20. September 2021
American Football für Banken
Von Dr. Felix Buschor
James P. Womack hat Anfang der 1990-er Jahre die Prinzipien des Lean Managements, wie sie vor allem Toyota entwickelt hat, in der westlichen Hemisphäre populär gemacht. Mit etwas Verzögerung haben in den 0-er Jahren auch Banken angefangen, mit Lean Ansätzen zu experimentieren. Sie beabsichtigen damit, Arbeitsleistung und Ressourcen so zu fokussieren, dass ein möglichst grosser Kundennutzen resultiert.
Die SGKB hat im Nachgang zur Einführung der Avaloq-Plattform 2008 begonnen Lean Ansätze einzuführen – in erster Linie, um die Verarbeitungsprozesse zu optimieren. Die LLB wiederum hat im Rahmen ihrer Strategieplanung für die Jahre 2016-2020 Lean Management zu einem bankweiten Schwerpunkt erklärt.
Das Huddle-Board stärkt das Wir-Gefühl
Zwecks Verankerung der Lean Gedanken im Berufsalltag hält der Lean Werkzeugkasten die täglichen Huddles bereit. Huddles haben ihre Wurzeln im American Football, wo sie die Versammlung der Spieler vor dem nächsten Spielzug bezeichnen (siehe Abb. 1).
Sowohl LLB als auch SGKB führen als Teil ihrer Lean Initiativen Huddles durch. Diese Huddles sind kurze, d.h. fünf- bis maximal fünfzehn-minütige tägliche Steh-Meetings. Herzstück dieser Team-Meetings ist das Huddle-Board. Die täglichen kurzen Huddles helfen den Teams beider Banken gleich in mehrfacher Hinsicht:
- Den Tagesablauf zu planen,
- die Umsetzung von Verbesserungsideen zu verfolgen und sicherzustellen,
- Wissen, wo das Team in Bezug auf Leistung, Auslastung, Abwesenheiten und Stimmung steht und
- Informationen dem ganzen Team zugänglich zu machen
Zu diesen Punkten werden auf dem Huddle-Board tagesaktuell und für das ganze Team sichtbar Informationen und Entscheide visualisiert. Diese werden soweit möglich durch die Teamleiter/innen und Teammitglieder vor dem Meeting aufdatiert. Auch hier gilt: Der Zeitbedarf muss gering sein.
Am Team-Meeting selber erhalten die Teammitglieder Gelegenheit, sich zu aktuell laufenden, geplanten und abgeschlossenen Aufgaben sowie allfälligen Blockierungen zu äussern. Die Moderation des Team-Meetings erfolgt bei beiden Banken nicht zwingend durch die Teamleiter/innen, sondern kann auch von engagierten Mitarbeitenden übernommen werden.
Beide Banken betonen, dass die allermeisten Teams nach anfänglichen Bedenken das tägliche Huddle-Board nicht mehr missen wollen. Die offene Kommunikation, das voneinander Lernen sowie das gegenseitige Aushelfen, kurz das gestärkte Wir-Gefühl sind für alle deutlich spürbare Vorteile. Einziger Wermutstropfen: Für beide Banken kaum nachzuweisen ist eine «Bottom-Line-Wirkung» der Huddles. Der tägliche Aufwand für die Team-Meetings lässt sich noch gut abschätzen, beim finanziellen Vorteil wird es anspruchsvoller. Beide Banken betonen aber, dass die tägliche Abstimmung Leerzeiten reduziert und dadurch freie Kapazitäten schafft.
Standard-Board bei der LLB – Mutter-Board bei der SGKB
Als Teil der gruppenweiten Lean-Strategie hat die LLB beginnend ab 2016 tägliche Team-Meetings eingeführt, deren Dreh- und Angelpunkt das Huddle-Board ist. Die LLB hat für ihre Team-Meetings ein Standard-Board (Abb. 2) entwickelt, das sich dadurch auszeichnet, dass Massnahmen zur Umsetzung von Verbesserungsideen einen hohen Stellenwert haben und bei erfolgreicher Umsetzung auch entsprechend gewürdigt und gefeiert werden sollen. Mit dem Standard-Board verfolgt das Lean-Team der LLB die Absicht, über alle Teams sehr ähnliche Boards im Einsatz zu haben. Passend zum Standard-Board instruiert die LLB auch einen Standard-Ablauf (siehe Abb. 2). Danach wird das Team-Meeting mit dem Teambarometer zur Stimmung gestartet, allfällige neue Ideen werden diskutiert und priorisiert, die Umsetzung laufender Ideen wird besprochen, Erfolge werden gewürdigt und Informationen ausgetauscht. Neben dem Moderator des Team-Meetings hat die LLB auch vorgesehen, dass für jedes Huddle-Board ein «Owner» nominiert wird, der dieses bewirtschaftet.
Die SGKB hat das Huddle-Board im Verlaufe des Jahres 2018 ausgerollt, nachdem ein Teamleiter im Anschluss an einen Kurs in seinem Team das Huddle-Board erfolgreich eingeführt und andere Teams mit seiner Begeisterung angesteckt hatte. Im Unterschied zur LLB hat die SGKB von der Implement Consulting Group ein «Mutter-Board» (siehe Abb. 3) als Quelle der Inspiration übernommen. Im Zentrum dieses Boards steht die tägliche Einsatzplanung des Teams. Ausgehend von diesem Mutter-Board haben die Teams ihre eigenen Huddle-Boards entwickelt, was zu einer grossen Vielfalt unterschiedlicher Varianten geführt hat. Die individualisierten Boards wurden teamweise in einer «Bastelstunde», angeleitet von internen und externen Lean Coaches mit Schere und Papier konzipiert und hergestellt. Vorbereitend hat für die Teamleiter/innen und deren Stellvertreter/innen ein eineinhalb-tägiges Lean Leadership Training stattgefunden. Nachdem ein Team einige Huddles durchgeführt hatte, haben die Lean Coaches zwei Meetings beobachtet und Feedback gegeben. Da jedes Team sein Huddle-Board massgeschneidert hat, wurden im Rahmen eines Erfahrungsworkshops die verschiedenen Boards gegenseitig vorgestellt, um voneinander zu lernen. Mangels eines einheitlichen Boards kennt die SGKB im Gegensatz zur LLB keinen standardisierten Ablauf des Team-Meetings.
Während die SGKB das Basteln des eigenen Huddle-Boards ins Zentrum der Einführung stellte, wählte die LLB den Ansatz des Learning by Doing. In dessen Verlauf hat das zentrale Lean Kompetenzzentrum der LLB teamweise zuerst die Basis für das Huddle-Board gelegt. Fixiert wurden Standort des Huddle-Boards und Zeitpunkt des täglichen Team-Meetings. Dann wurde mit den nominierten Moderatoren ein fiktives Team-Meeting entlang dem definierten Ablauf durchgeführt. Nach dieser kurzen Einführung wurde jedes einzelne Team in seinen täglichen Meetings solange von einem Mitarbeitenden des Lean Kompetenzzenters begleitet, bis Ablauf und Einsatz des Huddle-Boards eingeschliffen waren.
Bei der LLB Einsatz in allen operativen Teams – bei der SGKB auch in Führungsteams
Die LLB hat die täglichen Team-Meetings gruppenweit für alle im Tagesgeschäft tätigen Teams eingeführt. Dazu gehört nicht nur das Mutterhaus, sondern auch die Schweizer Tochtergesellschaft Bank Linth. Zuerst wurden die Huddle-Boards bei den Verkaufsteams und später in den Teams der zentralen Einheiten eingeführt. Demgegenüber hat die SGKB die Ausbreitung des Huddle-Boards auf Verarbeitungseinheiten konzentriert. Neben den Verarbeitungseinheiten haben weitere Teams zentraler Einheiten die Idee des Huddles passend auf ihre Bedürfnisse umgesetzt. So sind etwa in der Informatik Huddle-Boards mit grossen Ähnlichkeiten zu agilen Instrumenten, z.B. Kanban-Boards im Einsatz. Während sich bei der LLB die Huddles auf die operativ tätigen Teams beschränken, führen in den Verarbeitungseinheiten der SGKB auch Führungsteams regelmässig, allerdings nicht täglich, Huddle-Boards durch.
Nachahmung empfehlenswert
So unterschiedlich die Ansätze der beiden Banken sind: Beide kommen zum Schluss, dass die Einführung des Huddle-Boards empfehlenswert ist. Allerdings müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Experimentierfreudige Kultur, Unterstützung durch die Führungskräfte und klare Kommunikation, wie mit realisierten Einsparungen umgegangen wird. Gerade der letzte Punkt ist entscheidend fürs Engagement der Mitarbeitenden. Eine der beiden Banken geht diesbezüglich so weit, den Mitarbeitenden zuzusichern, dass Effizienzgewinne nicht zu Entlassungen führen, sondern als Teil natürlicher Fluktuationen realisiert werden. Sind die Rahmenbedingungen geschaffen, und wird beherzigt, dass der Aufwand für die Huddles gering zu halten ist sowie Anfangsschwierigkeiten, kein Grund sind aufzugeben, steht einem Erfolg des Huddle-Boards nichts mehr im Wege.
Mein Dank gilt den Interviewpartnern: Cornelia Studer und Sascha Strazzer, beide LLB sowie Andreas Barattiero, SGKB.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch).
15. September 2021
Aktuelle Zahlen und Entwicklungen der Hypothekenplattform key4 von UBS
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Die von key4 by UBS zur Verfügung gestellten Daten beziehen sich in erster Linie auf das selbstbewohnte Wohneigentum. Renditeliegenschaften, welche über UBS Atrium abgewickelt werden, wurden nicht einbezogen.
- key4 wurde im Juli 2020 lanciert. Nach einem Jahr, per Ende Juni 2021, hatte key4 CHF 180 Millionen vermittelt. Zwischenzeitlich hat sich das Volumen per Ende August auf CHF 210 Millionen erhöht. Entsprechend wurden in den beiden «Sommer»-Monaten Hypothekarvolumen in der Höhe von weiteren CHF 30 Millionen abgeschlossen.
- Das durchschnittliche Kreditvolumen bei key4 beträgt rund CHF 500’000.
- Entsprechend wurden bislang ca. 420 Hypotheken über key4 abgeschlossen.
- Rund 80 Prozent der bisherigen Abschlüsse betreffen Ablösungen, 20 Prozent Neuhypotheken. Zu berücksichtigen gilt, dass das Angebot von Neuhypotheken erst in Oktober gestartet ist.
- Die beliebteste Online-Hypothek ist die zehnjährige Festhypothek. Sie macht etwa 40 Prozent der Gesamtabschlüsse aus.
- Kunden von key4 kommen aus 23 der 26 Kantone. Fast die Hälfte der Abschlüsse (in Summe) werden in den Kantonen Zürich, Aargau und Waadt abgeschlossen.
- Fast 500’000 Besuche konnten seit der Lancierung der key4.ch-Webseite verzeichnet werden. Davon nutzen 61 Prozent der Kunden ein Mobile Phone, 35 Prozent einen Desktop und 4 Prozent ein Tablet.
- Atrium, die Plattform für Renditeliegenschaften, hat in diesem Jahr per Ende Juni 2021 ein Volumen von CHF 300 Mio. vermittelt. Insgesamt werden somit über beide Plattformen hinweg verwaltete Hypotheken bis Ende Juni von über CHF 2.2 Mia. verwaltet.
Neuerungen des Geschäftsmodells
Im Oktober 2020 habe ich letztmals über key4 geschrieben. Seit diesem Artikel hat die UBS unter anderem die folgenden Anpassungen am Modell vorgenommen:
- Einführung eines «real estimation services», welcher basierend auf Daten von Wüest und Partner eine Bewertung zum Wert der Immobilie zur Verfügung stellt.

