Kernbankensystem umfasst demnach im Wesentlichen die Positionsführung (Konti, Depot, Kredite) sowie die entsprechenden Transaktionen. In der Schweiz setzen Regionalbanken, Kantonalbanken sowie Privatbanken in aller Regel ein Standardprodukt als Kernbankensystem ein. Diese Kernbankensysteme zeichnen sich durch eine ausserordentlich hohe Zuverlässigkeit sowie eine Fülle von Funktionen aus. Trotzdem beschleicht manch Verantwortlichen für die Bank-IT ein ungutes Gefühl, wenn es um die Zukunftsfähigkeit seines Kernbankensystems geht. Ist mein Kernbankensystem genügend flexibel? Kann ich mit meinem Kernbankensystem in hoher Kadenz Innovationen auf den Markt bringen? Ist mein Kernbankensystem offen, um mit FinTechs zusammenzuarbeiten? Diese und ähnliche Fragestellungen haben dazu geführt, dass die Banken ihr Kernbankensystem vermehrt mit „Satelliten“ in Form von Standardprodukten oder Individualentwicklungen ergänzen.
Den IT-Verantwortlichen der Banken ist aber auch klar, dass mit einer solchen „Satelliten-Strategie“ IT-mässig nicht die Schlagkraft einer Neo-Bank oder gar der GAFA[5], die immer mehr ins Bankgeschäft vordringen, erreicht werden kann. Deshalb kursiert in Fachkreisen vermehrt die Frage, ob es Möglichkeiten gibt geräusch- und schmerzlos zu migrieren. Die anfängliche Begeisterung für diese Idee weicht rasch einer Ernüchterung, wenn es darum geht, mögliche Optionen aufzuzählen. Aus Mangel an Alternativen gepaart mit einer Risikoaversion bauen die meisten Banken darauf, dass die Kernbankensystemhersteller ihr Produkt aus Eigeninteresse einem Reengineering unterziehen. Und tatsächlich sind alle Kernbankensystemhersteller daran, ihre Produkte zu modularisieren, mittels APIs gegen Aussen zu öffnen und bereit für den Betrieb in einer Cloud zu machen.
Kernbankensysteme müssen vor allem neu entstehende Geschäftsmodelle unterstützen
Aber: Werden mit der angestossenen Erneuerung der Kernbankensysteme die zukünftigen Geschäftsmodelle der Banken auch tatsächlich unterstützt? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, soll im Folgenden das Geschäftsmodell von Apple fürs Mobile Payment vertieft interpretiert werden (siehe Abbildung 2).[6]
Mit Apple Pay bietet Apple Zahlungsquellen, die Möglichkeit sich über standardisierte Schnittstellen mit der iPhone Mobile Payment Welt zu verbinden. Bisher sind dies nur Issuer von Kredit- oder allenfalls Debitkarten. Die Direktanbindung von Bankkonten an Apple Pay ist nach Kenntnisstand des Autors bisher nicht möglich.[7] Auch wenn dies verschiedene Gründe haben dürfte, so darf doch vermutet werden, dass die Anbindung eines Kernbankensystems an Apple Pay anspruchsvoll ist. Apple baut mit seinem Ansatz auf den Payment-Funktionen der Finanzdienstleister auf. In Anlehnung an Over-The-Top-Streaming[8] kann man diesen Ansatz als „Over-The-Top-Banking“ bezeichnen. In einem nächsten Schritt erhöhte Apple die Attraktivität seines Mobile Payment mit verschiedenen Erweiterungen, wie Message-basiertes Payment, Familienkonto oder Ratenzahlungen. Für die Ratenzahlungen wird zusätzlich auf Kreditquellen zugegriffen, im Falle von Apple ist dies Goldman Sachs. Apple ist mit diesem angereicherten Mobile Payment auch für den nächsten Entwicklungsschritt des Mobile Banking, dem Embedded Payment gut gerüstet. Beim Embedded Payment wird das Bezahlverfahren in den Kaufprozess integriert. Die Merchants haben dafür zwei Möglichkeiten: Entweder integrieren sie in ihre Systeme einzelne Zahlungsquellen oder mobile Bezahlverfahren, beispielsweise Apple Pay. Mit den Zusatzservices, die von den Zahlungsquellen so nicht angeboten werden, verschafft sich Apple für diesen nächsten Entwicklungsschritt eine gute Ausgangslage. Apple verliert dann zwar die direkte Kundenschnittstelle, aber die Abwicklung der eingebetteten Zahlung erfordert immer noch ein iPhone. Die Apple-Geräte werden noch etwas unentbehrlicher und der Kunde wird noch stärker an Apple gebunden. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Expertinnen und Experten davon ausgehen, dass bei Apple die Finanzdienstleistungen mehrere Milliarden an den rund US Mia 50 Einnahmen aus dem Servicegeschäft ausmachen.[9]
Was bedeutet diese Fallstudie für die Kernbankensysteme? Es zeigt vor allem, dass die Banken noch Hausaufgaben erledigen müssen, bevor sie die Zukunft des Kernbankensystems an die Hersteller delegieren. Durch die Banken ist festzulegen, welche zukünftigen Geschäftsmodelle sie erwarten, wie sie sich gegenüber diesen Geschäftsmodellen positionieren. Sehen sie sich als Quellen für Zahlungen oder Kredite? Wollen sie auch im Over-The-Top-Banking mitmischen? Bevor die Kernbankensysteme modernisiert werden, ist also festzulegen, welche Geschäftsmodelle unterstützt werden sollen. Erst, wenn diese Fragen geklärt sind, besteht auch Klarheit für die Kernbankensystemhersteller, in welche Richtung sie sich technisch entwickeln sollen.
Fazit
Die obige Apple-Fallstudie zeigt, dass neue und lukrative Geschäftsmodelle für die Finanzbranche nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität existieren. Diese Geschäftsmodelle entstehen dadurch, dass bestehende Wertschöpfungsketten in Bausteine zerlegt, die Bausteine standardisiert und neu zusammengefügt werden. Daraus resultieren neue, übergeordnete Bausteine, die wiederum mit anderen Bausteinen zusammengefügt werden können. Dieser Prozess der fortlaufenden Abstraktion von Funktionen in übergeordnete Ebenen ist nicht nur das Grundmuster, sondern auch das Erfolgsrezept fast aller Entwicklungen der Informatik in den letzten 30 Jahren, angefangen von der objektorientieren Programmierung bis zum Cloud-Computing. Und das Prinzip der Abstraktion wird nun auch ein Treiber für neue Geschäftsmodelle. Für Banken und Kernbankensystemhersteller stellt sich die Herausforderung, wie am Entstehen dieser neuen Geschäftsmodelle partizipiert werden kann.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch). Sind Sie an vertiefenden Ausführungen zum Thema Kernbankensysteme interessiert? Dann melden Sie sich für das IFZ Bank-IT Forum «Zukunft der Kernbankensysteme» an (IFZ Bank-IT: Forum Zukunft der Kernbankensysteme | Hochschule Luzern (hslu.ch))
[1] Siehe Apple Launching (AAPL, GS) „Buy Now, Pay Later“ Installment Plan Service (AFRM) – Bloomberg
[2] Zu ergänzen ist, dass Teile der Services auch auf der Apple Watch verfügbar sind.
[3] Siehe How can banks transform for a new generation of customers? | EY – Global
[4] Siehe Studie_MobilePayment_20210103_final (hslu.ch)
[5] GAFA ist die Abkürzung für die vier grossen US-Internetkonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon.
[6] Zu erwähnen ist, dass die Fallstudie von Apple lediglich ein Beispiel von mehreren ist. Eine vergleichbare Fallstudie könnte beispielsweise auch für Klarna oder Paypal erstellt werden.
[7] Im Gegensatz zu Twint, wo die Anbindung des Bankkontos mittlerweile der Normalfall ist.
[8] Over-The-Top-Streaming meint das Verbreiten von Inhalten, beispielsweise von Filmen oder Musik, bei dem sich Streaming-Dienste wie Netflix des Internets bedienen.
[9] Siehe Apple Launching (AAPL, GS) „Buy Now, Pay Later“ Installment Plan Service (AFRM) – Bloomberg
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8. November 2021
Regionalbanken und Sparkassen,
Gender-Diversity in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von Schweizer Retailbanken
Von Prof. Dr. Christoph Lengwiler und Marc Leuenberger
Am 25. November publizieren wir im Rahmen der Retail Banking-Konferenz am die zehnte Ausgabe der IFZ Retail Banking-Studie. Die Studie beinhaltet unter anderem eine umfassende Analyse zur Corporate Governance von 73 Schweizer Retailbanken. Im heutigen Blog gehen wir auf einen Teil dieser Corporate Governance-Analyse ein und zeigen, wie es um den Anteil von Frauen und Männern in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von Schweizer Retailbanken steht.
