12. Mai 2022

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Welches ist die digitalste Schweizer Retailbank im Privatkundengeschäft? Die Studienergebnisse 2022

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Anhand von 102 Faktoren hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ in Zusammenarbeit mit e.foresight zum zweiten Mal untersucht, wie hoch der Digitalisierungsgrad von 39 in der Schweiz tätigen Retailbanken und vier Neobanken im Privatkundengeschäft ist. Analysiert wurden digitale Funktionalitäten, Dienstleistungen und Produkte. Die Resultate wurden heute anlässlich der IFZ-Konferenz «Innovationen im Banking» vorgestellt. Im Blog fasse ich die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und zeige auf, welches in der Schweiz die digitalsten Retailbanken sind.

Es gibt immer wieder mal – nicht immer nachvollziehbare – Bewertungen zu digitalen oder eben nicht digitalen Schweizer Retailbanken. Mithilfe der unten vorgestellten Untersuchung soll mittels nachvollziehbaren Kriterien aufgezeigt werden, welche Banken tatsächlich einen höheren oder eben tieferen Digitalisierungsgrad im Privatkundenbereich aufweisen.

Vorgehen

Hierfür hat das IFZ gemeinsam mit dem Digital Banking Think Tank e-foresight der Swisscom per Stichtag 31. Januar 2022 bei 39 Retailbanken und vier Neobanken eine Untersuchung durchgeführt. Es wurde analysiert, welche (digitalen) Funktionalitäten, Produkte und Dienstleistungen für Privatkunden angeboten werden (digitale Angebote für Firmenkunden wurden explizit nicht berücksichtigt). Dadurch soll eine objektiv nachvollziehbare Grundlage für einen Vergleich zwischen den Banken geschaffen werden. Die entsprechende systematische Erfassung von Funktionalitäten, Produkten und Dienstleistungen wurde in zwölf Themenblöcke «Funktionalitäten auf Website & generelle Serviceangebote», «E-Banking», «Mobile Banking», «Touchpoints und Kundeninteraktion», «Finanzieren», «Anlegen und Vorsorgen», «Zahlen», dem «Digitalisierungsgrad in der Filiale», «Bank-nahe Dienstleistungen», dem Einsatz von «Data Science/Analytics und Machine Learning», der «Automatisierung und Prozesseffizienz», und dem Einsatz von verschiedenen «Technologien» eingeteilt. In Abbildung 1 sind die zwölf Themenblöcke ersichtlich. Die Anzahl der abgefragten Funktionalitäten pro Block ist jeweils in den Boxen unten rechts ersichtlich.
Im Vergleich zum Vorjahr wurden einige Anpassungen im Fragebogen vorgenommen (neu: 102 statt 87 Funktionalitäten; einige wenige Funktionalitäten wurden nicht mehr berücksichtigt) – die Resultate sind dadurch nicht zu 100 Prozent vergleichbar mit dem Vorjahr.

Abbildung 1: Messkonzept und Anzahl untersuchte Elemente pro Themenblock

Die detaillierte Liste der 102 untersuchten Elemente und auch die einzelnen Gewichtungsfaktoren finden Sie hier.

Im Gegensatz zum Vorjahr wurden auch Neobanken analysiert. Es ist aber zu beachten, dass gewisse Auswertungen für Neobanken irrelevant sind und daher die Vergleichbarkeit im gesamten Ranking nur mässig Sinn macht (z.B. das Thema „Digitalisierung in der Filiale“: Neobanken können sich in diesem Bereich im Gegensatz zu den herkömmlichen Retailbanken keine „Punkte“ holen).

Der Fokus der Analysen lag ausschliesslich auf den Verfügbarkeiten von Funktionalitäten. Auf eine Bewertung der Qualität der entsprechenden Angebote wurde verzichtet. Auch eine Bewertung des Nutzererlebnisses («User Experience» UX) wurde in unseren Analysen nicht vorgenommen. Es ist derzeit aber geplant, dass wir im nächsten Jahr das Thema UX genauer untersuchen.