- Seit einigen Monaten können die Kundenberater:innen auf Kundenwunsch ihren Bildschirm teilen, um Dokumente (z.B. Finanzierungsvorschlag) in Beratungsgesprächen zu teilen. Als Tool wird Zoom verwendet.
- Seit August 2021 können sich potenzielle Kundinnen und Kunden in der key4 Zone registrieren um mit Beratern in virtuellem Kontakt zu kommen und Dokumente sicher auszutauschen.
- Zuvor konnten die Investoren die Hypothekar-Preisbildung «nur» pro Kanton bestimmen. Neu können die Investoren die Preisbildung pro MS-Region abstimmen, was aus meiner Sicht in Anbetracht der grossen Preis- und auch Margenunterschiede innerhalb von Kantonen Sinn macht.
- Weiterer Ausbau des Ökosystems (siehe nächstes Kapitel).
Ökosystem
Auch das Ökosystem wurde in den vergangenen Monaten weiter ausgebaut. Zentral ist für die UBS insbesondere die geplante strategische Partnerschaft im Ökosystem «Home & Living» mit der Baloise. Beide Konzerne bringen einige interessante Beteiligungen, wie zum Beispiel Houzy, Bubble Box, Movu oder Batmaid in die Kooperation ein und weitere Partnerschaften wurden abgeschlossen (z.B. Novac, quitt). Durch die Kombination der Angebote der beiden Konzerne mit den verschiedenen jungen Firmen soll ein Dienstleistungsnetzwerk entstehen, welches das Leben der Kundinnen und Kunden rund um das Thema «Haus und Wohnen» einfacher machen soll.
key4 hat zudem bereits über ein Dutzend Vertriebskooperationen mit Partnern aus der Immobilienwirtschaft und mit Finanzierungsvermittlern aufgebaut. Dank der key4 API-Schnittstelle können die Partner ihren Kunden und Usern tagesaktuell die Zinsangebote anzeigen, welche für ihre Anfrage auf der key4 Plattform bereitgestellt werden.
Wie aber auch in anderen Blog-Artikeln schon erläutert, ist das Ökosystem von UBS und Baloise nicht das einzige im Schweizer Markt. Neben der UBS haben die Mobiliar und Raiffeisen Liiva lanciert (vgl. meine Einschätzung zu diesem Ökosystem hier) und auch Helvetia konzipiert mit MoneyPark eine Plattform zum Thema «Wohnen». Vermutlich werden mittelfristig bis langfristig mehrere solcher Plattformen nebeneinander existieren können. Der Konkurrenzkampf um das «beste Ökosystem» wird aber sicherlich zunehmen.
Fazit und Ausblick
Gemäss unserer gemeinsam mit e.foresight erstellten Studie beträgt das Online-Hypothekarvolumen im Jahr 2020 rund CHF 6.1 Milliarden. Mit einem Marktanteil von 3.7 Prozent im Verhältnis zum jährlich abgeschlossenen Hypothekarvolumen ist der Markt für Online-Hypotheken damit weiterhin in einer Nische. Wie man aber bei den oben vorgestellten Zahlen von key4 – oder auch den kürzlich vorgestellten Volumen von Valuu sehen kann – wachsen die Plattformen aber weiterhin. Natürlich hat key4 mit dem derzeitigen Volumen, gemäss meiner Einschätzung, die Gewinnschwelle noch nicht erreicht. Durch das im Vergleich zu anderen Vermittlungsplattformen breitere Dienstleistungsangebot und das dadurch höhere Erlöspotenzial pro vermitteltes Geschäft, könnte key4 diesen Schritt im Vergleich zu anderen Plattformen aber mit tieferen Volumina erreichen. In Kombination mit der wohl bereits profitablen Plattform Atrium mit Fokus Renditeliegenschaften und unter Annahme eines weiterhin verstärkten Wachstums ist gemäss meinen Einschätzungen der Break-even Point mittelfristig realistisch. Generell wird es interessant sein, den Markt für Hypothekenvermittler zu beobachten. Der Kuchen wird weiterhin wachsen – die Anzahl der Marktteilnehmer wird hingegen wohl nicht weiter zunehmen und auch eine gewisse Konsolidierung ist mittelfristig nicht auszuschliessen.
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6. September 2021
Rückblick auf die Sourcing Konferenz 2021
Von Dr. Urs Blattmann
Auch dieses Jahr wurden an der IFZ Sourcing Konferenz wieder zahlreiche neue Entwicklungen präsentiert. Nebst der Vorstellung der Sourcing Studie bildeten die zwei Themen-Blöcke «Ökosysteme» sowie «IT und Strategie» die Schwerpunkte der Konferenz. Im heutigen Blog zeigen wir einen kurzen Rückblick auf die Referate und die vorgestellten Konzepte.
Vorstellung der IFZ Sourcing Studie
Dr. Urs Blattmann, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ – Hochschule Luzern-Wirtschaft
Zum einen wurde auf die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus den Umfragen bei Banken und Anbietern eingegangen, zum andern ausführlich über den Schwerpunkt der Studie – Ökosysteme Wohnen in der Schweiz – und deren Auswirkungen auf den Hypothekarmarkt sowie generell auf die schweizerische Finanzindustrie berichtet. In diesem Blog wurde schon früher auf die Frage «Verändern Ökosysteme rund ums Wohnen das Hypothekargeschäft?» eingegangen. Die IFZ Sourcing Studie findet sich hier.
Wohneigentümerplattform Mobiliar & Raiffeisen: Ganzheitliche Lösungen zum Thema Wohnen über ein hybrides Ökosystem
Roland Altwegg, Bereichsleiter Neue Geschäftsmodelle & Ökosysteme, Raiffeisen und Thomas Trachsler, Leiter Geschäftsleitungsbereich Versicherung, Mobiliar
Die beiden Referenten präsentierten die Überlegungen ihrer Unternehmen, die zur Gründung von Liiva geführt haben und zeigten auf, welche Angebote Liiva derzeit enthält und was für die Zukunft noch angedacht ist. Über Liiva haben wir in diesem Blog bereits berichtet.

TEO – ein Ökosystem für Banking und mehr
Hessam Khorassani, Head of Marketing and Sales bei COMECO GmbH & Co. KG, Stuttgart
TEO, das Ökosystem der Sparda Banken in Deutschland, bietet seinen Kunden auf der Basis von PSDII Multibanking, d.h. das Handling sowie einen Gesamtüberblick über Konten unterschiedlicher Banken an, und übernimmt so die Funktion eines Finanz-Cockpits für den Kunden. Darüber hinaus werden dem Kunden eine Vielzahl von Dienstleistungen geboten, welche den Kunden einen konkreten Mehrwert bieten. Dazu gehören u.a. Einkaufsgutscheine, mit denen Kunden gewisse Produkte oder Dienstleistungen günstiger erwerben können.
Interessante Punkte der Präsentation waren u.a.:
- Die 600’000 Nutzer von TEO verfügen insgesamt über 2.5 Mio Konten.
- Sie loggen sich über 8 Mio. mal pro Monat ein.
- Über 100’000 Nutzer der Plattform gaben TEO ihre Einwilligung, ihre Finanzdaten zu analysieren und individualisierte Angebote zu unterbreiten.

Die grosse Frage aber bleibt: Wohin wird das Banking transformiert? Die digitale Transformation hat von Taxis zu Uber und vom Fernsehen zu Netflix geführt – was wird im Banking auf uns zukommen? TEO will auf jeden Fall europäisch werden und steht auch einem Start in der Schweiz positiv gegenüber. Hilfreich ist, dass die Plattform modulartig aufgebaut ist und auch ‘white labelled’ zur Verfügung steht.
OpenWealth – Standardisierung als Basis für Ökosystem und Plattform Business Modelle
Raphael Bianchi, Partner und CEO, Synpulse und Dr. Simon Alioth, Head Ecosystem and Platform Banking, Synpulse
Die Referenten haben aufgezeigt, dass sich die Finanzindustrie ohne API-Standards das Leben schwierig macht. Namentlich bei der Anbindung von externen Vermögensverwaltern kämpfen die meisten Marktteilnehmer mit denselben Problemen und müssen einen enormen Aufwand leisten, dem kein Mehrwert gegenübersteht. Open Wealth versteht sich als Organisation, welche gemeinsame Standards definiert und realisiert und so der Schweizer Finanzbranche zu mehr Effizienz verhilft. Eine ganze Reihe von Finanzdienstleistern und FinTechs hat sich deshalb bereits dieser Community angeschlossen:

Ansätze zur Lösung der Digitalisierungsherausforderung durch Kooperation
Dr. Falk Kohlmann, Bereichsleiter Marktleistungen, St. Galler Kantonalbank
Die zunehmende Individualisierung der Angebote in der Finanzindustrie führt dazu, dass Anbieter mit einer grossen Anzahl von Kunden ihre Projekte ganz anders skalieren können: Während beispielsweise die St. Galler Kantonalbank bei der Realisierung einer neuen Lösung mit rund CHF 90 pro User rechnen muss, kann Revolut bei gleichen Investitionen mit einer Kostenbasis von CHF 1.50 pro User rechnen. Da liegt es auf der Hand, dass kleine und mittlere Institute nach Wegen suchen müssen, ihre Kosten ebenfalls zu reduzieren. Wie dies mittels Kooperationen gelingen kann, wurde anhand von Beispielen aufgezeigt.

Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass dazu eine Reihe von Voraussetzungen wie etwa der Wille zur Standardisierung, eine ähnliche Kultur der Partner, eine ähnliche technische Grundlage, eine gute Governance sowie eine gemeinsame Roadmap für Prioritäten, Bereinigungen und Weiterentwicklungen nötig sind.
Back to the driving seat in IT – Der Weg der Bank Avera
Ralf Luchsinger, Chief IT Bank Avera Genossenschaft
“Every company is a software company.” Diesem Zitat von Satya Nadella, CEO von Microsoft folgend, hat die Bank Avera in der jüngsten Vergangenheit eine ganze Reihe von IT-Services, welche ausgelagert waren, wieder in die Bank zurückgeholt. Damit will man die Basis legen, um in Zukunft im Markt schnell und agil neue Lösungen für den Kunden entwickeln und anbieten zu können. Die Bank ist der Überzeugung, dass IT-Kompetenz zwingend im eigenen Unternehmen vorhanden sein muss. Hinzu kommt, dass die Bank auch über die absolute Hoheit über die eigenen Daten verfügen will, um für die Zukunft optimal gerüstet zu sein.

Die eher kleinere Bank hat es in kurzer Zeit geschafft, technologisch in eine ausgezeichnete Position zu gelangen und hat sich dabei auch kulturell vom Change Management in Richtung einer permanenten Veränderung weiterentwickelt, wobei hier der Weg noch etwas länger ist.
Evolution der Wertschöpfungsmodelle Schweizer Banken
Johannes Schlotmann, Senior Manager Capital Markets, Accenture AG
Ausgehend von verschiedenen Krisen, verdienen Banken heute im Durchschnitt rund einen Drittel weniger als vor 10 Jahren. Die Industrie befindet sich deshalb in einer Übergangsphase: Zukünftige Wertschöpfungsmodelle werden viel stärker als heute durch den Faktor Technologie bestimmt sein. Dieser muss dabei vermehrt zum «Enabler» für die zukünftigen Anforderungen digital, modular, offen und agil werden.

