12. Februar 2024

eVV,

Studie

Die Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Vermögensverwaltern und Depotbanken

Von Dr. Tatiana Agnesens

In unserem vorherigen Blog-Beitrag haben wir über den aktuellen Status der Digitalisierung und der internen Organisationsstruktur der unabhängigen Vermögensverwalter (EAMs) berichtet. Im heutigen Blog beleuchten wir auf die Zusammenarbeit zwischen EAMs und Depotbanken. Mit wie vielen Depotbanken arbeiten EAMs zusammen? Nach welchen Kriterien wählen EAMs die Depotbanken aus? Welche Zusatzleistungen einer Depotbank sind für EAMs wichtig? Erfahren Sie mehr dazu im heutigen Blog. 

Die nachfolgenden Resultate basieren auf der neusten Studie von EAM.Technology und dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ). Die Zusammenarbeit mit den Depotbanken wurde im Hinblick auf strategische Überlegungen beleuchtet, einschliesslich der Anzahl der Depotbanken und der Auswahlkriterien. Zudem flossen die Zusatzleistungen der Depotbanken (EAM-Desk) für EAMs in die Bewertung mit ein.

Tendenziell wird die Anzahl der Depotbanken eher gestrafft

Aktuell arbeitet die Mehrheit der befragten EAMs (35%) mit zwei bis fünf Depotbanken zusammen, 30% mit über zehn Banken und 23% mit sechs bis neun (siehe Abb. 1 links). Im Durchschnitt pflegen die befragten EAMs 8 Bankbeziehungen. Einer der grössten EAMs arbeitet mit 36 Banken zusammen.

Es ist verständlich, dass EAMs dazu neigen, ihre Beziehungen zu Depotbanken stabil zu halten (siehe Abb. 1 rechts). Dennoch wird bei den EAMs ein Trend beobachtet, die Anzahl der Depotbanken eher zu verringern (25%) als zu erhöhen (12%). Diese Entwicklung unterstreicht die wachsende Bedeutung für Banken, die Bedürfnisse ihrer EAM-Kunden genau zu verstehen. In den folgenden Abschnitten wird näher darauf eingegangen.

Abbildung 1: (links) Mit wie vielen Depotbanken arbeitet Ihr Unternehmen zusammen?  (rechts) Welche Depotbank Strategie verfolgt Ihr Unternehmen?

Gebühren, Reputation der Depotbanken und Qualität der technischen Schnittstellen als zentrale Auswahlkriterien

Wie Abbildung 2 zeigt, sind die drei wichtigsten Kriterien bei der Auswahl einer Depotbank wettbewerbsfähige Gebühren, Reputation / Brand der Depotbank und die Qualität der angebotenen technischen Schnittstellen. Auch wenn eine attraktive Gebührenstruktur für die überwiegende Mehrheit der EAMs von grösster Bedeutung ist, ist sie für die kleinen EAMs (AuM 0 – 199 Millionen) umso wichtiger. Umgekehrt verhält es sich bei dem Kriterium der Reputation; kleine EAMs legen weniger Wert darauf, da sie aufgrund ihrer Grösse besonders kostenbewusst sein müssen.

Die Qualität der angebotenen technischen Schnittstellen (zur Übermittlung täglicher Transaktionen, Positionen und Dokumente) kommt unabhängig von der Grösse des EAM-Geschäfts auf Platz 3 der Auswahlkriterien (vgl. Abb. 2). Diese Anforderung steht in direktem Zusammenhang mit der Priorisierung der operationellen Effizienz, die in unserem letzten Blog-Beitrag betont wurde. Die Gewährleistung einer hohen Datenqualität und der automatische Austausch von Daten zwischen Depotbanken und dem Portfolio Management System (PMS) der EAMs sind von entscheidender Bedeutung, sowohl für die operationelle Effizienz und Skalierbarkeit des EAM-Geschäftsmodells als auch für das digitale Kundenerlebnis. In Verbindung mit dem in Abbildung 1 ersichtlichen Trend zur Straffung der Anzahl Depotbanken bedeutet es, dass bei der Überprüfung ihrer Depotbank-Beziehungen die EAMs ineffiziente Banken durch solche ersetzen, die effiziente Schnittstellen als Standardleistung bereitstellen.

Abbildung 2: Nach welchen Kriterien wählt Ihr Unternehmen die Depotbanken aus?

Zugang zu Research, Kundenerlebnis im eBanking und Digitales Onboarding der Endkunden als meistgewünschte Zusatzleistungen

Die am häufigsten gewünschte Zusatzleistung seitens EAMs von den Depotbanken ist der Zugang zu Research und Produktinformationen. An zweiter und dritter Stelle steht das Verlangen nach einem digitalen Kundenerlebnis im eBanking und digitalem Onboarding. Diese Ergebnisse unterstreichen erneut die Bedeutung eines digitalen Angebots seitens der Bank. Es zeigt sich klar, dass EAMs nicht nur nach traditionellen Finanzdienstleistungen suchen, sondern auch nach digitalen Lösungen, um ihren Kundinnen und Kunden einen Mehrwert zu bieten und ihre eigene Effizienz zu steigern.

Die Nachfrage nach ESG-Anlagen ist unter den befragten EAMs im Vergleich zu anderen Dienstleistungen der Depotbanken auffällig gering. Trotz der starken Präsenz dieses Themas in den Medien und Debatten scheinen sowohl EAMs als auch deren Endkundschaft diesem Aspekt der Finanzdienstleistungen derzeit weniger Bedeutung beizumessen. Es bleibt interessant zu beobachten, ob sich diese Haltung im Laufe der Zeit ändert und inwiefern die ESG-Aspekte in der Schweiz noch weiter an Relevanz gewinnen, insbesondere vor dem Hintergrund der regulatorischen Entwicklungen.

Abbildung 3: Welche Zusatzleistungen einer Depotbank sind für Ihr Unternehmen wichtig? 

Fazit

Es ist deutlich erkennbar, dass EAMs klare Erwartungen an Aspekte wie Schnittstellen, digitales Onboarding, Customer Experience und Portale als herausragende Auswahlkriterien haben. Für Depotbanken bedeutet dies, dass ein digitales Angebot (Schnittstellen, Portale usw.) nicht mehr als positiver Unterscheidungsfaktor gilt, sondern vielmehr als die Norm und als ein unverzichtbares Auswahlkriterium, aus der Perspektive der EAMs betrachtet wird. Die Implementierung oder Aktualisierung von Schnittstellen und digitalen Plattformen auf der Seite der Banken stellt umfassende Projekte dar, die verschiedene Aspekte wie Kunden, IT, Prozesse, Compliance, Risikomanagement und Change-Management einschliessen. Abgesehen von den notwendigen internen Ressourcen müssen oft auch die erforderlichen externen Partner involviert werden. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass solche Projekte zwei bis drei Jahre bis zur Markteinführung benötigen und bereits jetzt klar priorisiert werden müssen, um sicherzustellen, dass die gewünschten Zusatzleistungen den sich ständig verändernden Bedürfnissen der EAMs gerecht werden.

Weitere detaillierte Schlussfolgerungen, Kernthemen und Handlungsempfehlungen können in der Studie eingesehen werden.

Für Fragen steht Ihnen tatiana.agnesens@hslu.ch zur Verfügung.

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5. Februar 2024

Allgemein,

Bancassurance,

Bank IT,

Digitalisierung,

Hypothekargeschäft,

Kantonalbanken

Bancassurance im Hypothekarmarkt: Brokermarket neu mit Hypothekarschutzversicherung

Von Dr. Urs Blattmann

Die Thurgauer Kantonalbank hat vor zwei Jahren brokermarket.ch lanciert, welcher sich im Markt gut etabliert hat. Ende des letzten Jahres hat die TKB ihre Plattform für Broker um weitere Funktionen ergänzt. In diesem Blog zeigen wir zwei neue Funktionalitäten im Bereich von Bancassurance und im Bereich der Verlängerungen von Hypotheken auf.

Über 70 Broker und neun Kapitalgeber sind bereits auf der Plattform brokermarket.ch eingebunden. Auch das Anfragevolumen hat sich kräftig entwickelt und beträgt mittlerweile bereits über 1 Mia CHF. Zudem wird die Plattform im Rahmen einer Zusammenarbeit mit NNH, einem Zusammenschluss von 19 Kantonalbanken, als Basis für hypomarket.ch, einer Lösung für Bankkunden, eingesetzt – wir haben darüber berichtet. Die Thurgauer Kantonalbank will aber auch die Attraktivität der Broker-Plattform weiter verbessern und hat deshalb Ende letzten Jahres zwei interessante Ergänzungen eingeführt.

Hypothekarschutz-Versicherung als Option

Neu ist es für Broker möglich, ihren Kunden eine Absicherung der Zins- und Amortisationszahlungen bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit und Invalidität auf Knopfdruck vorzuschlagen, sofern der Kunde an einer solchen Versicherung interessiert ist. Für die Broker ist dies vor allem auch deshalb interessant, weil sie so eine Entschädigung erhalten, sofern das Geschäft zustande kommt.

Abbildung 1: Versicherung als Option

Interessant an dieser Lösung ist auch der Prozess, der mit dem Knopfdruck des Brokers ausgelöst wird: Der Kunde erhält einen Link per SMS zugestellt. Mit diesem Link gelangt er auf eine Seite von Würth Financial Services AG, einem unabhängigen Versicherungsbroker. Die hypothekenbezogenen Daten werden gleichzeitig von brokermarket an Würth übermittelt. Somit muss der Kunde lediglich noch seine persönlichen Daten erfassen sowie einige Fragen zu seiner Situation beantworten und kann anschliessend, wie in Abbildung 2 gezeigt, die Versicherung gleich abschliessen.

Abbildung 2: Antragsfragen und Abschluss der Versicherung

Auf diese einfache Art und Weise hat der Kunde am Ende über den Versicherungsbroker Würth Financial Services eine Versicherung bei Chubb Versicherungen (Schweiz) AG abgeschlossen, welche ihm bei Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit die monatliche Hypothekarrate während eines Jahres übernimmt.

Für Broker und Versicherung scheint uns die Lösung im Sinne einer Win-Win-Situation aufgesetzt: Die Versicherung wird zum richtigen Zeitpunkt an den Kunden herangetragen und der Broker hat einen finanziellen Anreiz, den Kunden auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Es überrasch deshalb nicht, dass der grösste Teil der Broker, welche mit brokermarket.ch arbeiten, sich für diese neue Funktion angemeldet haben. Da die Funktion erst vor kurzem aufgeschaltet wurde, ist es noch zu früh, um über Erfahrungen von Brokern, Versicherung und Kunden zu berichten.

Das Zusammenbringen von Bank- und Versicherungsleistungen wurde in der Vergangenheit immer wieder versucht, ohne dass ein Durchbruch erreicht wurde, der die Branche grundlegend verändert hätte. Sofern die hier angebotene Lösung für die Kunden sowohl ökonomisch attraktiv als auch von der Bedienerfreundlichkeit einfach genug ist, bietet sie das Potenzial, für einen Lösungsansatz, der sich auch mittel- und längerfristig im Markt behaupten kann. Ob die beiden massgebenden Kriterien ausreichend erfüllt sind, werden die Kunden entscheiden. Es wird insbesondere interessant sein zu beobachten, ob die Kunden über den per SMS zugestellten Link tatsächlich die Versicherung abschliessen werden.   

Brokerprovision auch bei Verlängerungen

Eine weitere Ergänzung der Funktionalitäten der Brokerplattform betrifft die Verlängerungen von Hypotheken. Neu ist es für Broker auf der Plattform auch möglich, ihren Kunden eine Verlängerung der Hypothek beim bestehenden Kapitalgeber vorzuschlagen und beim Abschluss des Geschäftes eine entsprechende Provision zu erhalten.

Auf den ersten Blick scheint dies für die Banken respektive Kapitalgeber nicht sehr attraktiv zu sein. Berücksichtigt man jedoch den Umstand, dass der Broker diesen Verlängerungsvorschlag vollständig online-basiert erstellt, dabei auf die von den Banken hinterlegte Zinssätze zugreift und die Bank im Idealfall ohne eigenes Personal einsetzen zu müssen zu einem Geschäftsabschluss kommt, macht es durchaus Sinn, den Broker für seinen Aufwand zu entschädigen.

Bei der technischen Umsetzung dieser Lösung musste vor allem dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in der Plattform brokermarket keine Daten gespeichert werden. Dies macht es erforderlich, dass der Broker einige Daten eingeben muss, damit das System eine eindeutige Zuordnung des Geschäftes vornehmen kann. Es wurde aber sorgsam darauf geachtet, dass nur die notwendigen Informationen eingegeben werden müssen.

