23. September 2024

Alltags-Banking,

Kundenorientierung,

Smartphone Banken

Wie wird Yuh derzeit genutzt?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die von PostFinance und Swissquote lancierte Smartphone-App Yuh ist mittlerweile die am zweithäufigsten genutzte Smartphone-Bank der Schweiz. Rund 3.5 Jahre nach ihrer Einführung nutzen bereits über 250’000 Menschen die App. Für den IFZ Retail Banking Blog wurden mir verschiedene interessante Kennzahlen zur Nutzung und zu den Nutzerinnen und Nutzern von Yuh zur Verfügung gestellt.

Die Nutzerbasis von über 250’000 Personen verteilt sich auf verschiedene Altersgruppen. 45 Prozent der App-Nutzer sind jünger als 35 Jahre, und 72 Prozent sind jünger als 45 Jahre (siehe Abbildung 1). Zum Vergleich: Das Median-Alter in der Schweiz beträgt rund 46 Jahre. Das bedeutet, dass 50 Prozent der Bevölkerung jünger und 50 Prozent älter als 46 Jahre alt sind.

Abbildung 1: Altersverteilung von Yuh (Stand: Ende August 2024; Quelle: Yuh)

Neben dem tendenziell eher jüngeren Publikum zeigt sich auch eine klare Tendenz in der Geschlechterverteilung: 70 Prozent der Nutzer sind männlich, während 30 Prozent weiblich sind. Gemäss Angaben von Yuh konnte der Frauenanteil aber gesteigert werden. Laut Angaben von Yuh konnte der Frauenanteil jedoch gesteigert werden. Lag dieser zu Beginn noch bei nur 20 Prozent, so konnte er inzwischen erhöht werden.
Die Verteilung der Nutzer nach Regionen entspricht weitgehend der Bevölkerungsdichte in den einzelnen Kantonen. In Zürich beispielsweise, dem bevölkerungsreichsten Kanton, finden sich 18% der Yuh-Nutzerinnen und -Nutzer, was auch dem Anteil an der Gesamtbevölkerung der Schweiz entspricht. Es ist jedoch eine leichte Tendenz erkennbar, dass Yuh in urbanen Kantonen (bspw. Basel, Genf) etwas stärker vertreten ist als in ländlichen Gebieten.
Die Yuh-Nutzerinnen und -Nutzer verfügen im Durchschnitt über einen Kontostand von CHF 8’900. Rund 60 Prozent der Kundinnen und Kunden nutzen die innerhalb der App angebotenen Sparprojekte.


Nutzung der App
Die Yuh-Nutzerinnen und -Nutzer zeigen eine bemerkenswert hohe Aktivität. Im Durchschnitt loggen sie sich mehrere Male pro Monat in die App ein. Aktuellen Daten zufolge sind täglich 75’000 unique Nutzer aktiv, während 155’000 die App mindestens einmal pro Woche nutzen. Innerhalb der letzten 30 Tage haben sich sogar 220’000 Nutzerinnen und Nutzer mindestens einmal in die App eingeloggt, was einer – aus meiner Sicht – beeindruckenden Aktivitätsrate von 88 Prozent entspricht.


Krypto-Investoren und Handelsaktivitäten
Eine beachtliche Anzahl von 38 Prozent aller Yuh-Nutzerinnen und -Nutzer, also 95’000 Personen, investiert derzeit via Yuh in Kryptowährungen. Unter diesen Investierenden sind 88 Prozent männlich. Der durchschnittliche Handelsbetrag für Kryptowährungen liegt bei etwa CHF 375 pro Transaktion. In einer Studie, welche wir im November im Rahmen der IFZ Retail Banking Konferenz veröffentlichen werden, werden wir aufzeigen, dass diese hohe Zahl deutlich überdurchschnittlich ist für die Schweizer Bevölkerung. Offensichtlich ist es also Yuh gelungen, viele Krypto-Interessierte als Kundinnen und Kunden zu gewinnen.
Insgesamt halten 50 Prozent der Yuh-Nutzer Wertschriften wie Aktien, ETFs und Kryptowährungen, wobei auch hier der männliche Anteil mit 87 Prozent überwiegt. Das durchschnittliche Depotvolumen beträgt CHF 5’600.
Yuh nutzt als einzige mir bekannte Bank die Möglichkeit von sogenannten «Fractional Shares» in der Breite (willBe bietet das auch an, aber nur für einzeln Aktien). Das bedeutet, dass Kundinnen und Kunden einen Bruchteil einer Aktie oder eines ETFs erwerben können, wodurch sie anteilig auch Dividenden erhalten. Dabei agiert Yuh als Käufer und fungiert als eine Art Treuhänder für die Kundschaft. Beim Erwerb von «Teilaktien» erhalten die Kundinnen und Kunden jedoch kein Stimmrecht und werden nicht ins Aktienregister eingetragen. Die technische Umsetzung solcher Lösungen ist zwar komplex, aber sie sind stark auf die Bedürfnisse von Retailkundinnen und -kunden ausgerichtet, wie die Zahlen von Yuh zeigen: Laut Yuh entfallen beeindruckende 50 Prozent aller Trades auf Fractional Shares.


Fazit
Yuh etabliert sich zunehmend als wichtige Finanzplattform in der Schweiz und zieht dabei eine breite und diverse Nutzerschaft an. Die hohe Aktivität der Kundschaft und das wachsende Interesse an innovativen Investmentmöglichkeiten wie Kryptowährungen und Fractional Shares zeigen auf, warum die App möglicherweise erfolgreicher ist als andere Angebote. Die Benutzerbasis ist geografisch breit gestreut, zeigt aber eine Tendenz zu eher jungen, urbanen und männlichen Nutzern. Das durchschnittliche Kundenvermögen bei Yuh ist auf den ersten Blick noch eher tief. Einerseits kann dies mit der Altersstruktur zusammenhängen (Gut 72% der Yuh-Kundschaft sind unter dem Schweizer Median-Alter). Als Zweites wird Yuh wohl häufig (noch) als Zweitbank genutzt. Zudem sind Vermögenswerte von unter CHF 10’000 bei vielen klassischen Retailkunden ebenfalls nicht ungewöhnlich..
Mit Blick auf den hohen Anteil von Trades mit Fractional Shares wird ein klares Kundenbedürfnis deutlich: Warum bieten andere Banken diesen Service nicht an?

Kommentare

5 Kommentare

Gerhard Pischel

19. Februar 2025

Die Erfindung der Bruchteile von Aktienanteilen (Fraktionen) machte der Vermögensverwalter Zugerberg Finanz AG und setzte diese mit der Depotbank Swissquote um. So sind in einem Portfolio z.B. 37 Positionen enthalten mit jeweils 1 bis 3% Anteil. Daraus resultieren auch sehr gute Sharpe Ratio- Werte. Daher auch hervorragendes Vermögensverwalter-Rating (BILANZ Wirtschaftsmagazin) 4 x Platz 1 und 2 x Platz 3. Hier macht man definitiv nichts falsch.

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Petra Spirig

23. September 2024

Ich bin überzeugt davon, dass diese Execution Only Kunden besser fahren würden, wenn sie sich irgendwo beraten lassen, als selbständig über YUH Wertschriften zu handeln. Verschiedene Studien, unter anderen vom VZ, belegen diesen Umstand. Darum bin ich überzeugt, dass Lösungen wie Raiffeisen Rio, welche einen hybriden Ansatz verfolgen für Kunden langfristig besser sind.

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Patrick Huber

23. September 2024

Differenzierter betrachtet, hat Ihr Einwand durchaus eine Berechtigung. Gerade für Kleinsparer, die regelmässig in einen ETF-Sparplan einzahlen, bieten Yuh und Neon unschlagbare Vorteile: Man kombiniert zu einem Welt-ETF ein, zwei weitere günstig ETFs – fertig. So erzielt man maximale Rendite bei minimalen Gebühren. Klassische Banken mit ihren teuren Produkten können da nicht mithalten und kosten Kleinanleger über Jahre viel Geld bzw. Rendite.

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Andy

23. September 2024

Ich verstehe Ihren Punkt, aber ich sehe das etwas anders. Glauben Sie wirklich, dass die Yuhser sich nicht informieren und einfach blind drauflos handeln? Gerade in der heutigen Zeit haben Anleger so viel Zugang zu Informationen wie noch nie zuvor. Viele nutzen seriöse Quellen, Foren und Finanztools, um sich eigenständig fortzubilden und bewusste Entscheidungen zu treffen. Wenn ich mich selbst informiere und tief in die Materie einsteige, fühle ich mich oft sicherer, als wenn mir von einer konventionellen Bank einfach eine standardisierte Empfehlung vorgelegt wird. Eigenständiges Recherchieren kann nicht nur zu besseren Entscheidungen führen, sondern stärkt auch das Vertrauen in die eigenen Investments. Banken neigen oft dazu, Produkte zu verkaufen, die ihre eigenen Interessen priorisieren, während ein gut informierter Anleger seine eigenen Ziele im Blick hat. Yuhuser, die selbstständig handeln, sind keineswegs unüberlegt, sondern profitieren von diesem unabhängigen Ansatz. Des Weiteren sind die Kosten von Yuh gerade für junge Leute mit kleinem Vermögen unschlagbar. Geringe Gebühren und transparente Strukturen machen es für Einsteiger und junge Investoren attraktiv, während traditionelle Banken oft hohe Kosten und versteckte Gebühren aufrufen. Gerade für diejenigen, die erst am Anfang ihrer Anlagestrategie stehen, spielt das eine entscheidende Rolle.

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aristide brian

23. September 2024

There is only way to know this: share the aggregated performance of Yuhsers versus let's say industry benchmarks or Performance Watchers indices. But usually there is a reason why Brokers don't show this data, simply because most individual investors underperform (otherwise they would have used this argument long time ago). One sure thing, Yuhsers don't mind Yuh making money on their back: 0.5% commissions on (a limited universe of ) securities and 1.0% on crypto...that's a reap. If your turnover is above 100% it will cost you more than a managed mandate in a traditional bank hahahah.

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16. September 2024

Alltags-Banking,

Bankfiliale,

Kundenorientierung

Von UBS bis Raiffeisen: Welche Kunden wählen welche Bank? Und welche Bank hat die grössten Marktanteile?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Prof. Dr. Simon Amrein und Dr. Reto Rey

Die Wahl der passenden Bank hängt von zahlreichen Faktoren ab. In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von Banken, von den grossen globalen Playern wie UBS, über Kantonalbanken, Raiffeisenbanken bis hin zu regionalen Kleinstbanken. Doch welche Kundengruppen bevorzugen welche Banken? Unterscheiden sich die Kunden in Bezug auf Geschlecht, Bildung, Einkommen, Vermögen oder anderen Merkmalen, wenn man die einzelnen Banken analysiert? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick darauf, welche Kundinnen und Kunden welche Schweizer Banken wählen.

Im Rahmen einer gemeinsam mit PostFinance zu erstellenden Studie zum Thema Anlegen haben wir mit Hilfe einer Onlinebefragung durch ein Marktforschungsunternehmen unter anderem eruiert, welche Kundentypen bei welchen Bankengruppen ihre Hauptbankbeziehung pflegen. An der Umfrage nahmen 3’017 in der Schweiz wohnhafte Personen zwischen 18 und 74 Jahren teil. Die Teilnehmenden beantworteten den Fragebogen im Juli 2024. Die Umfrage ist repräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Sprachregionen der Schweiz.

Abbildung 1 zeigt, welche Banken von in der Schweiz lebenden Personen als Haupt- oder Nebenbank genutzt werden. In der Umfrage haben wir nicht festgelegt, anhand welcher Kriterien (z.B. Lohn- und Zahlungskonto, Hypothek oder Wertschriftendepot) die Hauptbank definiert wird. Stattdessen sollten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen angeben, zu welchen Banken sie eine Beziehung haben und welche sie selbst als ihre Hauptbank betrachten.

Abbildung 1: Hauptbankbeziehung nach Bankengruppe

Betrachtet man die gesamte Stichprobe in der Schweiz, kann man die folgenden Erkenntnisse gewinnen (siehe Abbildung 1):

  • Die über die gesamte Schweiz betrachtet meisten Hauptbankbeziehungen pflegen Schweizerinnen und Schweizer mit Raiffeisenbanken und Kantonalbanken (je rund 26%).
  • Für rund 20 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer ist UBS die Hauptbank.
  • PostFinance betreut per Ende 2023 gemäss ihrem Geschäftsbericht knapp 2.5 Millionen Kundinnen und Kunden. Für 16 Prozent der befragten Personen – oder sehr vereinfacht gerechnet rund 1.4 Millionen in der Schweiz lebenden Personen – ist PostFinance die Hauptbank.
  • Andere Bankengruppen haben einen Hauptbankbeziehungsanteil von rund 8 Prozent.
  • Obwohl bereits über 1 Million in der Schweiz lebende Personen eine Neobank nutzen, bezeichnen derzeit nur gerade 1.8 Prozent der Befragten eine Smartphone-Bank als ihre Hauptbank. Vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 1.0 Prozent (vgl. IFZ Retail Banking Studie 2022).