Den Banken wird empfohlen, einen evolutionären Transformationsansatz entlang der aufgezeigten Stossrichtungen zu verfolgen. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Schweizer Regulierung dabei kein entscheidendes Hemmnis ist, jedoch Innovations- und Anpassungsprozesse erschwert und verteuert, weil stets deren Zulässigkeit überprüft werden muss.
IFZ Sourcing Studie – 2021
Ausblick
Am 10. November 2021 werden im Rahmen einer Konferenz die Ergebnisse der Studie Beraterarbeitsplatz 2021 vorgestellt. Informationen und Anmeldung zur Konferenz hier.
Die Retail Banking Konferenz findet am 25. November 2021 statt (13.20-18.00 Uhr). Infos dazu finden Sie hier.
Wir planen derzeit, die Veranstaltungen vor Ort durchzuführen und würden uns sehr freuen, Sie persönlich bei uns begrüssen zu dürfen!
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30. August 2021
Valuu erreicht neuen Meilenstein – Fakten zur bisherigen Entwicklung und zur Erweiterung des Geschäftsmodells
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Wie schon mehrfach auf diesem Blog aufgezeigt, erlangen Hypothekenvermittler wie MoneyPark, key4, Hypotheke, Valuu, HypoGuide oder HypoPlus im Schweizer Hypothekarmarkt eine zunehmende Bedeutung. Im Jahr 2020 wurden gut CHF 4.5 Milliarden Hypotheken über Vermittler abgeschlossen. Der Fokus des heutigen Blogs liegt auf Valuu, die Hypothekenvermittlungsplattform von PostFinance. Ich werde aufzeigen, welche Kunden die Plattform wie nutzen und welche Erweiterungen des Geschäftsmodells Valuu vorgenommen hat.
Valuu ist eine Geschäftseinheit innerhalb der PostFinance und vermittelt seit der Lancierung im Januar 2019 Angebote für die Finanzierung von Immobilien. Die Firma ist im vergangenen Jahr stark gewachsen und beschäftigt in der Zwischenzeit rund 50 Mitarbeitende. Valuu arbeitet derzeit mit über 100 Partnern zusammen und hat rund 50’000 Besuche auf der Webseite pro Monat (Webseite, inkl. App).
Für diesen Blog hat mir Valuu exklusive Daten zur Verfügung gestellt, die ich nachfolgend vorstellen und einordnen werde.
Fakten zur bisherigen Nutzung von Valuu
Einige interessante Fakten zur Nutzung bei Valuu sind wie folgt:
- Seit der Lancierung im Januar 2019 bis August 2021 wurde ein Volumen von rund CHF 500 Millionen über die Plattform abgeschlossen. Bis Januar 2020 lag das vermittelte Volumen noch bei CHF 100 Millionen.
- Das durchschnittliche Kreditvolumen beträgt CHF 523’000.
- Der Anteil an Abschlüssen über ein mobiles Gerät lag bei lediglich etwa neun Prozent. Aus diesem Grund sind seit Juli 2021 nur noch Abschlüsse via Desktop oder Tablet möglich. Interessant ist diese Entwicklung insbesondere auch, weil Valuu zu Beginn der Lancierung ausschliesslich als App konzipiert war. Diese Entwicklung überrascht mich persönlich nicht. Die meisten Banken bieten derzeit noch keine Hypothekenneuabschlüsse oder -verlängerung über die Mobile Banking App an. Meines Wissens kann man seine Hypotheken in der Schweiz derzeit nur bei der Credit Suisse (CSX), bei der Luzerner Kantonalbank und bei der St. Galler Kantonalbank über die Mobile App verlängern. Die Baloise Bank SoBa hingegen hat ihre an sich gut umgesetzte Mobile App für Neuabschlüsse von Hypotheken im letzten Jahr sogar wieder vom Markt genommen. Für Neuabschlüsse oder Ablösungen ist der Abschlusskanal «Smartphone» anspruchsvoll. Gleichzeitig wird die mobile Ergänzung gemäss Angaben von Valuu geschätzt von den Kunden. Die Valuu App wurde entsprechend überarbeitet und fokussiert sich auf das Onboarding der Nutzer:innen, den Vergleich der persönlichen Zinsen sowie den schnellen und einfachen Upload von Dokumenten in den Antrag (mit dem Smartphone fotografieren und hochladen).
- Die beliebteste Online-Hypothek ist die zehnjährige Festhypothek. Über die Hälfte aller Abschlüsse fallen auf dieses Produkt. 40 Prozent der digital abgeschlossenen Hypotheken sind Festhypotheken mit Laufzeiten unter zehn Jahren. Festhypotheken mit einer Laufzeit von elf oder mehr Jahren haben einen Anteil von vier Prozent (vgl. Abbildung 1).
- 58 Prozent aller über Valuu abgeschlossenen Online-Hypotheken werden bei einer Bank abgeschlossen. 31 Prozent der Online-Hypotheken entfallen auf Pensionskassen. 11 Prozent werden durch Versicherungen finanziert.
- Neukäufer:innen wählen im Schnitt längere Laufzeiten für ihre Finanzierungen als Kundinnen und Kunden, welche ihre Hypothek verlängern.
- Es gibt bei Valuu mehr Ablösungen von bestehenden Hypotheken als Abschlüsse von Neukäufern. Rund 60 Prozent der Abschlüsse betreffen Ablösungen, 40 Prozent Neukäufer.
Wer sind die Kunden von Valuu?
- 86 Prozent der den Vertrag abschliessenden Kundinnen und Kunden sind männlich, 14 Prozent sind weiblich. Es zeigt sich – ähnlich wie beim Thema Digital Onboarding oder Robo Advisor – dass überwiegend Männer solche digitalen Angebote nutzen.
- Das Durchschnittsalter der Valuu-Kundinnen und -Kunden beträgt 47 Jahre. Bei Neukäufer:innen ist das Alter mit 41 Jahren wenig überraschend tiefer als bei Personen, welche Hypotheken ablösen (Durchschnittsalter: 53 Jahre).
- Das durchschnittliche Bruttoeinkommen eines Haushalts der Valuu-Kunden liegt bei CHF 175’000. Die Tragbarkeit beträgt gemäss Angaben von Valuu 21 Prozent, die Belehnung 55 Prozent. Die Tragbarkeit ist bei Kunden mit Neuabschlüssen und Ablösungen ähnlich. Die Belehnung ist bei Kunden, die ihre Hypotheken ablösen, wenig überraschend tiefer.
- Die Kunden von Valuu kommen aus fast allen Kantonen der Schweiz, wie Abbildung 2 aufzeigt. Der Kanton Bern ist wohl nicht zuletzt durch die starke Position von PostFinance im Kanton Bern überproportional stark vertreten. Wenn Sie als Leserin oder Leser im Kanton Uri oder Kanton Obwalden wohnen, können Sie in Ihrem Kanton noch erste Kundin oder erster Kunde von Valuu werden
Weiterentwicklung des Geschäftsmodells
Valuu hat in den vergangenen zwei Jahren diverse Aspekte verbessert und weiterentwickelt (u.a. auch zusätzliche, edukative Elemente nach erfolgtem Login). Besonders spannend finde ich aber die Geschäftsmodellerweiterungen mit «Valuu Pro» und dem zusätzlichen Angebot der Vermittlung von Privatkrediten. Auf diese beiden Lösungen möchte ich nachfolgend kurz eingehen.
Valuu Pro
Seit Ende Juni dieses Jahres steht Valuu mit dem Vermittlungs- und Beratungstool «Valuu Pro» auch Hypotheken-Vermittlern zur Verfügung. Dadurch ist der Vermittler auch ins B2B-Geschäft eingestiegen. Die professionellen Vertriebspartner erfassen für ihre Kunden die nötigen Daten und durchlaufen mit ihnen den Hypothekarprozess bis hin zum Abschluss wie beim «normalen» Valuu für Privatkunden. Valuu bleibt dabei im Hintergrund und übernimmt u.a. die Dossierprüfung und das Kreditgeber-Management. Gemäss Aussage von Thomas Jakob, Leiter von Valuu, stösst das Angebot auf hohes Interesse am Markt. Erste Verträge wurden auch bereits unterschrieben. Darunter befinden sich sowohl kleinere als auch grössere Unternehmen.
Privatkredit
Seit dem 17. August werden auch Privatkredite über Valuu vermittelt. Mit diesem Schritt erweitert Valuu seine Plattform und eröffnet ein Angebot für eine neue Zielgruppe. Als Kreditgeber konnten die Migros Bank, BANK-now, CembraMoney Bank, eny Finance und goodfinance gewonnen werden. Das Ziel ist, dass man innerhalb von zehn Minuten mit Valuu einen Kredit beantragen kann. Dieses Modell halte ich für durchaus interessant. Auch der entsprechende Markt für Vermittler von Privatkrediten ist derzeit noch weniger umkämpft. Meines Wissens bietet nur FinanceScout24 ein ähnliches Angebot an.
Fazit
Valuu hat mit einem Volumen von CHF 500 Millionen einen weiteren Meilenstein erreicht und zeigt damit auf, dass Online-Hypothekenvermittler bereits heute eine gewisse Relevanz haben. Insgesamt machen digitale Abschlüsse von Hypotheken in der Schweiz bisher aber erst einen kleinen Teil des gesamten Marktvolumens aus. Gemäss unserer gemeinsam mit e.foresight erstellten Studie beträgt das Online-Hypothekarvolumen im Jahr 2020 rund 6.1 Milliarden CHF. Mit einem Marktanteil von 3.7 Prozent im Verhältnis zum jährlich abgeschlossenen Hypothekarvolumen ist der Markt für Online-Hypotheken damit weiterhin in einer Nische.
Positiv für Valuu ist auch, dass die Markenbekanntheit schon sehr hoch ist. Gemäss einer im Auftrag von Valuu durchgeführten Umfrage vom Gfk Markenmonitoring hat Valuu bei der ungestützten Markenbekanntheit die höchste Markenbekanntschaft bei Hypothekenvermittlern. Vor diesem Hintergrund – und den generellen Verschiebungen im Markt – kann man davon ausgehen, dass die Wachstumsgeschichte weitergehen wird.
Kommentare
4 Kommentare
Aktuelle Zahlen und Entwicklungen der Hypothekenplattform key4 von UBS | IFZ Retail Banking Blog
15. September 2021
[…] in einer Nische. Wie man aber bei den oben vorgestellten Zahlen von key4 – oder auch den kürzlich vorgestellten Volumen von Valuu sehen kann – wachsen die Plattformen aber weiterhin. Natürlich hat key4 mit dem derzeitigen […]
Fabian Stoll
31. August 2021
Warum sind Abschlüsse über die App nicht mehr möglich? Technisch und kostenmässig müsste eine zusätzliche App für das Smartphone leicht zu realisieren sein. 9% finde ich jetzt auch nicht gerade wenig und dies beim Gerät der Zukunft!
Adrian
30. August 2021
Danke für die Auswertung. Schön, dass die Werbefranken Wirkung zeigen. Aber wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus? Wenn auf 500 Mio. CHF 0.1% für die Vermittlung verdient wird, resultieren 500'000 CHF Ertrag pro Jahr, was wahrscheinlich nicht ausreichen wird, um die ganze Werbung zu finanzieren. Und wie werden dann noch 50 Mitarbeiter bezahlt ? Vermutlich werden die Personalkosten inkl. overheads bei über 5 Mio. CHF liegen. Wäre spannend, wenn die HSLU auch den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg ermitteln oder zumindest annähern könnte. Und natürlich die Frage bei den Valuu-Verantwortlichen stellen, wie lange dass die Post Millionen in ein Projekt investiert, das weit von schwarzen Zahlen entfernt ist bzw. diese wahrscheinlich nie erreichen wird.
Oliver
30. August 2021
+1
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
23. August 2021
Digitale Elemente auch in der Pensionierungsplanung angekommen: Die ZKB zeigt wie
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Das Thema der Pensionierung ist und bleibt zentral für die Schweizerinnen und Schweizer. Eine gute Pensionierungsplanung ist in der Regel komplex und benötigt persönliche Beratung. Auch digitale Elemente gewinnen aber rund um die Themen «Pensionierung» und «Vorsorge» immer mehr an Bedeutung. Im heutigen Blog zeige ich auf, wie die Zürcher Kantonalbank das persönliche Beratungsgespräch mit verschiedenen digitalen Elementen kombiniert.
Altersvorsorge als zentrales Thema
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen stehen 2020 an erster Stelle der Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer, gemäss dem «Sorgenbarometer» der Credit Suisse. Auf dem Platz 2 folgt die AHV/Altersvorsorge. Das Thema der Altersvorsorge ist in den Jahren vor der Corona-Pandemie 2017 bis 2019 jeweils sogar die grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer gewesen.