Mit dieser Funktionalität stellt die TKB eine technologische Lösung zur Verfügung, welche das Potenzial hat, die Wertschöpfungskette im Hypothekarbereich weiter aufzubrechen: Während Banken die Hypothekarprodukte anbieten, kann der Vertrieb dieser Produkte zunehmend auch von Dritten übernommen werden. Ob und wie die Broker diese Möglichkeit nutzen werden bleibt abzuwarten.

Einschätzung und Fazit

Das rasche Wachstum der Brokerplattform konnte auch im zweiten Jahr fortgesetzt werden und dürfte sich durch die Zusammenarbeit mit neuen Partnern in der Zukunft noch verstärken. Die im November letzten Jahres eingegangene Zusammenarbeit mit hypomarket.ch führt dazu, dass die TKB neben der Plattform für Hypothekar-Profis nun auch eine Self-Service-Plattform für Endkunden betreibt und dass mit den gesammelten Erfahrungen die Bedienerfreundlichkeit noch weiter verbessert werden kann. Mit den neuen Funktionalitäten wird zudem die Basis der effizienten Zusammenarbeit zwischen Brokern und Kapitalgebern nochmals erweitert und die Plattform dadurch für Broker und Kapitalgeber noch attraktiver.

Mit den neu angebotenen Funktionalitäten wird die Aufspaltung der Wertschöpfungskette im Schweizer Hypothekargeschäft an Fahrt gewinnen. Mittel- und längerfristig dürfte damit der Anteil der von Hypothekarbrokern abgeschlossenen Hypotheken erhöht werden, was dazu führen wird, dass der Trend, der im Ausland schon länger beobachtet werden kann, sich auch in der Schweiz langsam durchsetzen dürfte.

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29. Januar 2024

Allgemein,

Hypothekargeschäft,

Raiffeisenbanken

Raiffeisens Hypothekargeschäft: Eine detaillierte Analyse des rasanten Wachstums nach Kantonen

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Simon Amrein

In den vergangenen knapp 25 Jahren verzeichneten die Raiffeisenbanken ein starkes Wachstum, insbesondere im Hypothekarmarkt. In unserem heutigen Blog analysieren wir diese Wachstumsperiode der Raiffeisenbanken genauer und fokussieren uns dabei besonders auf die unterschiedliche Entwicklung von Raiffeisen in den Kantonen.

Der Schweizer Bankenmarkt hat sich im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts deutlich gewandelt. Mit dem Verlust des Bankgeheimnisses gegenüber dem Ausland sind zahlreiche Privatbanken, ausländisch kontrollierte Banken und Filialen internationaler Banken verschwunden. Die Grossbanken erlebten zwei staatliche Interventionen und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, was eine von Krisen geprägte Ära markierte. Im Gegensatz dazu verzeichneten inländisch ausgerichtete Banken mit Fokus auf das Retailgeschäft ein stabiles Wachstum. Dieses Wachstum war vor allem durch die kontinuierliche Zunahme im Kerngeschäft mit Kundenausleihungen geprägt.

Nicht alle Retailbanken haben sich jedoch gleichermassen entwickelt. Insbesondere die Raiffeisenbanken verzeichneten in den letzten 25 Jahren ein beeindruckendes Wachstum. In der Zwischenzeit zählen sie mehr als 3,6 Millionen Kundinnen und Kunden. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Anzahl der Genossenschafter mehr als verdoppelt, und die Mitarbeiterzahl ist von 5’000 auf fast 10’000 (Stand Ende 2022) gestiegen. Die Bilanzsumme der Raiffeisengruppe hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2022 sogar vervierfacht. [1]

Raiffeisen mit überdurchschnittlichem Wachstum im Hyptohekargeschäft

Im inländischen Bankenmarkt erwies sich das Hypothekargeschäft als zentraler Wachstumstreiber.[2] Das Hypothekarvolumen der Schweizer Banken im Inland stieg von CHF 563 Milliarden im Jahr 2003 auf 1’152 Milliarden bis Ende 2022, was einem durchschnittlichen annualisierten Wachstum von 3.8 Prozent entspricht. Im gleichen Zeitraum wuchs das Hypothekarvolumen in den Bilanzen der Raiffeisenbanken von CHF 74 Milliarden auf 205 Milliarden, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 5.5 Prozent entspricht. Die überdurchschnittliche Wachstumsrate wird in Abbildung 1 ersichtlich, welche das Wachstum der Hypothekarforderungen bei den verschiedenen Bankengruppen von 2003 bis 2022 zeigt (indexiert, 2003 = 100).

Abbildung 1: Wachstum Hypothekarforderungen bei inländischen Bankengruppen, 2003-2022, indexiert (2003 = 100) (Daten: SNB Datenportal; Hinweis: Bruch in der Zeitreihe bei den Regionalbanken und Sparkassen im Jahr 2020 aufgrund der Integration der Neuen Aargauer Bank in die Credit Suisse)

Das überdurchschnittliche Wachstum der Raiffeisen Gruppe resultierte in einem deutlich höheren Marktanteil im Hypothekargeschäft. Dieser stieg von 13.2 Prozent im Jahr 2003 auf 17.7 Prozent bis zum Jahr 2022. Die Raiffeisen erreichte ihren Höchststand in Bezug auf den Marktanteil im Hypothekargeschäft aber bereits im Jahr 2017. Seitdem stagnieren die Marktanteile.

Bei den Kantonalbanken sind die Marktanteile in den vergangenen 15 Jahren ebenfalls gestiegen. Sie halten mit 38.3 Prozent den grössten Marktanteil. Markant an Marktanteil verloren haben hingegen die Grossbanken (-7.6 Prozentpunkte). Die Marktanteile der Regionalbanken und Sparkassen gingen leicht zurück (-3.1 Prozentpunkte), was aber teilweise mit dem Wegfall der Neuen Aargauer Bank im Jahr 2020 zu tun hat (siehe Rückgang im Jahr 2020).

JahrKantonalbankenGrossbankenRegionalbanken und SparkassenRaiffeisenbankenÜbrige Banken
200335.1%33.7%11.1%13.2%6.9%
200434.6%33.9%10.9%13.5%7.1%
200534.0%34.6%10.7%13.6%7.1%
200633.7%34.5%10.5%13.7%7.5%
200733.4%33.9%10.1%14.2%8.4%
200833.4%33.1%10.2%14.7%8.6%
200933.9%31.9%10.2%15.3%8.7%
201034.3%30.9%10.2%15.8%8.8%
201134.6%30.2%10.1%16.1%9.1%
201234.7%30.2%10.0%16.3%8.8%
201334.9%29.7%9.9%16.5%9.1%
201435.0%29.3%9.8%16.7%9.1%
201535.6%28.3%9.8%17.1%9.3%
201636.1%27.4%9.7%17.4%9.3%
201736.5%26.7%9.7%17.7%9.4%
201836.7%26.4%9.6%17.8%9.5%
201937.1%26.0%9.6%17.8%9.6%
202037.3%27.5%7.8%17.7%9.6%
202137.8%26.9%7.9%17.7%9.8%
202238.3%26.1%8.0%17.7%10.0%
Tabelle 1: Marktanteile inländische Bankengruppen, 2003 bis 2022 (Daten: SNB Datenportal)

Marktanteile von Raiffeisen in den Kantonen

Zu Beginn der 2000er Jahre war Raiffeisen vor allem in städtischen Gebieten noch wenig präsent. Abbildung 2 zeigt die Marktanteile im Hypothekargeschäft für die Jahre 2003 und 2022. In Zürich und Basel-Stadt betrug der Markanteil von Raiffeisen im Jahr 2003 lediglich 1 bis 2 Prozent. In Genf lag der Markanteil bei 5 Prozent. Bis 2022 konnten in diesen drei Kantonen die Marktanteile auf 7 Prozent (Basel-Stadt) bzw. 8 Prozent (Zürich und Genf) gesteigert werden. Raiffeisen Schweiz hat besonders in städtischen Gebieten durch den Aufbau eigener Filialen ihre Präsenz ausgebaut und erfolgreich Markanteile gewonnen. Die höchste Bedeutung haben die Raiffeisenbanken in den Kantonen Jura, Wallis, Appenzell AR, St. Gallen und Thurgau mit Markanteilen von über 30%.

Abbildung 2: Kantonale Marktanteile der Raiffeisenbanken im Hypothekargeschäft, 2003 vs. 2022 (Daten: SNB Datenportal)

Tabelle 2 veranschaulicht die Volumenentwicklungen der Raiffeisenbanken nach Kanton in absoluten Zahlen. In Zürich sind die Hypothekarforderungen von 2003 bis 2022 um CHF 15 Milliarden gestiegen. Dies entspricht 12 Prozent des schweizerischen Volumenwachstums aller Raiffeisenbanken von knapp CHF 130 Milliarden. Einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum von Raiffeisen in der Schweiz leisteten auch die Kantone Bern (10%), Aargau (9%) und das Wallis (8%). Allein diese vier Kantone trugen volumenmässig etwa 40% zum Gesamtwachstum von Raiffeisen in der Schweiz bei.

Volumen der Hypothekarforderungen in CHF Millionen20032022Volumen-Wachstum in CHFAnteil Wachstum nach Kanton am Volumenwachstum aller Raiffeisenbanken in der Schweiz in Prozent
Schweiz74’154203’656129’502100%
Zürich1’90516’79914’89312%
Bern5’71318’68912’97610%
Aargau9’24220’90511’6639%
Wallis4’89815’65210’7548%
Tessin4’48314’0369’5537%
Waadt2’87712’0299’1527%
St. Gallen12’12021’0148’8947%
Thurgau4’90512’7457’8406%
Luzern4’02411’2367’2116%
Freiburg3’54910’6187’0695%
Solothurn6’08210’3334’2513%
Graubünden2’6276’6223’9953%
Genf1’1844’8713’6883%
Baselland1’8235’0633’2403%
Schwyz1’3603’6622’3022%
Jura1’2663’1501’8831%
Appenzell AR5762’3671’7911%
Neuenburg7992’4531’6541%
Zug1’9803’6221’6421%
Basel-Stadt1351’4371’3021%
Schaffhausen2891’2169271%
Uri5801’4328521%
Nidwalden8101’5927821%
Obwalden4861’0665800%
Glarus1836784950%
Appenzell IR2573701130%
Tabelle 2: Hypothekarvolumen der Raiffeisenbanken nach Kantonen in CHF Millionen sowie Anteil am Volumenwachstum aller Raiffeisenbanken in der Schweiz in Prozent, 2003 vs. 2022 (Daten: SNB Datenportal)

Fazit

Raiffeisen hat in der Schweiz im Hypothekargeschäft in den vergangenen knapp 25 Jahren erhebliche Marktanteile gewonnen. Dieses Wachstum kann auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden: Zum einen hat die Raiffeisen Gruppe erfolgreich in urbanen Gebieten expandiert, insbesondere durch den strategischen Aufbau eigener Filialen. Zudem hat die Gruppe in Schlüsselkantonen wie Zürich, Bern, Aargau und Wallis signifikantes Volumenwachstum verzeichnet. Der Erfolg in diesen Kantonen hat substanziell zum Wachstum des Marktanteils von Raiffeisen in der ganzen Schweiz beigetragen. Die Fokussierung auf das Hypothekargeschäft sowie eine kundenorientierte Strategie haben Raiffeisen in der Schweiz zu einem bedeutenden Akteur im Hypothekenmarkt gemacht. Die Raiffeisenbanken konnten insbesondere von stabilen Marktbedingungen im heimischen Immobilienmarkt profitieren.


[1] Die Anzahl der Mitarbeitenden stieg von 5’000 im Jahr 2000 auf 9’901 im Jahr 2022 (VZÄ). Die Anzahl Genosschafter:innen stieg von 920’227 auf 2’001’499. Die Bilanzsumme stieg von CHF 69 auf 284 Milliarden. Vgl. Geschäftsberichte der Raiffeisen Gruppe der Jahre 2000 und 2022.

[2] Die nachfolgenden Zahlenauswertungen basieren auf den Daten des Datenportals der Schweizerischen Nationalbank SNB. Entsprechende Zahlen zum Hypothekarmarkt auf kantonaler Ebene sind lediglich für die Jahre 2002 bis 2022 vorhanden. Vgl. https://data.snb.ch/, Inländische Hypothekarforderungen nach Standort der Pfandobjekte für ausgewählte Bankengruppen – Jährlich (Perspektive Stammhaus). Eine vertiefte Analyse des Hypothekarmarkts von 2003 bis 2019 finden Sie auch in der IFZ Retail Banking Studie 2020 (Lengwiler und Amrein, 2020).