Unterschiede nach Bildungsgrad, Einkommen und Vermögen

Wie Abbildung 2 verdeutlicht, verzeichnet die UBS einen überproportional hohen Anteil an sehr gut ausgebildeten Kundinnen und Kunden. Auch beim Vermögen – und besonders markant bei Personen mit sehr hohem Einkommen – wird die UBS von überdurchschnittlich vielen in der Schweiz lebenden Menschen als Hauptbank gewählt. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei Raiffeisen und PostFinance ein umgekehrtes Bild: Diese Banken haben tendenziell mehr Hauptbank-Kundinnen und Kunden mit niedrigerem Vermögen und geringerem Einkommen.

Abbildung 2: Unterschiede nach Bildungsgrad, Einkommen und Vermögen

Unterschiede nach Geschlecht

Abbildung 3 verdeutlicht die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Wahl der Hauptbank. Frauen entscheiden sich überproportional häufig für UBS, während Männer überdurchschnittlich oft Raiffeisen und Kantonalbanken als ihre Hauptbank wählen.

Abbildung 3: Wahl der Hauptbank nach Geschlecht

Unterschiede nach Sprachregion

Nach Sprachregion betrachtet, zeigt sich, dass die Grossbanken im Tessin eine stärkere Position einnehmen als in der West- und Deutschschweiz. Im Gegensatz dazu sind die Kantonalbanken in der Deutschschweiz wesentlich häufiger die Hauptbank, verglichen mit dem Tessin. Die Raiffeisenbanken haben in allen Regionen ähnliche Marktanteile als Hauptbank. PostFinance ist in der Westschweiz stärker vertreten als im Tessin und in der Deutschschweiz. Die Gruppe der Regionalbanken und Sparkassen spielt in der italienisch- und französischsprachigen Schweiz kaum eine Rolle, erreicht jedoch in der Deutschschweiz einen Marktanteil von gut 6 Prozent bei den Hauptbankbeziehungen.

Abbildung 4: Wahl der Hauptbank nach Sprachregion

Distanz zur Filiale

Abbildung 5 zeigt schliesslich noch die von den Befragten mit ihrem bevorzugten Verkehrsmittel angegebene Wegdistanz zur nächsten Bankfiliale, wenn sie für eine Anlageberatung auf eine Filiale gehen würden. Insgesamt geben die Befragten unabhängig von ihrer Hauptbank an, dass sie im Durchschnitt etwa 17 Minuten zur nächsten Filiale benötigen. Auffällige Unterschiede treten bei den Personen auf, die in ländlichen Gebieten leben. Hier fällt insbesondere ein Unterschied auf: Regionalbanken- und Raiffeisen-Kunden erreichen ihre nächstgelegene Filiale im Durchschnitt nach 13 beziehungsweise 14 Minuten, während Kunden von UBS einen Weg von durchschnittlich 22 Minuten angeben. Insgesamt unterstreichen die aus unserer Sicht kurzen Wegzeiten zur nächsten Bankfiliale die in der Schweiz weiterhin hohe Filialdichte (siehe unseren Blog dazu).

Abbildung 5: Distanz zur Filiale der Hauptbank mit dem bevorzugten Verkehrsmittel.

Fazit

Die Auswertungen zeigen, wie relevant die einzelnen Bankengruppen für die Schweizer Bevölkerung sind. Wenig überraschend dominieren die vier Bankengruppen «Kantonalbanken», «Raiffeisenbanken», «Grossbanken» und «PostFinance» den Markt in Bezug auf die Hauptbank. Rund 87 Prozent der Bevölkerung hat bei einer dieser vier Bankengruppen ihre Hauptbankbeziehung. Die einzelnen Marktanteile variieren aber teilweise erheblich, wenn man die Kundschaft nach Geschlecht, Einkommen/Vermögen oder Sprachregion genauer analysiert.


Und noch ein Hinweis:

IFZ Retail Banking Konferenz 2024

Am 21. November 2024 findet unsere alljährliche IFZ Retail Banking Konferenz statt. Auch dieses Jahr bringen wir wieder viel Wissen aus unseren (für die Schweiz repräsentativen) Untersuchungen in die Konferenz ein. Unter anderem beantworten wir folgende Fragen:

  • Wer träumt alles von einem Eigenheim (mit Hypothek…), wer wird noch lange weiter träumen müssen (und weshalb), und wem gelingt es, tatsächlich Eigenheim zu erwerben?
  • Welche Kundinnen und Kunden entscheiden sich warum für welche Bank bei der Wahl des Hypothekaranbieters? Geht es nur um den Preis?
  • Wie stark sind Bankkunden in der Schweiz an Nachhaltigkeit interessiert – und welche Faktoren sind entscheidend, dass jemand nachhaltig anlegt?
  • Wer legt in Krypto-Anlagen an? Nur junge Männer? Und wenn ja, auf welchem Weg, in welche Krypto-Assets, und über welche Bank oder Plattform?

Daneben bieten Führungspersonen von Finanzdienstleistern aus dem In- und Ausland auch dieses Jahr wieder einmalige Einblicke in deren Strategien und Initiativen. Dieses Jahr (Stand September 2024) u.a. mit Julian Biegmann (General Manager Switzerland, Revolut), Uwe Krakau (COO, Raiffeisen Schweiz), Ekkehard Preis (CIO Erste Digital) und Alain Schmid (CEO, Schaffhauser Kantonalbank). Weitere Infos und Anmeldung hier.

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9. September 2024

Digitales Anlegen,

Digitalisierung,

ESG,

Kantonalbanken,

Vorsorge

Digitale Vorsorge im Aufschwung: Neue Zahlen zur Entwicklung von Frankly

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die private Vorsorge ist ein Wachstumsmarkt, dessen Entwicklung mit Hilfe von digitalen Lösungen noch weiter an Fahrt gewinnen dürfte. In dem (durchschnittlich) kleinvolumigen Markt der wertpapiergebundenen Säule 3a scheint eine hoch standardisierte, digitalisierte und dennoch individualisierbare Lösung der richtige Weg in die Zukunft zu sein. Entsprechend erlebt die digitale Vorsorge in den letzten Jahren (volumenmässig) einen deutlichen Aufwärtstrend, der sich durch wachsende Nutzerzahlen und steigende Anlagevolumen bemerkbar macht. Ein Produkt, das sich in diesem Markt erfolgreich positioniert hat, ist „Frankly“ von der Zürcher Kantonalbank. Ich habe nachgefragt, wie die aktuellen Entwicklungen aussehen und welche Nutzergruppen die App heute ansprechen. In diesem Blogbeitrag beleuchte ich die Nutzerstrukturen.

Frankly wurde im März 2020 eingeführt und betreut nach etwa 4.5 Jahren (per Ende August 2024) bereits 108’000 aktive Kundinnen und Kunden mit einem verwalteten Vermögen von über CHF 3.3 Milliarden. Seit dem Jahresstart 2024 konnte Frankly weitere 13’000 Neukundinnen und Neukunden gewinnen. Das verwaltete Volumen hat seit Jahresbeginn um CHF 800 Millionen zugenommen. Frankly bietet derzeit eine Säule 3a-Lösung sowie Freizügigkeitskonten an.

Der ehemalige CEO Martin Scholl hat gegenüber diesem Blog in einem Interview im Jahr 2021 gesagt, dass Frankly langfristig (innerhalb von fünf bis acht Jahren) ein Ziel von CHF 10 Milliarden an verwalteten Vermögen erreichen will. Rund drei Jahre später ist ein Drittel dieser Zielmarke erreicht. Damit scheint man auf Kurs zu sein.

Das durchschnittliche Vorsorgevermögen der Kundschaft beträgt rund CHF 30’500. Mit einem Durchschnittsalter von 39 Jahren zeigt sich, dass noch immer eher jüngere Kundengruppen die Vorteile digitaler Lösungen für ihre langfristige finanzielle Planung zu schätzen wissen. Insgesamt sind knapp 60 Prozent der Frankly-Kundschaft jünger als 40 Jahre (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Altersstruktur der Kundschaft von frankly (Anfang September 2024; Quelle: ZKB Daten)

Gezielte Marketingstrategien als Wachstumstreiber

Ein wesentlicher Aspekt der positiven Entwicklung ist gemäss Angaben der ZKB die erfolgreiche Ansprache neuer Zielgruppen, insbesondere weiblicher Nutzerinnen. Der Anteil der weiblichen Kundschaft konnte von ursprünglich 33 Prozent auf nunmehr etwa 41 Prozent erhöht werden. Diese Steigerung ist vor allem auf eine gezielte Content-Marketing-Strategie zurückzuführen, die Inhalte und Kampagnen speziell auf die Bedürfnisse und Interessen von Frauen ausgerichtet hat. Ergänzt wurde diese Strategie durch die Einführung eines Referral-Marketings, das bestehende Kundinnen und Kunden motiviert, ihre Erfahrungen im persönlichen Umfeld zu teilen und damit neue Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen.

Ich bin persönlich überrascht von der hohen Interaktionsrate bei Frankly: Im Durchschnitt loggen sich die aktiven Nutzerinnen und Nutzer 7.2 Mal pro Monat in die App ein. Dass die Kunden eine digitale Vorsorge-App, die vorwiegend zur Überwachung der Vermögensentwicklung dient, so häufig nutzen, ist bemerkenswert. Dies lässt sich aber wohl durch eine Mischung aus Neugierde, Routine, Interesse an der Marktentwicklung und dem Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit erklären.

Präferenzen bei Anlageprodukten: Tendenz zu höheren Aktienanteilen

Auch bei den Anlageprodukten lassen sich klare Trends erkennen. Im Bereich der Säule 3a wählen 33 Prozent der Kundschaft eine Option mit einem Aktienanteil von 95 Prozent, was auf eine hohe Risikobereitschaft und das Vertrauen in langfristige Renditechancen hindeutet. Knapp dahinter liegt die Option mit einem Aktienanteil von 45 Prozent, die von 32 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer bevorzugt wird.

Bei den Freizügigkeitskonten zeigt sich ein ähnliches Bild: 48 Prozent der Kundschaft entscheidet sich für ein Produkt mit einem Aktienanteil von 45 Prozent, während 39 Prozent eine höhere Aktienquote von 75 Prozent bevorzugen.

Fazit

Die Entwicklung von Frankly verläuft weiterhin positiv, und das Volumen der verwalteten Vermögen liegt im Einklang mit dem Business Plan. Dieser Erfolg ist jedoch keineswegs selbstverständlich, wie Beispiele von anderen Banken und Versicherern zeigen. Doch warum ist Frankly erfolgreich? Dafür sehe ich vier zentrale Gründe:

Erstens investiert die ZKB erhebliche Marketingressourcen in Frankly, um die Marke bekannt zu machen und Vertrauen bei potenziellen Kunden zu gewinnen. Zweitens profitiert Frankly von den Synergieeffekten innerhalb der ZKB, insbesondere durch die Nutzung bestehender Infrastrukturen und Kundenbeziehungen. Drittens überzeugt das Angebot durch eine attraktive Preisgestaltung. Und schliesslich punktet die App mit einer benutzerfreundlichen Gestaltung und einem intuitiven User Interface.

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Cyrill

9. September 2024

Vielen Dank für die Insights, was mir aber fehlt ist der Vergleich mit anderen digitalen (etablierten) Playern wie bspw. den Angeboten von VIAC, VZ oder Finpension.

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Patrick Huber

9. September 2024

Beispielsweise Viac: verzeichnet per 30. Juni rund 99'000 Kunden mit einem AuM von knapp 3,7 Milliarden Franken. Seit Jahresbeginn 2024 ein Wachstum von 7'300 Kunden und 702 Mio. Franken Anlagevolumen.

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2. September 2024

Bankberatung,

Kundenorientierung,

Künstliche Intelligenz

Die Kundenschnittstelle verteidigen – das Zusammenspiel ist im Banking häufig schlecht

Von Prof. Dr. Nils Hafner

Schweizerische Retailbanken bekunden oft noch Mühe mit der Steuerung des Kundenerlebnisses über alle Berührungspunkte hinweg. Das hat unsere Studie „Touchpoint reloaded“ gezeigt. Doch wie sieht eine Methode zum Aufbau eines kompetenten Kundenmanagements in Zeiten Generativer AI aus? Wir möchten in diesem Blogbeitrag Hinweise geben. 