Diversity-Überlegungen spielen in der Personalplanung von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen eine immer wichtigere Rolle. Es ist heute in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend unbestritten, dass divers aufgestellte Teams bessere Ergebnisse erzielen. Diversity ist hierbei als mehrdimensional zu verstehen und beinhaltet neben dem Geschlecht auch Faktoren wie das Alter, die Ausbildung, fachliche Kompetenzen, das Netzwerk, den Mindset sowie weitere Themen. Viele dieser Faktoren analysieren wir in der Corporate Governance-Analyse der IFZ Retail Banking-Studie. Diversity ist also vielschichtig. Nachfolgend gehen wir auf das Thema Gender-Diversity ein. Dieses Thema war in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit stark präsent. Zudem beinhaltet das neue Aktienrecht sogenannte Geschlechterrichtwerte für börsenkotierte Unternehmen von 20 Prozent in der Geschäftsleitung und 30 Prozent im Verwaltungsrat. Der Bundesrat hatte diese Anpassungen per 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt. Wie steht es bei den Schweizer Retailbanken um die Gender-Diversity?
Tiefer aber steigender Frauenanteil in den Verwaltungsräten
Unter den 524 VR-Mitgliedern der analysierten 73 Retailbanken sind per Ende Juni 2021 132 Frauen, was einem Anteil von 25 Prozent entspricht. Der Frauenanteil in den VR-Gremien von Schweizer Retailbanken lag 2014 noch bei 16 Prozent und steigt von Jahr zu Jahr leicht an.
Wie Abbildung 1 zeigt, haben die Regionalbanken und Sparkassen mit 22 Prozent einen relativ tiefen Frauenanteil in den Verwaltungsräten. Im Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz ist per 30. Juni 2021 lediglich eine Frau vertreten. Allerdings sind per Ende 2020 in den Verwaltungsratsgremien der 225 einzelnen Raiffeisenbanken 347 von 1’408 Mitgliedern Frauen. Damit verfügen die Raiffeisenbanken in ihren Verwaltungsräten über einen Frauenanteil von 25 Prozent (dieser wird in Abbildung 1 übernommen), der im Durchschnitt aller Retailbanken liegt.
Die Gruppe der Weiteren Banken fallen mit einem Frauenanteil von 40 Prozent positiv auf. In dieser Gruppe sind die Alternative Bank Schweiz mit einem Frauenanteil von 60 Prozent und die Bank Cler mit einem Frauenanteil von 57 Prozent (siehe Tabelle 1) hervorzuheben. Die Alternative Bank Schweiz weist mit sechs Frauen auch in absoluten Zahlen die höchste Anzahl Frauen aller Verwaltungsratsgremien von Schweizer Retailbanken auf. Danach folgen die Basler Kantonalbank mit fünf Frauen, sowie die Bank Cler und die Banque Cantonale de Genève mit je vier Frauen. Umgekehrt setzten sich acht der untersuchten 73 Verwaltungsratsgremien ausschliesslich aus Männern zusammen.
Bank | Frauenanteil |
Alternative Bank Schweiz AG | 60% (6/10) |
Bank Cler AG | 57% (4/7) |
Basler Kantonalbank | 56% (5/9) |
Banque Cantonale du Jura | 43% (3/7) |
Banque Cantonale du Neuchâteloise | 43% (3/7) |
Banque Cantonale du Vaudoise | 43% (3/7) |
Clientis Bank Oberaargau AG | 43% (3/7) |
Graubündner Kantonalbank | 43% (3/7) |
PostFinance AG | 43% (3/7) |
Urner Kantonalbank | 43% (3/7) |
Zürcher Landbank AG | 43% (3/7) |
Das Schweizer Aktienrecht sieht gemäss OR Artikel 734f vor, dass im Verwaltungsrat ein Frauenanteil von mindestens 30 Prozent und in der Geschäftsleitung ein Anteil von mindestens 20 Prozent anzustreben ist. Mitte 2021 erreichen insgesamt lediglich 21 der 73 analysierten Verwaltungsräte (29%) den definierten Anteil von mindestens 30 Prozent.
Wie eine Analyse der 268 seit dem Jahr 2015 neu gewählten Verwaltungsratsmitglieder, die 2021 noch im Amt sind, zeigt, ist der Anteil der Frauen bei den neu gewählten VR-Mitgliedern mit durchschnittlich 34 Prozent über die letzten sieben Jahre höher als der Frauenanteil aller VR-Mitglieder (25%). Wie Abbildung 2 zeigt, ist bei den neu gewählten VR-Mitglieder der Anteil der Frauen von 24 Prozent im Jahre 2015 auf 43 Prozent im Jahre 2019 gestiegen, in den letzten beiden Jahren jedoch wieder leicht gesunken (2020: 39%; 2021: 34%). Wenn die Entwicklung wie in den letzten Jahren weitergeht, dürfte der Anteil der Frauen in Verwaltungsräten der Schweizer Retailbanken in den nächsten Jahren weiter ansteigen.
Frauenanteil in den Geschäftsleitungen noch tiefer als in den Verwaltungsräten
Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der Retailbanken liegt mit zehn Prozent sehr tief und deutlich unter dem Anteil von 25 Prozent bei den Verwaltungsräten. Unter den 316 in der Analyse erfassten Geschäftsleitungsmitgliedern sind nur gerade 32 Frauen zu finden (siehe Abbildung 3). Nur drei Frauen haben bei den 73 untersuchten Banken per Ende Juni 2021 die operative Leitung inne. Bei der Bank Cler ist Mariateresa Vacalli, bei der Hypothekarbank Lenzburg Marianne Wildi und bei der Schwyzer Kantonalbank Susanne Thellung mit dem Vorsitz der Geschäftsleitung betraut.

Obwohl die Zahl der Frauen in den Geschäftsleitungen der Retailbanken zwischen 2013 und 2021 immerhin von neun auf 32 angestiegen ist, bleibt der Frauenanteil tief. Nichtsdestotrotz sind bei der Alternativen Bank Schweiz drei von fünf Geschäftsleitungsmitgliedern Frauen (vgl. Tabelle 2). Sieben weitere Retailbanken haben in der Geschäftsleitung einen Frauenanteil von einem Drittel oder höher. Mitte 2021 erreichen insgesamt 18 der 73 analysierten Retailbanken (25%) den im Aktienrecht Artikel 734f definierten Anteil von mindestens 20 Prozent.
Bank | Frauenanteil |
Alternative Bank Schweiz AG | 60% |
Zuger Kantonalbank | 50% |
PostFinance AG | 43% |
Schwyzer Kantonalbank | 40% |
Bank Cler AG | 33% |
Bank Gantrisch Genossenschaft | 33% |
Bernerland Bank AG | 33% |
Sparkasse Schwyz AG | 33% |
Fazit
Obwohl sich der Frauenanteil in den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen der Schweizer Retailbanken in den letzten Jahren erhöht hat, bleiben Frauen in beiden Gremien deutlich untervertreten. Dies hängt teilweise sicherlich mit der demographischen Situation in der Finanzindustrie zusammen, welche Stark von Männern geprägt ist. Dennoch ist insbesondere in den Geschäftsleitungen der Frauenanteil mit 10 Prozent deutlich zu tief, um von Gender-Diversity sprechen zu können. Aktuell erreichen lediglich rund 30 Prozent der Verwaltungsräte, respektive 25 Prozent der Geschäftsleitungen, der Retailbanken die Zielquoten gemäss Aktienrecht. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der Wert im Aktienrecht ein Richtwert ist und nur für börsenkotierte Firmen gilt. Eine Abweichung vom Richtwert muss jedoch begründet werden.
Was die Schweizer Retailbanken betrifft, darf erwartet werden, dass diese in Zukunft vermehrt Fördermassnahmen treffen werden, um die Frauenquoten – wie gemäss OR Artikel 734f vorgesehen – auf Top-Management-Ebene erhöhen zu können.
Studienbestellung
Die 220-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2020» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar.
Für die Retail Banking Konferenz sind derzeit noch 4 Tickets verfügbar. Rasch anmelden lohnt sich!
Wir danken unseren Sponsoren Crealogix, finnova, Schulthess Zimmermann & Jauch und ti&m sowie unserem Partner, der Schweizerischen Bankiervereinigung für die Unterstützung:
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5. November 2021
Regionalbanken und Sparkassen,
Welches ist die digitalste Schweizer Bank im Firmenkundengeschäft?
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Thomas Stüssi
Die Digitalisierungsbemühungen von Schweizer Banken fokussieren oftmals auf das gut skalierbare Retail Banking-Segment. Die digitalen Angebote im Bereich des Firmenkundengeschäfts waren lange Zeit bei vielen Schweizer Banken noch sehr bescheiden. Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ und der Digital Banking Think Tank e.foresight der Swisscom haben daher eine neue Studie zum Thema „Digitales Firmenkundengeschäft“ erstellt. Die Studie zeigt einerseits die Angebotsseite auf und eruiert, welche Schweizer Banken im digitalen Firmenkundengeschäft derzeit führend sind und welche Entwicklungen in den vergangenen Jahren festgestellt werden konnten. Andererseits wurde auf der Nachfrageseite mit einer Umfrage bei Firmenkunden der Nutzen ausgewählter Funktionen und Dienstleistungen eruiert. Schliesslich wurden beide Seiten zusammengeführt, um aufzuzeigen, ob und in welchen Bereichen (relevante) Lücken in den Bankangeboten bestehen.
