30. Januar 2023
Ende 2022 hat das US-amerikanischen Unternehmen OpenAI den Chatbot ChatGPT veröffentlicht. Seitdem steht das System allen Internet-Usern kostenlos zur Verfügung. ChatGPT ist ein Chatbot, also eine Software, die ein menschliches Gespräch simuliert. Für Forscher:innen, sowie Finanzdienstleister, die bereits Bots im Einsatz haben oder dies in Kürze planen, stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen ChatGPT auf die Organisationen haben wird und wie sich allenfalls sogar die gesamte Kundenkommunikation verändern wird. Im heutigen Blog präsentieren wir die Resultate einer kleinen Umfrage des IFZ bei Vertreter:innen der Finanzindustrie.
Auf der Internetseite findet sich ein schlichtes Eingabefenster, wie bei einer Suchmaschine. Wer sich auf der Seite registriert, kann kostenlos beliebige Fragen eintippen. Das besondere an ChatGPT ist, dass das System in wenigen Sekunden Texte generiert, die sich auf den ersten Blick kaum von denen unterscheiden lassen, die reale Menschen geschrieben haben. Der Bot schreibt Gedichte, Aufsätze, Nachrichtentexte, Songzeilen und sogar Programmcode. Zwar ist das System noch im Aufbau, hat aber mit etwa 500 Milliarden Wörtern trainiert, wie Sprache funktioniert.
Der von der Firma OpenAI entwickelte Sprachroboter basiert auf dem System GPT-3. Das ist ein sehr umfangreiches Modell der künstlichen Intelligenz (KI), das nahezu mit allen Internetquellen angereichert wurde, wie beispielsweise mit Wikipedia-Artikeln, digitalisierten Büchersammlungen und vielen anderen Textquellen. Mit diesen Inhalten lernt die KI, die Muster und Strukturen von Sprache zu erkennen. Gibt man dem Chatbot ein Wort, kann er anhand von statistischen Zusammenhängen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wie das nächste Wort lauten soll. Dann beginnt der Algorithmus basierend auf der bisherigen Wortreihe von vorne und ergänzt immer weiter. So kommt schliesslich ein vollständiger Satz, beziehungsweise sogar ein ganzer Text, ein Gedicht oder ein Programmiercode zustande. Nur: Obwohl die Maschine die von ihr erlernten Inhalte neu kombinieren kann, erzeugt sie nie etwas gänzlich Neues. Trotzdem reicht das aus, um uns zum Staunen zu bringen.
Abbildung 1: ChatGPT kann auf viele Fragen gute Antworten liefern
Fragestellung und Stichprobe
Für Forscher:innen, sowie Finanzdienstleister, die bereits Bots im Einsatz haben oder dies in Kürze planen, stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen ChatGPT auf die Organisationen haben wird und wie sich allenfalls sogar die gesamte Kundenkommunikation verändern wird.
Parallel dazu stellt sich für Kund:innen die Frage, wann es soweit ist, dass sie nur noch über einen Bot mit dem Kundenservice einer Firma kommunizieren können.
Um Antworten auf die obigen Fragen zu geben und die Auswirkungen der neuen Technologie besser einordnen zu können, hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) in der Ersten Januarhälfte 2023 siebzehn Mitarbeiter, die sich in Finanzdienstleistungsunternehmen mit Chatbots beschäftigen, befragt. Die Umfrage-Teilnehmer:innen sind entweder Team- oder Abteilungsleitende von Schweizer Finanzdienstleistern, die bereits Erfahrung mit Chat- oder Voicebots haben. 12 % der Befragten sammeln sogar seit 2016 oder noch länger Erfahrungen mit Bots. Je 19% der Befragten haben in 2017 oder 2022 das erste Mal ein Chat-Projekt lanciert und der Rest beschäftigt seit 2019 oder 2021 mit dem Thema.
Bei 81 % der befragten Unternehmen arbeiten zwischen einem und drei Mitarbeitenden im Bot-Projekt.
Die Ergebnisse
Die Mehrheit (63%) der befragten Mitarbeitenden hat nicht erst durch die Umfrage von ChatGPT und der Möglichkeit, die neue Technologie online auszuprobieren erfahren, sondern bereits vorher durch soziale Netzwerke oder andere Medien, wie Fernsehen, Radio oder Tageszeitungen. Nur 6% haben jeweils durch Freunde oder Arbeitskollegen von den Fortschritten des US-amerikanischen Konzerns OpenAI erfahren.
Das Thema scheint nicht nur die Nachrichten oder die sozialen Netzwerke zu beschäftigen. Bei 19% der befragten Unternehmen wurde aufgrund von ChatGPT und den damit verbundenen Möglichkeiten und Risiken eine interne Newsmeldung an alle Mitarbeitenden verschickt.
Bei 72% der Organisationen hat das Thema ChatGPT neue Diskussionen angestossen. Dabei geht es vielmals um ethische Fragestellungen oder um Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und des Urheberrechts. Aber auch Fragen betreffend zukünftige Usecases für Chat- und Voicebots und Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT werden diskutiert.
Zum heutigen Stand ist davon auszugehen, dass ChatGPT kurz- und langfristige Auswirkungen auch auf Schweizer (Finanzdienstleistungs-)Unternehmen haben wird.