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Jochen Wölpert

29. Januar 2024

Vielen Dank Andi für die interessante Analyse. Insbesondere der Fakt, dass die Grossbanken nahezu 10% verloren haben (bereinigt um die NAB) und dies zu Raiffeisen, KBs und den übrigen Banken geflossen ist, ist sehr spannend. Gibt es denn noch mehr Details, was hinter der erwähnten Fokussierung auf das Hypothekargeschäft und der Kundenorientierung der Raiffeisen in diesem spezifischen Bereich steckt? Denn die Raiffeisenbanken waren in der Lage mit Abstand am meisten Marktanteile zu gewinnen.

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22. Januar 2024

Allgemein,

Bankstrategie,

Digitalisierung,

Studie

Status quo der Digitalisierung und internen Organisation der externen Vermögensverwalter

Von Dr. Tatiana Agnesens

In den vergangenen Jahren haben die technologischen Entwicklungen, die zunehmende Regulierung und die Veränderung des Kundenverhaltens die Finanzbranche in erheblichem Masse geprägt. Dieser Paradigmenwechsel hat auch unabhängige Vermögensverwalter (EAMs) stark beeinflusst. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen EAMs neue Technologien und Betriebsmodelle in ihre Arbeitsweise integrieren. Bevor jedoch diese Veränderungen umgesetzt werden können, ist es notwendig, den aktuellen Stand der Digitalisierung und der internen Organisation der EAMs zu ermitteln. Wie steht es also um die operationelle Effizienz im Geschäftsfeld der EAMs? Um diese Frage zu beantworten, haben EAM.Technology und das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) eine umfassende Studie durchgeführt, an der unabhängige Vermögensverwalter aus der gesamten Schweiz teilgenommen haben. Die in der Studie formulierten Schlussfolgerungen, Kernthemen und Handlungsempfehlungen ermöglichen den EAMs die Lokalisierung der wichtigsten Themen und Massnahmen, die zur optimalen Bewältigung des Paradigmenwechsels prioritär anzugehen sind.

Auf dem Markt gibt es verschiedene Bezeichnungen für unabhängige Vermögensverwalter: Sie werden oft als External Asset Managers (EAMs) oder Independent Asset Managers (IAMs) bezeichnet. In diesem Blog-Beitrag verwenden wir den Begriff External Asset Managers (EAMs). EAMs verwalten Finanzvermögen und Investitionen im Auftrag anderer, ohne diese Vermögenswerte zu verwahren.

Insgesamt nahmen 80 EAMs an der Umfrage teil, wobei die Daten von ca. 15% der EAMs aus Qualitätsgründen nicht berücksichtigt werden konnten. Die Einteilung der EAMs erfolgte anhand des von ihnen verwalteten Vermögens (AuM) in vier etwa gleichmässigen Kategorien (vgl. Abb. 1). Die Mehrheit bedient Kunden in der Schweiz und Westeuropa einschliesslich Liechtenstein mit einzelnen Aktivitäten in sämtlichen anderen Märkten.

Abbildung 1: Wie hoch ist das gesamte von Ihrem Unternehmen verwaltete Vermögen (AuM) in Millionen Schweizer Franken?

Priorität auf operationelle Effizienz und Cyber Security

Heute sind die EAMs mit einer Fülle von Nichtkernfunktionen konfrontiert, die früher vor allem Banken betrafen: Compliance, Technologie, Prozessoptimierung usw., und müssen sich selbst damit beschäftigen und gleichzeitig die Profitabilität im Fokus behalten. In einem Paradigmenwechsel stehen sehr viele Themen an, die angegangen werden müssen. Die meisten von ihnen sind mit Massnahmen und Projekten auf der Technologie-Seite verbunden. Aus diesem Grund und um eine klare Übersicht über die Prioritäten zu erlangen, wurde eine Technologie-Roadmap erstellt, in der Wichtigkeit und Dringlichkeit der anstehenden Themen eingeordnet werden (vgl. Abb. 2).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die fünf vorrangigen Themen für EAMs IT & Cyber-Sicherheit, operationelle Effizienz, IT-Infrastruktur & Cloud, Audit & Regulatorik und die Automatisierung repetitiver Aufgaben sind, und zwar unabhängig von ihrer Grösse. Diese Themen sind für die kommenden zwölf bis 36 Monate in ihren Technologie-Roadmaps verankert.

Es ist deutlich erkennbar, dass das Thema operationelle Effizienz für EAMs unabhängig von ihrer AuM-Grösse als das zweitwichtigste und dringlichste Anliegen betrachtet wird und höchste Priorität hat. Die Effizienzsteigerung kann dabei u.a. durch Outsourcing von Geschäftsprozessen an spezialisierte Dienstleister und durch Digitalisierung in den verschiedenen Bereichen erreicht werden. Im Folgenden werden diese beiden Aspekte näher erläutert.

Abbildung 2: Wie wichtig und dringend sind folgende Themen für die Technologie-Roadmap Ihres Unternehmens? Wichtigkeit (1 – sehr unwichtig, 2 – eher unwichtig, 3 – neutral, 4 – eher wichtig, 5 – sehr wichtig)  Dringlichkeit (1 – kein Handlungsbedarf, 2 – In den nächsten 3 Jahren geplant, 3 – in den nächsten 12 Monaten geplant, 4 – in den nächsten 6 Monaten geplant)     

Erhebliches Potenzial in der Auslagerung von Nichtkernfunktionen und Prozessen

Das Outsourcing von Geschäftsfunktionen und Digitalisierung von Prozesse wurde in der Studie im Detail analysiert (vgl. Abb. 3). Es lässt sich festhalten, dass EAMs, unabhängig von der AuM-Grösse, die zentrale Funktion des Portfolio-Managements inhouse belassen, um die volle Kontrolle über die Portfolios ihrer Kunden zu behalten.

Zudem sind die Kernbereiche Reporting, Portfolio Management und Client-Relationship Management bei den teilnehmenden EAMs am stärksten digitalisiert. Im Allgemeinen neigen grössere EAMs eher dazu, diese Bereiche bereits digitalisiert zu haben: Während 94% der EAMs in der Kategorie mit einem Vermögen von 2000+ AuM bereits ein System für Portfolio Management und Customer Relationship Management nutzen, sind das in der Kategorie mit 0-199 AuM nur knapp die Hälfte.  Dennoch planen auch diese die Nutzung eines solchen Tools. Das deutet darauf hin, dass eine umfassendere organisatorische Umstellung mit der Einführung eines PMS-Tools noch bevorsteht.

In Gegenteil zur Kernfunktion des Portfolio-Managements wird die Support-Funktion IT & Infrastruktur am meisten externen Dienstleistern anvertraut; dahinter stehen Kosten- und Effizienzüberlegungen sowie die oft fehlende interne IT-Expertise. Überraschend angesichts der zahlreichen Herausforderungen, welche die EAMs vor sich haben, ist jedoch die Tatsache, dass weitere Nichtkernfunktionen, wie Compliance & Risk Management, Datenmanagement & Reconciliation und Marketing, noch intern angesiedelt sind.

Zudem sind viele Bereiche wie Archivierung, Dokumentenmanagement, Fee Management & Invoicing sowie Internes Kontrollsystem bei nur etwa der Hälfte der befragten EAMs digitalisiert. Grosses Potenzial liegt weiter im Bereich des digitalen Order-Managements, der generellen Automatisierung von repetitiven Aufgaben, und beim Client Engagement (Kundenportale, Apps mit Asset Viewing etc.)

Die Ausschöpfung des Outsourcing- und Digitalisierungspotentials hätte zweifellos den Vorteil, dass sich die EAMs auf ihre Kernkompetenz in einem kompetitiven Umfeld konzentrieren könnten und zugleich eine Steigerung von Geschwindigkeit, Flexibilität und Kosteneffizienz erreichen würden.

Abbildung 3: (links) Welche Funktionen sind bei Ihrem Unternehmen intern besetzt und für welche nutzt Ihr Unternehmen externe Dienstleistungen? (rechts) In welchen Bereichen nutzt Ihr Unternehmen digitale Unterstützung oder wünscht die Nutzung von entsprechenden Tools?

Fazit

Die Technologie-Roadmap der befragten EAMs zeigt deutlich, dass operative Effizienz für sie am wichtigsten und dringlichsten ist, zusammen mit IT & Cyber-Sicherheit, der Automatisierung repetitiver Aufgaben, IT-Infrastruktur & Cloud und Audit & Regulatorik. All diese Themen, die im weitesten Sinne im Bereich der Business Continuity und des Komplexitätsmanagements zu verorten sind. Dies zeigt, dass der Ernst der Lage von den befragten EAMs erkannt wurde und von der Sequenz her klar priorisiert wird. Nichtsdestotrotz zeigt die Analyse des aktuellen Standes der Digitalisierung und der internen Organisation der EAMs ein erhebliches Potenzial für die Auslagerung von Nebenaufgaben und Prozessen. Dank dem aktuellen Paradigmenwechsel im Umfeld der Finanzdienstleistungen und dem laufend wachsenden Ecosystem können EAMs nicht differenzierende Funktionen im Bereich der Compliance, der Technologie, des Datenmanagements usw. neu gestalten, automatisieren und auslagern. Mithilfe von spezialisierten Dienstleistern aus dem Ecosystem können sie nicht nur Zeit für ihre zentralen Geschäftsfelder und für ihre Kunden gewinnen, sondern auch die Qualität und Sicherheit ihrer Betriebsprozesse namhaft steigern unter bestmöglicher Wahrung ihrer Profitabilität.

Detaillierte Schlussfolgerungen, Kernthemen und Handlungsempfehlungen können in der Studie eingesehen werden.

Für Fragen steht Ihnen tatiana.agnesens@hslu.ch zur Verfügung.

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15. Januar 2024

Allgemein,

Bankberatung,

ESG

Matching: Wie passen Finanzanlagen zu Nachhaltigkeitspräferenzen?

Von Prof. Dr. Manfred Stüttgen und Brian Mattmann

Seit dem 1. Januar 2024 müssen Banken in der Schweiz die Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer Kundschaft erheben. Äussert die Kundschaft nachhaltige Anlagepräferenzen, müssen Banken sicherstellen, dass die angebotenen Anlageprodukte mit diesen in Einklang stehen. Was einfach klingt, ist in der Umsetzung anspruchsvoll. In diesem Blog-Beitrag stellen wir einen Ansatz zum «Matching» von Anlageprodukten und Nachhaltigkeitspräferenzen vor. Eines ist klar: Das Matching-Konzept ist für Banken im Vertrieb nachhaltiger Anlageprodukte erfolgskritisch – und auch in der Bekämpfung von Greenwashing.

Der letzte Blog-Beitrag hat aufgezeigt, dass rund die Hälfte aller Personen in der Schweiz eine Nachhaltigkeitspräferenz bei Kapitalanlagen äussern. Banken werden diesen Investoren künftig ein nachhaltiges Produktangebot offerieren müssen. Denn seit dem 1. Januar 2024 ist die neue Nachhaltigkeitsrichtlinie der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in Kraft.[1] Diese verpflichtet die rund 260 Mitgliedsbanken auf selbstregulatorischer Basis, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer privaten und professionellen Kunden zu erheben. Zudem müssen Banken sicherstellen, dass die vorgeschlagenen Anlagelösungen mit den geäusserten Nachhaltigkeitspräferenzen in Einklang stehen. Wie Banken Anlageprodukte so kategorisieren und selektieren können, dass diese mit den Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundschaft übereinstimmen, zeigen wir im Folgenden. Die Frage ist für Banken in zweierlei Hinsicht relevant: erstens dürfte es ihnen ein Anliegen sein, die Bedürfnisse ihrer Kunden möglichst gut zu befriedigen. Zweitens könnten aus einem nicht hinreichend gut umgesetzten «Matching»-Prozess leicht Greenwashing-Vorwürfe resultieren. Dieses Risiko entsteht z.B. dann, wenn Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenzen Investments angeboten werden, die sich zur Befriedigung nachhaltiger Kundenpräferenzen als ungeeignet erweisen.