Fortschritte erkennbar im digitalen Firmenkundenbereich
Um einen Überblick über die Angebotsseite zu erhalten, wurde eine ausführliche Marktübersicht erstellt, welche die (digitale) Angebotspaletten von 32 der grössten Retailbanken in der Schweiz berücksichtigt. Dazu erfolgte eine systematische Erfassung von Produkten und Dienstleistungen in den fünf Themenblöcken „E-Banking“, „Kommunikationskanäle“, „Zahlen“, „Finanzieren“ sowie „Bank-nahe Dienstleistungen“.
Die Analyse zeigt auf, dass abhängig von der Funktion respektive der Dienstleistung der Anteil der Banken mit einem entsprechenden Angebot stark variiert. Während gewisse Funktionalitäten bereits «Standard-Angebote» geworden sind und von (fast) allen Banken angeboten werden, gibt es auch noch zahlreiche Funktionalitäten, welche nur von sehr wenigen oder gar keinen Banken angeboten werden. Eine klare Differenzierung durch „einzigartige“ Angebote im digitalen Firmenkundengeschäft wird in der Schweiz bislang nur von wenigen Banken betrieben.
Um die Angebotsbreite der einzelnen Banken miteinander zu vergleichen, wurde ein «Score» berechnet, welcher die Anzahl angebotener Funktionen und Dienstleistungen addiert (im Gegensatz zur Studiendurchführung vor zwei Jahren wurden einzelne Funktionalitäten nicht mehr gewichtet). Die Qualität der jeweiligen Umsetzung wurde dabei nicht berücksichtigt. Der Maximalwert dieses Scores beträgt 54 Punkte und wäre erreicht, wenn alle in dieser Studie miteinbezogenen Funktionen und Dienstleistungen von einer Bank angeboten würden (was aus ökonomischer Sicht aber nicht unbedingt das Ziel sein muss). Wie in der Übersicht auf Abbildung 1 schnell ersichtlich wird, sind die Schweizer Banken derzeit noch weit davon entfernt, den Maximalwert zu erreichen. Die meisten Banken bieten im Firmenkundengeschäft derzeit eher wenige digitale Funktionen an.
Welche Bank ist im Bereich Digitalisierung im Firmenkundengeschäft am Weitesten?
Gemäss unseren Analysen ergibt sich ein relativ klares Bild an der Spitze. Die fünf digitalsten Schweizer Banken (per 30.09.2021) im Firmenkundengeschäft sind:
- UBS (33 Punkte)
- Credit Suisse (31 Punkte)
- Banque Cantonale Vaudoise (26 Punkte)
- Valiant Bank (20 Punkte) und Thurgauer Kantonalbank (20 Punkte)
Auf den weiteren Plätzen befinden sich die Zürcher Kantonalbank, die Raiffeisen Gruppe, die Basellandschaftliche sowie die Luzerner Kantonalbank. Ebenfalls in den Top 10 vertreten sind die die Migros Bank und die Liechtensteinische Landesbank mit der Hypothekarbank Lenzburg. Diese Banken haben allesamt einen sehr ähnlichen Wert von 15 bis 17 Punkten. Insgesamt kann man erkennen, dass grössere Banken (gemessen an der Bilanzsumme) tendenziell ein breiteres digitales Angebot für ihre Firmenkunden anbieten.
Gegenüber der letzten Studiendurchführung vor zwei Jahren hat vor allem die UBS viel Boden gut gemacht, die Credit Suisse wieder überholt und wieder den Spitzenplatz eingenommen. Auch die Credit Suisse hat zwar in den vergangenen zwei Jahren zusätzliche Angebote lanciert, ist aber im relativen Vergleich leicht hinter ihre Grossbanken-Konkurrentin zurückgefallen.
Neben UBS haben auch einige mittelgrosse Banken im Vergleich zur vergangenen Studie ihr digitales Angebot im Firmenkundenbereich deutlich ausgebaut. Besonders auffallend sind die Banque Cantonale Vaudoise sowie die Baloise Bank SoBa. Erstere schafft es so auf den dritten Platz der Rangliste direkt hinter den Grossbanken. Ebenfalls deutlich zugenommen haben die Punktzahlen der Walliser, Thurgauer und Zuger Kantonalbank sowie der Regiobank Solothurn.
Selektives Interesse auf der Nachfrageseite
Um die Bedürfnisse und Präferenzen auf der Kundenseite zu quantifizieren, wurde in Zusammenarbeit mit fünf Banken eine Umfrage unter rund 150 Firmenkunden durchgeführt. Analog zur Struktur auf der Angebotsseite mussten diese den Nutzen von verschiedenen Funktionen und Dienstleistungen in den fünf vorher aufgezählten Themenblöcken einschätzen. Die aus Sicht der KMU fünf Angebote mit dem grössten Nutzen sind dabei:
- Optimierte Betrugserkennung durch künstliche Intelligenz
- Bestellung von Login-Daten für zusätzliche Berechtigungen direkt im E-Banking
- Digitales Mutieren von Vollmachten/Zeichnungsberechtigungen, Personen oder Stammdaten im E-Banking
- Empfangen von digitalen Rechnungen direkt im E-Banking
- Digitales Vertragsarchiv mit allen Bankverträgen und E-Dokumenten
Weitere interessante Erkenntnisse:
- 63 Prozent der Befragten würden einen Online-Abschluss oder eine Verlängerung von Kontokorrentkonten als nützlich oder sehr nützlich erachten.
- Die Nützlichkeit von Multibanking oder auch der Videoberatung wird heute höher eingeschätzt als noch vor zwei Jahren.
- Insgesamt sehen die befragten Firmenkunden in Funktionalitäten rund um digitale «Bank-nahe Dienstleistungen» und Produkten (z.B. Online Factoring oder Treuhandangebote, ein «Social Network» für Firmenkunden) hingegen nur einen beschränkten Nutzen.
Zusammenführung der Angebots- und Nachfrageseite
Durch das Zusammenführen der Angebots- und Nachfrageseite kann aufgezeigt werden, welche Bereiche zwar von den befragten Firmenkunden mit einem hohen Nutzen bewertet wurden, jedoch (noch) nicht im Angebot der Banken sind. Abbildung 2 zeigt die Zusammenführung der Angebots- und der Nachfrageseite in grafischer Form. Die horizontale Achse zeigt den von den befragten Firmenkunden beigemessenen Nutzen für alle abgefragten Punkte. Auf der vertikalen Achse befindet sich der prozentuale Anteil aller 32 miteinbezogenen Banken, welche den entsprechenden Punkt anbieten.
Interessant sind vor allem Punkte, welche zwar aus Kundensicht von Nutzen sind, jedoch nur von verhältnismässig wenigen Banken angeboten werden. Insbesondere das „digitale Vertragsarchiv“, die «digitale Signatur» oder das «direkte Mutieren von Vollmachten im E-Banking» scheinen dabei aus Kundensicht wünschenswert, werden aber von den Banken derzeit noch fast nicht angeboten. Eine detailliertere Analyse ist in der Studie zu finden.
Fazit
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Resultate können folgende Konklusionen gezogen werden:
- Das digitale Angebot im Firmenkundengeschäft wurde im Vergleich zu 2019 weiter ausgebaut. Trotzdem stehen die meisten Banken noch immer am Anfang und haben weiterhin viel Potenzial. Die grösseren Banken sind insgesamt weiter in der Entwicklung als die kleineren Institute.
- Im Vergleich zu 2019 schätzen Firmenkunden den Nutzen von digitalen Funktionalitäten im Durchschnitt höher ein. Firmenkunden sehen weiterhin insbesondere bei Funktionen einen grossen Nutzen, die ihren Alltag erleichtern und ihre Prozesse verbessern. Diese sind insbesondere transaktionsbezogene und Selbstadministrations-Funktionen im E-Banking. Vor diesem Hintergrund erscheint sinnvoll, dass Banken in den vergangenen zwei Jahren vor allem im Bereich «E-Banking» und «Zahlen» die grössten Fortschritte erzielt haben.
- Für Banken interessant sind vor allem Funktionen, welche zwar aus Kundensicht von Nutzen sind, jedoch nur von verhältnismässig wenigen Banken angeboten werden. Insbesondere das «digitale Vertragsarchiv», die «digitale Signatur» oder das «direkte Mutieren von Vollmachten im E-Banking» scheinen dabei aus Kundensicht wünschenswert, werden aber von den Banken derzeit noch fast nicht angeboten.
- Logins und Transaktionen über das Mobile Banking werden gemäss den Auswertungen von neun Banken auch bei Firmenkunden wichtiger. Ob dies flächendeckend zutreffend ist, kann durch die Studienergebnisse nicht beantwortet werden. Viele Banken haben derzeit kein Reporting, das aufzeigt, ob die Logins oder Transaktionen im E-Banking und Mobile Banking durch Firmenkunden oder Privatkunden durchgeführt wurden. Eine entsprechendes Reporting für diesen zentralen Touchpoint ist aus unserer Sicht aber wichtig.