Um den Digitalisierungsgrad im Privatkunden-Geschäft der einzelnen Banken miteinander zu vergleichen, wurden zwei Werte berechnet. Bei Variante 1 wurden die Anzahl angebotener digitaler Funktionalitäten, Produkte und Dienstleistungen addiert. Bei Variante 2 wurden die einzelnen Themenblöcke basierend auf unserer Einschätzung unterschiedlich gewichtet. Die Gewichtung hat den Vorteil, dass gewisse Funktionalitäten eine höhere Bedeutung erlangen als andere an sich weniger wichtige Funktionalitäten (z.B. die Möglichkeit der Verlängerung einer Online-Hypothek hat dadurch mehr «Wert» als die Möglichkeit, Fremdwährungen online bestellen zu können). Auf der anderen Seite ist die «Wichtigkeit» immer mit unserer subjektiven Einschätzung verbunden. Daher zeigen wir nachfolgend beide Ranglisten auf.

Der Maximalwert beträgt 102 Punkte (ungewichtete Variante) respektive 10.94 Punkte (gewichtete Variante) und wäre erreicht, wenn alle in dieser Studie untersuchten Funktionalitäten, Produkte und Dienstleistungen von einer Bank angeboten würden. Wie weiter unten schnell ersichtlich wird, ist der überwiegende Teil der Schweizer Banken derzeit noch weit davon entfernt, den Maximalwert zu erreichen.

Welches ist die digitalste Schweizer Retailbank im Privatkundengeschäft? Die Ranglisten

Gemäss unseren Analysen zeigt sich, dass die UBS wie im Vorjahr und unabhängig vom Messansatz ziemlich deutlich in Führung liegt. Die Credit Suisse liegt bei der ungewichteten Variante auf Rang 2 und bei der gewichteten Variante auf Rang 3. Die Raiffeisengruppe hat sich gegenüber dem Vorjahr verbessert und liegt nun abhängig von der Berechnungsmethode auf Range 2 (gewichtet) respektive auf Range 3 (ungewichtet). PostFinance hat gegenüber den Konkurrenten etwas verloren und ist unabhängig von der gewählten Methode nicht mehr auf dem Siegertreppchen (respektive sogar auf Rang 7 bei der gewichteten Variante). Die im Vorjahr noch nicht untersuchten Migros Bank und VZ Depotbank konnten sich in die Spitzengruppe einfügen. Daneben sind die Kantonalbanken aus Luzern (LUKB), dem Waadtland (BCV), Zürich (ZKB) und St. Gallen (SGKB) in den Top 10 vertreten. Als einzige Regionalbank hat es die Hypothekarbank Lenzburg in die Top 15 geschafft.

Wie ersichtlich wird, variieren die einzelnen Ränge leicht zwischen den beiden Messmethoden. Die grundsätzliche Aussagekraft wird durch die Gewichtung der einzelnen Themenblöcke aber nicht bedeutend verändert.

Abbildung 2: Rangliste der digitalsten Retailbanken der Schweiz (linke Tabelle: mit Gewichtung, rechts: ungewichtete Rangliste)

Insgesamt kann man kann erkennen, dass grössere Banken (gemessen an der Bilanzsumme) ein grösseres digitales Angebot für ihre Privatkunden anbieten.