19% der Befragten geben an, dass ihr Team seit den Berichten zu ChatGPT mehr Aufmerksamkeit und Wichtigkeit innerhalb des Unternehmens bekommen hat. Andere berichten, dass interne Fragestellungen hinsichtlich Datenschutzes und Ethik in den letzten Wochen deutlich mehr Bedeutung bekommen haben. Knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer (44%) gibt jedoch zu, dass sie bislang keine Änderungen innerhalb der Chat- und Voicebot Teams bzw. Projekte wahrgenommen haben.
Für die Zukunft erhoffen, sich die Befragten auf jeden Fall deutlich mehr Aufmerksamkeit für ihr Chat- und Voicebot Team bzw. für deren Projekte. 31 Prozent der befragten Mitarbeitenden erhoffen sich zusätzlich einen deutlichen Ausbau der aktuellen Bot-Lösung.
Zwar hat ChatGPT bis heute bereits einige Themen in den Unternehmen angestossen und Diskussionen ausgelöst. Die meisten Auswirkungen werden jedoch von der Hälfte der Befragten erst in Q3 2023 erwartet. 13% erwarten grössere Auswirkungen bereits früher (in Q2 2023) und ebenfalls 13% erwarten die Auswirkungen erst später (in 2024).
Neben dem Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit und einer priorisierten Umsetzung von Chat- und Voicebot Projekten, dank ChatGPT, sehen die Befragten auch neue Gefahren bei der Nutzung der KI-Technologie. Die Hälfte der Mitarbeitenden sieht es kritisch, dass Schweizer Unternehmen keinen Einfluss auf die KI-Modelle von OpenAI haben und somit die Kontrolle verlieren könnten. 38% haben Bedenken um die eigenen Datenschutzrichtlinien. Interessant ist es, dass nur 6% ChatGPT als zu wenig spezifisch einschätzen und dies als Gefahr sehen.
Diese Befürchtungen lassen sich begründen, denn 44% der befragten Mitarbeitenden stimmen der Aussage zu, dass zu hohe Datenschutzanforderungen ein Grund für das Scheitern von Chat- bzw. Voicebot Projekten sind. 31% können dieser Aussage weder zustimmen, noch ablehnen. Ein Viertel stimmt dieser Aussage nicht zu.
Ein anderer Grund, warum Chat-Projekte vielmals scheitern, ist die Tatsache, dass unternehmenseigene Schnittstellen zu spezifisch bzw. zu kompliziert sind und daher nicht mit der gewählten Bot-Technologie harmonieren. 69% nennen diese Tatsache als häufigen Hinderungsgrund, die restlichen 31 % stimmen hier weder zu, noch lehnen sie die Aussage ab.
Unwissen oder sogar Angst vor dem Chatten mit einer KI stellt bei den Schweizer Finanzdienstleistern, laut unserer Befragung, keinen grossen Hinderungsgrund dar. Nun hätte man vermuten können, dass ChatGPT den Kund:innen die Angst oder Scheu zum Umgang mit einer Künstlichen Intelligenz nehmen, doch dies ist laut der befragten Unternehmen gar nicht mehr so zwingend notwendig.
Fazit
ChatGPT hat zu vielen Newsmeldungen geführt. Weiter hat die neue Technologie Diskussionen rund um Ethik, Urheberrecht und Datenschutz im Unternehmen gestärkt oder sogar erst hervorgebracht.
Viele Chat- und Voicebot Teams geniessen seit der Veröffentlichung von ChatGPT mehr Aufmerksamkeit im Unternehmen. Weiter erhoffen sich die meisten Teams durch die neuen KI-Lösungen einen Ausbau der bestehenden Chat-Systeme. Bislang sind dies allerdings nur Diskussionen und Wünsche. Wirkliche Veränderungen im Unternehmen hat ChatGPT bislang noch nicht gebracht und dies wird auch laut den befragten Schweizer Finanzdienstleistungs-Unternehmen noch mindestens bis zum Dritten Quartal 2023 andauern.
Aufgrund der Tatsachen, dass der Datenschutz für die Mehrheit der Schweizer Organisationen eine übergeordnete Rolle spielt und dass die Daten aus den Kunden-Dialogen mit ChatGPT zurück in die Modelle von OpenAI fliessen, welche in den USA liegen, ist es jedoch fraglich, ob die meisten Unternehmen wirklich bereits in Q3 / 2023 erste Anpassungen ihrer Chat- und Voicebot Systeme aufgrund von ChatGPT erleben werden. Weiter zeigt die Umfrage, dass unternehmenseigene Schnittstellen bereits ohne ChatGPT grosse Hürden bei der Implementation von Bot-Projekten darstellen. Es ist fraglich, ob die Unternehmen diese Hürden in Kombination mit ChatGPT überwinden können.
Abschliessend ist zu sagen, dass dank ChatGPT sicherlich viele Unternehmen nun verstärkt einen Fokus auf Chat-Technologien setzen und diese wohl auch in Zukunft weiter ausbauen werden. Es bleibt zum aktuellen Stand noch offen, wie einfach Unternehmen der Finanzindustrie die KI-Modelle von OpenAI einsetzen können und damit den eigenen Kundenservice oder die Beratung auf das nächste Level bringen können.
Wir haben am IFZ in diesem Zusammenhang eine Diskussion über das weitere Vorgehen der Integration von Aspekten von ChatGPT beispielsweise bei einer Vorsorgeberatung oder der Stärkung der Financial Literacy mit ausgewählten Finanzdienstleistern gestartet. Wenn auch Sie daran Interesse haben, kontaktieren Sie Sophie Hundertmark.
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