Unsere Touchpoint-Studie von Anfang diesen Jahres hat es gezeigt: befragt man Kunden von Retailbanken, wie homogen ihre Retail-Bank mit ihnen kommuniziert,  bestätigen drei von vier Bankkunden, dass Banken homogen also „mit einer Stimme“ kommunizieren. 24% der Kunden sehen das anders (Abbildung 1). Auf den ersten Blick eine gute Nachricht für die Finanzinstitute. Analysiert man die Befragungs-Daten ein wenig näher, stellt man fest, dass es sich bei diesen 24% mehrheitlich um Kunden mit konkreten und aktuellen Finanzbedürfnissen handelt, die auf der Suche nach Produkten sind und viele Berührungspunkte der Banken gleichzeitig nutzen.

Abbildung 1: Kommunikation der Bank aus Sicht der Kundschaft

Offenbar liegt hier ein spezifisches Problem, dass ein reibungsloses Cross- und UpSelling behindert. Um dieses tiefer zu analysieren, haben wir 1’598 Kunden in der DACH Region beispielsweise nach personalisierter Werbung von Banken befragt. Konkret fragten wir: „Gehen Sie davon aus, dass Ihr Berater weiss, dass Ihnen personalisierte Werbung eingespielt wird?“ (Abbildung 2). Hier antworteten lediglich 48% mit „ja“, 29% sagten „Nein, das wird ja zentralisiert gemacht“, 14% sagten „Nein, er könnte es zwar wissen, aber es interessiert ihn nicht“ und 5% der Befragten antworteten „Auf keinen Fall, er hätte mir diese Art von Werbung nicht geschickt, da er ja mehr Informationen über mich hat“.

Abbildung 2: „Gehen Sie davon aus, dass Ihr Berater weiss, dass Ihnen personalisierte Werbung eingespielt wird?“

Um diese Diskrepanz zu beheben, empfiehlt es sich, das Zusammenspiel von Mitarbeitenden, Prozessen und Technologie im Banking einmal genauer zu betrachten. Deutlich wird, dass Informationen über den Kunden entweder zentral nicht vorliegen oder lokal nicht ausreichend genutzt werden. Dies ist einerseits ein Infrastruktur- andererseits ein Führungsproblem. Um diesen Teilproblemen zu begegnen haben wir in Form eines Kreislaufes zusammengestellt, welche Elemente eine Bank beachten sollte, um die Kundenschnittstelle als ein integriertes Omnichannel-Erlebnis zu gestalten. Die US-Technologie Analysefirma Gartner spricht in diesem Kontext von Multiexperience Management. 

Abbildung 3: Multiexperience Management Modell

Startpunkt eines solchen Managementkreislaufes ist das schnelle Erkennen des Kunden. Interaktionen im Banking sind nach wie vor stark von Kunden und ihren „jobs to be done“ getrieben. Ruft der Kunde jedoch von sich aus bei der Bank an oder besucht die Filiale, ist es erfolgsentscheidend, in kürzester Zeit den Kunden zu identifizieren und seine persönliche Situation zu erkennen. Hier helfen moderne Systeme, eine 360-Grad Sicht auf den Kunden herzustellen. Einzelne Systeme generieren mittels AI sogar Bilder von der Situation des Kunden.

In diesem Kontext spielt die Wahl der Touchpoints eine grosse Rolle. Fast alle Retail Banken in der Schweiz verzeichnen seit Jahren ein steigendes Volumen telefonischer Kontakte. Hier stellt sich zunehmend die Frage, wie Kunden mit einfach zu beantwortenden Anliegen schnell automatisiert den gewünschten Service erhalten können, so dass keine unnötigen Wartezeiten entstehen. Wir sind im Rahmen dieses Blogs auch mehrfach auf die Weiterentwicklung der Banking Hotlines eingegangen. Ziel muss es sein, Anfragen und Anliegen im ersten Anlauf sauber zu bearbeiten, um so die Kundenzufriedenheit zu steigern.  Gleichzeitig soll die Kostenbasis nicht wachsen. Heute ist das durch geschickte Automation in Form von Voicebots selbst in Mundart möglich.

Ein vierter Schritt betrifft die Analyse der Kundenbeziehung. Auch hier kann AI auf Basis einer sauberen Kundendatenhaltung solche Mehrverkaufs- sowie Abwanderungswahrscheinlichkeiten automatisch berechnen. Darauf jedoch adäquat zu reagieren ist die Königsdisziplin des Bankberaters. In diesem Zusammenhang ist das Zusammenspiel zwischen Mensch- und Maschine an der Kundenschnittstelle essentiell. Es gilt nur solche Verkaufschance dem Berater einzuspielen, die aktuell und relevant sind. Nutzt der Berater diese, ist der Erfolg hochwahrscheinlich. Nutzt er sie nicht, sollte der Lead eine Ablaufzeit haben und die Kundenbearbeitung sollte zentralisiert vorgenommen werden. Andernfalls verschenkt die Bank hier Potential.

Um dies jedoch in Echtzeit vornehmen zu können, ist eine Integration der CRM, Marketing-Automations und Kundencentersysteme notwendig. Nur dann kann die Bank erkennen welche Potentiale gerade relevant und aktuell sind, und ob die Beratenden solche Chancen wahrnehmen. Wenn nicht, muss hier jedoch die Organisation zentralisiert übernehmen. Ein Finanzierungs- oder Anlagebedürfnis entsteht beim Kunden halt zu einem spezifischen Zeitpunkt. Timing wird zukünftig an Relevanz im Wettbewerb gewinnen. Nur so entsteht eine Kontinuität des Customer Experience. Diese wird den Instituten lediglich zu knapp zwei Dritteln bestätigt. So antworteten knapp 64% der Befragten unserer Umfrage in Bezug auf das zur Verfügung gestellte E-Banking: „Mein E-Banking ist immer da, wenn ich es brauche.“ Für Mobile Banking Systeme sahen das mit 59% etwas weniger Kunden so. (Abbildung 4)

Abbildung 4: Aussagen zum E-Banking – Umfrageresultate

Schlussendlich nutzen Kunden die Lösungen von Banken, die ihnen wenig Aufwand bescheren. Daher ist eine Messung dieses Aufwands in Form von Kennzahlen, wie dem international akzeptierten „Customer Effort Score“ (CES) heute notwendig, um die Kundenschnittstelle nachhaltig zu verteidigen und Kontext bezogene Interaktionen, wie beispielsweise die Effektivität der Aussendung von personalisierter Werbung deutlich zu verbessern. Am Ende sollten Banken in der Lage sein, die Customer Journeys ihrer Retail Kunden zu analysieren, besser zu verstehen und schneller anzupassen als heute. 

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Alfonso Papa

17. Januar 2025

Tatsächlich tun sich Banken mit der Kundenorientierung wesentlich schwerer, als man es vermuten würde. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Schnell richtet sich der Zeigefinger auf die Kundenberatung. Kundenorientierung ist jedoch wesentlich komplexer und findet auf den Ebenen Führung, Organisation und Infrastruktur (dazu gehören Technologie und Prozesse) statt. Mit der Einführung eines CRM Systems ist es nicht getan. Es gilt eine echte Client Relationship Management Kultur zu schaffen. Ohne Vision fehlt die Grundlage für die Strategie. Ohne Strategie, aus der Handlungsfelder abgeleitet werden können und müssen, kann keine funktionale Struktur aufgebaut werden. Und ohne diese Kette, lässt sich keine Unternehmenskultur definieren und bauen. Klingt nach Management Lehrbuch? Mag sein, dennoch wird der Führungsfragen nach wie vor zu oft zu wenig Beachtung geschenkt. Vor allem wenn es um die Umsetzung in und bei den Teams geht. Diese werden gerne alleine gelassen. Auf allen Ebenen.

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26. August 2024

Blockchain

Crypto Assets-Ökosystem immer diverser: Vielfalt in der Schweiz und Liechtenstein wächst

Von Prof. Dr. Thomas Ankenbrand und Dr. Denis Bieri

In der Schweiz und Liechtenstein hat sich in den letzten Jahren ein diverses Ökosystem rund um Investitionen in Crypto Assets entwickelt. Auch in den letzten 12 Monaten ist dieses stetig gewachsen und hat an Vielfalt hinzugewonnen. Die Regionen Zug und Zürich beherbergen die grösste Anzahl von Unternehmen. Einen aktuellen Überblick gibt die neueste «Crypto Assets Study» der Hochschule Luzern.

Im Zeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 stiegen sowohl die Preise als auch die Marktkapitalisierung von Bitcoin und anderen Crypto Assets deutlich an. Parallel dazu erlebte das Schweizer und Liechtensteiner Ökosystem für Investitionen in Crypto Assets ein beachtliches Wachstum, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Anbieter als auch auf die Vielfalt der angebotenen Produkte. Ende Juni zählten die beiden Länder insgesamt 359 Unternehmen, die Dienstleistungen und Produkte im Bereich entsprechender Investitionen anboten. Das Zentrum des Crypto Valleys liegt dabei in Zug und Zürich, wie aus der Abbildung 1 ersichtlich wird. Die beiden Kantone vereinen zusammen zwei Drittel aller Unternehmen im Ökosystem für Crypto Assets Investitionen. Weitere bedeutende Standorte sind Liechtenstein, Genf, das Tessin und die Waadt.

Abbildung 1: Die Hauptsitze der untersuchten Unternehmen (n=359).

Vor allem Privatkunden scheinen Crypto Assets zu nutzen

Crypto Assets entwickeln sich als Ergänzung oder teilweise als Alternative im Finanzsystem. Was anfänglich ein Geheimtipp für Blockchain-Enthusiastinnen und -Enthusiasten war, erlangt nun eine breitere Akzeptanz – so besassen bereits im Jahr 2022 6 Prozent der Schweizer Bevölkerung solche Vermögenswerte (SNB, 2023). Andere Schätzungen gehen sogar von einer Quote von 20 Prozent aus (Statista, 2024). Auffällig ist, dass Privatkundinnen und -kunden scheinbar öfter auf Crypto Assets setzen als institutionelle Investorinnen und Investoren, was bei Finanzinnovationen eher ungewöhnlich ist (im November wird im Rahmen der IFZ Retail Banking Studie 2024 eine vertiefte Analyse des IFZ bei rund 3’000 Personen publiziert: Diese zielt unter anderem darauf ab, ein Bild davon zu erhalten, wie viele Menschen und welche in der Schweiz Krypto-Anlagen halten (resp. gehalten haben), in welche digitalen Assets investiert wird (wurde), und wie hoch das entsprechend angelegte Vermögen auf Einzelebene in etwa ist).

Vielfältiges Crypto Assets-Ökosystem in der Schweiz und Liechtenstein

Viele ansässige Crypto-Unternehmen konzentrieren sich auf Unternehmens- und institutionelle Kundinnen und Kunden. Konkret verfolgt die Mehrheit der Unternehmen eine B2B-Strategie, wobei, wie in Abbildung 2 illustriert, 91 Prozent Unternehmen und 86 Prozent andere institutionelle zu den bedienten Kundensegmenten zählen. Zu diesen institutionellen Kunden zählen zum Beispiel Pensionskassen, Versicherungen oder Stiftungen. Darüber hinaus bedienen 60 Prozent der Unternehmen Privatkunden, während 58 Prozent auf vermögende Privatkunden fokussieren. Family Offices werden von 39 Prozent der befragten Unternehmen angesprochen, Banken von 37 Prozent. Obwohl ein erheblicher Teil der Unternehmen sowohl Privat- als auch Retailkunden betreut, liegt der Hauptfokus auf Unternehmens- und institutionellen Kunden. Bemerkenswert ist, dass fast 90 Prozent der Unternehmen ein internationales Geschäftsmodell verfolgen, das sowohl die Schweiz als auch Liechtenstein umfasst. Im Gegensatz dazu sind rund fünf Prozent nur in der Schweiz und Liechtenstein aktiv, und knapp sechs Prozent richten sich ausschliesslich an internationale Kundengruppen.

Abbildung 2: Die Kundensegmente der untersuchten Unternehmen (n=396)

Steigende Tendenzen beim Handelsvolumen

Im ersten Halbjahr 2024 verzeichneten die Handelsvolumina für indirekte Crypto-Produkte an den traditionellen Schweizer Börsen wieder einen Aufwärtstrend, nachdem sie in den Jahren 2022 und 2023 auf einem relativ niedrigen Niveau stagnierten. Dies wird aus Abbildung 3 ersichtlich. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum rund 2 Milliarden Schweizer Franken umgesetzt. Ende Juni 2024 lag das Volumen bei rund 142 Milliarden Franken, und somit rund 87 Prozent tiefer im Vergleich zum Höchstwert im Vergleich zum Februar 2021.

Abbildung 3: Handelsvolumen für indirekte Produkte auf Crypto Assets an traditionellen Schweizer Börsen

Analog zum den indirekten Produkten an den traditionellen Schweizer Börsen stiegen auch die geschätzten Handelsvolumina aus der Schweiz für direkte Investitionen in Crypto Assets über Cryptobörsen. Die Abbildung 4 vergleicht die Handelsvolumen im ersten Halbjahr 2024 und unterscheidet dabei zwischen dem Spothandel auf zentralisierten und dezentralen Cryptobörsen sowie dem Derivatehandel auf Crypto-Derivatbörsen.