- Firmenkunden verfügen über mehrere aktive Bankbeziehungen, wobei im Vergleich zu 2019 die durchschnittliche Anzahl Bankbeziehungen gestiegen ist. Die Fokussierung auf eine starke Kundenbindung ist deshalb ein zentrales Element, um im Firmenkundengeschäft weiter zu wachsen.
PS: Die detaillierten Auswertungen und Analysen dieser Studie erhalten exklusiv e.foresight-Kunden und die an der Umfrage teilnehmenden Institute. Für Fragen wenden sie sich direkt an e.foresight: thomas.stuessi@swisscom.com.
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25. Oktober 2021
Regionalbanken und Sparkassen,
Das sind die wichtigsten Banken für die Schweizer KMU
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Dr. Reto Rey und Nadine Berchtold
Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ die aktuelle Finanzierungssituation bei kleinen und mittelgrossen Schweizer Unternehmen (KMU) im Rahmen einer repräsentativen Studie untersucht. Dabei wurde unter anderem auch eruiert, welche KMU bei welchen Banken Konto- und Kreditbeziehungen pflegen. In diesem Blog zeigen wir auf, wie viele Bankbeziehungen ein typisches KMU in Abhängigkeit der Unternehmensgrösse hat, welche Branchen typischerweise bei welchen Banken Kunde sind und wie viele KMU derzeit planen, die Hausbank zu wechseln.
Das sind die Hausbanken der Schweizer KMU
Welche Banken von den KMU als Hausbanken gewählt werden, ist in Abbildung 1 ersichtlich. Kantonalbanken sind im Vergleich zu 2016 noch etwas dominanter geworden und mittlerweile für mehr als einen Drittel der Schweizer KMU die Hausbanken. Auf dem zweiten Platz folgen die Grossbanken, die einen Viertel der KMU als Haubank bedienen. Diese haben im Vergleich zur Umfrage im Jahr 2016 an Marktanteil verloren. Dafür konnten die Raiffeisenbanken den Anteil ausbauen und decken aktuell fast 20 Prozent der KMU ab, während es 2016 noch 16 Prozent waren. Die restlichen rund 20 Prozent teilen sich PostFinance, die Gruppe der Regionalbanken und andere Banken auf. Während die Regionalbanken an Marktanteil verloren haben, haben PostFinance und die Gruppe andere Banken leicht zugelegt.
Hauptbankbeziehung nach Branche
Die Abbildung 2 zeigt auf, welche KMU nach Branchen bei welchen Bankengruppen ihre Hauptbankbeziehung pflegen. Die Grafik zeigt die Abweichungen zum Durchschnitt an. Es fällt beispielsweise auf, dass Raiffeisenbanken überproportional oft die Hauptbankbeziehung für Restaurants und Hotels sind. Gut jedes dritte KMU dieser Branche nennt eine Raiffeisenbank als ihre Hausbank. Das sind 14 Prozentpunkte mehr als der durchschnittliche Marktanteil über alle Branchen hinweg. Auf der anderen Seite pflegt dieser Wirtschaftszweig weniger oft eine Hauptbankbeziehung mit Kantonalbanken oder den beiden Grossbanken (4.5 bzw. 7.3 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt). Firmen der MEM-Industrie haben hingegen überproportional oft eine Hauptbankbeziehung mit Grossbanken und Kantonalbanken – sind aber weniger häufig bei einer Raiffeisenbank oder bei PostFinance.
Anzahl Kontobeziehungen nach Grösse
Hinsichtlich der «Anzahl Bankbeziehungen» unterscheiden wir zwischen KMU mit Bankbeziehungen in Form von «Kontobeziehungen» und in Form von «Kreditbeziehungen». Wie in Abbildung 3 dargestellt, hat der Anteil an KMU mit nur einer Kontobeziehung im Vergleich zur Umfrage 2016 etwas abgenommen. Noch immer pflegen aber 41.7 Prozent der KMU nur eine Kontobeziehung. 34.5 Prozent der KMU haben zwei Kontobeziehungen, während 7.5 Prozent der KMU vier oder mehr Kontobeziehungen haben.
Erwartungsgemäss unterhalten Mikrounternehmen im Durchschnitt weniger Bankbeziehungen als kleine oder mittlere Unternehmen. 48 Prozent der KMU mit 2-9 Beschäftigten verfügen nur über eine einzige Bankbeziehung. Im Durchschnitt haben Mikrounternehmen 1.74 Bankbeziehungen. Zwei von drei kleinen Unternehmen (10 bis 49 Mitarbeitende) haben zwischen zwei und vier Kontobeziehungen. Durchschnittlich verfügen KMU dieser Unternehmensgrösse über 2.27 Bankbeziehungen. KMU mit mehr als 50 Beschäftigten unterhalten in der Regel ebenfalls mehrere Bankbeziehungen (im Durchschnitt 3.17). Nur 15 Prozent der mittelgrossen Unternehmen verfügt nur über eine Bankbeziehung.
Anzahl Kreditbeziehungen der KMU
Das Bild der Kreditbeziehungen sieht leicht anders aus. Rund 82 Prozent der KMU mit einem Bankkredit haben nur mit einer Bank eine Kreditbeziehung (vgl. Abbildung 4). Weitere 14 Prozent der KMU hat mit zwei verschiedenen Banken Kreditbeziehungen und knapp 5 Prozent haben 3 oder mehr Banken als Kreditgeber.
Wenig überraschend verfügen grössere KMU typischerweise über eine höhere Anzahl an Kreditbeziehungen als kleinere KMU. Während Mikrounternehmen im Durchschnitt nur 1.15 Kreditbeziehung pflegen, liegen diese Werte bei den kleinen Unternehmen mit 1.33 und bei mittleren Unternehmen mit 1.92 etwas höher. Während die Schweizer KMU im Durchschnitt über 1.93 Bankkontobeziehungen verfügen, haben KMU mit einem Kredit im Durchschnitt mit 1.24 Banken eine Kreditbeziehung.
Wechselbereitschaft der KMU
Wie oben aufgezeigt, greift ein Grossteil der KMU auf eine oder zwei Banken zurück, um ihre Finanzgeschäfte zu tätigen. Vor diesem Hintergrund ist es interessant zu analysieren, welcher Anteil der befragten KMU in der Vergangenheit einen Wechsel ihrer Hausbank vollzogen hat. Zudem ist spannend zu untersuchen, ob KMU möglicherweise unzufrieden mit ihrer Hausbank sind und für die nahe Zukunft entsprechende Wechselabsichten hegen. Je höher die entsprechenden Wechselabsichten sind, desto höher ist die vermutete Unzufriedenheit mit den Hausbanken.
Abbildung 5 zeigt, dass nur sehr tiefe 1.4 Prozent aller KMU in den letzten zwölf Monaten die Hausbank gewechselt hat (2016: 2.3%). Auch im europäischen Vergleich ist die Wechselbereitschaft von Schweiz KMU eher tief einzustufen. Auf der anderen Seite planen etwas mehr KMU einen baldigen Wechsel in den kommenden zwölf Monaten als noch bei der letzten Umfrage 2016. 3.4 Prozent der KMU geben bei der diesjährigen Befragung an, dass sie bald die Hauptbankbeziehung wechseln möchten. Grundsätzlich sind beide Werte (durchgeführte Wechsel wie auch Wechselabsicht) tief und es kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Schweizer KMU grundsätzlich mit ihren Hausbanken zufrieden sind. Zudem ist ein Wechsel der Hauptbankbeziehung jeweils mit Aufwand in Form von Zeit und Kosten verbunden und um diese Aufwände zu rechtfertigen, müssten sich die Leistungen der neuen Hausbank deutlich von denen der letzten Hausbank abheben. Trotzdem ist bemerkenswert, dass die zukünftigen Wechselabsichten – wenn auch auf tiefem Niveau – zugenommen haben. Ebenso zugenommen hat der Anteil KMU, welcher bezüglich eines zukünftigen Wechsels noch unschlüssig ist (9.7% gegenüber 5.6%).
Fazit
Während Schweizer KMU im Durchschnitt bei 1.93 Banken über Kontobeziehungen verfügen, pflegen sie im Durchschnitt mit 1.24 Banken eine Kreditbeziehung. Das entspricht den tief erwarteten Werten. Gleichzeitig verfügen aber fast ein Viertel der – vor allem grösseren – KMU auch über drei oder mehr Bankbeziehungen. Insbesondere bei diesen Unternehmen ist die Position als «Hausbank» wichtig. Die Wechselbereitschaft ist zwar auch in einem internationalen Vergleich nach wie vor gering. Es planen derzeit aber mehr KMU einen Hausbankenwechsel, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass Hausbankbeziehungen oftmals in konjunkturellen Schwächephasen oder Krisen stärker leiden.
Wie wir oben aufgezeigt haben, sind die verschiedenen Bankengruppen in den verschiedenen Märkten unterschiedlich stark positioniert. Insgesamt sind aber die Kantonalbanken und die Grossbanken die klar wichtigsten Ansprechpartner für KMU. Die Raiffeisenbanken und PostFinance können am ehesten bei Mikrounternehmen und die Raiffeisen auch bei Hotels und Restaurants punkten.