Banken müssen ihre Kunden nach Nachhaltigkeitspräferenzen kategorisieren

In welcher Form die Nachhaltigkeitsvorlieben bei Kunden erhoben werden, wird in den SBVg-Richtlinien nicht spezifiziert. Typischerweise wird die Abfrage anhand eines Fragebogens geschehen (digital oder papiergebunden), ähnlich wie in Ländern der EU seit der Umsetzung der ESG-angepassten MiFID II-Richtlinie. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass die Präferenzabfrage in der Schweiz inhaltlich deutlich einfacher ausfallen darf als in EU-Ländern. Je nach Präferenz, müssen die Kunden von der Bank kategorisiert und gruppiert werden. Wählt eine Bank eine einfache Kundentypologie, dann teilt man die Kunden in einige wenige Nachhaltigkeitsgruppen ein, z.B. in «sehr Interessierte», «Interessierte», «Neutrale». Gemäss Aussagen von Experten ist diese Art der Umsetzung aktuell die bevorzugte Variante bei Schweizer Banken, da sie pragmatisch und effizient umsetzbar ist. Zudem lässt sie sich relativ einfach in bestehende Angemessenheits-/Eignungsprüfungsprozesse einfügen. Einige Banken wählen auch differenziertere, mehrdimensionale Kundentypologien, bei denen die Nachhaltigkeitspräferenzen granularer erfasst werden.

«Matching»: Wie werden nachhaltige Anlagepräferenzen mit nachhaltigen Anlagelösungen in Einklang gebracht?

Je nachdem, wie man die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden erfasst und welche Kundensegmente man als Idealtypen definiert, ergeben sich andere Chancen und Herausforderungen im «Matching». Den einfachsten Fall stellen Kunden dar, deren Nachhaltigkeitspräferenz «neutral» ist: ihnen können sowohl nachhaltige Anlagelösungen als auch konventionelle Anlagen offeriert werden. Wie aber beschreibt man die nachhaltigen Eigenschaften der Anlagelösung, z.B. Drittfonds, für alle anderen Fälle? Grundsätzlich bieten sich zwei Ansatzmöglichkeiten an, um Anlageprodukte auf deren nachhaltige Eigenschaften zu untersuchen:

  • Prinzipienbasierter Ansatz: Hier nutzt man als Massstab die einer Anlagelösung zugrundeliegende Nachhaltigkeitsansätze («ESG-Strategien»). Ein solcher Ansatz würde mit der Selbstregulierung des Branchenverbands Asset Management Association Switzerland (AMAS) zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug korrespondieren.
  • Regelbasierter (=inhaltlich definierter) Ansatz: Hier referenziert man auf eine andere Art der Nachhaltigkeitsklassifizierung einer Anlagelösung und fokussiert auf konkrete ESG-Merkmale. Dies kann ein intern oder extern vergebener ESG-Score einer Anlage sein, ein Screening auf Kontroversen, ein Mindestmass an Exponiertheit gegenüber einem Nachhaltigkeitskriterium (z.B. den SDG) oder die Prüfung auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele.

Beide Ansätze haben je eigene Vor- und Nachteile. Grössere Fondsanbieter mit entsprechendem Wissen und Ressourcen können die beiden Ansätze miteinander kombinieren, wodurch eine vielschichtige Evaluation eines nachhaltigen Fonds oder eines ganzen Portfolios entsteht. Der erste Ansatz erscheint für mittlere und kleinere Schweizer Finanzdienstleister pragmatischer und effizienter umsetzbar zu sein. Gleichzeitig ist er gut mit den Selbstregulierungszwecken und den dahinterliegenden prinzipienbasierten Ansätzen vereinbar.

Nachhaltige Anlageansätze als mögliche Basis für das Matching

Nachfolgend zeigen wir beispielhaft auf, wie ein prinzipienbasierter Matching-Ansatz konkret umgesetzt werden kann. Der Ansatz ist speziell für die Kategorisierung von Anlagefonds – hauseigenen Fonds oder Drittfonds – geeignet, er kann aber auch für Vermögensverwaltungsmandate oder Advisory-Strategien genutzt werden. Der Vorteil im vorgeschlagenen Matching-Konzept, das wir hier als Heuristik zur Diskussion stellen, besteht darin, dass man den Brückenschlag von Nachhaltigkeitsfonds (=Anlageprodukte) zu den Nachhaltigkeitspräferenzen (=Kundenbedürfnis) über die etablierten ESG-Strategien erreicht. Die ESG-Ansätze, die Fonds in Anschlag bringen, sind regulatorisch gut legitimiert und der Nachhaltigkeitsbezug einer Anlage auf diese Weise glaubwürdig belegbar. So definiert etwa auch der Branchenverband AMAS in seiner Selbstregulierung die Mindestkriterien für nachhaltige Fonds anhand der ESG-Ansätze.[2] Abbildung 1 zeigt in der linken Spalte vier denkbare Kundensegmente einer «mehrdimensionalen ESG-Kundentypologie». Wir nennen diese vier Segmente «Nachhaltig einfach», «Nachhaltig engagiert», «Nachhaltig fokussiert» und «Nachhaltig wirkungsorientiert». In der rechten Spalte werden die nachhaltigen Anlagestrategien aufgelistet, auf die die AMAS-Selbstregulierung Bezug nimmt, diese werden gemäss unserem Vorschlag gruppiert.

Abbildung 1: Matching von Nachhaltigkeitspräferenzen und Fondsangebot anhand von Nachhaltigkeitsansätzen[3]

Die rechten Boxen mit den ESG-Ansätzen deuten schematisch an, welche Anlageansätze eine gute Passung aufweisen mit dem jeweiligen Kundentyp. Das heisst, dass ein nachhaltiger Fonds, welcher die genannten nachhaltigen Anlagestrategien einsetzt, zu einer guten Alignierung mit dem entsprechenden Kundensegment führen dürfte.

Die Umsetzung des Vorschlags ist vergleichsweise einfach: Je nach Anspruch an den «Nachhaltigkeitsgehalt» einer Anlage, kann man strengere Anforderungen an die zugrundeliegenden Nachhaltigkeitsansätze formulieren. Angenommen, eine Bank arbeitet mit den zuvor eingeführten zwei Nachhaltigkeitstypen «sehr Interessierte» oder «Interessierte»: In diesem Fall könnte man «interessierten» Kunden Nachhaltigkeitsfonds anbieten, welche tendenziell weniger selektive Ansätze verfolgen – also Ausschlüsse, ESG-Integration und ESG-Engagement (=nachhaltig engagiert). «Sehr interessierten» Kunden würden dagegen nur Nachhaltigkeitsfonds offeriert, die selektivere Ansätze verfolgen – also Best-in-Class, nachhaltige Themenansätze oder auf Impact-ausgerichtete Strategien (nachhaltig fokussiert/wirkungsorientiert). Solche Kunden wären damit stärker gegenüber «dunkelgrünen» Anlagen exponiert, während erstgenannte aufgrund weniger selektiver Ansätze breiter diversifiziert sind und auch «hellgrüne» Unternehmen im Portfolio halten. Die Fokussierung auf gewisse Unternehmen führt dazu, dass «dunkelgrüne» Portfolios im Vergleich zu «hellgrünen» Fonds einem höheren Nachhaltigkeitsanspruch gerecht werden, zugleich aber auch konzentrierter sind.

«Nachhaltige Kunden» erhalten «nachhaltige Fonds»

Abbildung 2 klassifiziert das Universum nachhaltiger Publikumsfonds in der Schweiz nach den in Abbildung 1 dargestellten Nachhaltigkeitsansätzen. Die zugrundeliegenden Daten stammen aus der IFZ Sustainable Investments Studie 2023, die sämtliche 2’155 nachhaltigen Schweiz Publikumsfonds nach deren ESG-Ansätzen kategorisiert.

Abbildung 2: Klassifizierung der Nachhaltigkeitsfonds in der Schweiz nach deren zugrundeliegenden Nachhaltigkeitsansätzen (in Anzahl Fonds, n=2’155, zu den dahinterliegenden Nachhaltigkeitsansätzen, siehe auch Abbildung 1, per 30. Juni 2023)[4]

Die Abbildung verdeutlicht, dass das aktuelle Angebot an 2’155 nachhaltigen Fonds in der Schweiz breit genug ist, um den dargelegten Ansatz umsetzen zu können.

60 Prozent der nachhaltigen Fonds in der Schweiz verfolgen einen höheren Nachhaltigkeitsanspruch:

  • Einerseits zählen wir dazu die 24 Prozent der Fonds (=508 Fonds), die einen Wirkungsanspruch signalisieren und die wir hier als «nachhaltig wirkungsorientiert» bezeichnen. Hier wird von den Fondsanbietern typischerweise versprochen, dass sie in Unternehmen investieren, die einen positiven ökosozialen Nutzen stiften. Die Mehrheit dieser Fonds verfolgt ein explizites Nachhaltigkeitsziel gemäss Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung SFDR. Entsprechende Fonds werden in der Branche oft auch als «dunkelgrüne» Fonds bezeichnet.
  • Andererseits kann man dazu die 36 Prozent der Fonds zählen (=769 Fonds), die stark gegenüber den «nachhaltigsten» Unternehmen exponiert sind und die wir hier als «nachhaltig fokussiert» bezeichnen. Diese Fonds applizieren einen Best-in-Class-Ansatz oder investieren anhand von nachhaltigen Themen (=nachhaltige Themenfonds).

34 Prozent der nachhaltigen Fonds verfolgen einen weniger selektiven Nachhaltigkeitsanspruch:

  • Einerseits kann man dazu die 28 Prozent der Fonds zählen, die wir als «nachhaltig engagiert» bezeichnen (=608 Fonds). Diese Nachhaltigkeitsfonds ergänzen Ausschlusskriterien und ESG-Integration mit ESG-Engagement, das typischerweise auf Institutsebene durchgeführt wird.
  • Andererseits zählen wir dazu die sechs Prozent der Fonds (=148 Fonds), dir wir als «nachhaltig einfach» bezeichnen und die in unserem Modellvorschlag den tiefsten Nachhaltigkeitsanspruch indizieren. Diese nachhaltigen Fonds definieren Ausschlusskriterien und applizieren die Strategie der ESG-Integration zur Optimierung des Risiko-Rendite-Profils.

Bei weiteren sechs Prozent der Fonds erkennen wir nicht, dass die AMAS-Mindestkriterien erfüllt sind. Diese Fonds können wir aufgrund mangelnder Ansätze keinem Profil zuordnen. Man kann argumentieren, dass sich diese Fonds gemessen an den AMAS-Vorgaben nicht zur Befriedigung nachhaltiger Kundenpräferenzen eignen.

Fazit

Banken müssen zukünftig sicherstellen, dass sie Anlageprodukte entsprechend den Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden offerieren. Erhalten Kunden mit Nachhaltigkeitsvorlieben zum Beispiel hauseigene Fonds oder auch Drittfonds, die diesen Präferenzen nicht entsprechen, dürfte nicht nur die Kundenzufriedenheit leiden. Banken riskieren in diesem Fall auch – durchaus berechtigte – Greenwashing-Vorwürfe. Es liegt im Eigeninteresse jeder Bank, solche Risiken zu minimieren. Die Branche ist deshalb gefordert, das Matching von Präferenzen mit den Anlageprodukten für Kunden verständlich und transparent umzusetzen. Der hier vorgeschlagene Umsetzungsansatz fokussiert auf Nachhaltigkeitsfonds und nutzt die diesen Fonds zugrundeliegenden ESG-Ansätze als Kernelement für das Matching. Dieser prinzipienbasierte Ansatz hat den Vorteil, dass er mit den wesentlichen (Selbst-)Regulierungen im Einklang steht, vergleichsweise einfach ist und dass er dem Grundgedanken folgt: «nachhaltige Fonds» für «nachhaltige Kundenpräferenzen».