Abbildung 4: Vergleich der Handelsvolumen verschiedener Typen von Cryptobörsen

Die Analyse zeigt, dass das Handelsvolumen im Bereich der Derivate signifikant höher war als im Spothandel, sowohl an zentralisierten als auch dezentralen Cryptobörsen. Schätzungen für die Schweiz, die auf einer Hochrechnung des globalen Handelsvolumens basieren und den Anteil der Webseitenanfragen aus der Schweiz für die zwanzig grössten Börsen je Börsentyp berücksichtigen, ergeben, dass der Derivathandel für Crypto Assets aus der Schweiz im ersten Halbjahr 2024 etwa 131 Milliarden Franken erreichte. Im Vergleich dazu betrug das Volumen des Spothandels an zentralisierten Cryptobörsen rund 36 Milliarden Franken und an dezentralen Börsen etwa 2 Milliarden Franken.

Vielfältige Möglichkeiten und Risiken von Crypto Assets

Die Marktrisiken zeigen sich einerseits in den sehr volatilen Preisen. Andererseits bestehen zusätzliche operationelle Risiken sowie Liquiditäts- und Kreditrisiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Diese variieren je nach Art der Investition. Sprich, ob direkt oder indirekt in Crypto Assets investiert wird, und ob dies dezentral über die Blockchain («Decentralized Finance», kurz «DeFi») oder über einen zentralisierten Anbieter geschieht. Eine neu entwickelte Klassifizierungsmethode teilt Crypto Assets gemäss den in Abbildung 5 dargestellten und im Folgenden kurz erläuterten drei Dimensionen ein:

  • Token-Dimension: Diese Dimension klassifiziert Crypto Assets basierend auf ihren statischen Attributen, wie zum Beispiel dem primären Zweck des Tokens, dem zugrundeliegenden Wert (z. B. Fiat-Währung oder ein anderes Crypto Asset) und der Art des Herausgebers (z. B. Unternehmen, Regierung). Diese Dimension hilft dabei, die grundlegenden Eigenschaften eines Tokens zu verstehen, die für seine Nutzung und Bewertung entscheidend sind.
  • Protokoll-Dimension: Diese Dimension untersucht das zugrundeliegende DLT-Protokoll, auf dem ein Token basiert. Wichtige Aspekte sind unter anderem der Konsensmechanismus (z. B. Proof of Work oder Proof of Stake), die Transaktionsgeschwindigkeit und die Governance-Struktur. Da viele Crypto Assets auf bestehenden DLT-Protokollen ausgegeben werden, ist es wichtig, diese Ebene separat zu betrachten, um die technischen Grundlagen eines Tokens zu bewerten.
  • Tokenomics-Dimension: Diese Dimension konzentriert sich auf die dynamischen Aspekte eines Tokens, wie die Marktkapitalisierung, das Verhältnis der im Umlauf befindlichen Token zum Gesamtangebot und die Dezentralisierung des Netzwerks. Diese Faktoren können sich im Laufe der Zeit ändern und sind wichtig für die Bewertung der langfristigen Stabilität eines Tokens.

Die Taxonomie wurde in der Studie praktisch angewendet, indem Bitcoin und Ether klassifiziert wurden. Dabei wurde deutlich, dass sich die Tokens in verschiedenen Merkmalen, wie der Entwicklungsaktivität oder der Nutzung im Bereich von DeFi, signifikant unterscheiden. Zudem zeigte sich, dass der Zentralisierungsgrad beider Tokens höher ist, als man es intuitiv erwarten würde. Solche Auswertungen können insbesondere im Risikomanagement von Interesse sein. Mithilfe der Taxonomie lassen sich solche Assets strukturiert evaluieren, was es Marktteilnehmern ermöglicht, sich in der komplexen und dynamischen Welt der Crypto Assets besser zu orientieren und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Da es sich hierbei um einen ersten Entwurf des Klassifizierungsrahmens handelt, ist Feedback sehr willkommen.

Abbildung 5: Die drei Dimensionen zur Klassifikation von Crypto Assets

Was sind Crypto Assets? Crypto Assets sind digitale Repräsentationen wie Forderungen, Werte oder Rechte, die auf einem dezentralen Register (wie einem Blockchain-Protokoll) in Form von Token ausgegeben werden. Crypto Assets Study 2024 Die Hochschule Luzern veröffentlicht zum vierten Mal die jährliche «Crypto Assets Study». Diese bietet eine umfassende Übersicht zum Investment-Ökosystem für Crypto Assets in der Schweiz und Liechtenstein. Ermöglicht wurde die Studie durch die Unterstützung von e.foresight, Finnova, Inventx, dem Kanton Zug, SIX, Swiss Bankers Prepaid Services und der Zürcher Kantonalbank.  Download der Studie hier.

Research Partners

Quellen

SNB (2023). Zahlungsmittelumfrage bei Privatpersonen in der Schweiz 2022. https://www.snb.ch/de/the-snb/mandates-goals/cash/payment-methods-surveys/payment-methods-survey-2022

Statista (2024). Share of respondents who indicated they either owned or used cryptocurrencies in 56 countries and territories worldwide from 2019 to 2024. https://www.statista.com/statistics/1202468/global-cryptocurrency-ownership

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19. August 2024

Bankstrategie,

Raiffeisenbanken

Jede vierte Person in der Schweiz ist Raiffeisen Mitglied – in einigen Kantonen sogar jede zweite

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein

Die Raiffeisen Gruppe hat über 2 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter sowie 3.66 Millionen Kundinnen und Kunden in der Schweiz. Damit sind mehr als 25% der Schweizer Bevölkerung Mitglied bei der Raiffeisen Genossenschaft. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind jedoch erheblich. Im heutigen Blog zeigen wir, wie sich die Anzahl der Mitglieder in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hat und in welchen Kantonen die Raiffeisen-Mitgliedschaft besonders verbreitet ist. Zudem erläutern wir die Bedeutung der Genossenschafter für das weitere Wachstum von Raiffeisen.

Vor 20 Jahren zählte Raiffeisen 1’180’700 Genossenschafterinnen und Genossenschafter, was etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung der Schweiz ausmachte. Seitdem haben sich diese Zahlen erheblich entwickelt. Das Wachstum war insbesondere zwischen 2002 und 2011 mit durchschnittlich über 5.2 Prozent besonders stark. So zählte man im Jahr 2011 bereits 1.75 Millionen Genossenschafter. Seitdem sind die Wachstumsraten abgeflacht und betragen durchschnittlich nur noch rund 1.25 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2022 hat Raiffeisen die 2-Millionen-Grenze überschritten. Ende 2023 zählte die Genossenschaft 2’057’532 Mitglieder (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl Raiffeisen-Genossenschafter, 2002 bis 2023[1]

Mehr als ein Viertel der Schweizer Bevölkerung sind heute Genossenschafter bei der Raiffeisen. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind dabei erheblich, wie Tabelle 1 zeigt. Im Kanton Appenzell Innerrhoden sind knapp 55 Prozent der Bevölkerung Genossenschafterin oder Genossenschafter einer Raiffeisenbank. Auch in Nidwalden liegt der Anteil über der 50-Prozent-Marke. In den Kantonen Uri, Wallis, St. Gallen, Jura, und Solothurn liegt der Anteil der Raiffeisen-Mitglieder an der Gesamtbevölkerung zwischen 40 und 46 Prozent. Am anderen Ende der Tabelle finden sich die Kantone Bern, Glarus, Neuenburg, Waadt, Schaffhausen, Genf und Zürich mit Werten von unter 20 Prozent. In der Tendenz sind Kantone mit einer starken Raiffeisen-Präsenz eher ländlich geprägt. In eher urbanen Kantonen wie Basel-Stadt, Zürich oder Genf haben die Raiffeisenbanken verhältnismässig weniger Mitglieder. Es muss aber auch auf die unterschiedliche Grösse der Kantone hingewiesen werden. Im Kanton Zürich – auf dem zweitletzten Rang, was die Anteil Mitglieder im Verhältnis zur Bevölkerung angeht – gelang den Raiffeisenbanken in den vergangenen zwanzig Jahren das grösste Wachstum mit einem Plus von über 95’000 neuen Mitgliedern (+327%). Ebenfalls markante Zuwächse gab es in St. Gallen und Aargau mit etwa 85’000 (+63%) respektive 83’000 (+64%) neuen Raiffeisen Mitgliedern.

KantonAnteil Raiffeisen-Genossenschafter / Bevölkerung pro Kanton 2023Anteil Raiffeisen-Genossenschafter / Bevölkerung pro Kanton 2003
Appenzell Innerrhoden54.92%36.63%
Nidwalden51.69%33.53%
Uri45.50%34.25%
Wallis44.61%31.29%
St Gallen42.17%29.83%
Jura40.93%30.88%
Solothurn40.79%39.09%
Thurgau37.66%30.94%
Obwalden35.54%24.65%
Tessin34.60%24.24%
Freiburg34.46%22.55%
Zug32.77%26.45%
Luzern32.65%22.58%
Appenzell Ausserrhoden31.82%20.86%
Graubünden30.58%23.40%
Aargau29.95%23.21%
Schwyz28.10%18.16%
Baselland20.61%10.25%
Bern18.23%12.17%
Glarus18.23%8.63%
Neuenburg17.07%9.29%
Waadt14.44%9.50%
Schaffhausen11.81%6.94%
Genf9.41%4.96%
Zürich7.85%2.32%
Basel-Stadt4.38% 

Tabelle 1: Raiffeisen Anzahl Mitglieder im Verhältnis zur Bevölkerung pro Kanton 2003 und 2023[2]

Vorteile für Genossenschafter

Grundsätzlich kann man Kundin oder Kunde bei Raiffeisen sein, ohne Mitglied zu werden. Eine Ausnahme besteht, wenn man eine Hypothek bei einer Raiffeisenbank abschliesst – dann ist eine Mitgliedschaft Pflicht. Personen ab 18 Jahren in der Schweiz haben die Möglichkeit, einen Anteilsschein für CHF 200 zu zeichnen und somit Mitglied bei Raiffeisen zu werden. Gemäss den Vorgaben von Raiffeisen Schweiz kann man maximal Anteile im Wert von CHF 20’000 (100 Scheine zu je CHF 200) erwerben. Viele Banken haben diese Limite aber tiefer angesetzt.

Genossenschafter profitieren neben Mitbestimmungsrechten am Unternehmen auch von Vorzugskonditionen für verschiedene Bankprodukte, wie beispielsweise höhere Zinssätze. Darüber hinaus erhalten sie vergünstigte Freizeitangebote, Einladungen zu Veranstaltungen (z.B. Kino am See), kostenlosen Zutritt in viele Museen (Museumspass) und eine – je nach Betrachtungsweise – einigermassen attraktive Verzinsung auf das einbezahlte Genossenschaftskapital. Aktuell beträgt die «Zinsdividende» auf dem Anteilsschein beispielsweise bei der Raiffeisenbank rechter Zürichsee oder bei Raiffeisen Luzern je 3.25 Prozent oder bei der Raiffeisenbank Zürich Flughafen 2.5 Prozent.

Warum Genossenschafter für die Raiffeisen wichtig sind

Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter tragen nicht nur zur Kundenbindung bei, sondern stärken durch ihre gezeichneten Anteile auch das Eigenkapital der Raiffeisenbanken, was für deren Wachstumsstrategien wichtig ist. Neben der Bildung von Reserven aus Unternehmensgewinnen können die Raiffeisenbanken ihr Eigenkapital auch dann erhöhen, wenn sie neue Mitglieder gewinnen oder bestehende Mitglieder ihre Anteile aufstocken. Es ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass bei einem Todesfall eines Raiffeisen-Genossenschafters die Anteile von Raiffeisen zurückbezahlt und die Mitgliedschaft nicht vererbt wird. Wenn eine Raiffeisenbank viele ältere Mitglieder hat und die Erbinnen und Erben nicht als neue Mitglieder gewonnen werden können, kann dies zu einer Reduktion des Eigenkapitals führen (natürlich kann dies durch weitere Gewinnrückbehalte kompensiert werden). Wie ein Blick in einzelne Bilanzen von Raiffeisenbanken zeigt, sind die Bedeutung des Genossenschaftskapitals im Verhältnis zum gesamten Eigenkapital und auch die Zuwächse im Bereich des Genossenschaftskapitals sehr unterschiedlich.