PS: Die vollständige „Studie zur Finanzierung von KMU in der Schweiz 2021“ mit weiteren spannenden Resultaten wird bald publiziert und kann beim SECO und auf diesem Blog heruntergeladen werden
PPS: Weitere spannende Informationen zur Zufriedenheit und Wechselbereitschaft von Retailkunden werden wir anlässlich der Retail Banking Konferenz am Nachmittag des 25. November 2021 vorstellen.
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21. Oktober 2021
Banken brauchen neue Fähigkeiten, um die IT-Komplexität zu zähmen
Von Dr. Felix Buschor
Die IT-Landschaft der Banken hat sich den letzten Jahren stark verändert. Mehr oder weniger schleichend hat eine Entwicklung von kompakten und uniformen zu verteilten und diversen Systemlandschaften stattgefunden. Damit einher geht eine erhöhte Komplexität, deren Bewältigung mancherorts für Bauchschmerzen sorgt.
Gerade kleinere und mittlere Retailbanken, aber auch viele Privatbanken setzen seit Jahren Standardprodukte als Kernbankensysteme ein. Diese Kernbankensysteme sind in der Regel als Monolithen gebaut, was heisst, dass sämtliche Funktionalitäten in einer einzigen, umfangreichen Softwareanwendung zusammengefasst sind. Mit dem monolithischen Ansatz ist unter anderem die Idee verbunden, dass so viele Funktionalitäten wie möglich darin zusammengepackt sind. Für die Banken hatte dieser Ansatz über viele Jahre den Vorteil, dass sie alles aus einer Hand beziehen konnten. Die zugehörige IT-Strategie lautete, Funktionalitäten werden aus dem Kernbankensystem bezogen, und wenn diese dort nicht verfügbar sind, dann sind sie nicht nötig. Mit anderen Worten: Der Hersteller des Kernbankensystems wird schon wissen, was die Bank benötigt.
Die Systemlandschaften der Banken werden diverser und verteilter
Mancher CIO musste nun aber erfahren, dass diese auf das Kernbankensystem fokussierte Haltung je länger weniger aufrecht gehalten werden kann. Im Zuge der Digitalisierung haben nicht nur das Angebot an IT-Produkten, sondern auch die Bedürfnisse der Benutzerinnen und Benutzer und insbesondere der Kundinnen und Kunden zugenommen. Der CIO ist von seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Verkauf oder Vertrieb immer stärker unter Druck gesetzt worden, auch Software-Produkte von anderen Herstellern zuzulassen. Es hat ein Wandel von einem produkt-zentrierten zu einem kunden-zentrierten Software-Markt stattgefunden. Parallel hat eine ganze Reihe von technischen Entwicklungen stattgefunden, die dazu geführt haben, dass die Art und Weise wie Software gebaut, ausgeliefert und betrieben wird, sich komplett verändert hat. An dieser Stelle soll lediglich ein Beispiel herausgegriffen werden, nämlich das Architektur-Muster der Microservices, bzw. der Self-contained Services. Was sind Microservices? Vereinfacht gesagt wird durch das Architektur-Muster der Microservice eine große Anwendung in kleinere Anwendungen zerlegt, die voneinander unabhängig sind und je abgeschlossene Aufgaben zusammenfassen. Man sagt auch, dass die einzelnen Microservices untereinander lose gekoppelt sind. Der Ansatz der Microservices ist mit zahlreichen Vorteilen verbunden. So etwa bringen es voneinander unabhängige, eher schlanke Microservices mit sich, dass IT-Applikationslandschaften schneller entwickelt werden können und diese robuster sind, da im Falle einer Störung nicht das ganze System abstürzt, sondern nur ein Teilbereich. Mit dem Einsatz von Microservices oder Self-contained Services hat sich die IT-Landschaft der Banken zwar verändert, aber ganz auf den Kopf gestellt wurde sie trotzdem nicht. Die Kernbankensysteme sind immer noch im Einsatz, aber sie werden durch eine wachsende Zahl von Microservices, in der Praxis eher Self-contained Services[1] erweitert.
Insgesamt haben die Emanzipation der Benutzerinnen und Benutzer auf der einen Seite und neue technische Möglichkeiten auf der anderen Seite dazu geführt, dass sich die IT-Systemlandschaft der Banken von einer kompakten und uniformen zu einer verteilten und diversen Landschaft entwickelt hat (siehe Abb. 1).
Komplexitätsbewältigung durch Kompetenzen in Architektur, Integration & Orchestrierung
Wenn die Systemlandschaft verteilter und diverser wird, dann ist eine einleuchtende Konsequenz, dass die Komplexität deutlich zunimmt. Geht es darum, die zunehmende Komplexität unter Kontrolle zu halten, besteht eine Möglichkeit darin, geeignete Fähigkeiten aufzubauen. Welches könnten solche Fähigkeiten sein, die dabei helfen, die Komplexität der IT-Applikationslandschaft im Zaun zu halten? An dieser Stelle wird die Meinung vertreten, dass es deren drei sind: Architektur, Integration und Orchestrierung. Diese drei Kompetenzen können entlang des Lebenszyklus von Software angeordnet werden und zwar sowohl für den Fall der Entwicklung einer Individualsoftware als auch für den Fall der Einführung eines Standardprodukts (siehe Abb. 2)
Gelebte IT-Architektur deckt im Wesentlichen drei Themen ab: Erstens strukturiert sie die IT-Landschaft, indem sie beispielsweise festlegt, welche Funktionalitäten in eigenständigen Applikationen zusammengefasst werden. Zweitens verlangt sie zwingende Eigenschaften, die eine IT-Anwendung aufweisen muss. Dazu gehören etwa Vorgaben zur Betriebs- oder zur Informationssicherheit. Und drittens formuliert sie Design Prinzipien, die bei der Beschaffung oder dem Bau von Software zu berücksichtigen sind. Wird die IT-Architektur entlang dieser drei Aufgaben gelebt, dann vermag sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Kontrolle der Komplexität zu leisten.
Immer wenn eine Bank ihre IT-Funktionalitäten nicht mehr ausschliesslich aus dem Kernbankensystem bezieht, sondern die bestehende IT-Landschaft mit gekauften oder selber entwickelten Anwendungen erweitert, stellt sich die Herausforderung der Integration. In aller Regel hat die Integration in vier verschiedene Richtungen zu erfolgen. (a) Ein neues Softwareprodukt ist mit dem Backend und dort vor allem mit dem Kernbankensystem zu verbinden. (b) Ein neues Softwareprodukt ist in die Welt der Sicherheitssysteme der Bank zu integrieren. (c) Neue Anwendungen sind in die Infrastruktur-Landschaft der Bank einzubauen. Und (d) Mit Blick auf ein gelingendes Benutzererlebnis ist die Anwendung – beispielsweise mit Hilfe eines Portalansatzes – in die Benutzeroberfläche einzubetten. Da es sich bei der Integration häufig um eine schwierige, aufwändige und deshalb teure Angelegenheit handelt, lohnt es sich, diese sowohl in Bezug auf Methodik als auch in Bezug auf Toolunterstützung zu standardisieren, ja zu industrialisieren. Wenn die Integration in alle drei Richtungen gemäss einem standardisierten Vorgehen erfolgt, wird damit mit Bestimmtheit ein wichtiger Beitrag zur Kontrolle der Komplexität geleistet.
Orchestrierung als Kompetenz hat ihr hauptsächliches Einsatzgebiet in der Phase der Nutzung. Die Orchestrierung als Fähigkeit findet ihre Rechtfertigung in der Feststellung, dass Störungen im Betrieb einer verteilten und diversen Systemlandschaft um ein Vielfaches schwieriger zu analysieren und zu beheben sind als in einer kompakten, uniformen Landschaft. Unter Orchestrierung als Kompetenz wird deshalb verstanden, dass für die gängigen Benutzerreisen bekannt und dokumentiert ist, welche Anwendungen und technischen Komponenten in deren Verlauf verwendet werden. Man könnte sagen, dass die technischen und applikatorischen Stücklisten der Benutzerreisen vertraut sind. Gibt es solche Stücklisten, dann ist die Grundlage geschaffen, um eine aussagekräftige Betriebsüberwachung aufzubauen und um im Störfall ein zielgerichtetes sowie schnelles Issuemanagement zu garantieren.
Fazit
Die IT-Landschaften der Banken werden nicht zuletzt aufgrund der Benutzeranforderungen immer vielfältiger und diverser. Der CIO ist gefordert, Mittel und Wege zu finden, um die steigende Komplexität seiner Systemlandschaft zu zähmen. In diesem Blog wird die Meinung vertreten, dass der Aufbau geeigneter Fähigkeiten dazu einen Beitrag leisten kann. Für die Komplexitätsbewältigung zentrale Kompetenzen sind demnach das Durchsetzen einer klaren IT-Architektur, die Industrialisierung der Integration und schliesslich die Orchestrierung der in einer Benutzerreise eingesetzten Komponenten.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch). Sind Sie an vertiefenden Ausführungen zum Thema IT Skills interessiert? Dann melden Sie sich für das IFZ Bank-IT Forum «IT Skills-Management» vom 28. Oktober an (IFZ Bank-IT Forum: IT-Skills-Management (online) | Hochschule Luzern (hslu.ch))
[1] Self-contained Services sind vergleichbar mit Microservices. Wesentliche Unterschiede sind, dass Self-contained Services mehr Funktionalität zusammenfassen und im Gegensatz zu Microservices eine eigene Benutzeroberfläche aufweisen.