Diese Befragungen zeigen auf, dass das Thema der Vorsorge für die Schweizerinnen und Schweizer zentral ist. Vor allem rund um die Pensionierung sind bedeutende finanzielle Entscheidungen zu treffen und Schweizerinnen und Schweizer haben in diesem komplexen Thema einen grossen Beratungsbedarf. Entsprechend ist die Vorsorge- und Pensionierungsplanung auch aus Bankensicht relevant und interessant. Verschiedene Finanzinstitute bieten heute bedarfsorientierte Beratungen im Bereich der Vorsorge an. Eine eigentliche Differenzierung zwischen den Angeboten lässt sich – zumindest ohne vertiefte Analyse – von aussen nicht klar identifizieren.
Der Ansatz der Zürcher Kantonalbank
Auch das bisherige Angebot der Zürcher Kantonalbank (ZKB) konnte sich bisher – zumindest gemäss meinem Aussenblick – nicht sonderlich von den anderen Angeboten abheben. Durch verschiedene Massnahmen hat die Bank das Thema jedoch weiterentwickelt und auch einige aus meiner Sicht differenzierende Elemente hervorgebracht. Die Dienstleistungen der ZKB für die Pensionierungsvorbereitungen kann man etwas vereinfacht und mittels der Customer Journey in die drei Phasen «Information», «Beratung» und «Begleitung» unterteilen:
- Information: Die ZKB hat im Jahr 2019 einen neuen Pensionierungsrechner erstellt. Der Rechner ist kostenlos auf der Website verfügbar und ist ein klassisches «Selbstbedienungsangebot». Da das Thema «Pensionierung» aber wohl für die meisten Menschen (zu) komplex ist, soll dieser Rechner auch als Eintrittstor für Beratungsanfragen dienen.
- Beratung: Für die eigentliche Beratungsleistungen gibt es ein dreistufiges Modell. Im kostenlosen Modell «ZKB Pensionierung Compact» (seit 2019) gibt der Kundenberater respektive die Kundenberaterin den Kunden und Kundinnen einen ersten Überblick über die Situation und mögliche Handlungsfelder. Für weitergehende, vertiefende Analysen gibt es bei der ZKB ab Ende 2021 die Angebote «Classic» und «Premium». Bei den beiden letzten Angeboten steht ein Finanzplanungsexperte zur Verfügung. Im Fokus stehen erweiterte Fragestellungen wie Kapital vs. Rente, Pensionskassen-Einkäufe und auch steuerliche Aspekte. All diese Themen sind nicht Teil von Compact. Entsprechend sind die Dienstleistungen im Bereich Classic und Premium kostenpflichtig.
- Begleitung: Wichtig ist, dass der Kunde und die Kundin auch nach der initialen Beratung weiterhin begleitet wird. Hauptansprechpartner bleibt hier der Kundenbetreuer resp. die Kundenbetreuerin. Der Prozess und Fortschritt zwischen Beratungsgespräch und der eigentlichen Pensionierung wird sowohl mit persönlichen wie auch mit digitalen Leistungen unterstützt und aufgezeigt. Dazu gehören neben einer begleiteten Umsetzung der definierten Massnahmen auch regelmässige Gespräche und Reviews, Erinnerungsservices oder ein Dashboard im E-Banking.
Nachfolgend werde ich die drei Stufen etwas detaillierter vorstellen.
Informieren über den ZKB-Rechner
Für Informationen und erste Einschätzungen zur Pensionierungsplanung stehen einerseits die Kundenberaterin oder der Kundenberater zur Verfügung. Auf der anderen Seite liefert der Pensionierungsrechner auf zkb.ch erste Anhaltspunkte zur Situation. Der Online-Auftritt dient dazu, die ZKB als kompetente Vorsorgepartnerin zu positionieren und Wissen zu vermitteln. Zudem möchte die Bank dank dem Rechner auch (potenzielle) Kundinnen und Kunden für Beratungsdienstleistungen gewinnen. Der Nutzer und die Nutzerin sollen nach wenigen Klicks und Angaben erste Resultate angezeigt erhalten, in welchem Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden (vgl. Abbildung 2 mit «vier Tipps»).