Rankings der einzelnen Kategorien

Wir haben auch verschiedene Sub-Rankings für die oben vorgestellten zwölf Teilbereiche erstellt. Nachfolgend zeige ich Ihnen einige ausgewählte Erkenntnisse daraus:

  • In Bezug auf das E-Banking schneiden UBS (Rang 1), Raiffeisen (Rang 2) und die Luzerner Kantonalbank (Rang 3) am besten ab. Auch in Bezug auf die Breite der Funktionalitäten im Mobile Banking sind diese drei Institute ganz oben.
  • Im Bereich «Zahlen» ist die UBS mit einem kleinen Vorsprung die Nummer 1. Den zweiten Rang teilen sich die Migros Bank, die BCV, Credit Suisse, PostFinance und die St. Galler Kantonalbank.
  • Im Bereich Anlegen und Vorsorgen sind die Migros Bank, UBS und Raiffeisen an der Spitze.
  • Im Bereich Finanzieren ist die Credit Suisse mit deutlichem Abstand die Nummer 1 in der Schweiz. Nummer 2 und 3 sind PostFinance (dank Valuu) und Migros Bank.
  • Kombiniert man die Bereiche «Touchpoints» und «Digitalisierungsgrad der Filiale», liegt die Zuger Kantonalbank an der Spitze vor den beiden Grossbanken UBS (Rang 2) und Credit Suisse (Rang 3)
  • Die Neobanken liegen im Gesamtranking eher im hinteren Bereich, da sie derzeit nicht die gleichen Produktpaletten wie herkömmliche Banken anbieten (z.B. Finanzierungen) und gänzlich auf Filialen verzichten. Daher haben sie in einzelnen Bereichen nicht gepunktet. Sie sind aber in einzelnen Sub-Rankings ganz oben in der Tabelle zu finden. So sind Neon, Zak und N26 die drei Institute, welche im Bereich «Bank-nahe Dienstleistungen» das grösste digitale Angebot von allen untersuchten Unternehmen haben.

Fazit

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Resultate können folgende Konklusionen gezogen werden:

  • Grössere Banken haben einen im Durchschnitt höheren Digitalisierungsgrad als kleinere Banken. Dieser Zusammenhang ist auch statistisch klar signifikant.
  • Insgesamt haben die meisten Schweizer Banken noch immer Entwicklungspotenzial. Gleichzeitig kann aber auch festgestellt werden, dass die untersuchten Banken gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr Funktionen anbieten als noch im Vorjahr. Einige Institute sind in der Digitalisierung also einen bedeutenden Schritt weitergekommen – oder etwas salopp formuliert: Es läuft was in der Digitalisierung für Privatkunden!
  • Eine deutliche Verbesserung von zusätzlichen 10 Funktionen und Angeboten gegenüber der vorjährigen Studie konnten die Hypothekarbank Lenzburg, Banque Cantonale Vaudoise, Raiffeisen, Credit Suisse, Luzerner Kantonalbank, Zuger Kantonalbank, PostFinance und die Nidwaldner Kantonalbank verzeichnen. Die Hypothekarbank Lenzburg konnte sogar über 20 Funktionen und Angebote mehr als noch im Vorjahr vorweisen.
  • Die Kundenzufriedenheit muss nicht zwangsläufig mit den angebotenen digitalen Funktionalitäten korrelieren. Ein Blick in die Bewertung einzelner Mobile Banking Apps zeigt beispielsweise, dass die (temporäre) Zufriedenheit nicht unbedingt mit dem Funktionsumfang des Mobile Bankings in Zusammenhang stehen muss.

Wir möchten diese Untersuchung auch in Zukunft regelmässig durchführen, damit wir die Entwicklungen der einzelnen Banken und des gesamten Finanzplatzes besser beurteilen können. Gerne nehme ich hierfür auch weitergehendes Feedback (fehlende Funktionalitäten, etc.) entgegen (andreas.dietrich@hslu.ch).

Kommentare

2 Kommentare

Ralph Hennecke

12. Mai 2022

Hi Andreas Wo isr die Bank Cler und ihr ZAK positioniert? Wurde sue nicht untersucht? Liebe Grüsse Ralph

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Prof. Dr. Andreas Dietrich

12. Mai 2022

Die Bank Cler und auch Zak wurden auch untersucht. Ausgewiesen werden aber nur die Top 15 Banken (von 44 untersuchten Instituten).

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