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18. Oktober 2021
Chatbots – Was können sie und wo können wir mit ihnen chatten?
Von Sophie Hundertmark
Chatbots sind in der Finanzwelt schon längst keine Seltenheit mehr. Doch wo bringen sie auch wirklich Mehrwerte und was sagen die Kunden dazu? Dieser Blogbeitrag beschreibt die häufigsten Anwendungsfelder von Chatbots, verknüpft mit Beispielen von Schweizer Banken und zeigt erste Findings aus der kommenden IFZ Studie “Conversational Banking“.
Genauso wie WhatsApp aus dem Privatleben kaum noch wegzudenken ist, sind auch Conversational User Interfaces (Chat-Interfaces) schon fast ein Muss für jedes Finanzunternehmen. Während im Privatleben jedoch meist noch zwischen Menschen gechattet wird, sitzen beim Chatten mit Unternehmen mehr und mehr Chatbots auf der Seite der Unternehmen. Durch den Einsatz von Chatbot ermöglichen Finanzunternehmen ihren Kunden eine automatisierte Kommunikation rund um die Uhr.
Im heutigen Blog-Beitrag werde ich einen Einblick in die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, Vorteile und Limiten von Chatbots geben. Zudem zeige ich einige Beispiele von Schweizer Banken, die Chatbots mehr oder weniger erfolgreich im Einsatz haben.
Was können Chatbots und wo können wir mit ihnen chatten?
1) Dialoge automatisieren
Grundsätzlich gilt: Es lohnt sich immer dann über den Einsatz von Chatbots nachzudenken , wenn Dialoge automatisiert werden können, weil die Fragen und Antworten vorhersehbar sind und wiederholend auftreten.. Üblicherweise kommen vor allem im Kundenservice eine Vielzahl an wiederkehrenden Fragen rund um Themen wie zum Beispiel “Karte verloren”, “PIN vergessen”, oder “Limite erhöhen” vor. Alle diese Fragen können mit einem Chatbot automatisiert beantwortet werden. Finanzunternehmen profitieren an dieser Stelle vor allem von einer gesteigerten Effizienz im Kundenservice, da eine Vielzahl der täglichen Anfragen nun automatisiert und ohne menschliche Mitarbeitende rund um die Uhr bearbeitet werden können. Für Kundinnen und Kunden führt dies vermehrt zur Zufriedenheitssteigerung, weil diese rund um die Uhr Antworten auf ihre dringenden Fragen bekommen und nicht in einer Warteschleife, wie es beispielsweise bei einer Telefon-Hotline der Fall ist, warten müssen.
Wichtig dabei ist, dass die Chatbots die Nutzerinnen und Nutzer nicht verärgern, sondern ihnen wirklich helfen können. Viele Chatbots verfügen nur über sehr kleine Datenbanken und haben somit Mühe die Useranfrage richtig einzuordnen und zu beantworten. In diesem Zusammenhang fallen oft die Begriffe KI-Chatbot und regelbasierte Chatbots. KI steht für künstliche Intelligenz und bedeutet, dass der Chatbot über eine KI verfügt, die es möglich macht, aus freien Usereingaben die Absicht der Kunden zu verstehen und eine Antwort zu generieren. Dies setzt aber eine ausreichend hohe Datengrundlage mit so genannten Trainingssätzen voraus. Die Alternative zu den KI-Chatbots sind regelbasierte Chatbots. Hier werden die User von dem Chatbot durch einen zuvor vordefinierten Gesprächsablauf geführt und können lediglich mit Buttons die Richtung des Gesprächs steuern. Freitexteingaben sind hier nicht möglich. Die Entscheidung ob mit oder ohne KI hängt vom Usecase und den eingesetzten Ressourcen ab und lässt sich nicht für jedes Unternehmen gleich beantworten.
Neben der angemessenen technologischen Ausgestaltung der Chatbots ist auch das Erwartungsmanagement bei Conversational Interfaces ein grosser Erfolgsfaktor. Wenn der Chatbot oder das Unternehmen zu hohe Erwartungen wecken, kann der Chatbot nie zu einer Zufriedenheit führen. Häufig empfiehlt es sich, den Chatbot zunächst nur für einen eingeschränkten Themenbereich anzubieten und dies auch den Nutzerinnen und Nutzern entsprechend zu kommunizieren. Ganz nach dem Motto “weniger ist mehr”, sollte besser ein Themengebiet umfassend abgedeckt werden, anstatt viele Themengebiete lückenhaft.
Aus der Praxis – bei der Raiffeisen
In der Schweiz hat die Raiffeisen Gruppe kürzlich den Chatbot “Tina” gelauncht. Tina ist ein regelbasierter Chatbot, bei dem User keine freien Fragen stellen können, sondern lediglich mit Buttons durch das Gespräch geführt werden. Tina hilft bei allen Fragen rund um Raiffeisen Twint. Ihre Zielgruppe sind zum einen Kunden, die Twint bereits nutzen und nun eine Frage haben, sowie User, die noch kein Twint haben, sich aber für die Nutzung und die Vorteile des Angebots interessieren. Für den Chatbot zur Entlastung des Kundenservices wurde bewusst ein Usecase gewählt, der eine Vielzahl der Fragen, die täglich im Callcenter ankommen, abdeckt und sich gleichzeitig sehr themenspezifisch einschränken lässt.
Aus internen Angaben von Raiffeisen Mitarbeitern habe ich gehört, dass der Chatbot sehr gut genutzt wird und das Feedback auch durchaus positiv ist. Bislang lässt sich aber nicht eindeutig zeigen, dass der Chatbot auch zu einer Reduzierung der Anrufe im Kundencenter geführt hat. Das Chatbot-Team der Raiffeisen sieht in diesem ersten Chatbot Use Case aber vor allem einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu weiteren Chatbots in der Raiffeisen Welt.
2) Prozesse automatisieren
Das Beantworten von wiederholenden Fragen durch den Chatbot führt bei den meisten Unternehmen zu einer Steigerung der Effizienz des Kundenservices. Zu noch mehr Effizienzsteigerung kommt es dann, wenn der Chatbot nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch gleich Prozesse auslöst und diese automatisiert bearbeitet. Sofern es sich um wiederholende Prozesse handelt, bei denen lediglich eine Schnittstelle zwischen Chatbot und weiteren Systemen benötigt wird, bietet sich die Automatisierung der Prozesse an. Der Chatbot bietet hier lediglich das Conversational User Interface an, die weiteren Prozesse im Hintergrund laufen dann in der Regel auf anderen Systemen. Beispiele für solche Prozessautomatisierungen sind das Verschicken von Dokumenten, das Zurücksetzen des PINs, das Vereinbaren von Beratungsterminen u.v.m.
Aus der Praxis bei PostFinance
In der Schweiz gilt vor allem PostFinance als Vorreiter für Chatbots in der Bankenwelt. Vor über vier Jahren hat die Bank ihren ersten textbasierten Chatbot auf der Webseite gelauncht. Im Laufe der Jahre haben sie festgestellt, dass sie mit dem klassischen textbasierten Chatbot zwar die Zahl der Anrufe im Callcenter reduzieren können, doch es bleiben noch eine Vielzahl von Kunden, die gar nicht mit einem Chatbot schreiben möchten. Die Bank ging daraufhin einen Schritt weiter und hat ihren ersten Voicebot entwickelt. Dieser ist per Telefon erreichbar und kommuniziert mit den Kunden von PostFinance in gesprochener Sprache. Damit der neue digitale Kollege dem Callcenter auch wirklich Arbeit abnehmen kann, gibt er nicht nur Auskunft, sondern kann sogar vereinzelte Prozesse auslösen. Kunden können so beispielsweise Kontoauszüge und Zins- und Saldoausweise vollautomatisch via Voicebot nachbestellen.
PostFinance hat während der Transformation von Text- zu Voicebot für sich gelernt, dass eine einheitliche Dialog-Engine langfristig die richtige Lösung ist. So werden alle Intents (Nutzer-Absichten, die der Bot verstehen soll) zunächst in einer gemeinsamen Dialog-Engine gesammelt und anschliessend für die Kanäle Text bzw. Voice leicht modifiziert.
Die Zahlen zeigen, dass der Ansatz der Post Finance in die richtige Richtung geht. Im März 2021 hat der Voicebot 8‘538 Anrufe automatisch beantwortet. Parallel dazu hat der textbasierte Chatbot 176‘098 Anfragen schriftlich beantwortet. Diese Zahlen müssen in Relation zu den restlichen 195‘286 Anrufen, die von menschlichen Mitarbeitern bearbeitet wurden, gesetzt werden.