[1] Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) (2022a). Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Juni 2022. Zugriff am 21.12.2023. Verfügbar unter: https://www.swissbanking.ch/_Resources/Persistent/5/2/b/3/52b308da28ece9a45de3d3d6fce658f759945489/SBVg_Richtlinien_Anlageberatung_und_Verm%C3%B6gensverwaltung_DE.pdf

[2] Asset Management Association Switzerland (AMAS) (2022). Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug vom 26. September 2022. Zugriff am 21.12.2023. Verfügbar unter: https://www.am-switzerland.ch/de/regulierung/selbstregulierung-standard/sustainable-finance

[3] In Anlehnung an Stüttgen/Mattmann (2023). IFZ Sustainable Investments Studie 2023: Nachhaltige Fonds und soziale Verantwortung, S. 38. Zug: IFZ Eigenverlag. Verfügbar unter: https://hub.hslu.ch/sustainable/

[4] Stüttgen/Mattmann (2023). IFZ Sustainable Investments Studie 2023: Nachhaltige Fonds und soziale Verantwortung, S. 39. Zug: IFZ Eigenverlag. Verfügbar unter: https://hub.hslu.ch/sustainable/

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8. Januar 2024

Allgemein,

Bankberatung,

Bankregulierung,

ESG

Sind Bankkundinnen und -kunden an Nachhaltigkeit interessiert?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Prof. Dr. Simon Amrein und Dr. Reto Rey

Im Bereich der Nachhaltigkeit vollzieht die Finanzbranche aktuell einen grossen Wandel. Per 1. Januar 2024 ist die neue Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung in Kraft getreten, die Banken zur Erhebung der Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer Kundschaft verpflichtet. Äussert die Kundschaft nachhaltige Anlagepräferenzen, müssen Banken zukünftig sicherstellen, dass die angebotenen Anlageprodukte mit diesen in Einklang stehen. In einem ersten Blog diskutieren wir, inwiefern Kundinnen und Kunden an nachhaltigen Produkten interessiert sind. In einem zweiten Blog (nächste Woche), werden wir beschreiben, wie Banken das «Matching» von Anlageprodukten und Nachhaltigkeitspräferenzen konkret machen können.

Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren verstärkt als wichtiges Thema bei Banken und in der Vermögensverwaltung etabliert. Ein Indikator dafür ist beispielsweise das Angebot nachhaltiger Fonds auf dem Schweizer Markt, das in den letzten fünf Jahren stark angestiegen ist. Gemäss der neusten IFZ Sustainable Investments Studie stehen Anlegerinnen und Anlegern in der Schweiz heute 2’155 nachhaltige Fonds zur Verfügung. Das sind fünf Mal mehr als noch 2018 (423). Gleichzeitig sind die in nachhaltigen Fonds verwalteten Vermögen um 17 Prozent auf CHF 1’121 Mrd. angestiegen und übersteigen damit erstmals die Billionengrenze.[1] Auch bei institutionellen Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen hat das Thema eine grosse Bedeutung. Während die Entwicklungen von nachhaltigen Fonds und die Bedürfnisse von institutionellen Kunden ziemlich gut untersucht sind, existieren vergleichsweise wenige Untersuchungen zum Thema zu privaten Anlegerinnen und Anlegern in der Schweiz.

Erhebung von Nachhaltigkeitspräferenzen sowie Matching mit dem Produktangebot

Beim Vertrieb nachhaltiger Anlageprodukte an private und professionelle Kundinnen und Kunden stehen die Banken in der Schweiz vor einem Paradigmenwechsel. Denn Anfang Jahr trat die neue selbstregulatorische Nachhaltigkeitsrichtlinie der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in Kraft, welche speziell das Segment der Privatkundinnen und -kunden betreffen.[2] Gemäss dieser freien Selbstregulierung müssen die rund 260 Mitgliedsbanken von dieser Kundengruppe zukünftig deren Nachhaltigkeitspräferenzen erfragen und vorgeschlagene Anlagelösungen mit den erhobenen Präferenzen in Einklang bringen (Matching). Werden die Erwartungen von Kundinnen und Kunden in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen und die angebotenen Produkte nicht angemessen erfüllt, kann gemäss Schweizerischer Bankiervereinigung ein Fall von Greenwashing vorliegen.[3]

Für die Umsetzung der neuen SBVg-Nachhaltigkeitsrichtlinie gelten Übergangsfristen: Für Neukunden müssen die Anforderungen per 1. Januar 2024 erfüllt werden, für Bestandskunden erst ab 1. Januar 2025. Neben dieser Selbstregulierung zeichnet sich in der Schweiz auch eine neue staatliche Regulierung zu nachhaltigen Anlagen ab. Im Oktober 2023 hat der Bundesrat bekanntgegeben, dass das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) bis August 2024 eine Vorlage erarbeiten soll, welche die Vermeidung von Greenwashing bei nachhaltigen Anlagen adressieren soll. Im Gegensatz zur genannten SBVg-Selbstregulierung – welche den Vertrieb nachhaltiger Produkte am «Point of Sale» regelt – fokussiert die angedrohte staatliche Regulierung primär auf die nachhaltigen Produkte selbst. Im Kern geht es um die Frage, welche Kriterien eine Finanzanlage erfüllen muss, die sich explizit als «nachhaltig» positioniert resp. bezeichnet. Gemäss Bundesrat soll auf eine staatliche Verordnung verzichtet werden, wenn die Branche ihre Selbstregulierung so verschärft, dass das Nachhaltigkeitsverständnis des Bundesrats effektiv umgesetzt wird.[4] Es wird sich zeigen, inwiefern etwa der Branchenverband Asset Management Association Switzerland (AMAS) seine Selbstregulierung zu Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug dahingehend anpassen wird. Eines ist klar: Der Aufruf an die Finanzbranche sowie die entsprechenden Konsequenzen sind vom Bundesrat klar formuliert.

Banken müssen ihre Kundschaft in Nachhaltigkeitsprofile einteilen

Die SBVg-Richtlinie gibt vor, dass die Finanzdienstleister die Präferenzen der Kundschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit erheben müssen und diese in bestimmte Gruppen einteilen müssen. Zum Beispiel kann eine Bank seine Kundschaft in drei «Nachhaltigkeitsprofile» unterteilen. Die Abfrage im Kundengespräch lautet dann beispielsweise «Sind Sie an nachhaltigen Anlagen interessiert?», Antwortmöglichkeit: «sehr interessiert», «interessiert», «neutral». Prozessual fügt sich dieser Schritt in die gemäss Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) geforderten Abläufe der Kundenprofilierung und dem Unterbreiten eines Anlagevorschlags ein. In einem zweiten Schritt, dem sogenannten «Matching», müssen die Banken sicherstellen, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden mit den nachhaltigen Eigenschaften der angebotenen Anlagelösungen in Einklang stehen. Gibt es einen Unterschied zwischen der Anlagelösung und der Nachhaltigkeitspräferenzen, muss dies mitgeteilt und dokumentiert werden. Die Logik ist also ähnlich wie bei der Risikoneigung von Kundinnen und Kunden, wo eine Abweichung des Portfolios von der Risikoneigung ebenfalls deklariert werden muss. Dieses «Matching» ist erfolgskritisch in der Erfüllung nachhaltiger Kundenbedürfnisse und der Verhinderung von Greenwashing-Vorwürfen.

In einer repräsentativen Studie zum Thema Anlegen haben wir letztes Jahr unter anderem die Nachhaltigkeitspräferenz von 3’100 in der Schweiz wohnhaften Personen abgefragt. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit PostFinance erstellt.[5]

54 Prozent der Personen in der Schweiz haben eine Nachhaltigkeitspräferenz

Für die Erhebung der Nachhaltigkeitspräferenz mussten die befragten Personen die Aussage «Nachhaltiges Anlegen ist mir wichtig» bewerten. Zur Auswahl standen fünf Antworten von «trifft nicht zu» bis «trifft zu» sowie die Option «weiss nicht». Die Skalierung lässt sich gut in verschiedene Nachhaltigkeitsprofile überführen, wie sie von der SBVg-Richtlinie gefordert wird. Die Antworten «trifft zu» sowie «trifft eher zu» können den Kategorien «sehr interessiert» und «interessiert» zugeordnet werden. Die übrigen Antworten würden auf die Kategorie «neutral» entfallen.

54 Prozent der befragten Personen sind gemäss eigenen Angaben am nachhaltigen Anlegen interessiert (trifft zu, trifft eher zu; vgl. Abbildung 1). Bei Personen, die bereits Anlegen, liegt der Wert bei 59 Prozent. Nicht-Anlegerinnen und Nicht-Anleger scheint das Thema etwas weniger wichtig zu sein (49%).

Abbildung 1: Zustimmung zur Aussage: «Nachhaltiges Anlegen ist mir wichtig»

Abbildung 2 gibt einen vertieften Einblick in die Nachhaltigkeitspräferenzen der Personen nach demografischen Merkmalen, der Kundengruppe und dem Finanzinteresse. Mit Blick auf das Alter fällt in dieser deskriptiven Auswertung auf, dass sich die Babyboomer stärker interessieren als jüngere Generationen (59% antworten mit trifft zu/trifft eher zu). Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Einkommen (je mehr, desto wichtiger scheinen nachhaltige Aspekte zu sein) und der Bildung (höhere Bildung, höhere Wichtigkeit). Auch Personen mit einem höherem Finanzwissen, scheinen ein grösseres Interesse an Nachhaltigkeit zu haben.

Abbildung 2: Wichtigkeit von Nachhaltigkeit nach demografischen Aspekten

Abbildung 3 zeigt die Nachhaltigkeits-Präferenzen nach Alter, Geschlecht und Investitionsstatus. Auffällig ist, dass sich unter den anlegenden Personen Frauen deutlich stärker für Nachhaltigkeit interessieren als Männer. Bei Frauen, welche anlegen und der Generation der Babyboomers angehören, deklarieren sogar 71 Prozent ein Interesse an nachhaltigen Anlagen. Grosses Interesse scheint es auch bei den anlegenden Männern aus der Babyboomer-Generation zu geben (64%). Bei den Personen, die nicht anlegen, scheint aber auch bei etwa jeder zweiten Person ein entsprechendes Bedürfnis zu bestehen.

Abbildung 3: Nachhaltigkeitspräferenzen nach Alter, Geschlecht und Investitionsstatus

29 Prozent der Anlegerinnen und Anleger finden, dass ihnen zu wenige nachhaltige Anlagemöglichkeiten zur Verfügung stehen

In der Umfrage wurde ebenfalls erhoben, ob sich die Anlegerinnen und Anleger von ihrer Bank denn mehr nachhaltige Anlagemöglichkeiten wünschen (vgl. Abbildung 4). 29 Prozent der befragten Anlegerinnen und Anleger finden, dass es mehr nachhaltige Produktangebote geben sollte, die ihren Anforderungen entsprechen. Bei Personen mit einem höherem Finanzwissen, scheint dieses Gefühl aber etwas weniger verbreitet zu sein (21% vs. 17%). Bei diesen Antworten handelt es sich um die subjektive Wahrnehmung der befragten Personen. Insofern kann hier nicht direkt auf ein schlechtes «Matching» der Banken geschlossen werden.

Abbildung 4: Zustimmung zur Aussage «Mir stehen keine oder zu wenige nachhaltige Anlagemöglichkeiten zur Verfügung, die meinen Anforderungen entsprechen» (trifft eher zu/trifft zu)

Welche Personen, die noch nicht anlegen, könnten denn an nachhaltigen Produkten interessiert sein?

Ebenfalls analysiert wurde, ob Nicht-Anlegerinnen und Nicht-Anleger von einem breiten nachhaltigen Produktangebot zum Investieren bewegt werden können (vgl. Abbildung 5). Immerhin 28 Prozent der befragten Personen geben an, dass sie über ein breites Nachhaltigkeitsangebot zum Investieren gebracht werden könnten. Jüngere Personen und Personen mit gutem Finanzwissen, könnten auf ein solches Angebot stärker reagieren.

Abbildung 5: Zustimmung zur Aussage: «Ich würde investieren, wenn es ein breites Angebot an nachhaltigen Anlageprodukten gäbe»  

Fazit

Die Auswertungen zeigen, dass rund die Hälfte der Personen in der Schweiz gemäss eigenen Angaben (gewisse) Nachhaltigkeitspräferenz bei Finanzanlagen äussern. Das sind erstaunlich viele, die Banken mit einem nachhaltigen Produktangebot und entsprechender Beratungskompetenzen abholen müssen. Klar ist, dass die Implikationen für Portfolios von Kundinnen und Kunden mit solchen Präferenzen tiefgreifend sein können. Sofern Kundinnen und Kunden keine Abweichung des Portfolios von den eigenen Nachhaltigkeitspräferenz akzeptieren, dürften mittelfristig die Hälfte der Anlagen ausgewählten Nachhaltigkeitskriterien genügen müssen. Der Umsetzung – konkreter dem Matching der Kundenpräferenzen mit den «passenden» nachhaltigen Anlageprodukten – kommt eine sehr bedeutende Rolle in der Vermeidung von Greenwashing-Risiken zu. Für Banken steht hier also viel Arbeit an. Wie man dieses Matching konkret machen kann und warum sich hier eine wichtige Quelle für Greenwashing-Risiken verbirgt, werden wir in einem zweiten Blog-Artikel beleuchten.


[1] Stüttgen, M. & Mattmann, B. (2023). IFZ Sustainable Investments Studie 2023: Nachhaltige Fonds und soziale Verantwortung. Rotkreuz: Verlag IFZ. Online (20.12.2023): https://hub.hslu.ch/sustainable/­sustainable-investments-studien/

[2] SwissBanking (2023). Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.