Eine Haftung der Genossenschafterinnen und Genossenschafter über den Genossenschafts-Anteil hinaus ist bei Raiffeisen ausgeschlossen. Bis 1989 waren Genossenschafts-Mitglieder noch unbeschränkt solidarisch haftbar. Danach wurde die Haftung auf eine Nachschusspflicht von CHF 8000.- reduziert, welche 2014 abgeschafft wurde. Historisch gesehen waren solche Solidarhaftungen und Nachschusspflichten vor allem für die regulatorischen Eigenmittelanforderungen relevant, da diese teilweise als Eigenkapital angerechnet werden konnten und somit zur Erfüllung der Kapitalvorschriften beitrugen.[3]

Fazit

Die Raiffeisen Gruppe hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten beeindruckend entwickelt und zählt heute über zwei Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter sowie 3.66 Millionen Kundinnen und Kunden in der Schweiz. Jede vierte in der Schweiz wohnhafte Person ist Mitglied einer Raiffeisen Genossenschaft. Wie oben aufgezeigt variiert die Verbreitung der Mitgliedschaft jedoch stark zwischen den Kantonen, was auf historische Entwicklungen, regionale Unterschiede und spezifische Marktbedingungen zurückzuführen ist. Die Genossenschafter sind wichtig für die Raiffeisen als Kundinnen und Kunden der Bank («emotionales Kundenbindungselement»). Sie tragen aber natürlich auch zur Stärkung des Eigenkapitals bei.

Bei weiterem Wachstum und im Hinblick auf die neuen Eigenmittelvorschriften von Basel III final (abhängig vom Geschäftsmodell, dem derzeit verfügbaren Eigenkapital und den ausstehenden Krediten) werden die Raiffeisen Genossenschaften zusätzliches Eigenkapital benötigen. Neben der Bildung von Reserven aus Unternehmensgewinnen wird die Gewinnung neuer Mitglieder oder die Erhöhung der Anteile bestehender Mitglieder – besonders angesichts des «natürlichen» Wegfalls von Mitgliedern – daher weiterhin wichtig für die langfristige Entwicklung der Raiffeisenbanken sein.


[1] Daten: Geschäftsberichte der Raiffeisen Gruppe, 2002-2023 und entsprechende Tabellen zu «Raiffeisen in den Kantonen»

[2] Daten: Geschäftsberichte der Raiffeisen Gruppe, 2003 und 2023 und entsprechende Tabellen zu «Raiffeisen in den Kantonen»; Bundesamt für Statistik (2024). Bevölkerung. Online (10.07.2024): https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung.html

[3] Vgl. dazu Amrein, S. (2024). Capital in Banking. Cambridge University Press. Online: https://www.cambridge.org/9781009276894. Amrein, S. (2018), ‘Eigenmittel der Schweizer Banken im historischen Kontext’, in Krisenfeste Schweizer Banken? Die Regulierung von Eigenmitteln, Liquidität und «Too big to fail». Hrsg.: Armin Jans, Christoph Lengwiler, Marco Passardi. Zürich: NZZ Libro. 

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12. August 2024

Analytics,

Künstliche Intelligenz,

Studie

Revolution in der Portfoliooptimierung? Wie Künstliche Intelligenz die Anlagewelt verändern könnte

Von Dr. Simon Broda und Dr. Patrick Walker

Traditionelle Ansätze der Portfoliooptimierung basieren auf Schätzungen der Renditeverteilungen und Kovarianzmatrizen, sind jedoch oft fehleranfällig. Ein vom IFZ in Zusammenarbeit mit der OLZ durchgeführtes Forschungsprojekt nutzt maschinelles Lernen, um diesen ersten Schritt zu umgehen und direkt aus den Daten optimale Portfoliogewichte zu lernen. Durch den Einsatz von Deep Reinforcement Learning erzielt das Modell beeindruckende Ergebnisse. In der untersuchten Periode von November 2017 bis August 2023 erzielte das neue Modell eine beeindruckende Gesamtrendite (nach Kosten) von 148.7%, während ein gleichgewichtetes Portfolio der fünf Anlageklassen nur 31.0% erzielte. Ist das der Start einer Revolution? Im heutigen Blog zeigen wir die ersten Erkenntnisse auf und zeigen, in welchen Bereichen wir noch Verbesserungspotenzial sehen.

Das IFZ hat sich im vergangenen Jahr gemeinsam mit der OLZ AG erfolgreich für ein Innosuisse Innovationsprojekt beworben, um an Finanzmarkt-Anwendungen des Reinforcement Learning, einem Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, zu forschen.
Das Ziel dieses Projekts ist es, zu evaluieren wie die Asset Allokation von Pensionskassen in Bezug auf Wertentwicklung und gleichzeitige Absicherung des Deckungsgrads mittels Reinforcement Learning optimiert werden kann. Diese Klasse der Algorithmen bildet ein recht neues Teilgebiet der künstlichen Intelligenz und findet bereits in zahlreichen Branchen Anwendung.

«Technischer» Hintergrund des Projekts
Üblicherweise werden systematische Anlageentscheidungen in der Asset Allokation und in der Portfoliooptimierung in zwei Schritten getroffen: Zuerst wird die gemeinsame Verteilung der zukünftigen Renditen der Anlageinstrumente geschätzt. Im einfachsten Fall, zurückgehend auf Harry Markowitz (1952), ist dies eine multivariate Normalverteilung, die durch den Erwartungswert und die Kovarianzmatrix bereits vollständig bestimmt ist. Aufgrund dieser geschätzten Verteilung werden in einem zweiten Schritt die optimalen Portfoliogewichte bestimmt. Optimalität bezieht sich hierbei oft auf das sog. Mean-Variance Kriterium, welches auf einen Trade-Off zwischen erwarteter Rendite und tolerierbarem Risiko hinausläuft. Es sind jedoch auch andere Kriterien möglich, z.B. die Minimierung der Schwankungsbreite des Portfolios (Minimum-Variance) oder das Ausbalancieren der Risikobeiträge der einzelnen Anlageinstrumente (Risk Parity).
Der oben beschriebene erste Schritt dieser Vorgehensweise ist in der Praxis mit einigen Problemen behaftet. Insbesondere erfordert er eine Reihe von Annahmen, etwa bezüglich der Verteilungsfamilie der Renditen oder der zeitlichen Entwicklung der Volatilität. Jede Annahme birgt aber das Risiko, dass sie in der Praxis nicht erfüllt ist. Selbst bei Korrektheit der Annahmen kann die Schätzung der Verteilung, konkret etwa der Kovarianzmatrix, problematisch sein, insbesondere wenn das Anlageuniversum gross ist und nur eine begrenze Menge an Daten zu Verfügung stehen. Üblicherweise werden diese Schwachstellen des Mean-Variance Ansatzes durch eine Vielzahl verschiedener Hilfsmittel wie Shrinkage-Schätzer, Regularisierung und ein gut durchdachtes Design der Nebenbedingungen adressiert.
Der neuartige Ansatz dieses Forschungsprojektes ist es hingegen, diesen ersten Schritt der Schätzung der Verteilung vollständig zu umgehen, und die optimalen Portfoliogewichte stattdessen direkt aus den Daten zu lernen. Dies wird möglich durch den Einsatz von maschinellem Lernen, der Basis moderner künstlicher Intelligenz. Wir bedienen uns des sogenannten Deep Reinforcement Learnings – einer revolutionären Technik, die es KI-Modellen ermöglicht, in anspruchsvollen Spielen wie Go oder Schach übermenschliche Leistungen zu erbringen und vielen Bereichen Anwendungen findet, so z.B. bei der Entwicklung von selbstfahrenden Auto, von Robotern, oder auch bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Diese Technologie befähigt unsere Modelle, sich in dynamischen Umgebungen wie dem Finanzmarkt eigenständig zurechtzufinden und kontinuierlich aus ihren Fehlern zu lernen.
Im ersten Teil unseres Forschungsprojekts konzentrieren wir uns auf die optimale Allokation zwischen verschiedenen Anlageklassen mithilfe von liquiden ETFs: Aktien (Vanguard Total Stock Market ETF), Immobilien (Vanguard Real Estate Index ETF), Anleihen (iShares Core U.S. Aggregate Bond ETF), Rohstoffe (Invesco DB Commodity Index ETF), sowie Gold (Spotpreis). Mittels dieser Instrumente wird der Grossteil des Anlageuniversums eines typischen institutionellen Investors repräsentiert. Anlagen in Private Equity oder sonstigen alternativen Anlagen sind nicht berücksichtigt, da hierzu keine ausreichenden Datenreihen verfügbar sind.

Erste Ergebnisse: Gesamtrendite von 148.7% statt 31%
Die Ergebnisse unseres neuartigen K.I. Ansatzes sind sehr vielversprechend: In der untersuchten Periode von November 2017 bis August 2023 erzielte unser Modell (OLZ Reinforcement Learning Allokation) eine beeindruckende Gesamtrendite (nach Kosten) von 148.7%, während ein gleichgewichtetes Portfolio der fünf Anlageklassen nur 31.0% erzielte. Ein typisches Pensionskassen-Portfolio (30% Aktien, 30% festverzinsliche Wertpapiere, 30% Immobilien und 10% Rohstoffe) erzielte sogar nur eine kumulierte Rendite von 20.6%. Die Wertentwicklung unserer Strategie, dargestellt in Abbildung 1, übertrifft somit deutlich die beiden Benchmarks.

Abbildung 1: Wertentwicklung der OLZ Reinforcement Learning Allokation und Vergleich zur gleichgewichteten Allokation und einer typischen PK Allokation.

Da die Volatilität aller drei Portfolios recht ähnlich ist (12.3% im Vergleich zu 11.5% bzw. 13.8%), ergibt sich für die künstliche Intelligenz ein hervorragendes Sharpe Ratio von 1.37, welches signifikant höher ist als das der Vergleichsindizes (0.41 bzw. 0.24). Betrachtet man den Maximum Drawdown, also den grösstmöglichen Verlust im Anlagezeitraum, so erzielte unser Modell mit -17.5% ein deutlich besseres Worst-case Szenario als die Vergleichsportfolios (Gleichgewichtetes Portfolio -22.9%, PK-Portfolio -27.6%). Auch im Vergleich zur vermeintlich sichersten Anlageklasse der festverzinslichen Wertpapiere (-21.7%) wurde ein besserer Kapitalerhalt erzielt. Interessanterweise bevorzugt die künstliche Intelligenz über weite Teile der Analyseperiode eine überdurchschnittlich hohe Allokation in Gold, insbesondere während der Corona-Pandemie.

Weiteres Vorgehen
Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse stehen wir noch vor einigen Herausforderungen, bevor aus dieser hochinnovativen Strategie ein marktfähiges Anlageprodukt entwickelt werden kann. Gemeinsam mit unserem Praxispartner arbeiten wir daran, die Robustheit unseres Modells weiter zu verbessern und es widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen der Datengrundlage zu machen. Zudem arbeiten wir weiterhin daran, Allokationen mit höherer praktischer Relevanz zu generieren, z.B. indem den einzelnen Anlageklassen realistische Bandbreiten zugewiesen werden. Hiermit wollen wir sicherstellen, dass unsere von künstlicher Intelligenz entwickelten Lösungen alle Anlagerestriktionen einer Pensionskasse vollständig erfüllen.
Im weiteren Verlauf des Projekts sollen zudem Portfolios auf Einzelaktien optimiert werden, sodass die künstliche Intelligenz fortwährend aus einer Vielzahl von Marktinformationen lernt ein optimales Portfolio zu konstruieren. Über diese und weitere Entwicklungen werden wir Sie in den nächsten Monaten auf dem Laufenden halten.

Kommentare

18 Kommentare

Ruedi Büchi

23. August 2024

Sehr spannender Artikel und beeindruckende Ergebnisse! Ich habe zwei Fragen: Wie wurde die abhängige Variabel definiert? Die Portfolio-Allokation welche im Betrachtungsmonat die beste risikoadjustierte Rendite geliefert hätte? Und welche Inputvariablen wurden zum trainieren des Modelles verwendet?

Antworten

Sacha Widin

18. August 2024

Interessanter Ansatz. Backtest sieht (wie fast immer) gut aus. Aber es stellen sich einige Fragen zur obigen Graphik und den Daten: die Instrumente sind a) vermutlich in USD (d.h. nicht abgesichert gegen CHF) gerechnet, was in diesem Fall eher "schlecht" für dieses Modell war, sofern die Performance in CHF ausgewiesen ist? Interessant wäre es zu sehen nach Absicherung vs. CHF, welche über die Zeit 3-4% p.a. kostete), b) das Modell ist sehr stark US-Kapitalmarkt bezogen (US Aktien haben z.B. CH Aktien massiv outperformed in dieser Periode), c) wie gross war der active share gegen den 30/30/30/10 Benchmark? Die BVG Richtlinien sind vermutlich mit diesem Modell nicht eingehalten worden (z.B. in der maximalen Fremdwährung und max. Aktienquote, sowie anderen Bandbreiten)? Wenn ja ist dieser Vergleich mit der "PK Allokation" oben in der Graphik nicht sinnvoll und zu hinterfragen, eine Schweizer PK investiert primär in CH Aktien, -Anleihen, -Immobilien und Schweizer Franken. Oder habe ich etwas übersehen?