3) Als Push-Kanal zum Kunden
Erste Laborexperimente zeigen, dass Chatbots zum Teil die besseren “Verkäufer” sind, verglichen mit einem klassischen Kundenberater respektive einer klassischen Kundenberaterin. Erste Studien deuten darauf hin, dass Kundinnen und Kunden einem Chatbot weniger “Eigeninteresse” in der Beratung unterstellen, als sie es bei einer Bankberaterin oder einem Bankberater tun.
Chatbots lassen sich somit also für Vertriebszwecke zum Cross- und Upselling einsetzen. Je nachdem an welchem Punkt der Customer Journey sich eine Kundin oder ein Kunde gerade befindet, kann der Chatbot dem User passende Angebote in Abhängigkeit zu seinem Webseiten-Verhalten oder seinen Aktivitäten im E-Banking Bereich empfehlen. Im Vergleich zu den klassischen Anrufen auf dem Callcenter, meldet sich der Chatbot nur, wenn Kundinnen und Kunden bereits in ihrem E-Banking eingeloggt sind. Kundinnen und Kunden sind also ohnehin gerade schon dabei sich mit ihrer Bank, ihrem Konto und ihrem Vermögen zu beschäftigen. Die Chance, dass sie sich dann auch kurz Zeit für die Kommunikation mit dem Vertriebs-Chatbot nehmen, ist in der Regel höher, als wenn ein Berater oder eine Beraterin seine Kundinnen und Kunden unerwartet per Telefon anruft.
Aus der Praxis – bei der Baloise Bank SoBa
Kundinnen und Kunden, die bei der Baloise SoBa eine Hypothek haben, welche bald abläuft, werden immer häufiger von einem einfachen Chatbot im Login-Bereich des E-Bankings begüsst und auf die Optionen der Hypothekenverlängerung hingewiesen. Der Chatbot ist im E-Banking Bereich der Kundinnen und Kunden und taucht genau dann auf, wenn diese für eine bestimmte Zeit eingeloggt sind und gleichzeitig noch eine ablaufende Hypothek haben.
In Zukunft erhalten auch Kundinnen und Kunden, die das passende Alter für eine Säule 3a Lösung haben und zudem über genügend Geld auf dem Konto verfügen, das Angebot vom Chatbot im E-Banking.
Die Zahlen zeigen, dass sich die Investitionen der Baloise SoBa hier lohnen. Der Chatbot zur Hypothekenverlängerung hat bei 41% der User, bei denen der Bot angezeigt wurde, entweder zu einem Abschluss oder mindestens zu einem Beratungsgespräch mit dem Kundenberater, um das Thema nochmal zwischen zwei Menschen besprechen zu können, geführt. Auffällig im Vergleich zu den anderen digitalen Assistenten der Schweizer Banken ist, dass die Chatbots der Baloise SoBa eigene Persönlichkeiten haben. Insgesamt gibt es vier unterschiedliche Chatbot-Persönlichkeiten, die in Abhängigkeit zum Use-Case oder zum Geschlecht der Kundschaft eingesetzt werden. So chatten die Kundinnen und Kunden der Baloise SoBa mit Lara, Luca, Marc oder Sandra. Die folgende Abbildung zeigt die Eigenschaften der 45-jährigen Sandra, die vor allem für Kundenserviceanfragen zuständig ist:
Und was wollen die Kunden?
Das IFZ hat kürzlich selbst eine Studie zum Thema Conversational Banking durchgeführt. Die Studie ist noch nicht veröffentlicht, aber erste Ergebnisse dürfen schon genannt werden. Bei der Studie wurde der Chat allgemein als Kommunikationskanal berücksichtigt. Es ging also nicht nur um Chatbots, sondern auch um asynchrone Messenger Chats mit realen Bankmitarbeitern.
Folgende drei Learning dürfen heute schon genannt werden.
- Bankkundinnen und kunden präferieren bei Chats mit ihrer Bank die bankeigenen Chatkanäle über die Banken-Webseite, das E-Banking oder die Banking App. Private Chat-Kanäle, wie WhatsApp oder Facebook, werden bei den meisten Kundinnen und Kunden für die Kommunikation mit einer Bank noch nicht akzeptiert.
- Die Bankkundinnen und -kunden können sich gut vorstellen, in Zukunft immer mehr einfache Bank-Prozesse, wie das Bestellen von Dokumenten, allgemeine Anfragen, die Abfrage des eigenen Kontostandes, Meldungen zu Änderungen (z.B. Adressen, Vollmachten, Limiten) oder klassische Überweisungsaufträge über den Chat-Kanal zu erledigen.
- Wenn es um Beratungen per Chat geht, dann sollten sich Banken am ehesten auf die jüngeren Zielgruppen fokussieren und diese zu einfachen Themen rund um Konten und Karten beraten.
Die Studie kann direkt bei Sophie Hundertmark (sophie.hundertmark@hslu.ch) vorbestellt werden.
Fazit
- Der Einsatz von Chatbots macht vor allem bei wiederholenden Anfragen im Kundenservice Sinn.
- Das Erwartungsmanagement ist bei Chatbots ein wichtiger Erfolgsfaktor. Oft empfiehlt es sich, klein anzufangen und den Bot anschliessend stetig auszubauen. Diese Strategie muss auch an die Kundinnen und Kunden kommuniziert werden, damit die Erwartungen von Anfang an richtig gesetzt werden.
- Chatbots können auch ganze Prozesse automatisieren und damit die Effizienz der Banken deutlich steigern.
- Chatbots müssen nicht immer nur auf Kundenanfrage reagieren, sie können dem Kunden auch proaktiv ein passendes Angebot vorschlagen und somit den Vertrieb ergänzen.
- Je nach Use-Case und Zielgruppe kann es von Vorteil sein, wenn die Bank unterschiedliche Chatbot Persönlichkeiten testet und einsetzt.
PS: Falls Sie diesen Blog-Beitrag spannend fanden und gern mehr über das Thema Conversational Financial Services lernen wollen, dann sind Sie herzlich eingeladen, sich für das Seminar Conversational Financial Services am 3.11. in Rotkreuz anzumelden. Das Seminar dauert einen Tag und wird von Prof. Dr. Nils Hafner und Sophie Hundertmark geleitet. Mit dabei sind einige Gastreferenten mit Erfahrung aus der Schweizer Chatbot-Welt.
PPS: Auch empfehlen können wir Ihnen die neue Folge des IFZ Digital Banking Podcast. In diesem Podcast spricht Prof. Dr. Andreas Dietrich mit dem CEO der Zürcher Kantonalbank, Martin Scholl, über die Entstehung von frankly.zkb, die Marken- und Marketing-Strategie, die Überlegungen hinter dem für eine Bank ungewöhnlichen Pricing, die bisherigen Zahlen und Entwicklungen sowie die geplanten nächsten Schritte. Im knapp 20 Minuten Gespräch – eine kurze Zug- oder Autofahrt – können Sie viel über das Angebot und die Ziele erfahren. Reinhören lohnt sich – auf Spotify oder überall sonst, wo es Podcasts gibt.
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11. Oktober 2021
Die Zuger Kantonalbank lanciert ihr Kundenportal – was dies strategisch für das E-Banking der Zukunft heissen könnte
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Mitte September hat die Zuger Kantonalbank ein Kundenportal lanciert. Im heutigen Blog zeige ich auf, warum sich die Bank zu diesem Schritt entschieden hat, welche Funktionen im Portal angeboten werden und welchen Einfluss dieser Entscheid auf das E-Banking der Zukunft der Zuger Kantonalbank haben könnte.
Die Zuger Kantonalbank hatte das Bedürfnis, ihren Kundinnen und Kunden verschiedene zusätzliche Services anzubieten, die in dieser Form derzeit (noch) nicht in der vorhandenen E-Banking-Lösung integriert werden können. Nach verschiedenen Analysen hat sich die Bank dazu entschieden, ein Kundenportal als Ergänzung zum E-Banking und Mobile Banking zu lancieren. Dabei soll das Kundenportal eine Art «sicherer Parallelraum» zum E-Banking sein. Auch die Login-Daten für die Kunden sind gleich wie im E-Banking.
Im Kundenportal kann ein Kunde gegenüber dem klassischen E-Banking-Kanal zusätzliche Services und Produkte abschliessen. Für die Zuger Kantonalbank sind insbesondere digitale Angebote, welche die Beratungsleistungen unterstützen und die Kundeninteraktion betreffen, strategisch hoch relevant. Dass diese Themen wichtig sind für die Bank kann man auch daran erkennen, dass die Zuger Kantonalbank in unserer Studie «Digitalste Schweizer Retail Banken» im Bereich der Touchpoints führend war (vgl. der Blog-Artikel dazu). Das Kundenportal soll das hybride Modell der Beratungsleistungen in Kombination mit digitalen Touchpoints weiter ergänzen.
Um die verschiedenen Angebote lancieren zu können, mussten in den vergangenen zwei Jahren zuerst einige technische Voraussetzungen geschaffen werden. Hierfür wurden viele Arbeiten selber gemacht.
Das Kundenportal basiert auf dem Zuger Kantonalbank Webframework (Design, html, css), welches für die Website, diverse Applikationen und das Intranet im Einsatz ist. Zudem bedient es sich Finnova Schnittstellen (Finnova Integration Layer).