[3] SwissBanking (2023). Greenwashing. Online (09.11.2023): https://www.swissbanking.ch/de/themen/­sustainable-finance/greenwashing. Siehe dazu auch: FINMA (2021). FINMA-Aufsichtsmitteilung 05/2021. Prävention und Bekämpfung von Greenwashing. 4 Verhaltenspflichten am Point of Sale.

[4] Bundesrat (2023). Medienmitteilung vom 25.10.2023: Weitere Arbeiten zur Vermeidung von Greenwashing. Online (09.11.2023): https://www.sif.admin.ch/sif/de/home/­dokumentation/medienmitteilungen/­medienmitteilungen.msg-id-98351.html

[5] Weitere Auswertungen finden Sie in der IFZ Retail Banking Studie 2022, im Blog vom Februar 2023 sowie im PostFinance Anlegen Report 2022

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Peter Walter

8. Januar 2024

Diese ganze Nachhaltigkeitsdebatte ist ein Hohn. Da werden Atomkraftwerke abgeschaltet ohne das die Politik klar aufzeigt wie die fehlende Energie nachhaltig produziert werden kann. Kohle und Diesel- Kraftwerke sind auch kurzfristig keine Lösung. Wenn Elektroautos produziert werden, ohne genügend Nachfrage, nur damit Quoten erfüllt werden, was soll da Nachhaltig sein ? Wundere mich schon heute, ob wir mit den Materialien die wir für all die Batterien, Windräder und Solar- Panels brauchen der nächsten Generation (sog. letzte Generation ) nicht ein neues Entsorgungsproblem aufhalsen.

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18. Dezember 2023

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Hypothekargeschäft,

Raiffeisenbanken

Die zehn meistgelesenen Blog-Artikel im Jahr 2023

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Das Jahr 2023 neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen! Vor allem hoffe ich, dass Sie gesund bleiben. Zum Ausklang des Jahres präsentiere ich Ihnen die zehn am häufigsten gelesenen Artikel im Jahr 2023. Vielleicht haben Sie einen dieser spannenden Artikel verpasst?

  1. Welches sind die 30 wertvollsten Banken der Schweiz?
  2. Auswirkungen der Grossfusion von UBS und Credit Suisse auf den inländischen Bankenmarkt
  3. Wie gut ist Radicant? Ein erster Testbericht
  4. Welches ist die digitalste Schweizer Retailbank im Privatkundengeschäft 2023?
  5. Welches sind die grössten Raiffeisenbanken der Schweiz?
  6. Die Smartphone Bank Yuh im Test
  7. Eine Revolution für KMU-Kredite in der Schweiz: Eine Analyse des Instant Business Credit der UBS
  8. Zukunft der Kernbankensysteme – erste Erkenntnisse der Studie
  9. Data Driven Banking und die personalisierte Finanzwelt bei UBS key4 insights
  10. Welches sind die wichtigsten Banken für die Schweizer:innen – und welche Banken fungieren nur als Nebenbanken?

Empfehlen kann ich Ihnen zudem auch den IFZ Digital Podcast. In der Zwischenzeit sind wir schon bei 32 Folgen, in welchen wir gemeinsam mit spannenden Persönlichkeiten in einem rund 15-20-minütigen Gespräch verschiedene Themen beleuchten. Hören Sie doch mal rein!

Gleichzeitig möchte ich Sie auf einige IFZ-Highlights im Jahr 2024 aufmerksam machen:

Konferenzen und Seminare

Weiterbildungen

Diese und weitere Angebote können so zusammengestellt und ergänzt werden, dass man dadurch einen DAS oder MAS-Titel erlangen kann.

Happy Holidays!

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11. Dezember 2023

Bancassurance,

Bank IT,

Bankfiliale,

Bankstrategie,

Digitales Anlegen,

Digitalisierung,

ESG,

Kantonalbanken,

Mobile Payment,

Ökosystem,

Open Banking,

Studie,

Veranstaltungen

Rückblick auf die IFZ Retail Banking Konferenz 2023

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Prof. Dr. Simon Amrein, Dr. Reto Rey, Mariam Naseri und Jonas Omlin

Bereits zum 12. Mal haben wir am 23. November die IFZ Retail Banking Konferenz durchgeführt. Neben den Resultaten aus der IFZ Retail Banking-Studie standen zahlreiche spannende Präsentationen von internationalen und Schweizer Banken sowie von FinTechs zu strategischen Themen sowie «Open Banking», «Mobile Payments», «Generation Alpha & Z» sowie «Nachhaltigkeit» im Mittelpunkt. Die wichtigsten Aussagen fassen wir nachfolgend zusammen.

Retail Banking Studie 2023

Prof. Dr. Andreas Dietrich, IFZ

Eine Zusammenfassung der Retail Banking-Studie 2023 finden Sie hier.

Nachfolgend einige Impressionen von der Konferenz:

Die Strategie der Zürcher Kantonalbank im Retailgeschäft

Florence Schnydrig Moser, Leiterin Private Banking Zürcher Kantonalbank

  • Bis zum Jahr 2030 plant die ZKB signifikante Investitionen in ihr Filialnetz an allen über 50 Standorten, trotz des deutlichen Rückgangs der Frequenzen in den Filialen und an den Bancomaten. Die Pilotstandorte in Stettbach und Winterthur, die seit etwa zwei Jahren bestehen, setzen auf eine filialübergreifende Konzeptänderung. Hier liegt der Fokus auf „Begegnungen“, wobei klassische Schalteranlagen und bedientes Bargeld nicht mehr angeboten werden. Beratungsgespräche können beispielsweise auch in der offenen Cafeteria stattfinden, und bisher zeigt sich, dass Diskretionsfragen (wie z.B. bei Hypothekarberatungen) kein Problem darstellen. Von zunehmender Bedeutung sind bei der ZKB auch Video-Beratungen (Remote Sales Advice).
  • Ein weiterer strategischer Investitionsschwerpunkt liegt auf der Beratung. Innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre ist die operative Einführung eines neuen CRM-Systems geplant, das die Beratung und Betreuung „effektiver“ gestaltet, um den Beraterinnen und Beratern mehr Zeit für die Interaktion mit der Kundschaft zu ermöglichen. Zudem wird in die Förderung der «Selbstbedienung» im Beratungsprozess investiert. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Unterstützung der Kunden im Bereich der Nachlassplanung im Online-Banking (vgl. der Blog-Artikel dazu). In der Planung befinden sich ähnliche Lösungen für die Risikovorsorge und die Pensionierungsberatung.
  • Angesprochen auf den Kundenzuwachs nach der CS-Übernahme durch die UBS zeigt sich Florence Schnydrig Moser zurückhaltend. Sie erklärt, dass einige „Neukunden“ bereits durch attraktive Angebote erfolgreich zur Rückkehr zur CS/UBS bewogen wurden.
  • Die digitale Säule 3a ist dank des Angebots der App Frankly kontinuierlich gewachsen (wir haben 2020 und 2021 darüber berichtet). Nach rund 3.5 Jahren liegt das Volumen bei etwa CHF 2 Milliarden. Nach der Erweiterung in den Freizügigkeitsbereich besteht möglicherweise die Aussicht, zukünftig eine digitale Anlagelösung in Frankly zu integrieren.

Die Strategie der LLB in der Schweiz

Dr. Gabriel Brenna, Group CEO LLB

  • Die LLB hat sich in den letzten zehn Jahren erfolgreich entwickelt. Das Geschäftsvolumen wurde nahezu verdoppelt, das Konzernergebnis beinahe verdreifacht. Zurzeit beschäftigt das Unternehmen rund 1’160 Vollzeitmitarbeitende in Liechtenstein, der Schweiz und Österreich.
  • Bis 2026 werden CHF 100 Millionen in die digitale Transformation investiert. Ein zentrales Ziel ist es, die «end-to-end» Effizienz zu steigern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Digitalisierung des Beratungsprozesses.
  • Die LLB investiert weiter in das Filialnetz und setzt auf neue Standorte für Wealth Management und das Firmenkundengeschäft in Zürich und St. Gallen (dabei wurde aber auch entschieden, die Marke «Bank Linth» nicht mehr weiterzuführen). Wachstumschancen sieht die LLB im Bereich Private Banking, dem Firmenkunden sowie dem Geschäft mit externen Vermögensverwaltern. Zudem plant die Bank für 2024 den Aufbau von Filialen in Düsseldorf, Frankfurt sowie München.

Building radicant – Die Reise zur ersten digitalen Nachhaltigkeitsbank der Schweiz»

Roland Kläy, Co-CEO Radicant

  • Radicant ist eine Smartphone-Bank, die sich auf nachhaltige Vermögensverwaltung nach den Kriterien der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) konzentriert. Das „Radicant-Projekt“ wurde im Jahr 2021 ins Leben gerufen. Innerhalb von zehn Monaten erhielt Radicant erfolgreich eine Banklizenz, wobei die Muttergesellschaft BLKB unterstützend tätig war. Aktuell zählt Radicant etwa 100 Mitarbeitende, wobei die Mehrheit von ihnen in der IT tätig ist.
  • Die App ging im Oktober 2023 live, der Onboarding-Prozess soll weniger als fünf Minuten dauern (wir berichteten hier). Angeboten werden diskretionäre Vermögensverwaltungs-Mandate (aktiv) ab CHF 1’000.
  • Gegenwärtig sind rund zwei Drittel der Kundschaft von Radicant männlich.

Payment and Beyond: Alltagsvereinfachung durch TWINT

Markus Kilb, CEO Twint

  • Zurzeit verzeichnet Twint eine Nutzerzahl von über fünf Millionen Menschen. Im Bereich des mobilen Bezahlens schätzt Kilb den Marktanteil auf etwa 80 Prozent. Besonders stark ist das Wachstum im stationären Handel (Point of Sale, POS).
    Im Jahr 2022 wurden via Twint 386 Millionen Transaktionen abgewickelt. Für das laufende Jahr wird nochmals eine signifikante Steigerung erwartet.
  • Im Bereich des Bezahlens stehen den Kundinnen und Kunden von Twint jeden Tag beziehungsweise bei jeder Zahlung mehrere Optionen zur Verfügung (z.B. Bargeld, Karte, PayPal, Apple Pay, etc.). Somit ist die Weiterentwicklung der Angebote für die Kundenbindung wichtig.
  • Twint arbeitet aktuell an vielen Erweiterungen der App im Bereich «Beyond Payment». Dazu gehören beispielsweise Funktionen wie das ticketlose Ein- und Ausfahren in Parkhäusern oder die Tank-Funktion, bei der durch eine direkte Freischaltung in der TWINT-App getankt werden kann. Zudem hat Twint in Zusammenarbeit mit Swiss Billing (Cembra) auch das Angebot „Später Bezahlen“ (auch bekannt als Buy now, pay later oder BNPL) eingeführt.

smoney – your buddy in finance: strategischer Fokus auf junge Kunden am Beispiel der Stadtsparkasse Düsseldorf

Robin Nehring, Leiter Strategische Unternehmensentwicklung, Stadtsparkasse Düsseldorf

  • Die zehnt-grösste Sparkasse Deutschlands hat – wie viele ihrer Peers – einen hohen Marktanteil im Geschäftsgebiet. Bei den 18-25-Jährigen beträgt dieser 57 Prozent. Gleichzeitig ist bei dieser Altersgruppe die Abwanderungsrate relativ hoch.
  • Die Sparkasse Düsseldorf lancierte deshalb im Jahr 2020 einen Ideenwettbewerb und fragte Jugendliche, wie sie sich modernes Banking vorstellen. Daraus entstand die Marke «smoney», welche Nehring als «Kundenaktivierungskonzept» bezeichnet. Eines der zentralen Elemente ist der «smoney Hub». Es handelt sich dabei um einen physischen Standort, welcher eher aussieht wie ein Event-Raum oder ein Kaffee als eine Bankfiliale ist. Im Hub finden zahlreiche Anlässe statt. Kundinnen und Kunden können sich aber auch von den sogenannten «smoney-buddys» (voll ausgebildete Beraterinnen und Berater unter 27 Jahren) beraten lassen.
  • Neben den Anlässen betreibt «smoney» auch sehr erfolgreich Kanäle auf Tiktok, Youtube und Instagram, wo täglich zwei Videos hochgeladen werden. Auf TikTok verzeichnet smoney bereits fast 300’000 Follower. Das Ziel besteht darin, das Finanzwissen der Zielgruppe zu aktivieren und zu stärken.
  • Der Fokus liegt auf der Bindung junger Bestandskunden, die im Allgemeinen eine tiefe Bindung zur Bank aufweisen. Durch smoney konnte die Abwanderungsrate (Churn) in diesem Kundensegment auf ein Prozent gesenkt werden. Die Marke „smoney“ soll jedoch nicht nur für die Kundschaft attraktiv sein, sondern auch (potenzielle) Arbeitnehmer ansprechen. In den kommenden fünf Jahren werden etwa 30 Prozent des Personals bei der Sparkasse aufgrund von Pensionierungen ausscheiden. Daher ist ein effektives Branding bei jungen Menschen von entscheidender Bedeutung. Im Bereich der Bewerbungen für Lehrstellen hat smoney bereits zu einem deutlichen Anstieg geführt.