Antworten

Simon Broda

18. August 2024

In der Tat ist das Modell derzeit US-zentrisch; auch die Performance in der Grafik ist in USD ausgewiesen. Wie so häufig ist dies durch Datenverfügbarkeit getrieben. Auch vor dem Hintergrund der BVG-Richtlinien wäre die Allokation in derzeitiger Form also für eine Schweizer PK tatsächlich nicht ohne weiteres anwendbar. Das Modell in seiner derzeitigen Form ist eher als Proof of Concept zu betrachten. Das Forschungsprojekt steht im Moment etwa an der Halbzeit, und genau diese Fragen werden im weiteren Verlauf des Projektes zu klären sein.

Antworten

Martin Gfeller

16. August 2024

Ist geplant, in einem Paper die Methodik genauer zu beschreiben? Die Reaktionen auf meinen LinkedIn-Post (https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7228784104920477696/) sind skeptisch bezüglich eines Overfits, resp. Anpassung des Modells an die gewählte Periode. Eine Analyse (falls möglich peer-reviewed) könnte dies entkräften.

Antworten

Simon Broda

16. August 2024

Ja, eine Publikation hierzu ist geplant.

Antworten

Daniel Strub

13. August 2024

Interessant, und trotzdem höchste Vorsicht geboten. Es ist verpönt, Entwicklung und Testing mit den selben Daten vorzunehmen. Wir haben es hier nicht mit physikalischen Rahmenbedingungen zu tun. Ich habe noch nie erlebt, dass die auf der Basis historischer Daten entwickelte und für den gleichen Zeitintervall getestete Strategien dann die geschürten Erwartungen erfüllen konnte. Als Dino der Branche würde ich die Sache als neuen naiven Versuch bezeichnen, den heiligen Gral zu finden.

Antworten

Simon Broda

13. August 2024

Die gezeigte Performance von November 2017 bis August 2023 ist selbstverständlich out of sample. Trainiert wurde das Modell mit Daten vom März 2006 bis November 2017.

Antworten

Simon Broda

13. August 2024

Trotzdem ist past performance natürlich keine Garantie für die Zukunft. Vorsicht ist immer geboten.

Antworten

Ralph Kleeb

13. August 2024

In der Rückwärtsbetrachtung wären stets hervorragende Rendite möglich gewesen. Das war schon vor jahrzehnten mit klassischen Regressionsmodellen der Fall. Nur die Aussagekraft für die Zukunft blieb dann stets bescheiden. Das gilt übrigens auch für meinen 3a-Fonds von OLZ. Zu denken geben muss jedoch der Vergleich v.a. mit dem PK-Benchmark. Höhere Vola, höherer Maxdrawdown und magerste Rendite. Von den hohen Anlagekosten in diesem Bereich ganz zu schweigen. Im PK-Anlagebereich läuft etwas ziemlich schief. Gibt es dazu auch aktuelle Forschungsergebnisse?

Antworten

Martin Gfeller

12. August 2024

Erleben wir hier die Obsoleszenz der klassischen statistischen Methoden im Asset Management? Oder sind die klassischen Ansätze als Leitplanken (guard rails) noch nützlich? Gibt es ein längeres Backtesting, auch das auch grosse Verwerfungen umfasst?

Antworten

Simon Broda

12. August 2024

Von Obsoleszenz würde ich nicht sprechen. Aber sicher werden neue Methoden Einzug finden, so wie in jedem anderen Bereich unseres Lebens auch.

Antworten

Simon Broda

12. August 2024

PS: Ein längeres Backtesting ist mit diesem Datensatz leider nicht möglich, zumindest nicht ohne den train/test split zu ändern. Wir sind hier eingeschränkt durch den DBC ETF, der erst 2006 aufgelegt wurde. Wie ich andernorts schrieb, trainieren wir das Modell mit Daten vom März 2006 bis November 2017, und testen es wie gezeigt in der Periode November 2017 bis August 2023 out of sample. Allerdings experimentieren wir im Moment mit einem anderen Datensatz. Die Idee ist, zum Training nicht ETFs zu verwenden, sondern direkt die zugrundeliegenden Indices (konkret Russel 3000, GSCI, DJUSRE und WGBI). Diese Daten stehen ab 1993 zur Verfügung. Die Indices sind natürlich nicht handelbar, aber unsere Hoffnung ist, dass das Modell dennoch relevantes aus ihnen lernen kann.

Antworten

Dominic Frehner

12. August 2024

Vielen Dank für den interessanten Beitrag. Es spielt immer eine Rolle, mit welcher Strategie man das Portfolio optimieren möchte. Sie haben insbesondere Trend Following Assets ausgewählt, wobei bei einem Trend grosse Profite realisiert werden können. Dies erkennt man gut, da der Markt weltweit nach Corona stark zugelegt hat. die Frage ist, ob man wirklich knapp 2.5 Jahre den Algorithmus hätte laufen lassen, ohne wirklich Gewinn zu erzielen. Da hat man bestimmt noch Optimierungsbedarf in einem bärischen Markt. Ich gehe davon aus, dass man eine "Buy and Hold"-Strategie in diesem Fall gewählt hat. Was mich sehr interessieren würde, ist die In-Sample und Out-of-Sample Verteilung. Wie viele Jahr bis 2023 waren Out-of-Sample gebacktestet worden? Ich verwende selbst ML/AI bei Risk Management, Portfolio Optimization und bei Trading Strategien. Es ist jedoch wichtig, dass das Modell nicht zu "overfitted" wird und man eben mit In-Sample und Out-of-Sample Daten arbeitet. Zudem sind 6 Jahre viel zu wenig Daten. Ich lasse die Algorithmen immer mit mindestens 10 Jahren Vergangenheitsdaten rechnen. Davon sind 7 Jahre In-Sample und 3 Jahre Out-of-Sample.

Antworten

Simon Broda

12. August 2024

Die gezeigte Performance von November 2017 bis August 2023 ist out of sample. Trainiert wurde das Modell mit Daten vom März 2006 bis November 2017, der train-test split ist also 2/3 - 1/3. Die Strategie ist nicht buy and hold, sondern monthly rebalancing.

Antworten

Simon

12. August 2024

Wurde das Modell auch mit out-of sample Daten getestet?

Antworten

Simon Broda

12. August 2024

Die gezeigte Performance von November 2017 bis August 2023 ist selbstverständlich out of sample. Trainiert wurde das Modell mit Daten vom März 2006 bis November 2017.

Antworten

Walter Grimm

12. August 2024

Gute Sache, weiter damit - kann was Gutes werden um die so/zu vielen Pseudo-aktiven Portfolio-Manager zu bereinigen... ebenso die viel zu teuren "pseudoaktiven Funds". Wieso ist die Performance erst ab 2020 markant verbessert?

Antworten

Simon Broda

12. August 2024

Das untersuchen wir noch. Aus den Daten sehen wir, dass das Modell nach dem CoViD-Crash seine Allokation in Aktien und Rohstoffe (ausser Gold) erhöht hat, zulasten vorrangig von Gold. Hierdurch hat es verhältnismässig stark vom Rebound profitiert.

Antworten

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15. Juli 2024

Grossbanken,

Kantonalbanken,

Kreditgeschäft,

Raiffeisenbanken,

Regionalbanken und Sparkassen,

Studie

Steigende Profitabilität der Retailbanken im Jahr 2023

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein

In den letzten Monaten veröffentlichten die Schweizer Banken ihre Jahresabschlüsse 2023. Auffällig waren die markant besseren Zinsmargen. Doch wie hat sich der Margenanstieg auf die Profitabilität der Schweiz Retailbanken ausgewirkt? Und welches sind die drei profitabelsten Retailbanken hierzulande?

Im Juni 2022 leitete die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinswende ein. Der Leitzins wurde von -0.75 Prozent auf -0.25 Prozent angehoben. Im September 2022 lag der Leitzins erstmals seit vierzehn Jahren wieder im positiven Bereich. Weitere Zinsschritte folgten im Dezember 2022, März 2023 und Juni 2023 auf 1.75 Prozent. Im März und Juni 2024 erfolgten wieder erste Senkungen des Leitzinses um jeweils 0.25 Prozentpunkte auf nun 1.25 Prozent.

Das erhöhte Zinsniveau führte praktisch bei allen Banken im Jahr 2023 zu einem Anstieg der Zinsmargen (siehe Blog vom Mai 2024).[1] Im Durchschnitt aller 91 Retailbanken in der Schweiz lag die Zinsmargen im Jahr 2023 bei 1.32 Prozent (+17 Basispunkte). Die Bank mit der besten Zinsmarge erreichte gar einen Wert von 2.35 Prozent. Insgesamt erreichten sechzehn Banken eine Zinsmarge von mehr als 1.50 Prozent.

Da bei einer durchschnittlichen Schweizer Retailbank mehr als drei Viertel des Erfolgs aus dem Zinsdifferenz-Geschäft kommt – also dem Entgegennehmen und Ausleihen von Geldern – hat sich auch die Profitabilität deutlich erhöht.

Return on Assets als Mass für die Profitabilität

Als Messgrösse für die Profitabilität wird der Return on Assets beigezogen. Der Return on Assets (ROA) bezeichnet das Verhältnis zwischen Jahresgewinn und Bilanzsumme. Die Kennzahl zeigt damit auf, wie viel Ertragsüberschuss mit jedem eingesetzten Franken unter Berücksichtigung des Steueraufwandes erwirtschaftet werden kann.[2] Als Return verwenden wir den Ertrag vor Zuweisungen an die Reserven für allgemeine Bankrisiken (respektive Entnahmen aus den Reserven). Da viele Banken ihren Gewinn über die Reserven-Zuweisung steuern, erhöht diese Anpassung des Jahresgewinnes die Vergleichbarkeit zwischen den Banken.

Von den 91 Schweizer Retailbanken nutzten 72 Banken die Möglichkeit, Gewinne den Reserven für allgemeine Bankrisiken zuzuweisen. 19 Banken machten keine Zuweisung oder Auflösung der entsprechenden Reserven. Im Durchschnitt führten die Zuweisungen zu den Reserven zu einer Reduktion des ausgewiesenen Returns on Assets (basierend auf dem veröffentlichten Jahresgewinn) um 18 Basispunkte.

In Schweizer Franken machen die Zuweisungen an die Reserven für allgemeine Bankrisiken bei allen Retailbanken im Jahr 2023 CHF 1.19 Milliarden aus. Insgesamt publizierten die Schweizer Retailbanken im Jahr 2023 einen Jahresgewinn von CHF 6.71 Milliarden. Vor der Reserven-Zuweisung wäre dieser also bei CHF 7.90 Milliarden gelegen. Im Jahr 2022 betrugen die Reserven-Zuweisungen CHF 611 Millionen. Der publizierte Jahresgewinn aller Banken lag bei CHF 5.69 Milliarden. Der Gewinn vor Reserven-Zuweisung war 2022 also CHF 6.31 Milliarden. Während im Jahr 2023 also etwas mehr als 15 Prozent des Jahresgewinns den Reserven für allgemeine Bankrisiken zugeteilt wurden, waren es im Jahr 2022 9.7 Prozent.

Profitabilität steigt zum ersten Mal seit Jahren

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des ROA nach Bankengruppen von 2014 bis 2023 (vor Zuweisung an Reserven für allgemeine Bankrisiken).[3] Im Jahr 2023 stiegen die Gewinne deutlich an, nachdem in den vorherigen Jahren im Durchschnitt eher Rückgänge oder stagnierende ROA verzeichnet wurden. Der durchschnittliche ROA aller Banken lag bei 0.49 Prozent. Die Kantonalbanken erreichten den höchsten ROA (0.65%), gefolgt von den Raiffeisenbanken (0.50%), den Sparkassen und Regionalbanken (0.45%) und der Gruppe der Weiteren Banken (0.33%).

Abbildung 1: Return on Assets nach Bankengruppen, 2014 bis 2023 (vor Zuweisung Reserven allgemeine Bankrisiken)

Mit Blick auf die einzelnen Banken fällt auf, dass sich die Return on Assets stark unterscheiden. Der tiefste ROA lag bei 0.06 Prozent, der höchste bei 1.23 Prozent. Die Bank mit dem höchsten ROA war die Caisse d’Epargne d’Aubonne société coopérative, gefolgt von den Kantonalbanken aus Schaffhausen und Genf auf den Plätzen zwei und drei. Das vollständige Ranking werden wir in der IFZ Retail Banking-Studie 2024 bzw. im Rahmen der IFZ Retail Banking-Konferenz vom 21. November 2024 veröffentlichen.

Fazit

Die Profitabilität der Schweizer Retailbanken hat im Jahr 2023 vor allem durch die erhöhten Zinsmargen stark zugenommen. Im Durchschnitt erzielten die 91 Retailbanken einen Return on Assets (vor Zuweisung an die Reserven für allgemeine Bankrisiken) von 0.49 Prozent, was einem Anstieg von 9 Basispunkten entspricht. Die Banken konnten im Jahr 2023 nicht nur höhere publizierte Jahresgewinne ausweisen, sondern auch die Zuweisungen an die Reserven deutlich steigern (von CHF 611 auf CHF 1.19 Milliarden). Für das laufende Jahr erwarten wir eine Seitwärtsbewegung oder einen leichten Rückgang bei den Zinsmargen und dem ROA der Banken.