Welche Funktionalitäten sind im Kundenportal?
Grundsätzlich sind alle transaktionalen Funktionalitäten weiterhin im Finnova E-Banking respektive Mobile Banking der Zuger Kantonalbank zu finden. Die eher Sales- und Marketing-lastigen Funktionalitäten finden sich hingegen in erster Linie im Kundenportal (vgl. Abbildung 1). Die Authentisierung wird dabei vom E-Banking ins Portal «weitergegeben», so dass der Kunde sich nur einmal einloggen muss.
Auf dem Portal finden sich beispielsweise der Chatbot und der Live-Chat. Auch verschiedene Funktionalitäten rund um die Online-Beratung (Screen-Sharing, Document Sharing, Co-Browsing, Voice und Video) sind ausschliesslich auf dem Portal und nicht im E-Banking zu finden. Des Weiteren sind das Kampagnen-Management, die Newsletter und weitere Tools wie beispielweise der Hyporechner, in das Portal integriert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die elektronische Vertragssignierung via Kundenportal. Die Vertragsunterschrift findet dabei soweit möglich online und elektronisch statt (fortgeschrittene elektronische Signatur). Das Ziel ist es, vom Vertragsabschluss (Konto 3a, Fondsparplan, etc.) bis hin zur Archivierung alles elektronisch abzubilden.
Gemäss Aussagen der Bank, ist die Zuger Kantonalbank mit der Nutzung der neuen Services in den ersten Tagen nach der Lancierung sehr zufrieden. Interessant ist, dass viele Kundinnen und Kunden auch ihre persönlichen Daten (Telefonnummern, E-Mail Adressen, etc.) aktualisiert oder über die getätigten Abschlüsse ihre Stammdaten ergänzt haben.

Ist eine Kundin oder ein Kunde im E-Banking, kann sie/er systembedingt nur über den Bereich «Weitere Services» ins Kundenportal wechseln. Aktuell lässt das E-Banking nur eine marginale Integration von Fremdinhalten zu. Wie gut diese Wegleitung in der Praxis funktionieren wird, ist für mich unklar. Kunden gehen in der Regel im E-Banking zielgerichtet vor und suchen nicht nach neuen Funktionalitäten. Entsprechend ist der Absprung ins Portal aus meiner Sicht derzeit noch zu wenig prominent platziert. Die Bank versucht aber, durch E-Banking Banner, Begrüssungskampagnen («Popups»), Newsletters, Mitarbeitendenschulungen oder auch über Hinweise bei ihren Bancomaten, Kundinnen und Kunden auf die neuen Optionen hinzuweisen. Zudem werden auf der Website Direktverlinkungen (sog. «Deep-Links») ins Portal angeboten. So wird zum Beispiel beim Wunsch einer Kontoeröffnung nach dem Login direkt auf das entsprechende Eröffnungsformular verlinkt.
Auf dem Kundenportal werden die Kundinnen und Kunden der Zuger Kantonalbank von einer etwas anderen Welt als im E-Banking empfangen. Die gewählten Farben sind zwar aus naheliegenden Gründen ähnlich. Der optische Unterschied vom Portal zum E-Banking fällt aus meiner Sicht aber rasch und deutlich auf (siehe Abbildung 2). Das Portal ist gegliedert in die Bereiche «Konten und Karten», «Anlegen» «Hypotheken», «Vorsorgen» sowie «Beratung & Services». Im Bereich Anlegen können beispielsweise – dank der Möglichkeit der fortgeschrittenen elektronischen Signatur – online Depots eröffnet werden (eigentlich schade, dass dies nicht direkt im E-Banking möglich ist). Im Bereich «Eröffnung eines Sparen 3-Kontos» gilt das Gleiche. Auch dieses kann (nur) im Portal eröffnet (und elektronisch unterschrieben) werden.
Unter «Beratung und Services» können beispielsweise online Termine vereinbart werden. Der Bereich Hypotheken ist diesbezüglich derzeit noch weniger stark ausgebaut. Hier gibt es einerseits die Möglichkeit, den Hypothekenrechner zu nutzen. Auf der anderen Seite kann für das Hypotheken-Erstgespräch online ein Termin vereinbart werden (das geht sowohl im Portal als auch auf der Webseite). Weitere Funktionalitäten können der Abbildung 3 entnommen werden.
Die entsprechenden Angebote und vielfältigen Möglichkeiten für Neuabschlüsse in einer virtuellen Geschäftsstelle finde ich begrüssenswert. Die «Öffnungszeiten» der Online Geschäftsstelle sind hingegen weiterhin sehr traditionell. Video und Chat stehen jeweils von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 17 Uhr zur Verfügung.
Fazit
Das Online- und Mobile-Banking sind seit längerem neben dem Filialgeschäft eine tragende Säule des Privatkundengeschäfts. Es ist davon auszugehen, dass Bankkundinnen und Bankkunden zukünftig einen noch grösseren Anteil ihrer Geschäfte via Online- und Mobile Banking erledigen werden. Bereits heute nutzen gemäss einer Studie des IFZ und ti&m (2020) 89 Prozent aller befragten Teilnehmenden E-Banking und 54 Prozent Mobile Banking.
Interessant ist dabei insbesondere die Nutzungshäufigkeit: Beispielsweise schauen 66 Prozent der Befragten mindestens wöchentlich ihren Kontostand an. Dieser regelmässige Kundenkontakt ist aus Bankensicht erfreulich und bietet interessante Chancen für die Finanzindustrie.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass sich Banken intensiv Gedanken zum Online und Mobile Banking der Zukunft machen und das Thema strategisch ein hohes Gewicht hat. Gerade die Agilität und Reaktionsgeschwindigkeit auf Bankenseite oder das Thema des Nutzungserlebnisses («User Experience UX») gewinnen dabei – nicht zuletzt durch den Druck der Neobanken oder von BigTechs – an Bedeutung.
Die Zuger Kantonalbank hat sich dazu entschieden, ein von der Kernbankensystem-Welt von Finnova losgelöstes zusätzliches Portal zu bauen. Dieses Portal ist heute noch schwierig auffindbar für Kunden, da der Absprung aus dem Online Banking aus meiner Sicht noch nicht optimal gelöst ist. Mittelfristig wird aber möglicherweise das Kundenportal im Zentrum der Kundenschnittstelle stehen und die transaktionalen Funktionalitäten aus dem heutigen Online Banking nur noch als eine Art «Widgets» im Kundenportal integriert sein. Aus Sicht der Zuger Kantonalbank liegt der Vorteil darin, dass die immer wichtiger werdende User Experience und das «look and feel» von der Zuger Kantonalbank selbstständig und schnell(er) angepasst werden können. Zudem können neue Funktionalitäten oder Services schneller und ohne Release des Kernbankensystems integriert werden. Auch eine stärkere Verschmelzung von Portal und Webseite ist durchaus möglich. Gemäss Christof Tscherter, Leiter Digital Banking, wird das ZugerKB Kundenportal noch in diesem Jahr mit drei bis vier weiteren Services und Online-Angeboten ergänzt.
Sollte dieses Modell «Schule» machen, würde sich entsprechend die E-Banking und Mobile Banking-Landschaft in den kommenden Jahren verändern.
Kommentare
6 Kommentare
Jordan
29. Oktober 2021
Es wäre interessant zu erfahren, wie die Banken Investment-/Roboadvisor-Lösungen (z. B. Whitelabel) in ihre Plattformen integrieren - die BLKB ist ein Beispiel dafür.
Peter
13. Oktober 2021
Übertragen auf eine Bankfilale muss ich, wenn es um mein Geld geht immer in einen eigenen Raum gehen und das allgemeine Blabla macht man in einem anderem Raum. Es zeigt wie sehr die Banken von Finnova etc. abhängig sind und wie wenig flexibel diese Lösungen sind. Für den Kunden wäre ein "Raum" besser, indem man alles klären kann.
Nigge
11. Oktober 2021
Für die Kund*innen ist es nicht so einfach zwischen e-Banking und Kundenportal zu unterscheiden. Zudem frage ich mich, ob aus Kundensicht überhaupt differenziert werden muss.
Nicole
11. Oktober 2021
Wer war bei der Umsetzung beteiligt? Hat das Portal die Finnova erstellt oder ein Dritthersteller?
Prof. Dr. Andreas Dietrich
11. Oktober 2021
Meines Wissens hat Finnova nicht an der Gestaltung des Portals mitgearbeitet. Viel wurde intern bei der Zuger KB gemacht. Beste Grüsse, Andi DIetrich
David Strebel
11. Oktober 2021
Andere Banken haben es schon vorgemacht. Die Nutzung des Kundenportals ist hochgradig abhängig vom Zusammenspiel bzw. der Integration mit dem transaktionsorientierten E-Banking (siehe z.B. Olivia der TKB). Gute Userjourneys bedingen oftmals das Aufbrechen der traditionellen EBanking-Silos. Das ist für die Banken gleichermassen eine Herausforderung wie für die Systemanbieter und braucht Durchhaltevermögen.
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