Lehren und Erfolgsfaktoren für Open Finance Projekte im deutschen Markt – Insights aus einem Jahr wallis.integrate

Leon Merx, CEO Wallis

  • Wallis ist eine Einheit innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe, welche sich aus 360 eigenständigen Instituten zusammensetzt. Diese entscheiden eigenständig über ihre eigenen Angebote. Eine Hauptaufgabe von Wallis besteht nicht nur in der Entwicklung des Ökosystems, sondern auch im Vernetzen von Akteuren und der Förderung von Open Finance innerhalb der Deutschen Sparkassen
  • Aktuell beschäftigt Wallis rund 40 Mitarbeitende, bis Ende 2024 wird ein Wachstum auf 70 Personen erwartet. Es sind derzeit etwa 30 Kooperationen in Vorbereitung. Aktuell verfügt Wallis über eine Einschätzung von mehr als 200 FinTech-Unternehmen, welche jeweils weltweit «gescoutet» werden.
  • Einer der bisher erfolgreichsten Anwendungsfälle liegt im Bereich „Multibanking“ für Firmenkunden.

Open Banking Use Case in der Schweiz – das Beispiel von acrevis/Kaspar&

Kornelius Birrer, Leiter Vertriebssteuerung acrevis, Jan-Philip Schade, Co-Founder Kaspar&

  • Kaspar& und acrevis sind eine Kooperation eingegangen. Kundinnen und Kunden von acrevis können in nur wenigen Minuten ihr acrevis-Konto mit dem Anlageuniversum von Kaspar& verbinden. Hierfür brauchen sie aber eine separate App (Whitelabel-Produkt von Kaspar&).
  • Gemäss Birrer steht die Stärkung der Kundenbeziehung im Fokus. Dies sei umso wichtiger, da die Frequenz der Kundenkontakte abgenommen habe. Mit der Kooperation steht für acrevis aber nicht nur die Bindung bestehender Kundinnen und Kunden im Fokus, sondern auch die Gewinnung von Neukundinnen und Neukunden.
  • Für Schade von Kaspar& ist in dieser Zusammenarbeit das Upselling in verschiedene Produktkategorien zentral. Er sieht die Position von Kaspar& als eine Art «Twint» fürs Anlegen / Investieren.

Sneak Preview: Die digitalsten Banken im Firmenkundengeschäft der Schweiz: Zusammenfassung und Ausblick

Prof. Dr. Andreas Dietrich, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Andreas Dietrich erläutert die wichtigsten Erkenntnisse aus der neuen Studie zum Thema «Die digitalsten Banken im Firmenkundengeschäft in der Schweiz». Die Resultate finden Sie hier.

Studienbestellung

Die 240-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2023» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.

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4. Dezember 2023

Allgemein

Welches ist die digitalste Schweizer Bank im Firmenkundengeschäft?

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Simon Rüttimann und Mariam Naseri

Die Digitalisierungsbemühungen schweizerischer Banken konzentrieren sich weiterhin hauptsächlich auf das gut skalierbare Retail Banking-Segment. Die digitalen Angebote im Bereich des Firmenkundengeschäfts bleiben bei vielen Banken nach wie vor überschaubar. Um dieser Thematik auf den Grund zu gehen, haben das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) und der Digital Banking Think Tank e.foresight der Swisscom zum vierten Mal eine Studie zum „Digitalen Firmenkundengeschäft“ veröffentlicht. Die Studie zielt darauf ab, einerseits zu identifizieren, welche Banken im Bereich digitaler Angebote für Firmenkunden führend sind, und andererseits zu analysieren, welche digitalen Funktionen von KMU-Kunden als besonders nützlich und wegweisend betrachtet werden. Schliesslich wurden beide Perspektiven zusammengeführt, um aufzuzeigen, ob und in welchen Bereichen mögliche Lücken in den Bankangeboten für Unternehmen bestehen.

Fortschritte erkennbar im digitalen Firmenkundenbereich

Um einen Überblick über die Angebotsseite zu erhalten, wurde eine Marktübersicht erstellt, welche die (digitalen) Angebotspaletten von 32 der grössten Retailbanken in der Schweiz berücksichtigt. Dies erfolgte durch eine systematische Erfassung von Produkten und Dienstleistungen in den fünf Themenblöcken „E-Banking“, „Kommunikationskanäle“, „Zahlen“, „Finanzieren“ sowie „Bank-nahe Dienstleistungen“.

Die Analyse verdeutlicht, dass der Anteil der Banken mit entsprechenden Angeboten stark variiert, abhängig von der Funktion oder Dienstleistung. Während einige Funktionalitäten bereits als „Standard-Angebote“ etabliert sind und von (fast) allen Banken bereitgestellt werden, gibt es zahlreiche Funktionen, die nur von sehr wenigen Banken angeboten werden. Eine klare Differenzierung durch „einzigartige“ Angebote im digitalen Firmenkundengeschäft wird in der Schweiz bislang nur von wenigen Banken verfolgt.

Um die Angebotsbreite der einzelnen Banken miteinander zu vergleichen, wurde ein „Score“ berechnet, der die Anzahl der angebotenen Funktionen und Dienstleistungen zum Stichtag 31.10.2023 addiert. Dabei wurde die Qualität der jeweiligen Umsetzung nicht berücksichtigt. Der Maximalwert dieses Scores beträgt 69 Punkte und würde erreicht werden, wenn alle in dieser Studie miteinbezogenen Funktionen und Dienstleistungen von einer Bank angeboten würden (was aus ökonomischer Sicht jedoch nicht unbedingt das Ziel sein muss). Wie aus der Übersicht in Abbildung 1 schnell ersichtlich wird, sind die Schweizer Banken derzeit noch weit davon entfernt, den Maximalwert zu erreichen.

Abbildung 1: Kategorisierung der Banken basierend auf ihren Angebotspaletten (e.foresight/IFZ)

Welche Bank ist im Bereich Digitalisierung im Firmenkundengeschäft am weitesten?

Unsere Analysen zeichnen ein klares Bild an der Spitze. Die fünf schweizerischen Banken, die per 31.10.2023 im Bereich des digitalen Firmenkundengeschäfts das breiteste Angebot haben, sind:

  1. UBS (49 Punkte)
  2. Banque Cantonale Vaudoise (46 Punkte)
  3. Migros Bank (38 Punkte)
  4. PostFinance (33 Punkte)
  5. Aargauische Kantonalbank (31 Punkte)

Auf den weiteren Plätzen befinden sich die Luzerner Kantonalbank, die Valiant Bank, die Zürcher Kantonalbank, die Thurgauer Kantonalbank, die Raiffeisen Gruppe, sowie die St. Galler und Berner Kantonalbank. Insgesamt kann man erkennen, dass grössere Banken (gemessen an der Bilanzsumme) tendenziell ein breiteres digitales Angebot für ihre Firmenkunden anbieten.

Selektives Interesse auf der Nachfrageseite

Um die Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden zu quantifizieren, führten wir in Zusammenarbeit mit mehreren Banken eine Umfrage unter 629 Firmenkunden durch. In Analogie zur Struktur auf der Angebotsseite wurden diese gebeten, den Nutzen verschiedener digitaler Funktionen und Dienstleistungen in den fünf zuvor genannten Themenblöcken einzuschätzen. Die fünf Angebote mit dem grössten Nutzen aus Sicht der KMU sind dabei:

  1. Scanning von QR-Rechnungen ohne zusätzliche Hardware
  2. Digitales Vertragsarchiv mit allen Bankverträgen und E-Dokumenten
  3. Zugang zu Konten und Auslösung von Transaktionen über Mobile Banking
  4. Online-Administration von Kreditkarten
  5. Empfangen von digitalen Rechnungen direkt im E-Banking

Zusammenführung der Angebots- und Nachfrageseite

Durch die Zusammenführung der Angebots- und Nachfrageseite können wir aufzeigen, welche Bereiche von den befragten Firmenkunden als besonders nützlich bewertet werden, jedoch (noch) nicht im Leistungsangebot der Banken enthalten sind. Abbildung 2 visualisiert diese Zusammenführung in grafischer Form. Die horizontale Achse zeigt den von den befragten Firmenkunden zugeschriebenen Nutzen für alle abgefragten Punkte an. Auf der vertikalen Achse ist der prozentuale Anteil aller 32 einbezogenen Banken dargestellt, die den entsprechenden Punkt in ihrem Angebot haben.

Abbildung 2: Nutzen aus Kundensicht und Anteil der Banken mit einem entsprechenden Angebot (e.foresight/IFZ)

Fazit

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Resultate können folgende Konklusionen gezogen werden:

  • Für Banken interessant sind vor allem Funktionen, welche zwar aus Kundensicht von Nutzen sind, jedoch nur von verhältnismässig wenigen Banken angeboten werden (vgl. Abbildung 2). Insbesondere das «digitale Vertragsarchiv», die «digitale Signatur» oder das «detaillierte Tracking internationaler Zahlungen im E-Banking» scheinen aus Kundensicht wünschenswert, werden aber von den Banken derzeit nur in einem geringen Ausmass angeboten. Auffallend ist aber, dass es beim digitalen Vertragsarchiv im Vergleich zu 2021 eine deutliche Angebotssteigerung durch die Banken gab.
  • Das digitale Angebot im Firmenkundengeschäft wurde im Vergleich zu 2021 weiter ausgebaut. Viele Banken stehen aber noch immer am Anfang der Entwicklung. Die grösseren Banken sind insgesamt weiter in der Entwicklung als die kleineren Institute.
  • Firmenkunden sehen weiterhin insbesondere bei Funktionen einen grossen Nutzen, die ihren Alltag erleichtern und ihre Prozesse verbessern. Diese sind insbesondere transaktionsbezogene und Selbstadministrations-Funktionen im E-Banking. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, dass Banken in den vergangenen zwei Jahren weiterhin ihre Angebote vor allem im Bereich «E-Banking» und «Zahlen» ausgebaut haben.
  • Der Vergleich von Nutzen aus Kundensicht und Angebot der Banken zeigt, dass das Angebot von den Banken in den letzten Jahren an den richtigen Stellen erweitert wurde – nämlich dort, wo der Nutzen aus Kundensicht am höchsten ist.
  • Etwa zwei Drittel der Firmenkunden unterhalten mehrere aktive Bankbeziehungen. Die zunehmende Anzahl an Bankbeziehungen im Vergleich zur Grösse eines Unternehmens bleibt weiterhin ein zentraler Aspekt. Daher erscheint es aus Sicht der Banken besonders wichtig, bei diesen Unternehmen die Rolle der Hauptbank zu haben resp. zu übernehmen.

PS: Die detaillierten Auswertungen und Analysen dieser Studie erhalten exklusiv e.foresight-Kunden und die an der Umfrage teilnehmenden Institute. Für Fragen wenden Sie sich direkt an e.foresight: simon.ruettimann@swisscom.com.

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27. November 2023

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Studie

Zinsmargen der Banken steigen 2023 markant an – eine Prognose

Von Prof. Dr. Simon Amrein und Prof. Dr. Andreas Dietrich

Im Jahr 2023 zeichnen sich markante Veränderungen in den finanziellen Ergebnissen der Retailbanken ab. Aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus, welches die Abschlüsse 2022 noch wenig tangierte, werden die Zinsmargen im Jahr 2023 deutlich ansteigen. Im nachfolgenden Blog machen wir eine Prognose für das laufende Jahr 2023. Die Banken werden wohl in nur einem Jahr den Margenrückgang von mindestens acht Jahren wieder aufholen.