[1] Definition Zinsmarge: Die Zinsmarge misst das Verhältnis zwischen dem Ergebnis aus dem Zinsdifferenzgeschäft und einem Teil der Bilanzsumme. Die Kennzahl zeigt als eine Art «Gesamtkapitalrendite» des Zinsgeschäfts auf, wie gut die Bank aus dem Ausleihen und Entgegennehmen von Geldern Erträge generieren kann. Die Zinsmargen werden anhand der folgenden Formel berechnet: Nettoerfolg aus dem Zinsengeschäft geteilt durch die Summe der Hypothekarforderungen, der Forderungen gegenüber Kunden sowie der Finanzanlagen.

[2] Für die Berechnung der Bilanzsumme wird der Durchschnitt der Bilanzsummen am Anfang und am Ende des Jahres (also ein Return on Average Assets) verwendet.

[3] Die Gruppe der Kantonalbanken besteht aus allen 24 Kantonalbanken. Die Werte von Raiffeisen beziehen sich auf die Raiffeisen Gruppe. Folgende 57 Banken sind in der Gruppe der Regionalbanken und Sparkassen berücksichtigt: acrevis Bank AG, AEK BANK 1826 Genossenschaft, Alpha RHEINTAL Bank AG, Baloise Bank SoBa AG, Bank Avera, Bank BSU Genossenschaft, Bank EEK AG, Bank EKI Genossenschaft, Bank Gantrisch Genossenschaft, Bank in Zuzwil AG, Bank Leerau Genossenschaft, Bank SLM AG, Bank Sparhafen Zürich AG, Bank Thalwil Genossenschaft, Bank Zimmerberg AG, BBO Bank Brienz Oberhasli AG, Bernerland Bank AG, Bezirks,Sparkasse Dielsdorf Genossenschaft, Burgerliche Ersparniskasse Bern, Caisse d’Epargne de Cossonay société coopérative, Caisse d’Epargne d’Aubonne société coopérative, Caisse d’Epargne de Nyon société coopérative, Caisse d’Epargne Riviera, Clientis Bank im Thal AG, Clientis Bank Aareland AG, Clientis Bank Oberaargau AG, Clientis Bank Oberuzwil AG, Clientis Bank Thur Genossenschaft, Clientis Bank Toggenburg AG, Clientis Biene Bank im Rheintal Genossenschaft, Clientis BS Bank Schaffhausen AG, Clientis Caisse d’Epargne CEC SA, Clientis EB Entlebucher Bank AG, Clientis Spar- und Leihkasse Thayngen AG, Clientis Sparcassa 1816 Genossenschaft, Clientis Sparkasse Oftringen Genossenschaft, Clientis Sparkasse Sense, Crédit Mutuel de la Vallée SA, DC Bank Deposito-Cassa der Stadt Bern, Ersparniskasse Affoltern i.E. AG, Ersparniskasse Rüeggisberg Genossenschaft, Ersparniskasse Schaffhausen AG, Ersparniskasse Speicher, GRB Glarner Regionalbank Genossenschaft, Hypothekarbank Lenzburg AG, Leihkasse Stammheim AG, Regiobank Männedorf AG, Regiobank Solothurn AG, SB Saanen Bank AG, Spar & Leihkasse Gürbetal AG, Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG, Spar- und Leihkasse Frutigen AG, Spar- und Leihkasse Wynigen AG, Spar+Leihkasse Riggisberg AG, Sparkasse Schwyz AG, Valiant Holding AG, Zürcher Landbank AG. Folgende Weitere Banken wurden berücksichtigt: Alternative Bank Schweiz AG, Banca Popolare di Sondrio (Suisse) SA (BPS), Bank Cler AG, Crédit Agricole next bank (Suisse) SA, Freie Gemeinschaftsbank Genossenschaft, LLB (Schweiz) AG (ehemals Bank Linth LLB AG), Migros Bank AG, PostFinance AG, WIR Bank Genossenschaft.

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8. Juli 2024

Digitales Anlegen,

Digitalisierung,

Studie,

Vorsorge

Bedürfnisse zu digitalen Anlage- und Vorsorgelösungen

Von Dr. Tatiana Agnesens und Prof. Dr. Anina Hille

Im IFZ Retail Banking Blog vom 21. Juni 2023 haben wir einige zentrale Erkenntnisse aus der Studie „Digitales Anlegen und Vorsorgen in der Schweiz: Trends, Bedürfnisse und gewünschte Produkteigenschaften“ vorgestellt. Eine zentrale Erkenntnis: 41% der Befragten erwägen die Nutzung digitaler Anlage- und Vorsorgeprodukte („potenzielle Nutzende“). In diesem Beitrag nehmen wir die Bedürfnisse dieser Zielgruppe unter die Lupe und prüfen, inwieweit die vorhandenen digitalen Lösungen in der Schweiz diesen gerecht werden.

Unsere Analyse basiert auf der bereits etablierten Taxonomie digitaler Anlage- bzw. Vorsorgelösungen aus der Studie „Digitales Anlegen: Update 2022“ (e.foresight & IFZ, 2022). In dieser Studie wurden ausgewählte digitale Anlage- und/oder Vorsorgelösungen in der Schweiz anhand der Dimensionen Zugänglichkeit, Sophistizierung und Personalisierung evaluiert. In diesem Artikel zeigen wir auf, welche Aspekte innerhalb dieser drei Dimensionen von potenziellen Nutzern welche Bedeutung haben und inwiefern die bestehenden digitalen Anlage- bzw. Vorsorgelösungen den Erwartungen und Bedürfnissen entsprechen. Zudem identifizieren wir Bereiche, in denen noch Verbesserungsbedarf besteht.

Dimension Zugänglichkeit

Die Zugänglichkeit von digitalen Anlage- und Vorsorgelösungen bezieht sich darauf, nach welchen Kriterien solche Lösungen von potenziellen Nutzern ausgewählt werden, bzw. welche Merkmale sie für potenzielle Nutzer zugänglich machen. Die fünf wichtigsten Anforderungen (in dieser Reihenfolge) seitens potenzieller Nutzender hierzu sind (vgl. Abbildung 1):

  1. Transparenz über Kosten,
  2. Zugang via E-Banking,
  3. detaillierte Einblicke ins Portfolio,
  4. Preis,
  5. Reputation des Anbieters.

In Bezug auf das Geschlecht zeigt sich, dass Männer tendenziell preissensitiver sind und vermehrt Wert auf die Reputation oder Marke des Anbieters legen, im Vergleich zu Frauen. Weiter ist interessant, dass für Frauen die Empfehlung durch Vertrauensperson und die Einfachheit des Onboardings wichtiger zu sein scheint als für Männer. Bemerkenswert ist auch, dass sowohl für Frauen als auch für Männer der Zugang über das E-Banking deutlich wichtiger ist als über eine App.

Abbildung 1: Welche Kriterien wären für Sie bei der Auswahl eines Anbieters der digitalen Anlage- bzw. Vorsorgelösung wichtig? (Auswertung differenziert nach Geschlecht)

Dimensionen Sophistizierung und Personalisierung

Unter Sophistizierung und Personalisierung verstehen wir inhaltliche Anforderungen an eine digitale Anlage- und Vorsorgelösung. Die fünf wichtigsten Kriterien, die potenzielle Nutzende in den Dimensionen Sophistizierung und Personalisierung digitaler Angebote hervorheben, sind folgende (vgl. Abbildung 2 links):

  1. Nachhaltige Investitionsmöglichkeiten,
  2. Breites Investment-Universum,
  3. Themenbasierte Investitionsmöglichkeiten,
  4. Personalisierungsmöglichkeiten,
  5. Kombination von Anlageexpertise und Algorithmus.

Das Thema nachhaltiges Investieren ist insbesondere für Frauen das wichtigste Kriterium eines digitalen Angebots, während Männer eher ein breites Investment Universum schätzen. Bemerkenswert ist auch das starke Interesse der potenziellen Nutzenden an Themeninvestments. Die Möglichkeit themenbasiert zu investieren ist für Frauen und Männer gleich wichtig. Weiter interessant ist, dass für Männer die Möglichkeit selbst zu traden und der Zugang zu passiv verwalteten Produkten sowohl absolut als auch im Vergleich zu den Frauen zu den wichtigsten Aspekten des digitalen Anlegens zählt. Ebenfalls schätzen 36% der potenziellen Nutzenden die Option zur Personalisierung ihrer Anlagestrategie.

Für 31% der potenziellen Nutzenden ist die Fusion von menschlicher Anlageexpertise und einem Algorithmus von grosser Bedeutung. Im Gegensatz dazu erachten lediglich 13% das Anlegen durch einen Algorithmus ohne menschliche Intervention als wichtig, Männer eher als Frauen. Dieser Wunsch nach Beratungsunterstützung haben wir bereits in einem früheren Artikel auf dem IFZ Retail Banking Blog vom 21. Juni 2023 aufgezeigt.

Die fünf wichtigsten Anforderungen an eine Beratungsunterstützung aus der Perspektive potenzieller Nutzender (vgl. Abbildung 2 rechts) sind dabei wie folgt:

  1. Persönliche Beratung,
  2. Berater*in meiner Bank,
  3. Stets die gleiche Beratungsperson,
  4. Beratung vor Ort,
  5. Einmalige Erstberatung und Wiederkehrende Beratung mit gleicher Bewertung.

Männer und Frauen geben den Top 5 Aspekten in etwa die gleiche Wichtigkeit, wobei eine Beratung der eigenen Bank für Männer wichtiger ist als für Frauen. Zudem zeigt sich, dass die Häufigkeit der Beratung und der Preis für Frauen deutlich wichtiger ist als für Männer.

Abbildung 2: Welche Aspekte wären für Sie im Rahmen eines digitalen Angebots wichtig? (links) Wie wichtig sind für Sie folgende Aspekte für eine Beratungsunterstützung zu digitalen Anlage- bzw. Vorsorgelösungen? (rechts)

Inwiefern deckt das Angebot in der Schweiz die Bedürfnisse?

Das Angebot an digitalen Anlage- bzw. Vorsorgelösungen in der Schweiz spiegelt weitgehend die Bedürfnisse potenzieller Nutzender wider. Insbesondere in puncto Transparenz über Kosten und detaillierte Einblicke ins Portfolio schneiden digitale Lösungen gut ab. Ausserdem sind digitale Lösungen im Vergleich zu herkömmlichen Anlagemandaten kostengünstiger. Ungefähr die Hälfte der Angebote ist für Mobile sowie Desktop optimiert und verfügt über eine App. Über den von den potenziellen Nutzenden gewünschten E-Banking Zugang verfügen vor allem die etablierten Finanzdienstleister.

Das aktuelle digitale Angebot kommt auch dem wachsenden Bedürfnis nach Nachhaltigkeit seitens potenzieller Nutzer entgegen: Die grosse Mehrheit der Anbieter erlauben in unterschiedlichem Ausmass eine nachhaltige Ausgestaltung des Portfolios durch Einsatz entsprechender Bausteine oder Ausschluss kritischer Titel oder Themen. Von den Anbietern, die Nachhaltigkeitskriterien im Anlageprozess einbeziehen, haben rund die Hälfte standardmässig ausschliesslich nachhaltige Investitionsmöglichkeiten, während die andere Hälfte nachhaltige Produkte auf Kundenwunsch einsetzt.

In Bezug auf das Investment Universum bieten die meisten digitalen Lösungen einen Multi-Asset-Ansatz mit Immobilien und Edelmetallen an. Die Beimischung weiterer Assetklassen wie Rohstoffe, Private Equity, Private Debt, Kryptowährungen oder Hedgefonds wird auf Grund von hohen Kosten oft geringgehalten oder vermieden. Zu den Anbietern mit einer breiten Abdeckung von Anlageklassen gehören unter anderem everon, Finpact AG, Selma Finance, volt by Vontobel und die digitale Lösung der Migros Bank.

Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen das Angebot nicht vollständig auf die Nachfrage abgestimmt ist: Die Bedürfnisse nach themenbasiertem Investieren und einer hohen Personalisierung bleiben teilweise unerfüllt. Aktuell bieten weniger als die Hälfte der Anbieter die Möglichkeit von thematischen Investments an. Zu den wenigen Anbietern von thematischen Investments gehören beispielsweise everon, Raiffeisen Rio und volt by Vontobel. Ein weiterer Aspekt, der Beachtung verdient, ist die Personalisierung. Das aktuelle Angebot an personalisierten Lösungen ist eher begrenzt, obwohl dies ein wichtiger Wunsch potenzieller Nutzer ist. Vorreiter in diesem Bereich sind unter anderem everon, Finpact AG, Inyova und volt by Vontobel.