Beratung – ZKB Pensionierung Compact, Classic und Premium
Möchte eine Kundin oder ein Kunde – möglicherweise nach der Verwendung des Pensionierungsrechners – beraten werden, so kann kostenlos eine Standortbestimmung von einer Kundenberaterin oder einem Kundenberater der ZKB vorgenommen werden. Die im Jahr 2019 eingeführte kostenlose Basisberatung «Compact» ist vor allem gedacht für Kundinnen und Kunden mit eher geringerem Vermögen und wenig komplexer Vorsorgesituation. Die Gespräche bei Compact werden ausschliesslich durch Kundenbetreuerinnen und -betreuer durchgeführt und basieren auf einem strukturierten Prozess mit digitaler Unterstützung (Tablet und geteilter Bildschirm). Im Fokus des Gesprächs stehen die (geplanten) Lebensereignisse, die Wünsche und Ziele, sowie die aktuelle Vermögenssituation des Kunden und der Kundin. Basierend auf dem Gespräch werden verschiedene Szenarien simuliert und ein persönlicher Massnahmenplan wird definiert. Die entsprechenden Ergebnisse werden gedruckt abgegeben und gleichzeitig im E-Banking zur Verfügung gestellt. Für «Compact-Kunden» beginnt hier die Begleitungsphase. Classic- und Premium-Beratungen werden in einem zweiten Schritt durch Finanzplaner und Finanzplanerinnen betreut. Hier geht es vor allem um die Ausarbeitung von spezifischen Pensionierungsszenarien für Kundinnen und Kunden mit komplexeren Vorsorgesituationen. Zudem wird dem Thema Steuern für diese Kundengruppen eine höhere Relevanz zugeordnet (bei Compact wird das Steuerthema nur im Rahmen von beispielsweise der Säule 3a angesprochen).
Begleitung auch nach dem Gespräch
Ein Kunde möchte durch eine Pensionierungsberatung Transparenz und Sicherheit bezüglich seiner Vorsorgesituation und einen Gesamtüberblick über die Pensionierung erhalten. Gleichzeitig ist ihm in der Regel wichtig, dass er alle to do’s im Blick hat und Updates zum Thema und seiner Situation erhält. An diesen Punkten setzt die ZKB an. Dadurch profitiert einerseits der Kunde. Auf der anderen Seite sind die definierten Massnahmen der Pensionierungsberatung auch ideale Anknüpfungspunkte für zukünftige Kontakte. Während der Prozess mit dem Kunden im alten «Modell» nach dem Beratungsgespräch oftmals wenig strukturiert war, kann der Kunde neu beispielsweise einen Erinnerungsdienst für anstehende Massnahmen über SMS oder E-Mail abonnieren (siehe Abbildung 4).
Interessant finde ich, dass der Kunde die entsprechende Vermögensentwicklung oder die Umsetzung der Massnahmen auch graphisch unterstützt im E-Banking findet. Der Kunde sieht die geplanten Massnahmen und kann überprüfen, ob er auf «Zielkurs» ist. Wenn es Änderungen der Kundensituation gibt (z.B. Arbeit, Erbe, Beziehung, Eigenheim,…) kann der Kunde dies der Bank persönlich oder digital mitteilen. Bei Bedarf wird der Pensionierungsplan überprüft und angepasst.
Erste Erfahrungen
Gemäss Angaben der ZKB sind die Kundenfeedbacks bislang sehr positiv. Mit ZKB Pensionierung Compact konnte zudem die Anzahl ausgelieferter Beratungen deutlich erhöht und so die Positionierung der Vorsorgeberatung gestärkt werden. Auch der Pensionierungsrechner wird bereits häufig benutzt. Seit dem neuen Layout vom Mai entwickeln sich die Zugriffszahlen zudem weiter positiv. Die durchschnittliche Verweildauer auf der Webseite beträgt hohe 5 Minuten, was zeigt, dass die Nutzer und Nutzerinnen den Rechner «seriös» verwenden. 50 Prozent geben so viele Daten ein, damit sie ein erstes indikatives Ergebnis (ohne Kundenberaterin oder Kundenberater) erhalten. Die Conversion vom Rechner zu einem Beratungsgespräch hingegen ist noch tief.
Fazit
Die Zürcher Kantonalbank gibt dem Thema «Vorsorge» strategisch mehr Relevanz. Mit der Lancierung von frankly, einer digitalen Vorsorge-App, möchte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) den Vorsorgemarkt stärker aufmischen. Mit den im heutigen Blog beschriebenen Anstrengungen im Bereich der Pensionierungsberatung sollen auch diese Angebote gestärkt werden. Interessant am neuen Konzept finde ich einerseits den Pensionierungsrechner, welcher die Bank im Thema stärker positioniert und möglicherweise auch Leads für Beratungsgespräche generieren wird. Als zweites ist das Beratungsgespräch stärker toolunterstützt, was sicherlich sinnvoll ist. Als Drittes sind die Informationen für die Kundinnen und Kunden auch im E-Banking ersichtlich und die Bank unterstützt und begleitet ihre Kundschaft auch nach dem Beratungsgespräch strukturiert. Ich bin überzeugt, dass der persönliche Kontakt in diesem Thema zentral bleibt und die Mehrheit der Kundinnen und Kunden erwartet, dass die Bank sie bei Veränderungen kontaktiert. Trotzdem ist eine digitale Unterstützung aus meiner Sicht sinnvoll. Nicht alle Personengruppen «benötigen» im Bereich der Begleitung Updates und es werden auch nicht alle Kunden und Kunden die Möglichkeit nutzen, regelmässig im E-Banking Dashboard den aktuellen Zielerreichungsgrad respektive die Rentensituation nachschauen zu können. Nichtsdestotrotz gehören solche Dienstleistungen und die damit verbundene Transparenz zu einer heutigen digitalen Welt und einer modernen Bank. Auch aus Bankensicht kann sich dieses Angebot lohnen. Der Kunde und die Kundin sollen im neuen Konzept länger begleitet werden, wodurch das Kundenpotenzial stärker ausgeschöpft werden kann. Möchte eine Bank oder ein Finanzdienstleister die Kundschaft nicht nur einmalig im Rahmen der Pensionierungsplanung beraten, sondern die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Vorsorgegelder zum Pensionierungszeitpunkt zur Bank transferiert werden, so ist die Fähigkeit, Kundinnen und Kunden frühzeitig und langfristig an das Unternehmen zu binden, zentral. Pensionierungsplanungen erfolgen ja in der Regel Jahre vor der eigentlichen Pensionierung. Interessant ist auch die Durchgängigkeit der Systeme und Tools bei der ZKB-Lösung. Ähnlich wie im Hypothekarbereich der ZKB soll die Kundenreise nahtlos(er) sein (vgl. mein Blog zum Thema «Customer Journey bei der Eigenheimfinanzierung bei der ZKB»). So sollen künftig interessierte Personen die eigenen im Rechner eingegebenen Daten für ein allfälliges Beratungsgespräch direkt der Bank schicken können. Der Kundenberater respektive die Kundenberaterin kann dadurch (und sofern die Datenqualität gut ist) das Gespräch besser vorbereiten. Danach wird das Beratungsgespräch mit einem Tool auf dem Tablet (und einem grossen geteilten Bildschirm) begleitet, wobei die entsprechenden Daten automatisch ins System respektive «sogar» direkt ins E-Banking fliessen. Die Weiterentwicklung der Pensionierungsberatung ist nur ein weiterer Schritt im Thema Vorsorge. Im gleichen Stil sollen künftig auch Dienstleistungen für die Nachlassplanung oder Erbteilung neu aufgesetzt werden. Es lohnt sich also sicherlich, die weiteren Aktivitäten der Zürcher Kantonalbank in diesem Feld zu verfolgen.
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18. August 2021
Liiva im Test – eine Einschätzung zum Ökosystem von Raiffeisen und Mobiliar
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich
Die Wohneigentumsplattform Liiva von Raiffeisen und Mobiliar geht heute an den Start. Das Projekt ist interessant und ambitioniert. Daher möchte ich im heutigen Blog auf die wichtigsten Angebote und weiteren Pläne der Firma eingehen.
Die beiden grossen genossenschaftlich organisierten Firmen in der Schweizer Finanzindustrie, die Raiffeisen Gruppe und das Versicherungsunternehmen Mobiliar, lancieren heute ihr Joint-Venture Liiva. Die Plattform von Liiva soll dazu dienen, Bedürfnisse rund um das Thema privates Wohneigentum abzudecken und ist ein zentraler Baustein des Ökosystems «Wohnen» der beiden Firmen. Liiva ist keine App, aber für alle Arten von Geräten als responsive Webseite zugänglich.
Das Projekt wurde im Januar mit einem ziemlich ambitionierten Zeitplan gestartet. In der Zwischenzeit hat Liiva zehn Mitarbeitende. Phil Lojacono, ehemaliger Gründer von Advanon (und Absolvent der Hochschule Luzern) ist CEO.
Das Angebot ist zumindest in einer ersten Phase nur für private Wohneigentümer. Institutionelle Kunden oder Renditeobjekte sind nicht im Fokus der derzeitigen Angebotspalette. Das Zielbild von Liiva sieht vier Angebotsbereiche vor:
- Immobiliensuche: Auf Liiva werden ähnlich wie bei Comparis die Immobilienobjekte fast sämtlicher Schweizer Plattformen aufgezeigt. Die entsprechende Meta-Plattform wird im Gegensatz zu Comparis aber noch mit wertvollen Zusatzinformationen angereichert (siehe unten).
- Dokumentverwaltung: Aktuelle Eigentümer können auf Liiva ihre Liegenschaftsdokumente abspeichern (Pläne, Versicherungen, etc.).
- Modernisierungsplanung der Liegenschaft: Zudem können Immobilieneigentümer unter anderem auch den geplanten Investitionsbedarf für die Immobilien betrachten.
- Marktplatz: Auf dem Marktplatz sollen zu einem späteren Zeitpunkt verschiedene Informationen rund um den Verkauf der Liegenschaft zur Verfügung stehen (ähnlich wie MoneyPark dies derzeit umsetzt). Mit der heutigen Lancierung steht dieser Bereich aber noch nicht zur Verfügung.
Nachfolgend werde ich daher die ersten drei Angebotsbereiche weiter ausführen.
Immobiliensuche
Wie oben angedeutet, bietet Liiva mit ihrer Immobiliensuche eine ähnliche Lösung an wie jene von Comparis. Auch Liiva ist eine Meta-Plattform, welche die Immobilienverkaufsangebote von allen relevanten Plattformen der Schweiz zusammenträgt (Mietwohnungen erscheinen nicht). Um sich zu differenzieren, liefert Liiva aber mehrwertstiftende Zusatzinformationen. Ähnlich wie beispielsweise der (frühere) UBS Immo Check werden verschiedene Zusatzinformationen zum Standort der Immobilie wie zum Beispiel die Steuerbelastung, die Reisezeit ins nächste Grosszentrum oder das Bevölkerungswachstum angezeigt (vgl. Abbildung 1). Zudem wird eine kostenlose Einschätzung gegeben, ob der geplante Verkaufspreis in etwa dem Marktwert entspricht.

Zudem steht den Plattformnutzern die Möglichkeit zur Verfügung, verschiedene Immobilienobjekte direkt zu vergleichen. Um eine Finanzierungsanfrage zu starten, leitet Liiva die potenziellen Kunden zur lokalen Raiffeisenbank-Webseite oder zur nächsten Agentur der Mobiliar weiter. Mittelfristig ist es aber das Ziel, den Finanzierungsprozess, zusammen mit den lokalen Raiffeisenbanken und Generalagenturen, zu digitalisieren.
Nach Registration findet man auf Liiva auch einzelne Beiträge, die für potenzielle Hauskäufer von Nutzen sein sollen (z.B. wie soll man Preisverhandlungen führen oder worauf soll man bei Hausbesichtigungen achten?)
Dokumentenverwaltung und Modernisierungsplanung «Ihr Zuhause»
Die Immobiliensuche ist sicherlich spannend und auch optisch aus meiner Sicht gut gemacht. Der Kern des derzeitigen Angebots, und auch der stärkere Differenzierungsfaktor, ist für mich aber der «Wohnen/Ihr Zuhause»-Teil.
- Als erstes können Immobilienbesitzer verschiedene Dokumente rund um ihre Immobilie (zum Beispiel Baupläne, Verkaufs-, Finanzierungs- und Versicherungsdokumente) auf Liiva hochladen. Insofern bietet Liiva eine Art Safe-Funktion (Angebot von UBS Safe).
- Als zweites hat man die Möglichkeit, den Marktwert seiner Immobilie kostenlos zu berechnen (basierend auf IAZI-Daten).
Eine dritte, spannende Funktion ist der Modernisierungsvorschlag (vgl. Abbildungen 2 und 3). Dieser bietet aus meiner Sicht für den Kunden einen Mehrwert, da er unter anderem basierend auf dem Jahrgang der Liegenschaft und den einzelnen Liegenschaftskomponenten übersichtlich aufzeigt, wie hoch die angestauten Investitionen in Renovationen ausfallen würden, respektive wann welche Renovationskosten in etwa anfallen werden (z.B. Bad, Küche, Dach, Fassade, …). Zudem wird eine erste Einschätzung zum energetischen Zustand einer Immobilie aufgezeigt und kostenlos angegeben, wie man diesen durch Renovationsmassnahmen verbessern kann. Es wird auch gezeigt, welche energetische Ersparnisse die verschiedenen Modernisierungen bringen könnten.
Die verschiedenen Objektinformationen findet man zusammengefasst im Liiva Cockpit.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird Liiva möglicherweise auch helfen, die richtigen Partner (z.B. lokale Malergeschäfte und Heizungsmonteure) für die einzelnen Modernisierungsprojekte zu finden (Ausbau Ökosystem).
Die Funktionalitäten finde ich, wie oben bereits erwähnt, interessant. Gleichzeitig ist der Neuigkeitsgehalt insgesamt noch eher gering. Ähnliche Lösungen kennt man von Houzy oder auch von Renovationsrechnern, welche verschiedene Banken anbieten (Anmerkung: Die UBS hat ihren Immo-Check per Ende Juli «verschlankt» – neu bieten sie nur noch einen Kaufpreis-Check an).
Sinnvoll wäre es aus meiner Sicht, wenn die Mobiliar beispielsweise das in ihrem Besitz befindliche Westschweizer Startup Buildigo auch in Liiva integrieren würde. Buildigo ist eine 2017 gegründete digitale Plattform zur Vermittlung von Handwerkern – und ist bisher vor allem in der Westschweiz tätig. Auf der Handwerkerplattform Buildigo können Schreinereien, Malergeschäfte oder Elektroinstallationsgeschäfte gefunden werden. Die Integration solcher Angebote in das Ökosystem von Liiva wäre entsprechend sinnvoll für die Plattform.
Fazit
Mit Liiva lancieren, nach UBS mit key4 oder Helvetia mit MoneyPark, auch die Raiffeisen und Mobiliar eine Plattform zum Thema «Wohnen» (derzeit ist die Plattform aber vor allem für Immobilienbesitzer respektive -erwerber konzipiert). Vermutlich werden mittelfristig bis langfristig mehrere solcher Plattformen nebeneinander existieren können. Der Konkurrenzkampf um das «beste Ökosystem» wird aber sicherlich zunehmen.
Die Grundvoraussetzungen für Liiva mit ihren beiden starken Besitzerfirmen Raiffeisen und Mobiliar sind grundsätzlich gut. Beide genossenschaftlich verankerten Firmen haben eine starke Marke, sind schweizweit gut vernetzt und derzeit gut positioniert. Vor allem die Mobiliar ist zudem im Thema Ökosystem in der Schweiz schon ziemlich weit fortgeschritten. Der Versicherer hat sich strategisch auf die zwei Ökosysteme «KMU Dienstleistungen» und «Mieten, Kaufen, Wohnen» fokussiert und hier schon grössere Investitionen getätigt (u.a. Partnerschaften oder Beteiligungen an Buildigo, aroov, swisscaution, Credit Exchange oder ImmoScout24). Die Raiffeisen ist derzeit in Bezug auf das Thema Ökosystem noch weniger weit entwickelt. Ihre Kundennähe ist aber sicherlich ein grosser Trumpf für solche Projekte. Gleichzeitig kann die Stärke dieser beiden starken Partner auch eine potenzielle Schwäche dieses Projekts werden, wenn sich die beiden Mutterhäuser über die strategische Ausrichtung nicht mehr einig wären.
Durch Liiva erhoffen sich beide Firmen auch direkte Vorteile. Die Raiffeisen hofft, an weitere Finanzierungsmöglichkeiten heranzukommen. Die Mobiliar erhofft sich, über Liiva noch stärker bei den Kunden präsent zu sein und möglicherweise auch Cross-Selling Angebote lancieren zu können. Beispielsweise könnte nach einer Mehrinvestition im Haus die Erhöhung einer Hausratsversicherung empfohlen werden.
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Rückblick auf die Sourcing Konferenz 2021 | IFZ Retail Banking Blog
6. September 2021
[…] auf, welche Angebote Liiva derzeit enthält und was für die Zukunft noch angedacht ist. Über Liiva haben wir in diesem Blog bereits berichtet. Abbildung 1: Liiva ist als umfassende digitale […]
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9. August 2021
Verändern Ökosysteme rund ums Wohnen das Hypothekargeschäft?
Von Dr. Urs Blattmann
Finanzinstitute haben in den letzten Jahren vermehrt in Ökosysteme, insbesondere in solche rund ums Wohnen investiert. Die IFZ Sourcing Studie hat diese Entwicklung analysiert und mögliche Konsequenzen für Finanzinstitute dargestellt. Nachfolgend werden vorab einige Erkenntnisse aufgezeigt.
Es ist heute weitgehend unbestritten, dass sich die Mehrzahl der potenziellen Hypothekarnehmer, bevor Sie ein Haus erwerben, zunächst im Internet Informationen beschaffen. Klar ist auch, dass die ersten Gedanken nicht bei der Hypothek und damit beim Anbieter von Finanzierungslösungen liegen. Vielmehr beschäftigt den potenziellen Kunden, wo er ein geeignetes Objekt finden kann, und ob er sich dieses Objekt auch wird leisten können.
Für Banken und Versicherungen bedeutet dies, dass der potenzielle Kunde vor der Frage der Finanzierung eine ganze Reihe von Informationen benötigt, die er aber nicht bei seinem Finanzinstitut sucht. Mit anderen Worten, andere Dienstleister wie Immobilien-Plattformen oder Immobilien-Makler haben mit dem Kunden schon Kontakt, lange bevor dieser sich überlegt, wo er wohl seine Hypothek bekommt. Aus diesem Grund versuchen Anbieter von Ökosystemen rund ums Wohnen dem Kunden eine Plattform anzubieten, wo alle seine Bedürfnisse zu diesem Thema abgedeckt werden. Dabei steht natürlich nicht nur die Gewinnung von Kunden, die neu ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchten, im Vordergrund, sondern auch die Bindung von Wohneigentümern, die allenfalls Bedarf an bestimmten Handwerkern haben. Auf diese Weise möchten die Anbieter von Hypotheken mit dem Kunden zumindest indirekt früher in Kontakt kommen, um so die Wahrscheinlichkeit, bei der Finanzierung schliesslich zum Zug zu kommen, zu erhöhen. Oder mit anderen Worten: Der Kampf um den Kunden beginnt in Zukunft zu einem früheren Zeitpunkt als heute.
Helvetia, Mobiliar mit Raiffeisen aber auch Valiant oder Baloise und UBS mit key4, die vor kurzem eine Zusammenarbeit angekündigt haben, haben sich deshalb schon intensiv mit dem Thema beschäftigt und zum Teil auch beträchtliche Summen in den Aufbau entsprechender Plattformen investiert. Im Rahmen unserer Studie haben wir deshalb die Frage untersucht, wohin diese Entwicklung führen könnte. Längerfristig, d.h. in einem Zeitraum von rund 10 Jahren, gehen die meisten der befragten Expertinnen und Experten davon aus, dass sich in der Schweiz eines bis drei Ökosysteme im Bereich Wohnen durchsetzen werden. Einer der Orchestratoren eines bereits bestehenden Ökosystems erwartet sogar, dass gemäss dem Motto «the winner takes it all», dem Erfolgreichen besondere Vorteile winken.
Es ist aber offensichtlich, dass die Ökosysteme rund ums Wohnen in der Schweiz bezüglich Einfachheit und Bedienerfreundlichkeit aber auch in Bezug auf Reichweite und Akzeptanz noch nicht den Stand der grossen, internationalen Ökosysteme erreicht haben. Auch bezüglich Struktur und Lösungsangebot sind noch deutliche Unterschiede auszumachen:

Und wie beurteilen die Banken den Trend rund um die Ökosysteme Wohnen? Im Moment kann die Einschätzung der Banken im grossen Ganzen wie folgt zusammengefasst werden: Grundsätzlich sieht man in Ökosystemen eher Chancen als Risiken und ist daran interessiert im Thema Wohnen in der eigenen Region auch auf den digitalen Kanälen präsent zu sein. Im Grunde sei das «Asset» der Bank aber nach wie vor die Beratung. Entsprechend müssten Banken versuchen, mit den neuen Möglichkeiten auch ihren Beratungskatalog zu erweitern. Nur so werde es gelingen, sich auch in Zukunft mit Beratung und regionaler Nähe differenzieren zu können. Insofern komme es den Instituten entgegen, dass bei Neuhypotheken die Abschlüsse in der Regel über die Beratung erfolgen.
Ergänzend ist dazu festzuhalten, dass der Markt der Online-Neuhypotheken – wenn auch noch auf einem geringen Niveau – stetig wächst. Mit der gleichzeitig zu erwartenden Volumenzunahme bei den Ökosystemen dürfte sich eine Wechselwirkung ergeben, die in beiden Bereichen zu einem beschleunigten Wachstum führen dürfte. Tendenziell wird sich das Hypothekargeschäft dadurch noch vermehrt in Richtung der digitalen Kanäle entwickeln, respektive der digitale Anteil im hybriden Ansatz wird weiter an Bedeutung gewinnen.
Da sich, wie bereits eingangs festgestellt, die Mehrzahl der Kunden vor dem ersten Gespräch mit der Bank oder Versicherung im Internet informiert und die Suchmaschinen dabei eine wichtige Funktion übernehmen, ist davon auszugehen, dass diese die Suche der Kunden zunehmend in Richtung der Ökosysteme lenken werden. Insgesamt ist somit durchaus von einer Veränderung des Hypothekargeschäftes auszugehen.
Damit dürften die Auswirkungen auf die Banken aber noch nicht abgeschlossen sein. Nach Einschätzung der Autoren der Studie, die von den Banken bestätigt wird, dürfte die intensivere Nutzung des Internets, wo Vergleiche nur einen Klick entfernt sind, nochmals zu einem Anwachsen des Margendrucks führen. Dies wiederum wird bei Banken die Kostensensitivität insbesondere auch bei der Abwicklung von Hypothekargeschäften deutlich erhöhen. Zudem wird die Auseinandersetzung mit der zukünftigen Rolle der Bank in diesem Geschäft auf der strategischen Ebene auch zu einem Überdenken der Geschäftsmodelle führen. Denn diejenigen Institute, welche sich an Ökosystemen beteiligen wollen, müssen zum einen ihre Rolle genau definieren und zum andern einen exakten Plan entwickeln, wie sie trotz sinkender Margen im Markt erfolgreich bestehen wollen. Und damit kommt dann wieder die Kostenseite und die Frage ins Spiel, ob die Bank selbst noch in der Lage ist, ausreichend kostengünstig zu produzieren und ob sich die erforderlichen Investitionen beispielweise in die Digitalisierung der Verarbeitung des Hypothekargeschäftes noch rechnen.
Fazit
Auch wenn die Autoren den aktuellen Stand der in der Schweiz bereits bestehenden Ökosysteme rund ums Wohnen als am Anfang der Entwicklung stehend beurteilen, so erachten sie es im hohen Mass als wahrscheinlich, dass diese zu einer Veränderung der Abwicklung des Hypothekargeschäftes führen und für die Banken auch weitere Veränderungen zur Folge haben werden. Es ist letztlich zu erwarten, dass diese Entwicklung zu einer Schärfung der Geschäftsmodelle führen dürfte und dass Banken als Konsequenz dieser Überlegungen Prozesse, die heute noch als unverzichtbar gelten, auslagern werden oder dass sie Leistungen, welche sie heute im Alleingang erbringen, in Zukunft in vielfältigen Formen der Zusammenarbeit erstellen werden.
Die IFZ Sourcing Studie wird am 24. August 2021 im Rahmen der IFZ Sourcing Konferenz, wo auch Orchestratoren von Ökosystemen ihre Überlegungen präsentieren werden, ausführlich vorgestellt und anschliessend veröffentlicht. Informationen und Anmeldung zur Konferenz hier.
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2. August 2021
Privacy-Enhancing Technologien: Die Zukunft der gemeinsamen Datennutzung in der Finanzindustrie
Von Prof. Dr. Thomas Ankenbrand, Dr. Denis Bieri, Damian Lötscher, Aetienne Sardon, Christian Schuepbach, David Vasella und Dominic Vincenz
Mit der Digitalisierung vieler Lebensbereiche werden immer mehr Daten gesammelt. Da die Qualität und die Möglichkeiten für neue Erkenntnisse oft mit der Menge der verfügbaren Daten steigen, birgt der Datenaustausch grosses Potenzial. Dies gilt grundsätzlich auch für die Finanzindustrie. Rechtliche Einschränkungen und teilweise auch Bedenken von Kunden haben das Ausschöpfen des Potenzials des Datenaustauschs zwischen Finanzinstitute in der Vergangenheit aber limitiert. Dies gilt insbesondere für persönliche Informationen von Bankkunden, welche als sehr sensibel gelten und auch durch Schweizer (z.B. Datenschutzgesetz und Bankkundengeheimnis) und internationale Gesetze (z.B. GDPR in der EU) geschützt sind.
PrivacyEnhancing Technologien sind Teil des Datenschutzes und können helfen, den Zielkonflikt zwischen dem Potenzial des Datenaustauschs und dessen Herausforderungen zu lösen. Generell geht es bei der Datensicherheit um den Schutz von Daten in allen Formen und Zuständen, d. h. im Ruhezustand, bei der Übertragung und bei der Nutzung. Für die ersten beiden Zustände existieren bereits bewährte Schutzkonzepte. Zum Beispiel werden Daten verschlüsselt, so dass selbst bei einem Diebstahl kein Zugriff auf die Informationen möglich ist. Weiter gibt es auch Verschlüsselungsmethoden, die Daten während der Übertragung schützen, so dass nur autorisierte Parteien die Informationen sehen können, während sie sich zwischen Servern und Anwendungen bewegen.
Der Schutz von Daten während der Nutzung ist hingegen schwieriger, insbesondere wenn Berechnungen durchgeführt werden sollen. Dies liegt daran, dass Anwendungen oftmals nur Daten im Klartext, also in unverschlüsselter Form, verarbeiten können. PrivacyEnhancing Technologien bieten Lösungen, um Daten auch dann zu schützen, wenn sie verarbeitet oder für Analysen verwendet werden. Damit kann das Potenzial der gemeinsamen Nutzung von Daten unter Wahrung der Privatsphäre ausgeschöpft werden. Insbesondere erlauben Methoden aus dem Bereich der PrivacyEnhancing Technologien, sensible Daten für Auswertungen und Berechnungen zu nutzen, ohne sie Drittengegenüber offenlegen zu müssen (Burke, Brian,o. J.).
Welche Technologien gibt es?
Eine Übersicht über ausgewählte PrivacyEnhancing Technologien, welche grundsätzlich auf die Erhöhung der Datensicherheit abzielen, findet sich in der Abbildung unten. Dabei wird zwischen Trusted Execution Environments, Differential Privacy, Homomorphic Encryption, Zero-Knowledge Proofs, Federated Analysis und Secure Multiparty Computation unterschieden. Da sich alle diese Ansätze in ihrem Aufbau und/oder in ihrer Funktionsweise voneinander abgrenzen, eignen sie sich für verschiedene Anwendungsfälle.