Das Zinsergebnis der Schweizer Retailbanken blieb im Jahr 2022 relativ unberührt vom sich ändernden Zinsniveau. Obwohl die Banken vereinzelt Verbesserungen in ihrer Zinsmarge verzeichneten, blieb die durchschnittliche Zinsmarge aller Retailbanken im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr konstant bei 1.15 Prozent. Hinsichtlich der verschiedenen Bankengruppen ergaben sich lediglich minimale Verschiebungen der Zinsmarge von ein bis zwei Basispunkten.

Für das Jahr 2023 zeichnen sich im Zinsengeschäft aber markante Veränderungen ab, wie die Analyse der Halbjahresabschlüsse (per 30.06.2023) der Retailbanken zeigt. Diese Veränderungen werden sowohl durch die Zeitpunkte der Leitzinserhöhungen als auch durch die Positionierungen der Banken in Bezug auf Absicherungsgeschäfte und die Laufzeiten von Aktiva und Passiva sowie die Preisgestaltung im Zinsengeschäft beeinflusst.

Die Zinswende und deren Folgen

Im Juni 2022 leitete die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinswende ein. Der damals geltende Leitzins von -0.75 Prozent wurde per 16. Juni 2022 auf -0.25 Prozent angehoben. Am 22. September 2022 drehte der Leitzins – erstmals seit Ende 2014 – wieder in den positiven Bereich und wurde auf 0.5 Prozent erhöht. Weitere Zinsschritte folgten am 15. Dezember 2022 (Leitzins 1.0%), am 23. März 2023 (1.5%) und am 22. Juni 2023 (1.75%).

Mit den Anpassungen der Leitzinsen veränderten sich auch die durchschnittlichen Verzinsungen auf der Aktiv- und Passivseite in den Bilanzen von Schweizer Retailbanken. Die durchschnittliche Verzinsung von Kundeneinlagen lag gemäss SNB-Statistik zwischen 2021 und dem zweiten Quartal 2022 im Bereich von 0.07 und 0.09 Prozent und erhöhte sich im dritten und vierten Quartal 2022 auf 0.22 und 0.33 Prozent. Per 30. Juni 2023 lag die durchschnittliche Verzinsung bei 0.51 Prozent. Auf der Aktivseite der Bankbilanzen stiegen die durchschnittlichen Zinssätze bereits in der ersten Hälfte 2022. Zwischen Januar 2021 und Januar 2022 lagen beispielsweise die durchschnittlichen Zinssätze für festverzinsliche Hypotheken (Neuabschlüsse) minimal bei 1.08 und maximal bei 1.17 Prozent. Ende Juni 2023 lag der durchschnittliche Zinssatz bei festverzinslichen Hypotheken bereits bei 1.65 Prozent, stieg bis Ende 2022 auf 2.08 Prozent und lag schliesslich per Ende Juni 2023 bei 2.57 Prozent.[1]

Die zeitliche Verzögerung, mit der sich Leitzinsänderungen auf die Verzinsungen von Aktiv- und Passivprodukten der Banken auswirken, hängt zum einen mit den Laufzeiten der betreffenden Produkte zusammen. So lassen sich die Hypothekarkredite in festverzinsliche und variabel verzinsliche Kredite unterteilen. Die Auswirkungen von Zinsänderungen werden ziemlich unmittelbar in den Zinssätzen von Hypotheken mit variablen Zinssätzen sichtbar (variable Hypotheken, SARON-Hypotheken). Im Jahr 2022 lag der Anteil der variabel verzinslichen Hypotheken in den Bankbilanzen bei 23.05 Prozent.[2] Der Effekt von Zinsänderungen auf festverzinsliche Hypotheken hängt hingegen von der Laufzeit dieser Hypotheken ab. Nur fällige Hypotheken werden (abzüglich von Amortisationen) zu neuen Zinssätzen verlängert. Der restliche Teil des Hypothekarportfolios mit festen Zinssätzen bleibt unverändert bestehen, da die Zinssätze für Festhypotheken während der Laufzeit unverändert bleiben. Die Bank kann daher erst nach Ablauf einer Hypothek die neuen Zinssätze anwenden, die für die jeweilige Markt und Zinslage gelten. Andererseits spielt auch das Kundenverhalten eine wichtige Rolle. Dabei stellt sich die Frage, wie und ob Kundinnen und Kunden auf sich verändernde Zinssätze und Preise für Dienstleistungen reagieren (siehe dazu auch unseren Blog zur IFZ Retail Banking-Studie 2023).[3]

Basierend auf den Halbjahresabschlüssen (30.06.2023) der 90 Retailbanken haben wir die Entwicklung von Zinsaufwand, Zinsertrag und Zinsmarge untersucht. Ebenfalls versuchen wir, für die Entwicklung der Zinsmarge bis Ende 2023 eine Prognose abzugeben.

Zinserfolg im ersten Halbjahr 2023: Wenn der Zinsertrag des Jahres 2022 schon in erstem Halbjahr 2023 fast erreicht wird…

Sowohl der Zinsertrag als auch der Zinsaufwand haben im ersten Halbjahr 2023 deutlich zugenommen. In der Summe erzielten alle 90 Retailbanken der Schweiz (ohne UBS) zusammen im Jahr 2022 einen Zinsertrag von CHF 13.0 Milliarden. Allein im ersten Halbjahr 2023 konnten die untersuchten Banken aber bereits CHF 10.9 Milliarden an Zinsertrag verzeichnen. Hinsichtlich des Zinsaufwands zeigen sich ebenfalls erhebliche Veränderungen. Im Jahr 2022, das noch stark von einem negativen Zinsumfeld geprägt war, belief sich der Gesamtbetrag des Zinsaufwands auf CHF 1.9 Milliarden. Im ersten Halbjahr erhöhte sich der Zinsaufwand der Retailbanken auf CHF 4.1 Milliarden.

Der markante Anstieg des Zinsertrags gegenüber dem Vorjahr schlägt sich im Nettoerfolg des Zinsgeschäfts im ersten Halbjahr 2023 nieder. Stellt man den Nettoerfolg aus dem Zinsgeschäft in das Verhältnis mit den zinstragenden Aktiven (Forderungen gegenüber Kunden, Hypothekarforderungen, Finanzanlagen), zeigt sich im ersten Halbjahr 2023 ein markanter Anstieg (vgl. Abbildung 1). Im ersten Halbjahr 2022 belief sich der Nettoerfolg des Zinsengeschäfts noch auf 0.56 Prozent der zinstragenden Aktiven. Im ersten Halbjahr 2022 lag dieser Wert bei 0.66 Prozent.

Abbildung 1: Nettoerfolg in % der zinstragenden Aktiven pro Halbjahr zinstragenden Aktiven, 1. Halbjahr 2022 bis 1. Halbjahr 2023 (Daten: IFZ Retail Banking-Studie: Halbjahres- und Jahresberichte der 90 Retailbanken in der Schweiz, ohne UBS)

Prognose Zinsmargen 2023: Von 1.1 auf über 1.3 Prozent

Basierend auf den Halbjahresergebnissen der einzelnen Retailbanken per 30. Juni 2023 leiten wir eine Prognose für die Zinsmarge im Jahr 2023 her. Wir prognostizieren, dass der Zinsaufwand in der zweiten Jahreshälfte gegenüber dem ersten Halbjahr um weitere ca. 30 Prozent steigen wird. Dies basiert auf der Annahme, dass viele Banken zu Beginn des Jahres die Zinserhöhungen nur zögerlich an ihre Kunden weitergegeben haben und wir davon ausgehen, dass dieserEffekt im zweiten Halbjahr stärker zum Tragen kommen wird. Zusätzlich wird die Zinserhöhung vom Juni 2023 um 25 Basispunkte erst in der zweiten Jahreshälfte auch auf der Seite des Zinsaufwands spürbar sein. Hinsichtlich des Zinsertrags erwarten wir eine Steigerung von gut 10 Prozent. Dieses zusätzliche Wachstum wird von zwei Hauptfaktoren getrieben. Zum einen führte die Zinserhöhung Ende Juni dazu, dass sämtliche variable Hypotheken im Verlauf des zweiten Halbjahres teurer wurden, was die Zinserträge der Banken erhöhte. Andererseits sind auch wieder einige langfristige Festhypotheken ausgelaufen, die nun zu stark erhöhten Zinssätzen verlängert werden.

Abbildung 2 zeigt die Zinsmargen nach Bankengruppen von 2014 bis 2022 sowie die Prognose für das Jahr 2023. Seit 2014 haben wir Jahr für Jahr über die konstant rückläufige Zinsmargen berichtet. So lag die Zinsmarge im Durchschnitt aller Banken im Jahr 2014 noch bei 1.31 Prozent. Ende 2022 betrug die Zinsmarge noch durchschnittlich 1.11 Prozent. Nun zeigt sich, dass sich vermutlich innerhalb eines Jahres der Rückgang der Margen der vergangenen acht Jahre rückgängig gemacht werden wird. Gemäss unserer Prognose werden die Zinsmargen der 90 Retailbanken im Jahr 2023 durchschnittlich zwischen 1.30 und 1.35 Prozent liegen.

Abbildung 2: Zinsmargen nach Bankengruppen, 2014 bis 2023 (Prognose; Daten: siehe Abb. 1)

In dieser Prognose sind jedoch nicht alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigt, darunter insbesondere Wettbewerbsfaktoren (und infolgedessen der mögliche Druck auf die Zinssätze für Kundeneinlagen) sowie die potenzielle Rückzahlung von fälligen Hypotheken durch Kunden aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus. Trotzdem zeigt sich, dass der langanhaltende Trend sinkender Zinsmargen, der sich bei den Retailbanken in dieser Form schon seit 2007 fortsetzte, nun gebrochen ist. Die Banken holen sich in einem Jahr (mindestens) acht Jahre dieser Entwicklung zurück.

IFZ Retail Banking-Studie 2023

Der vorliegende Text beruht auf einem Auszug aus der IFZ Retailbanking-Studie 2023. Die 240-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2023» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.

Definition der Zinsmarge

Die Zinsmarge misst das Verhältnis zwischen dem Ergebnis aus dem Zinsdifferenzgeschäft und einem Teil der Bilanzsumme. Die Kennzahl zeigt als eine Art «Gesamtkapitalrendite» des Zinsgeschäfts auf, wie gut die Bank aus dem Ausleihen und Entgegennehmen von Geldern Erträge generieren kann. Die Zinsmargen werden anhand der folgenden Formel berechnet: Nettoerfolg aus dem Zinsengeschäft geteilt durch die Summe der Hypothekarforderungen, der Forderungen gegenüber Kunden sowie der Finanzanlagen.
Einerseits basiert die neue Berechnung auf dem Nettoerfolg des Zinsengeschäfts und nicht mehr
auf dem Bruttoerfolg. Andererseits wird nun nicht mehr die gesamte Bilanzsumme als Nenner beigezogen. Die Einschränkung auf die Positionen Hypothekarforderungen, Forderungen
gegenüber Kunden sowie Finanzanlagen soll die Vergleichbarkeiten erhöhen.


[1] SNB (2023). Datenportal der Schweizerischen Nationalbank. Online (30.10.2023): https://data.snb.ch/de/topics/ziredev/cube/zikredlauf

[2] SNB (2023). Datenportal der Schweizerischen Nationalbank. Online (30.10.2023): https://data.snb.ch/de/topics/banken/cube/babilhypfibvua?fromDate=2013&toDate=2022&dimSel=BELEHNUNG(T),ZINSSATZFESTVARIABEL(T,FVZ),BANKENGRUPPE(S10)

[3] Ein weiterer Aspekt, welcher nicht weiter vertieft wird, ist die Verzinsung der Sichtguthaben der Banken zur Erfüllung der Mindestreserven bei der SNB. Die Verzinsung der Sichtguthaben erfolgt abgestuft. Bis zu einer bestimmten Limite werden die Sichtguthaben zum Leitzins verzinst. Darüber erfolgt ein Zinsabschlag von aktuell 50 Basispunkten. Am 30. Oktober 2023 gab die SNB bekannt, dass die Limite für die Verzinsung der Sichtguthaben zum Leitzins per 1. Dezember 2023 reduziert wird. Zudem werden die Mindestreserven bei mindestreservepflichtigen Girokontoinhabern ab Dezember überhaupt nicht mehr verzinst. Diese Massnahmen werden den Zinsaufwand der SNB reduzieren und können abhängig von der aktuellen Ausschöpfung der Limite bei der SNB sowie alternativen Anlagemöglichkeiten auch Einfluss auf die Zinserträge der Banken haben. Vgl. SNB (2023). Medienmitteilung: SNB nimmt Anpassungen bei der Verzinsung von Sichtguthaben vor. Online (30.10.2023): https://www.snb.ch/de/news-publications/media-releases.

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