In Bezug auf die Beratungsunterstützung bleibt eine persönliche Beratung auch im digitalen Umfeld mit grossem Abstand der wichtigste Aspekt. Darüber hinaus geben Personen, die sich nicht vorstellen können, digitale Angebote zu nutzen, als Hauptgrund an, dass sie einen persönlichen Austausch mit einem Kundenberater oder einer Kundenberaterin bevorzugen. Das deutet darauf hin, dass digitale Angebote oft nicht mit einer persönlichen Beratung assoziiert werden. Tatsächlich bieten einige digitale Lösungen nur einen Basissupport für technische Fragen über Kontaktformular, E-Mail, Live-Chat oder Hotline an. Dennoch bieten verschiedene digitale Anbieter – vor allem etablierte Finanzdienstleister aber auch einzelne FinTech Startups – auch inhaltliche Beratungsunterstützung an.

Fazit

Es gibt einige Vorteile digitaler Anlage- und Vorsorgelösungen gegenüber traditionellen Anlagelösungen. Vor allem die Transparenz der Kosten und die tieferen Preise sind für Nutzerinnen und Nutzer vorteilhaft. Dennoch bedarf es auch bei digitalen Anlagelösungen Anpassungen, um den vielfältigen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer noch besser gerecht zu werden. Insbesondere die Erweiterung des personalisierten Angebots und die verstärkte Berücksichtigung von Themeninvestitionen könnten die Attraktivität digitaler Lösungen weiter steigern. Es zeigt sich, dass der Wunsch nach persönlicher Beratung auch im digitalen Umfeld stark ausgeprägt ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der hybride Ansatz, bei dem ein digitaler Anlageprozess mit persönlicher Anlageberatung kombiniert wird, für viele potenzielle Nutzerinnen und Nutzer solcher digitalen Lösungen attraktiv ist.

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1. Juli 2024

Digitalisierung,

Open Banking,

Vorsorge

Transparenz in der Vorsorge: Der lange Weg zu Open Pensions in der Schweiz

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

In der heutigen Welt wird die finanzielle Absicherung im Alter immer komplexer. Pension Tracking Systems (PTS) haben sich in vielen europäischen Ländern als wertvolle Werkzeuge erwiesen, um Individuen zu helfen, den Überblick über ihre Altersvorsorge zu behalten und fundierte(re) Entscheidungen treffen zu können. Diese Systeme bieten eine zentrale Plattform, auf der alle relevanten Pensionsinformationen zusammengeführt werden. Obwohl die Schweiz ein fortschrittliches Rentensystem hat, gibt es hierzulande noch keine vergleichbare Lösung wie ein PTS. Hauptgrund hierfür ist die fehlende Öffnung der Schnittstellen zu diesen Daten. Im heutigen Blog-Artikel zeige ich auf, warum das Thema wichtig ist, ob solche PTS-Lösungen überhaupt benutzt würden und welche Erkenntnisse SFTI im Rahmen einer Umfrage in der Schweiz gewonnen hat.

Das Schweizer Vorsorgesystem, bestehend aus drei Säulen, dient als Fundament der Altersvorsorge und soll die finanzielle Sicherheit der Rentner gewährleisten. Aufgrund demographischer Veränderungen gerät dieses System jedoch zunehmend unter Druck. Daher ist die finanzielle Absicherung im Alter ein zentrales Anliegen vieler Schweizerinnen und Schweizer und eine der grössten Sorgen der Bevölkerung. In den letzten fünf Jahren zählte sie laut dem jährlichen Sorgenbarometer der Credit Suisse stets zu den drei grössten Sorgen der Schweizer. Im Jahr 2023 rangierte sie an dritter Stelle, im Jahr 2022 an zweiter (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Sorgenbarometer der Schweizer Bevölkerung (Credit Suisse, 2023)

Diese Sorge ist vor allem mit der Befürchtung verbunden, dass trotz der Beiträge zur ersten und zweiten Säule die Auszahlungen möglicherweise nicht ausreichen, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Eine klare Übersicht über die zu erwartende monatliche Pension fehlt vielen Menschen in der Schweiz. Dies liegt an der Komplexität der Berechnung, den fragmentierten Daten der verschiedenen Säulen und einem begrenzten Verständnis des Vorsorgesystems. Diese Beobachtungen gelten nicht nur für die Schweiz, sondern auch für viele andere europäische Länder. Die Europäische Kommission hat ähnliche Herausforderungen für die öffentlichen Rentensysteme in Europa hervorgehoben.

Verschiedene Umfragen zeigen, dass das Wissen zum Thema Vorsorge in der Schweiz nur begrenzt ist. So geben laut dem Raiffeisen Vorsorgebarometer nur 20 Prozent der Befragten an, sich im Bereich der Vorsorge gut auszukennen (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Wie schätzen Sie Ihr Wissen zum Thema Vorsorge ein? (in Prozent; Quelle: Raiffeisen Vorsorgebarometer 2023)

In diesem Kontext könnte das Konzept von «Open Pension» an Bedeutung gewinnen. Open Pension ist derjenige Teil von Open Finance, der sich auf Vorsorgedaten konzentriert. Es ermöglicht auf Wunsch des Einzelnen den sicheren und standardisierten Austausch persönlicher Vorsorgeinformationen mit einem Partner der Wahl, dies kann eine Bank, eine Versicherung aber auch weitere Drittanbieter (TPP) sein. Vorsorgedaten sollen so auch für Einzelpersonen digital verfügbar gemacht werden, um mehr Transparenz über die eigene Vorsorgesituation zu erlangen. Ein verbesserter Zugang zu diesen Informationen führt zwar nicht zwangsläufig zu einer besseren Finanzplanung. Aber das Fehlen eines einfachen, säulenübergreifenden Überblicks über diese Daten ist eine erhebliche Barriere für das Verständnis und die Steuerung respektive Optimierung der Altersvorsorge.

In verschiedenen europäischen Ländern werden daher Pension-Tracking-Systeme (PTS) als Lösungen zur Verbesserung von Transparenz und Kontrolle über Vorsorgeinformationen entwickelt. Diese umfassen möglichst benutzerfreundlich dargestellte prognostizierte Pensionseinkünfte aus verschiedenen Quellen. Ein Beispiel für ein solches Dashboard (Schweden) ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Screenshot des schwedischen Vorsorge-Dashboards (Quelle: Webseite: Minpension)

Würde die Schweizer Bevölkerung solche Angebote und Daten überhaupt nutzen?

Mir ist keine Studie bekannt, welches eruiert, ob Schweizerinnen und Schweizer entsprechende Pensionskassen-Informationen nutzen würden. Da es solche Möglichkeiten aber bereits in verschiedenen europäischen Ländern gibt, sind diese tatsächlichen Nutzer-Daten ein guter Indikator für das Interesse auch der hiesigen Bevölkerung.

Gemäss einer Studie zu Nutzungsdaten in Belgien nutzen beispielsweise beachtliche 36 Prozent der erwerbstätigen Personen das im Jahr 2010 lancierte mypension.be. Wenig überraschend nutzen ältere Personen das Angebot häufiger als junge Personen (vgl. Abbildung 4).

Zudem nutzen in Belgien etwas mehr Männer als Frauen mypension.be, mit einer Verteilung von 53% Männern und 47% Frauen.

Abbildung 4: Nutzung von mypension.be nach Alter (Quelle: Webseite von Dashboardideas.co.uk basierend auf Daten und überprüft von mypension.be)

Wie weit ist die Schweiz?

Derzeit bieten in der Schweiz nur sehr wenige Institutionen der zweiten Säule die Möglichkeit an, die entsprechenden Informationen via digitalen Zugriff an Dritte zu übermitteln, selbst wenn die Einzelpersonen ihr Einverständnis geben. Die knapp 1’400 Pensionskassen in der Schweiz unterscheiden sich auch stark hinsichtlich ihres digitalen Reifegrads. Der Einsatz des Bundesrates für die Förderung von Open Finance, wie in einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2022 dargelegt, deutet aber auf einen Wandel hin, der den Austausch von Finanzdaten über standardisierte und sichere Schnittstellen erleichtern soll. Explizit erwähnt ist insbesondere auch, dass der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt hat zu prüfen, wie der digitale Zugang zu Vorsorgedaten angemessen gefördert werden kann.

Im Jahr 2023 führte die Arbeitsgruppe „Open Pension“ von SFTI eine Umfrage durch, um das Verständnis der aktuellen Perspektiven der Stakeholder bezüglich der digitalen Öffnung der Daten der zweiten Säule zu verbessern. Teilgenommen haben 92 Vertreter aus verschiedenen Stakeholder-Gruppen (52 Pensionskassen und 16 Freizügigkeitsstiftungen, zudem u.a. auch Banken und Versicherungen, Start-ups und verschiedene Expertinnen und Experten)

Die wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage sind wie folgt:

  1. Über 80% der Teilnehmer erwarten Vorteile für Datennutzer, Einzelpersonen und Datenanbieter durch die digitale Öffnung der Daten der zweiten Säule der Versicherten.
  2. Mehr als 90% der Umfrageteilnehmer erwarten einen relevanten Nutzen für die Versicherten und Datennutzer. Etwa 80% sehen Vorteile für die Pensionskassen selbst.
  3. Etwa 38% der Befragten sind der Ansicht, dass ein regulatorischer Druck erforderlich ist, um die Öffnung der Pensionskassendaten zu erreichen. 33% ist der Meinung, dass diese Öffnung freiwillig sein soll (marktbasierter Ansatz). 23% präferieren einen Selbstregulierungsansatz. Die Unterschiede in den Antworten zwischen den Pensionskassen und anderen Stakeholdern sind gering
  4. Knapp 20% der Datenanbieter geben an, ausgewählten Dritten schon heute digitalen Zugang zu den Rentendaten der zweiten Säule zu gewähren. Etwa ein Drittel der Datenanbieter würde offenen Zugang gewähren, wenn ihre Software und Infrastruktur diese Möglichkeit böten. Etwa ein Drittel der Datenanbieter würde den Zugang zu den Daten nur gewähren, wenn dies durch eine Regulierung vorgeschrieben wäre.
  5. Ein regulatorischer Ansatz wird als der schnellste Weg zu einem breiten digitalen Zugang zu Daten der Pensionskassen für sichere Drittanbieter angesehen, wobei 45% der Befragten erwarten, dass dies in weniger als 5 Jahren erreicht wird. Allerdings gehen auch 37% davon aus, dass dies selbst mit einer Regulierung 6 bis 10 Jahre dauern wird. In einem freiwilligen Szenario erwarten mehr als die Hälfte, dass eine entsprechende Umsetzung mehr als 10 Jahre dauern würde oder möglicherweise gar nie eintreten würde (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Erwartete Zeitdauer, bis der Zugang zu den Daten der 2. Säule bei den meisten Pensionskassen gewährleistet wäre (in Abhängigkeit vom Szenario; Frage: How long do you anticipate it will take for the vast majority (> 90%) of 2nd pillar pension providers to make pension data digitally accessible to secure third-party providers with the consent of insured individuals?)

Als weiterführende Literatur empfehle ich das spannende Positionspapier vom SFTI.

Fazit

Pension Tracking Systems (PTS) haben sich in verschiedenen europäischen Ländern als ein wichtiges Element erwiesen, damit Personen ihre zukünftigen Rentenzahlungen besser verstehen können und möglicherweise auch frühzeitig(er) handeln. Auch für die Schweiz scheint mir eine solche Lösung daher sehr wünschenswert. Wie oben erläutert, müssen hierfür aber offene und sichere Schnittstellen zu den Pensionskassen erstellt werden, damit der digitale Zugang zu den Rentendaten möglich ist. Derzeit ist dies in der Schweiz nicht möglich. Im Moment verfolgen wir in der Schweiz einen marktbasierten Ansatz, in welchem eine staatliche Regulierung und eine forcierte Öffnung der Schnittstellen noch nicht zwingend sind. Im Bereich der Pensionskassen ist jedoch fraglich, ob die Anreize für eine Öffnung bereits ausreichend sind oder allenfalls doch noch eine Regulierung gemacht werden muss, um das Thema Open Finance auch auf die Pensionskassen auszudehnen («Open Pensions»). Im SFTI Open Pension Positionspapier wird daher die Meinung vertreten, dass eine Bundesbehörde den Lead übernehmen muss, um die zweite Säule zu öffnen und die Einführung eines PTS in der Schweiz zu ermöglichen. Die Erwartung von mir ist, dass dieser Prozess aber noch (zu) lange dauern könnte.

Auch wenn dieses Problem gelöst ist, sind wir noch nicht am Ende der Entwicklung. Es ist klar, dass der wesentliche Mehrwert eines PTS in der Schweiz erst dann vollumfänglich zum Tragen kommt, wenn es alle drei Säulen umfasst. Insofern steht noch viel Arbeit an.

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