Trotz der vergleichsweisen hohen Komplexität der entsprechenden Technologien ist das Potenzial für die Finanzindustrie, das sich durch PrivacyEnhancing Technologien eröffnet, gross. Vielfältige Anwendungen werden möglich, die zuvor im beschriebenen Zielkonflikt standen. Beispielsweise ermöglicht die Nutzung von Trusted Execution Environments (TEE) die geschützte Ausführung von sensiblen Applikationen und Verarbeitung von Daten, auch in einer (public) Cloud Umgebung. Damit können die Vorteile einer Cloud Umgebung genutzt werden, während Kundendaten in allen Zuständen, also während der Speicherung, der Übertragung sowie der Auswertung, geschützt sind und somit nur dem Dateneigentümer in unverschlüsselter Form zugänglich sind. Mögliche Anwendungsfälle hierfür sind Banking-as-a-Service (BaaS) Lösungen, bei denen im herkömmlichen Fall der Cloud Anbieter über unverschlüsselte Kundendaten verfügt. Werden dagegen TEEs von Providern zur Verarbeitung und Speicherung sensibler Daten eingesetzt, könnte dies das Sicherheitsniveau der entsprechenden Dienste zusätzlich erhöhen. Die Swisscom nutzt die TEE-Technologie in Zusammenarbeit mit Decentriq bereits für ein Umfragetool, das die Antworten der Befragten technologiebasiert geheim hält.[1]
Die Technologien haben auch das Potenzial für neue Geschäftsfelder. Beispielsweise könnte Differential Privacy im Bereich von Personal Finance Management (PFM) Systemen helfen, Ausgabengewohnheiten von anderen Nutzern anonym und indirekt mit anderen Nutzern zu teilen. So können Empfehlungssysteme für Kunden zusätzlich auf den Erfahrungen von Drittanbietern basieren, ohne dass sensible Informationen unverschlüsselt geteilt werden müssen. Die neuen Technologien können der Finanzindustrie auch helfen, Herausforderungen wie die Betrugsbekämpfung unter Berücksichtigung des Datenschutzes gemeinsam anzugehen. Mit Homomorphic Encryption können grosse Datenpools gebildet werden, ohne dass einzelne Einträge unverschlüsselt offengelegt werden. So könnte z. B. die Eintrittswahrscheinlichkeit seltener operationeller Risiken, wie z. B. eines Banküberfalls, durch das Einbeziehen von Daten und Erkenntnissen von Drittinstituten genauer geschätzt werden, als wenn nur Daten des individuellen Instituts berücksichtigt würden. Des Weiteren können PrivacyEnhancing Technologien Einsparpotenziale ermöglichen, beispielsweise indem sensitive Applikationen sicher ausgelagert werden können. Obwohl sich einige der genannten Ansätze noch in der Entwicklung befinden, verdeutlichen die gezeigten Anwendungsfälle das Potenzial für die Finanzbranche. Generell können diese Technologien den Finanzinstituten helfen, die Herausforderungen des Datenschutzes zu meistern und gleichzeitig dessen Potenzial in Form von neuen Geschäftsfeldern, höheren Erträgen, geringeren Kosten und reduzierten Risiken zu erschliessen.
Ausblick und weiterführende Publikation
Die gemeinsame Nutzung von Daten bietet viele Vorteile. Aufgrund der oftmals hohen Sensibilität von Finanzdaten neigen Finanzinstitute jedoch dazu, diese nur zögerlich mit Dritten zu teilen (strategy&,2020). Der potenzielle Wert der gemeinsamen Datennutzung muss gegen die Auswirkungen auf die Privatsphäre der Kunden, die Datensicherheit und die Kontrolle über wettbewerbsrelevante Daten abgewogen werden. Eine mögliche Lösung für diesen Zielkonflikt bieten PrivacyEnhancing Technologien. Durch diese bleiben auch sensible Daten jederzeit geschützt was die Bedenken in Bezug auf das Teilen von Daten reduzieren und das Vertrauen in Institutionen erhöhen oder im Extremfall sogar ersetzen kann.
Für Interessierte bietet die Publikation, die in Zusammenarbeit zwischen dem IFZ und der Swisscom entstanden ist, eine verständliche Einführung in die Thematik der Privacy-Enhancing Technologien und weitere mögliche Anwendungsfälle in der Finanzindustrie.
Burke, Brian. (o. J.). Top Strategic Technology Trends for 2021.Zugriff am 15/02/2021 auf https://www.tom.travel/wpcontent/uploads/2021/01/toptechtrendsgartner2021.pdf
Blake, M., McWaters, J. & Galaski, R. (2019). The Next Generation of DataSharing in Financial Services: Using Privacy Enhancing Techniques to Unlock New Value. World Economic Forum.
strategy&. (2020). Open Banking and Payments Survey. Zugriff am 17. Dezember 2020 aufhttps://www.strategyand.pwc.com/de/de/studie/2020/openbankingandpaymentssurvey.html
[1] Für weitere Informationen siehe auch: https://confidentialinsights.com.
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26. Juli 2021
Ist die Nutzung von Public Cloud-Diensten für Banken möglich?
Von Dr. Felix Buschor
Die Corona-Pandemie hat mit Teams, Zoom, Webex, Miro Board und anderen Produkten schlagartig neue Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit und Kooperation in unseren Arbeitsalltag getragen. In aller Regel werden diese Lösungen in einer Public Cloud betrieben. Damit sehen sich Banken zunehmend mit der Frage konfrontiert, unter welchen Bedingungen Dienste aus einer Public Cloud genutzt werden können.
Am 28. Februar 2020 hat der Bundesrat gestützt auf das Epidemiegesetz die besondere Lage ausgerufen. Zwei Wochen später wurde die ausserordentliche Lage verordnet. Dies hat für Banken bedeutet, dass von einem Tag auf den anderen ein grosser Teil der Mitarbeitenden von zu Hause aus gearbeitet haben. Wie schnell und reibungslos der Zugriff auf die Banksysteme ermöglicht wurde, hat wohl nicht nur manchen Mitarbeitenden überrascht. Möglich war dieser Übergang vom Büro zum Home Office dank der vielerorts bereits vorhandenen Möglichkeit mittels VPN (Virtual Private Network), oder ähnlichen Technologien sicher, auch ausserhalb des Bankgebäudes, auf Kernbanken- und Arbeitsplatzsysteme zuzugreifen. Während mit diesen technischen Lösungen der Bankbetrieb ungestört weitergeführt werden konnte, hat sich bald herausgestellt, dass die Arbeit aus dem Home Office auch Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und Zusammenarbeit, wie Videokonferenzen, das Teilen des Bildschirms oder digitale Whiteboards verlangt. Auf der Suche nach passenden Produkten haben die Banken schnell gemerkt, dass die meisten dieser Lösungen als Dienst in einer Public Cloud angeboten werden. Public Cloud-Dienste sind Angebote eines Providers, der diese offen über das Internet für jedermann zugänglich macht. Public Cloud Provider (PCP) sind beispielsweise Amazon, Google, Microsoft oder Alibaba. Während der ortsunabhängige Zugriff auf die Banksysteme noch über sichere Internetverbindungen ins eigene Rechenzentrum sichergestellt werden konnte, stellte sich mit den neuen Arbeitsformen für die IT-Verantwortlichen auf einmal die Frage: Können wir als Bank überhaupt Public Cloud-Dienste nutzen?
Zurückhaltender Einsatz von Public Cloud-Diensten bei Banken
Gemäss einer weltweiten Studie des Marktforschungsinstituts IDC vom Mai 2020 nutzen 57% der Banken in der einen oder anderen Form Public Cloud-Dienste. Interessanter als die schiere Anzahl von Banken, die Public Cloud nutzen, ist die Frage, wieviel Workload mittlerweile in die Cloud verlagert wird. Gemäss einer Schätzung der Boston Consulting Group vom Mai 2021 verlagern Banken höchstens 15% des Workloads in die Public Cloud. Es darf vermutet werden, dass die Zahlen für Schweizer Banken nochmals tiefer ausfallen. Dies, obwohl in einer Expertenumfrage der SBVg zusammen mit Accenture vom Juni 2021 84% der Interviewpartner Cloud Computing als Schlüssel-Technologie für die zukünftige Orchestrierung der Wertschöpfung sehen. Der zurückhaltende Einsatz von Cloud-Diensten kann unter anderem damit erklärt werden, dass viele Schweizer Banken Standard-Kernbankensysteme einsetzen. Da diese in den meisten Fällen (noch) nicht cloud-fähig sind, können die Banken ihren Workload von Geschäftstransaktionen nicht in eine Public Cloud verlagern. In der Folge haben auch Banken in der Schweiz angefangen in beschränkt kritischen Bereichen Public Cloud-Dienste auszuprobieren. Mal ist dies eine neue digitale Lösung an der Kundenschnittstelle, mal ist dies die Webseite und mal sind dies Data Analytics Berechnungen.
Der unbestrittene Vorteil von Cloud-Diensten liegt zum einen in Einsparungen entlang des gesamten Lebenszyklus von IT-Lösungen, die sich im Einzelfall auf mehr als 20% summieren können. Zum anderen kann die «Time to Market» von Software-Lösungen durch Automatisierung deutlich reduziert werden.
Ort der Datenhoheit als Pièce de Resistance für Banken
Der Sprung in die Cloud erfordert, dass verschiedene Hürden erfolgreich übersprungen werden. So gilt es zwischen einer Single und Multi-Cloud-Strategie zu entscheiden, Fragen der Betriebssicherheit sind zu klären, und Kosten und Risiken der Migration sind durch eine Migrationsstrategie zu optimieren. In all diesen Aspekten ist die «Journey-to-the-Cloud» für Unternehmen vergleichbar und kaum bankspezifisch. Anders stellt sich die Situation rund um das Thema der Datenhoheit dar. Vor allem aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen sind Banken gezwungen, in Fragen der Datenhoheit ihren eigenen Weg einzuschlagen.
Am 16. Juli 2020 fällte der EU-Gerichtshof ein Urteil in dem als Schrems II bekannten Fall. Mit seiner Entscheidung erklärte der Gerichtshof die Wirkung des EU-US-Datenschutzschilds («Privacy shield») für ungenügend. Damit wurde die wichtigste rechtliche Grundlage, um personenbezogene Daten aus der EU in die USA zu übertragen und dort zu speichern, für ungültig erklärt. Ausschlaggebend für den Gerichtsbeschluss war, dass die amerikanischen Behörden nach dem Recht der Vereinigten Staaten, auf Daten zugreifen dürfen, die aus einem Drittland übermittelt werden. Somit ist es auch für Schweizer Banken im Rahmen einer Cloud-Strategie von grosser Bedeutung festzulegen, in welche Länder personenbezogene Daten zwecks Verarbeitung oder Speicherung übermittelt werden dürfen. Zu beachten ist, dass die Übermittlung von Daten in ein Drittland nicht nur zur dortigen Speicherung erfolgen kann, sondern dass PCP im Rahmen von Betriebsprozessen allenfalls aus einem Drittland auf Daten zugreifen können.
Einen Schritt weiter in der politischen Auseinandersetzung der Datenhoheit geht der US CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act), der vom amerikanischen Kongress im Jahre 2018 verabschiedet wurde. Der CLOUD Act besagt, dass US-Firmen den US-Behörden alle Daten auszuhändigen haben, für die ein US-Gerichtsbeschluss vorliegt, und zwar unabhängig davon, wo diese Daten gespeichert sind. In der Praxis könnte dies bedeuten, dass amerikanische Behörden Zugriff auf Daten in einer Cloud erhalten, die ausserhalb der USA, z.B. in der Schweiz gespeichert sind, sofern der PCP ein US-Unternehmen ist. Für die Banken hat dies zur Folge, dass sie sich nicht nur mit den Zielländern der Datenübermittlung, sondern auch mit dem Domizil des PCP und allfälliger Unterlieferanten befassen müssen. Dabei wird es in der Praxis kaum ausreichend sein, sich über das Domizil des Vertragspartners und dessen Unterlieferanten Klarheit zu verschaffen. Vielmehr ist auch das Domizil einer allfälligen Muttergesellschaft zu klären, die den PCP kontrolliert.
Sowohl die Konsequenzen aus Schrems II als auch aus dem US CLOUD Act lassen sich nur beschränkt über vertragliche Regelungen mit dem PCP regeln. Vielmehr kommen darin auch unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Ausdruck. So gesehen ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Banken zum Schluss kommen, dass Public Cloud-Dienste nicht genutzt werden können. Um voreilige Schlüsse zu vermeiden, sind aber folgende Punkte zu bedenken:
- Fragen rund um die Datenhoheit betreffen in erster Linie personenbezogene Daten, aus Sicht von Banken vor allem die CID (Client Identifying Data). Nicht betroffen sind alle weiteren Daten und deren Verarbeitungen.
- Die Nutzung von Public Cloud-Diensten erfordert nicht in allen Fällen die permanente Speicherung von Daten in der Cloud, d.h. Data-at-Rest. Für Videokonferenzen beispielsweise ist die permanente Ablage von Daten nicht nötig. Es genügt die vorübergehende und kurzzeitige Verarbeitung der Daten, d.h. «Data-in-Use» sind ausreichend.
- Im Falle personenbezogener Daten sind Verträge nicht die einzige Möglichkeit die Risiken zu kontrollieren, sondern es gibt auch technische Möglichkeiten: Daten werden verschlüsselt, personenidentifizierende Daten werden durch ein Pseudonym ersetzt oder Daten werden durch Anonymisierung unwiederbringlich verändert.
Der institutsspezifische Risikoappetit grenzt den Einsatz von Public Cloud-Diensten ein
Mangels klaren Dos and Don’ts für den Umgang mit der Datenhoheit müssen Banken dies im Rahmen der geltenden regulatorischen und gesetzlichen Vorgaben als Teil einer Cloud-Strategie erarbeiten. Die Formulierung einer solchen Strategie erfordert innerhalb der Bank eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Stellen, wie Datenschutz, Rechtsdienst oder IT-Verantwortlichen.
Hilfreich ist es, wenn entlang eines Rasters, wie in Abbildung 3 dargestellt, der Risikoappetit für kundenidentifizierende Daten diskutiert und festgelegt wird. Dabei wird den unterschiedlichen Aspekten der Datenhoheit die mögliche Tiefe der Nutzung von Cloud-Diensten gegenübergestellt. Für die möglichen Kombinationen wird festgelegt, ob sie zulässig, nicht zulässig oder zulässig mit Begleitmassnahmen sind. Am Ende verfügt die Bank über eine klare Richtschnur, unter welchen Bedingungen kundenidentifizierende Daten Public Cloud Providern anvertraut werden dürfen.
Fazit
Neue Arbeitsformen halten in Banken Einzug. Deren erfolgreiche Umsetzung verlangt nach digitalen Lösungen zur Kommunikation und Zusammenarbeit. Diese sind häufig nur als Public Cloud-Dienste erhältlich. Aus diesem Grund stehen heute Banken vor der Frage, unter welchen Bedingungen Public Cloud eingesetzt werden können. Dieser Blog empfiehlt, in einem interdisziplinären Team eine Risikobeurteilung von Aspekten der Datenhoheit durchzuführen.
Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch). Sind Sie an vertiefenden Ausführungen zum Thema Cloud interessiert? Dann melden Sie sich für das IFZ Bank-IT Forum «Journey-to-the-Cloud» an (IFZ Bank-IT Forum: Journey-to-the-Cloud | Hochschule Luzern (hslu.ch))
Kommentare
1 Kommentare
Sinan Biren
26. Juli 2021
Great article, thank you
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
20. Juli 2021
Marktvolumen von CHF 15.4 Milliarden – Relevanz von Marketplace Lending in der Schweiz steigt
Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein
Neue Technologien, das Niedrigzinsumfeld und ein verändertes Kundenverhalten schwächen gewisse Wettbewerbsvorteile traditioneller Banken und führen zum Entstehen von neuen Geschäftsmodellen im Finanzsektor. Marketplace Lenders, die mit Online-Plattformen im Schweizer Fremdkapitalmarkt aktiv sind, sind hierfür ein eindrückliches Beispiel. Das Marktvolumen dieser Plattformen erreichte im Jahr 2020 CHF 15.4 Milliarden. Gegenüber 2019 bedeutet dies ein Wachstum von 42 Prozent.
Direkt zum Download der Studie
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft, die Swiss Marketplace Lending Association (SMLA) und die TMF Group haben dieses Jahr den Marketplace Lending Report lanciert. Es handelt sich um die erste umfassende Analyse zur Fremdkapital-Finanzierung von Schweizer Unternehmen, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Privatpersonen über Plattformen im Internet. Im Gegensatz zu Banken nehmen Marketplace-Lending-Plattformen weder Einlagen entgegen, noch vergeben sie selbst Kredite über die eigene Bilanz. Kreditgeber solcher Finanzierungen sind in der Regel Privatpersonen oder professionelle und institutionelle Investoren wie zum Beispiel Versicherungen, Fonds, Pensionskassen, Banken, oder Family Offices.
Marktvolumen hat sich seit 2017 verdreifacht
Das Gesamtvolumen an Fremdkapital, das im Jahr 2020 über Onlineplattformen verliehen wurde, betrug CHF 15.4 Milliarden. Von 2019 bis 2020 wuchs das Gesamtmarktvolumen (neue Kredite/Anleihen) um 42.5 Prozent. Die Volumina und Wachstumszahlen der verschiedenen Segmente von Marketplace Lending unterscheiden sich aber deutlich. Das Segment der Crowdlending-Kredite erreichte im Jahr 2020 CHF 448.0 Millionen, dasjenige der Broker für Hypothekarkredite, die von institutionellen und professionellen Anlegern finanziert werden, CHF 5.5 Milliarden. Das Volumen im Segment der Kredite und Anleihen für mittlere und grosse Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Körperschaften betrug CHF 9.4 Milliarden (vgl. Tabelle 1).

Hypothekarkredite auf Vermittlungsplattformen mit einem Marktanteil zwischen 3% und 3.5%
Hypothekarkredite stellen den volumenmässig grössten Fremdkapitalmarkt in der Schweiz dar. Vermittlungsplattformen erreichten im Jahr 2020 ein Volumen von rund CHF 5.5 Milliarden, was einem Marktanteil von 3% bis 3.5% der neu ausgegebenen Hypothekarkredite entspricht. Erste Plattformen sind bereits seit 2012 im Markt. In den vergangenen Jahren konnte man beobachten, dass zunehmend auch Banken solche Marktplätze aufbauen. Abbildung 1 gibt Einblick in die Relevanz sowie die Wachstumsdynamik verschiedener Marketplace Lending-Segmente.

Kredite an Gemeinden und Städte als etablierter Markt auf Plattformen
Gemessen am Marktanteil hat das Segment der Kredite an öffentlich-rechtliche Körperschaften eindeutig die höchste Relevanz aller Marketplace-Lending-Segmente erzielt. Die Studienautoren schätzen, dass rund 10% bis 15% aller Kredite an Gemeinden, Städte und Kantone in der Schweiz über Plattformen vermittelt werden. Das Kreditvolumen lag im Jahr 2020 bei CHF 9.4 Milliarden.
Crowdlending-Segment stark von der COVID-19-Krise betroffen
Obwohl das Crowdlending-Segment im Jahr 2020 insgesamt um 7.1% gewachsen ist, waren bestimmte Kreditarten stark von COVID-19 betroffen. Der deutliche Rückgang bei den KMU-Krediten war eine unmittelbare Folge des COVID-19-Kreditprogramms des Bundes. Das Segment der Konsumkredite war aufgrund der zurückgehenden Konsumnachfrage ebenfalls stark von der COVID-19-Krise betroffen. Dies ist auch in Abbildung 2 ersichtlich, welche die monatlichen Neuvolumen von Krediten auf Plattformen von Mitgliedern der Swiss Marketplace Lending Association zeigt. Ab Mai 2020 gingen die Volumen von KMU- und Konsumkrediten stark zurück. Auf der anderen Seite stiegen die hypothekarisch gesicherten Kredite im Jahr 2020 stark an und bewirkten ein Gesamtwachstum des Volumens im Crowdlending-Segment. Wir erwarten eine Erholung des Marktes und eine Beschleunigung des Wachstums nach der Pandemie.

Plattformen für Fremdkapital sind Innovationstreiber in der Schweiz
Marketplace Lending-Plattformen sind Innovationstreiber im Schweizer Fremdkapitalmarkt. Crowdlending-Plattformen gehörten beispielsweise zu den ersten, die in der Schweiz vorwiegend digitale Kreditvergabeprozesse für KMU und Konsumenten angeboten haben. Die Online-Broker im Hypothekenmarkt sind relevante Treiber, die den grössten Schweizer Markt für Fremdkapital bereits seit 2012 digitalisieren. Plattformen für die Kreditvergabe an öffentlich-rechtliche Körperschaften (Gemeinden, Städte, Kantone) haben bereits einen erheblichen Teil dieses Marktsegments erobert und vermitteln seit 2016 eine hohe Anzahl dieser Kredite zu geringeren Kosten als traditionelle Anbieter. Zudem gab es 2020 die ersten digitalen Anleiheemissionen auf Schweizer Plattformen, wodurch ein neues Segment entstanden ist, welches auch die Transparenz solcher Transaktionen im Preisfindungsprozess erhöht.
Marketplace Lending Report Switzerland – 2021
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Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.
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2 Kommentare
Felix Buschor
20. September 2021
Vielen Dank für die Frage. Bei beiden Banken war das Huddle Board während des Lock-Downs und insbesondere fürs Home Office ein wichtiges Instrument. Dazu wurde bei beiden Banken das Huddle Board digitalisiert, in der Regel als Excel oder im One Note, in wenigen Fällen im Powerpoint. Damit konnte unter den Mitarbeitenden Transparenz erreicht werden, so dass jeder und jede wusste woran der oder die andere arbeitet. Dadurch fühlen sich alle bestärkt, dass die anstehenden Aufgaben gerecht verteilt sind. Felix Buschor
Sandro Widmer
20. September 2021
Spannend. Wie geht das "Huddeln" wenn ein Teil oder alle im HomeOffice sind?
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.